Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 II 474



91 II 474

64. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Juli 1965
i.S. Schweizerische Genossenschaft für Gemüsebau Kerzers gegen den
Kanton Zürich. Regeste

    Haftung des Kantons für die Folgen des Überlaufens eines unter seiner
Hoheit stehenden öffentlichen Gewässers. Art. 664 und 679 ZGB. Art. 58 OR.

    1.  Ein Kanton kann nach Art. 679 ZGB oder nach Art. 58 OR für den von
einem öffentlichen Gewässer verursachten Schaden verantwortlich sein kraft
seiner Hoheit über das Gewässer (Art. 664 ZGB), gleichgültig ob er zudem
Eigentümer ist oder ob das Gewässer als herrenloses Gut zu gelten hat.

    "Natürlicher Bach" als öffentliches Gewässer nach zürcherischem Recht.

    Die Beweislast für Eigentum Privater am Bachbett trifft den auf
Schadenersatz belangten Kanton.

    (Erw. 2-4).

    2.  Eine Haftung des Staates aus Art. 679 ZGB kann sich nicht nur bei
Ausübung einer aus dem Privatrecht fliessenden Befugnis, sondern auch bei
Ausübung der staatlichen Hoheit ergeben, sofern sich die Schadensfolgen
ohne unzumutbare Aufwendungen hätten vermeiden lassen. (Erw. 5).

    3.  Der Werkeigentümer haftet nach Art. 58 OR nicht bloss für eine
Schädigung von Personen und beweglichen Sachen, sondern ebenso für eine
Schädigung benachbarter Grundstücke. Diese Haftung kann neben eine Haftung
aus Art. 679 ZGB treten oder für sich allein bestehen. (Erw. 6 und 7).

    4.  Ob die Anlage oder Herstellung eines Werkes als fehlerhaft
oder dessen Unterhalt als mangelhaft zu gelten habe, ist nach dem
Zweck zu entscheiden, zu dem es projektiert und errichtet wurde. -
Bei einer Geländemelioration in bestimmter Weise angelegtes und
dimensioniertes Bachbett als Werk zur Vermeidung von Überschwemmungen
auch bei Hochwasser. Sind Regengüsse von ungewöhnlicher Stärke als höhere
Gewalt zu betrachten? Frage im vorliegenden Falle verneint (Erw. 8).

Sachverhalt

                      Tatsachen (gekürzt):

    A.Die Klägerin betreibt den Gemüsebau auf einem in den zürcherischen
Gemeinden Otelfingen und Dänikon im Furttal gelegenen Gut, das teils
ihr gehört, teils ihr verpachtet ist. Das Gut grenzt südlich an den die
Talsohle von Osten nach Westen durchfliessenden Furtbach, südöstlich an
den von rechts in diesen mündenden Bennengraben, einen Bach aus einem
Einzugsgebiet von etwa 1,8 km2, welcher seinen Lauf bei einer Melioration
des Furttales einige Jahre nach dem Ende des ersten Weltkrieges erhielt.

    B.Am 13. Juni 1946 trat der Bennengraben bei Hochwasser über die
Ufer. Die Klägerin gelangte deshalb an die kantonalen Behörden. Sie
machte geltend, das aus dem Bennengraben ausgetretene Wasser habe
ihr Gebiet überschwemmt und dadurch einen Schaden von Fr. 23'000.--
verursacht, und verlangte verschiedene Verbesserungen an dem nach ihrer
Ansicht mangelhaften Wasserlauf. Es wurde ihr im Mai 1947 mitgeteilt,
die Gemeinde Buchs (durch deren Gebiet der Bennengraben zum Teil fliesst)
habe für den Unterhalt dieses Wasserlaufes zu sorgen und verschiedenen
Verbesserungsmassnahmen zugestimmt. Auf der rechten Bachseite werde der
oberhalb des den Bach überquerenden Mittelweges weggepflügte Damm wieder
anzuschütten sein. Die Bachsohle werde man jährlich mindestens zweimal
ausmähen. - Die Klägerin hatte zur Vermeidung von Überschwemmungen
ausserdem vorgeschlagen, den Bennengraben zu erweitern, die Dämme zu
erhöhen und die 80 cm Zementröhren bei der erwähnten Wegüberführung durch
solche von mindestens 100 bis 120 cm zu ersetzen.

