Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 IV 166



91 IV 166

44. Urteil des Kassationshofes vom 24. September 1965 i.S. Schwarb gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. Regeste

    Verfall unrechtmässiger Vermögensvorteile. Art. 24 des Bundesbe
schlusses vom 21. Dezember 1960 über Mietzinse für Immobilien und die
Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodu kte; Art. 59 Abs. 1 StGB;
Art. 271 BStP.

    1.  Auf eine Nichtigkeitsbeschwerde, welche die Heraus gabe
unrechtmässiger Vermögensvorteile an den Kanton zum Geg enstande hat,
ist ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitwertes ein zutreten.

    2.  Der Empfänger unrechtmässiger Vermögensvorteil e, die durch eine
Widerhandlung gegen Preis- oder Mietzinsvorsch riften erlangt wurden, kann
ungeachtet seiner Vermögensverhältniss e zur Bezahlung eines entsprechenden
Betrages an den Kanton verpflichtet werden.

Sachverhalt

    A.- Schwarb vermietete in den Räumen seiner Liegenschaft Birsigstrasse
82 in Basel Schlafstellen an ausländische Arbeiter. In der Zeit vom
1. Juli 1961 bis 30. September 1962 forderte er für das Bett zuerst einen
monatlichen Mietzins von durchschnittlich Fr. 73.50, dann einen solchen
von Fr. 60.-, obschon er im erwähnten Zeitraum nach einem Entscheid der
zuständigen Mietzinskontrollbehörde im Durchschnitt nur Fr. 45.- hätte
verlangen dürfen. Er erzielte dadurch einen widerrechtlichen Gewinn von
insgesamt mindestens Fr. 8000.--.

    B.- Das Polizeigericht des Kantons Basel-Stadt verurteilte Schwarb
am 2. März 1965 wegen Widerhandlung gegen Art. 6 der Verordnung
des Bundesrates über Mietzinse und Kündigungsbeschränkung vom 11.
April 1961 gestützt auf Art. 22 des Bundesbeschlusses über Mietzinse für
Immobilien und die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte vom 21.
Dezember 1960 zu einer Busse von Fr. 400.--. Ferner verpflichtete es den
Verurteilten in Anwendung von Art. 24 des erwähnten Bundesbeschlusses,
vom unrechtmässig erlangten Vermögensvorteil den Betrag von Fr. 4000.--
an den Kanton Basel-Stadt zu bezahlen.

    Schwarb legte gegen dieses Urteil mit Bezug auf seine Verpflichtung zur
teilweisen Herausgabe des Vermögensvorteils Berufung ein. Der Ausschuss
des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt bestätigte am 2. Juli
1965 unter Übernahme der erstinstanzlichen Begründung das Urteil des
Polizeigerichts.

    C.- Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das
Urteil des Appellationsgerichts-Ausschusses insoweit aufzuheben, als es
ihn zur Zahlung von Fr. 4000.-- an den Kanton Basel-Stadt verpflichtete.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die gestützt auf Art. 24 des Bundesbeschlusses über Mietzinse
für Immobilien und die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte
vom 21. Dezember 1960 in einem Strafverfahren angeordnete Herausgabe
des unrechtmässig erlangten Vermögensvorteils an den Kanton ist ebenso
wie der Verfall von Geschenken und andern Zuwendungen nach Art. 59 StGB
eine Massnahme, die um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen
verhängt wird, nicht der Befriedigung eines zivilrechtlichen Anspruches
dient. Art. 271 BStP trifft somit nicht zu. Es ist daher ohne Rücksicht
auf die Höhe des vom Betroffenen zu bezahlenden Betrages und darauf, ob
der Kassationshof auch mit dem Strafpunkt befasst ist, auf die Beschwerde
einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe kein Vermögen und
dürfe daher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 59 Abs. 1
StGB, die in gleicher Weise auch bei der Anwendung des Art. 24 des
Bundesbeschlusses über Mietzinse für Immobilien vom 21. Dezember 1960
gelten müsse, nicht zur Herausgabe unrechtmässig erlangter Vorteile an
den Staat verurteilt werden. Der Entscheid (BGE 79 IV 114), auf den sich
der Beschwerdeführer beruft, trifft jedoch im vorliegenden Falle nicht zu.

