Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 IV 136



91 IV 136

36. Urteil des Kassationshofes vom 6. Mai 1965 i.S. Porta gegen
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft. Regeste

    Art. 220 StGB, Täterschaft bei Entziehung und Vorenthalten von
Unmündigen.

    Täter kann auch der Ehegatte sein, dem das Kind bei der richterlich
bewilligten Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes durch Zuteilung an den
andern Ehegatten weggenommen wurde.

Sachverhalt

    A.- Durch Verfügung vom 9. November 1964 bewilligte der
Gerichtspräsident von Arlesheim als Eheschutzrichter gestützt auf Art. 169
ZBG die Aufhebung des ehelichen Haushaltes der Eheleute Porta-Mahnig,
sprach die Kinder Manuela, geboren 1961, und Giovanni, geboren 1964, für
die Dauer der Trennung der Ehefrau zur Pflege und Erziehung zu, setzte
die vom Ehemann zu zahlenden Unterhaltsbeiträge fest und ordnete sein
Besuchsrecht. Am 18. Dezember 1964 erschien Porta unter dem Vorwand, sein
Besuchsrecht ausüben zu wollen, in der Wohnung der Ehefrau in Allschwil und
nahm die beiden Kinder mit sich. Statt sie der Ehefrau zurückzubringen,
führte er sie im Auto nach Gurro (Italien), wo er sie seinen Eltern
übergab, damit sie von diesen auferzogen würden. Seither befinden sie sich
in Gurro. Porta weigert sich, sie in die Obhut der Mutter zurückzubringen.

    B.- Auf Antrag der Ehefrau verurteilte das Strafgericht des Kantons
Basel-Landschaft Porta wegen Entziehung von Unmündigen im Sinne von
Art. 220 StGB zu vier Monaten Gefängnis und wies ihn gestützt auf Art. 55
StGB auf die Dauer von fünf Jahren aus der Schweiz aus. Das Obergericht des
Kantons Basel-Landschaft bestätigte am 12. März 1965 das strafgerichtliche
Urteil mit der Ausnahme, dass es die Landesverweisung aufhob.

    C.- Porta führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, ihn
freizusprechen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

    Nach Art. 220 StGB wird, auf Antrag, mit Gefängnis oder Busse bestraft,
wer eine unmündige Person dem Inhaber der elterlichen Gewalt entzieht
oder vorenthält. Zu entscheiden ist, ob der Täter auch der Ehegatte
sein kann, dem das Kind bei der richterlich bewilligten Aufhebung des
gemeinsamen Haushaltes durch Zuteilung an den andern Ehegatten weggenommen
wurde. Der Beschwerdeführer bestreitet dies; zu Unrecht. Wie in BGE
80 IV 70 ausgeführt wurde, besteht das Entziehen oder Vorenthalten im
Sinne der angeführten Bestimmung in einem Tun oder Lassen, durch das
der Inhaber der elterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt gehindert
wird, über die unmündige Person, insbesondere über ihren Aufenthaltsort,
ihre Erziehung, ihre Lebensgestaltung frei zu verfügen. Diese Befugnis
steht auf Grund der richterlichen Anordnung allein dem Ehegatten zu,
dem das Kind zugeteilt worden ist. Daher wird sie durch Art. 220 StGB
gegenüber dem andern Ehegatten in gleicher Weise wie gegenüber Dritten
geschützt. Dass dieser andere Elternteil nach herrschender Lehre
trotz Einschränkung in seiner Verfügungsberechtigung über die Kinder
noch als Mitinhaber der elterlichen Gewalt angesehen wird, ändert in
diesem Zusammenhang nichts. Entscheidend bleibt, dass ihm im Rahmen der
richterlichen Regelung das Recht entzogen ist, über den Aufenthalt, die
Pflege und Erziehung der Kinder zu bestimmen. Tut er dies gleichwohl,
indem er die Kmder dem Verfügungsberechtigten entzieht oder vorenthält,
so ist der erwähnte Straftatbestand nicht minder erfüllt, als wenn ein
Dritter Täter wäre. Die Verurteilung nach Art. 220 StGB erfolgte daher
zu Recht. Welches die Beweggründe zur Tatbegehung des Beschwerdeführers
einerseits und zur Erhebung des Strafantrages der Geschädigten anderseits
waren, ist dabei unerheblich. Sollte der Beschwerdeführer gemäss seinem
Vorbringen im kantonalen Verfahren wirklich der Meinung sein, die Kinder
würden von der Mutter nicht richtig gepflegt, so stünde es ihm frei, an
den Eheschutzrichter zu gelangen, um die Verhältnisse überprüfen zu lassen
und gegebenenfalls auf eine Änderung der bisherigen Massnahmen durch den
Richter hinzuwirken. Keinesfalls stand es ihm zu, das ihm Gutscheinende
eigenmächtig zu erzwingen.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.