    In den folgenden Jahren wurde weder das weggepflügte Dammstück wieder
angeschüttet noch der Durchlass beim Mittelweg erweitert. Wie es mit dem
Ausmähen und Ausräumen der Bachsohle gehalten wurde, ist umstritten.

    C.In der Nacht vom 25. auf den 26. Juni 1953 fiel in jener Gegend
starker Regen. Das Gut der Klägerin wurde überschwemmt. Die Klägerin
schrieb dies dem Umstande zu, dass das Wasser des Bennengrabens wegen
Mangelhaftigkeit dieses Zuleitungskanals über das rechte Ufer getreten
sei. Sie erklärte den Kanton Zürich als Eigentümer des Bennengrabens
haftbar für den an ihren Kulturen erlittenen Schaden, den sie mit
Fr. 98'900.-- angab.

    D.Demgemäss verlangte die Klägerin mit der am 18. April 1956 beim
Bundesgericht eingereichten Klage die kostenfällige Verurteilung des
Kantons Zürich zur Zahlung von Fr. 98'900.-- nebst Zins.

    Der Beklagte verlangte die kostenfällige Abweisung der Klage. Er lehnte
seine Haftung in erster Linie deshalb ab, weil er nicht Eigentümer des
Bennengrabens sei, und bestritt sodann das Vorliegen eines Haftungsgrundes
nach Art. 679 ZGB wie auch nach Art. 58 OR.

    E.Nach Abschluss des Schriftenwechsel durch Replik und Duplik fand
am 3. April 1958 eine Vorbereitungsverhandlung mit Einvernahmen und
Augenschein statt. In der ersten Hauptverhandlung vom 25. Juni 1959
wurde die Angelegenheit als nicht spruchreif befunden. Nach ergebnislos
gebliebenen Vergleichsverhandlungen beauftragte der Instruktionsrichter
am 5. Oktober 1961 zwei Experten mit der Abklärung und Begutachtung
verschiedener Fragen (Mängel der Anlage und des Unterhaltes des
Bennengrabens; Kausalzusammenhang solcher Mängel mit dem Schaden). Das
Gutachten ging am 29. September 1963 ein.

    Durch Teilvergleich vom 23. Juni /10. August 1964 setzten die Parteien
den Schadensbetrag auf Fr. 90'000.-- fest. Die Klägerin ermässigte ihr
Begehren dementsprechend.

    Am 7. Juni 1965 wurden zwei Ergänzungs- bezw. Erläuterungsfragen zum
Expertenbefund beantwortet.

    F.In der heutigen Verhandlung hat die Klägerin ihr auf den Hauptbetrag
von Fr. 90'000.-- ermässigtes Begehren erneuert und der Beklagte neuerdings
Abweisung der Klage beantragt.

    Das Bundesgericht heisst die Klage im Teilbetrag von Fr. 50'000.--
nebst Zins gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Klägerin stützt ihren Schadenersatzanspruch auf die durch Art.
679 ZGB begründete Verantwortlichkeit des Grundeigentümers und auf die
in Art. 58 OR vorgesehene Haftung des Werkeigentümers. Die behauptete
Ersatzpflicht des Beklagten setzt daher in erster Linie voraus, dass
es sich beim Bennengraben um ein Grundstück handelt, das im Eigentum
(ein beschränktes dingliches Recht wie insbesondere ein Baurecht,
BGE 88 II 264, kommt hier nicht in Betracht) oder doch (im Sinne des
Art. 664 Abs. 1 ZGB) "unter der Hoheit" des Kantons Zürich steht. Dieses
Hoheitsrecht greift Platz, wenn der Bennengraben ein öffentliches Gewässer
ist und nicht nachweisbar in jemandes Privateigentum steht (Art. 664
Abs. 1 und 2 ZGB und § 1 des Zürcher Wasserbaugesetzes vom 15. Dezember
1901, wonach als öffentliche Gewässer "alle Seen, natürlichen Teiche,
Flüsse und Bäche" gelten, "soweit sie nicht nachweisbar im Privateigentum
sich befinden"). Der Bennengraben untersteht dieser kantonalrechtlichen
Vorschri ft auch dann, wenn man das Beiwort "natürlichen" nicht bloss
auf die Teiche, sondern auch auf die "Flüsse und Bäche" bezieht. Denn
unter einem natürlichen Bach ist auch ein solcher zu verstehen, dessen
ursprünglicher Lauf nur zum Zwecke des bessern Abflusses verändert worden
ist. Als nicht "natürlich" sind Kanäle zu betrachten, die zu andern Zwecken
als dem blossen Ablauf des Quell-, Regen- und Schmelzwassers errichtet
worden sind, so etwa zum Betrieb einer Mühle oder einer Fischzucht. Der
Bennengraben dient nun, nach wie vor Veränderung seines Laufes, nichts
anderem als dem Ablauf des in der Umgebung seines obern Teiles fallenden
Regens und Schnees. Er hat diesen Charakter auch dadurch nicht verloren,
dass ihm im obern Teil Wasserläufe zugeleitet wurden, die früher ihren
Weg nach einer andern Seite hin genommen hatten.