    a) Das Strafgesetzbuch kennt keine allgemeine Bestimmung über den
Verfall unrechtmässiger Vorteile, die der Täter aus der strafbaren
Handlung zu Eigentum erlangt hat. Der Grund liegt darin, dass der durch
die strafbare Handlung Geschädigte vom Anspruch auf Schadenersatz, der
ihm gegenüber dem Täter zusteht, regelmässig Gebrauch macht, wodurch die
widerrechtliche Vermögensverschiebung ausgeglichen wird (vgl. BGE 74 IV
23 f.). Art. 59 Abs. 1 StGB, der nur Zuwendungen zum Gegenstand hat,
die gemacht wurden, um eine strafbare Handlung zu veranlassen oder zu
belohnen, betrifft einen Fall, in dem die Erlangung des unrechtmässigen
Vorteils keine Schadenersatzpflicht entstehen lässt, da die Zuwendung
freiwillig gemacht wird, der Leistende also nicht im Sinne des Art. 41 OR
widerrechtlich geschädigt ist. Der Empfänger soll daher, wenn die Zuwendung
nicht mehr vorhanden ist, auch dem Staate den erhaltenen Wert nur in dem
Umfange ersetzen müssen, als er noch bereichert ist. Bereichert ist er
aber normalerweise nicht mehr, wenn er kein Vermögen besitzt, weshalb
unter dieser Voraussetzung Art. 59 Abs. 1 StGB nach der Rechtsprechung
(BGE 79 IV 115) keine Anwendung findet.

    b) Nach Art. 24 Abs. 1 des Bundesbeschlusses über Mietzinse für
Immobilien vom 21. Dezember 1960 kann der Richter u.a. den Beschuldigten,
der durch eine Widerhandlung einen unrechtmässigen Vermögensvorteil
erlangte, ohne Rücksicht auf dessen Strafbarkeit zur Bezahlung eines dem
Vorteil entsprechenden Betrages an den Kanton verpflichten. Ziel dieser
Bestimmung ist, Widerhandlungen gegen Preis- und Mietzinsvorschriften
wirtschaftlich unrentabel zu machen (Botschaft des Bundesrates vom
23. August 1960, BBl 1960 II 725). Dieser Zweck könnte in vielen Fällen
nicht erreicht werden, wenn die Abschöpfung des widerrechtlichen Gewinnes
nur insoweit zulässig wäre, als der Beschuldigte zur Zeit des Urteils
noch bereichert ist, hätte er es doch in der Hand, die aus der Tat
gezogenen Vorteile zu verbrauchen, ehe er zur Herausgabe verpflichtet
wird. Im Gegensatz zu den gemeinen Vermögensdelikten kommt es zudem
beim Bezug widerrechtlich erhöhter Mietzinse häufig vor, dass die
geschädigten Mieter ihre Schadenersatzforderung nicht geltend machen,
sei es, weil sie von der Widerhandlung des Vermieters keine Kenntnis
erhalten, sei es, weil sie gegen ihn nicht vorgehen wollen oder, falls
sie in die unerlaubte Mietzinserhöhung einwilligten und selber daraus
Vorteile zogen, zivilrechtlich nicht oder nur zum Teil geschützt würden
(vgl. BGE 85 IV 106 ff.). Gerade um zu verhindern, dass in solchen Fällen
der Täter oder Dritte unrechtmässig erzielte Gewinne behalten können,
sieht der Bundesbeschluss den Verfall des entsprechenden Betrages an den
Kanton vor. Der Vermieter soll also nicht daraus Nutzen ziehen, dass er
von den Geschädigten nicht belangt wird, sondern gleich gestellt sein,
wie wenn er diesen den Schaden hätte ersetzen müssen. Dass der Verfall
an den Kanton die nicht geltend gemachten oder nicht schützenswerten
Schadenersatzforderungen der Geschädigten ersetzt und infolgedessen
nicht auf die vorhandene Bereicherung beschränkt ist, ergibt sich auch
aus Art. 24 Abs. 1 Satz 2 des Bundesbeschlusses, wonach der Richter
nach seinem Ermessen darüber entscheidet, ob der festgestellte Betrag
des unrechtmässig erlangten Vermögensvorteils ausschliesslich dem Kanton
verfalle oder ob er statt dessen ganz oder teilweise den Geschädigten als
Schadenersatz herauszugeben sei. Der Gesamtbetrag, den der Verurteilte
zu zahlen verpflichtet wird, bleibt demnach der gleiche, wie immer der
Richter die Verteilung vornehmen mag.

    Die Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Bezahlung von Fr. 4000.--
an den Kanton verletzt daher auch dann nicht Bundesrecht, wenn er, wie er
behauptet, im Zeitpunkt des kantonalen Urteils kein Nettovermögen gehabt
haben sollte.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.