Erwägung 3

    3.- Ist somit der Bennengraben ein öffentliches Gewässer im Sinne
des eidgenössischen wie des zürcherischen Rechtes, so hat der Kanton
Zürich im Rahmen der an das Eigentum geknüpften Haftungsgrundsätze
für Schaden einzustehen, der durch eine vom Bennengraben herrührende
Überschwemmung Dritten verursacht wird. Dafür ist nicht etwa notwendig,
dass ihm Eigentum im Sinne des Privatrechtes zustehe. Vielmehr gewährt
das staatliche Hoheitsrecht als solches (auch dort, wo öffentliche
Gewässer als herrenlose Sachen gelten) eine selbständige eigentumsähnliche
Sachherrschaft, welche die Anwendung des Art. 679 ZGB (und allenfalls auch
des Art. 58 OR) wenigstens grundsätzlich rechtfertigt (vgl. BGE 70 II 91,
76 II 131; MEIER-HAYOZ, N 69 zu Art. 679 ZGB; L'HUILLIER, La responsabilité
du propriétaire foncier selon l'art. 679 du CCS, ZSR NF 71/1952 S. 84a/85a,
mit zahlreichen Hinweisen).

Erwägung 4

    4.- Von dieser Haftung kann sich der Beklagte nicht durch blosse
Bestreitung seines Eigentums befreien. Vielmehr trifft ihn sowohl nach Art.
664 Abs. 2 ZGB wie nach § 1 des kantonalen Wasserbaugesetzes die Beweislast
dafür, dass der Bennengraben im Eigentum Privater stehe. Der Beklagte
behauptet denn auch, dieser Bach gehöre den beidseitigen Anstössern je bis
zur Mitte des Bachbettes. Er versucht dies, da im Gebiet des Bennengrabens
weder das eidgenössische Grundbuch eingeführt noch die Grundbuchvermessung
vorgenommen worden ist, wie folgt zu beweisen:

    a) In erster Linie verweist der Beklagte darauf, dass der Bennengraben
durch Land verläuft, das vor der Korrektion zweifellos Privateigentum
dargestellt habe. Gemäss einem Beschluss des Zürcher Regierungsrates vom 9.
Dezember 1916 sei bei Bachkorrektionen das Gewässer zu vermarken und dem
Staate zu übertragen. Eine solche Übertragung habe für den Bennengraben
nie stattgefunden.

    Dem ist entgegenzuhalten, dass das Fehlen eines förmlichen
Übertragungsaktes, zumal eines solchen des eidgenössischen Privatrechts,
nicht als Nachweis eines Eigentums Privater gelten kann. Die Ansicht
des Beklagten, zur Übertragung im Sinne jenes Regierungsratsbeschlusses
hätte es eines zivilrechtlichen Veräusserungsgeschäftes wie Kauf oder
Schenkung bedurft, trifft nicht zu. Angesichts des öffentlichen Zwecks
der Inanspruchnahme von Land für eine Gewässerkorrektion hat man es mit
einer nach kantonalem Rechte zu beurteilenden Enteignung zu tun. Hiefür
schreibt der erwähnte Regierungsratsbeschluss keine besondere Form vor,
sondern bestimmt in Dispositiv I: "Bei der Korrektion öffentlicher
Gewässer... geht das Areal des neuen Bachlaufes... samt den Böschungen
in das Eigentum des Staates." Das für eine Korrektion beanspruchte Land
geht somit unmittelbar durch die tatsächliche Inanspruchnahme, also durch
die Verlegung des Bachlaufes, aus dem Eigentum eines Privaten in dasjenige
des Kantons über (wobei die Frage der Entschädigung oder des Ausgleiches
durch Zuweisung von Land oder durch andere Vorteile hier nicht zu prüfen
ist; vgl. Art. 659 ZGB).

    Eine Ausnahme gilt nach § 3 Abs. 2 des Wasserbaugesetzes nur für
Böschungen und Dämme korrigierter Gewässer, welche (vorerst) "den
Anstössern überlassen wurden"; sie sind "nötigenfalls auf dem Wege der
Zwangsabtretung zu erwerben und abzumarken". Es liegt jedoch nichts
dafür vor, dass bei der Korrektion des Bennengrabens die Böschungen den
Anstössern überlassen wurden. Für das Gegenteil spricht der Umstand, dass,
wie der Augenschein ergeben hat, an zwei Stellen auf der Uferböschung
Marksteine sichtbar sind. Das lässt darauf schliessen, dass nach der
Korrektion eine Vermarkung im Sinne von § 3 Abs. 1 des Wasserbaugesetzes
stattfand, eben zum Zwecke, die Böschungen laut dieser Gesetzesnorm
"als Bestandteile des Fluss- oder Bachgebietes zu bezeichnen".

    b) Sodann beruft sich der Beklagte darauf, dass in gewissen
Kaufverträgen über anstossendes Land die Hälfte des Bennengrabens
mitverkauft wurde. So verkaufte am 16. Januar 1923 die Gemeinde Buchs der
Vereinigung für Innenkolonisation 5 ha 47 a 40 m Pflanzland, auf der einen
Seite grenzend "an die Strasse und an Bennengraben", und dazu "zehn Aren
60 m unproduktives Land, Hälfte des Bennengrabens". Das lässt jedoch auf
die wirklichen Eigentumsverhältnisse keinen sichern Schluss zu. Einmal
wurde für die in den Kaufverträgen als "unproduktives Land" bezeichneten
Teile des Bennengrabens jeweilen nichts bezahlt. Den Kaufparteien mochte
es daher als gleichgültig erscheinen, wer in Wahrheit Eigentümer des
Bennengrabens sei. Im übrigen kann nicht angenommen werden, sie hätten an
die Bedeutung dieser Frage für die Haftung aus Art. 679 ZGB und Art. 58
OR gedacht. Namentlich aber kann es auf die Meinung der Kaufparteien gar
nicht ankommen, da der die öffentlichen Gewässer beherrschende Kanton an
jenen Vertragsabschlüssen nicht mitwirkte.

    Der Beklagte verweist ferner auf den am 24. Mai 1929 erfolgten
Verkauf von Land durch die Gemeinde Otelfingen an die Klägerin. Darin
werden als Grenze des auf der Westseite des Bennengrabens gelegenen
Landes die jenseits dieses Grabens liegenden Grundstücke, also das
Ostufer, nicht etwa die Bachmitte, genannt. Die Beteiligten kümmerten
sich also anscheinend gar nicht um die am Bennengraben bestehenden
Eigentumsverhältnisse. Die Klägerin ihrerseits hat einen Kaufvertrag
vom 8. Mai und 25. Juni 1929 vorgelegt; danach grenzt das ihr von der
Gemeinde Otelfingen auf der Westseite des Bennengrabens verkaufte Stück
Land an jene auf der Ostseite gelegenen Grundstücke, zugleich aber "an
Bennengraben". Auch in einem Kaufvertrag vom 26. Juni 1929 zwischen der
Gemeinde Dänikon und der Klägerin ist angegeben, das Land grenze "östlich
an Bennengraben". Bei diesen Vertragsabschlüssen ging man offenbar davon
aus, der Bennengraben stehe in niemandes oder aber in des Staates Eigentum,
was nach dem Gesagten die objektiv richtige Meinung war.

    Dafür, dass der Kanton selbst den Bennengraben als im Eigentum
Privater stehend betrachtet hätte, liegt nichts vor. Vielmehr ergibt
sich aus verschiedenen Schriftstücken, dass sowohl die kantonale
Baudirektion (Abteilung für Wasserbau und Wasserrecht) wie auch die
kantonale Volkswirtschaftsdirektion (Meliorationsamt) den Bennengraben
ebenso wie den Furtbach als öffentliches, nicht im Eigentum Privater
stehendes Gewässer betrachtet haben.

    Für die Anwendung von Art. 679 ZGB und Art. 58 OR kommt es, wie
dargetan (Erw. 3), nur darauf an, dass der Bennengraben ein öffentliches
Gewässer ist, gleichgültig ob dieser Gegenstand des staatlichen
Hoheitsrechtes als herrenloses Gut zu gelten hat, oder ob dem Kanton
geradezu ein Eigentumsrecht daran zusteht. Bei der Schaffung des ZGB zählte
man die öffentlichen Gewässer zu den herrenlosen Sachen. Doch kam auch in
Kantonen, deren Einführungsgesetz zum ZGB dies nicht festlegte, mehr und
mehr die Auffassung auf, die Gewässerhoheit umfasse alle in den Schranken
der Rechtsordnung überhaupt zulässigen Herrschaftsbefugnisse, somit ausser
den aus dem öffentlichen Recht fliessenden besondern Befugnissen auch
die Rechte eines Eigentümers. Diese Auffassung wird von der Rechtslehre
gebilligt und hat sich (mit Abweichungen in einzelnen Punkten) auch in der
kantonalen Praxis Geltung verschafft, insbesondere im Kanton Zürich (vgl.,
ausser dem bereits angeführten Regierungsratsbeschluss vom 9. Dezember
1916: BlZR 31 Nr. 168; LIVER, Die Entwicklung des Wasserrechts in der
Schweiz seit hundert Jahren, ZSR NF 71 I 330-32). Dem Bennengraben kommt
somit die rechtliche Eigenschaft eines dem Kanton Zürich zu Eigentum
gehörenden öffentlichen Gewässers zu.

Erwägung 5

    5.- Das Bundesgericht hat nun freilich in BGE 61 II 327, Erw. 3, das
Gemeinwesen als Eigentümer öffentlicher Sachen nur insoweit der Haftung
nach Art. 679 ZGB unterstellt, als es eine aus dem Privatrecht fliessende
Befugnis ausübt, nicht dagegen, soweit es kraft des ihm zustehenden
Hoheitsrechts handelt. Auf dieser Betrachtungsweise beruhten bereits
BGE 43 II 268 und ein staaatsrechtlicher Entscheid vom 27. April 1934
i.S. Aufdermaur gegen Kanton Schwyz. Sie fand eine Stütze in gewissen
Äusserungen der Rechtslehre (HAAB, 2.A., N. 17 und 20 zu Art. 664 und N. 6
zu Art. 679 ZGB; LEEMANN, 2.A., N. 64 zu Art. 664 und N. 33 zu Art. 679
ZGB). Von anderer Seite wurde diese Begrenzung des Anwendungsbereiches
von Art. 679 ZGB jedoch kritisch gewürdigt und im allgemeinen abgelehnt
(vgl. GUHL, ZBJV 72 S. 541, der von einer "drolligen Unterscheidung"
spricht; ferner F. GUISAN, Le domaine public et le droit de voisinage,
JdT 1936 S. 298 ff.; LIVER, Die nachbarrechtliche Haftung des Gemeinwesens,
ZBJV 99 S. 241 ff., insbesondere S. 249; MEIER-HAYOZ, N 70/71 zu Art. 679
ZGB; FROELICHER, Die Abgrenzung der Haftung des Werkeigentümers nach
Art. 58 OR von der Verantwortlichkeit des Grundeigentümers nach Art. 679
ZGB, S. 99/100). Dieser Auffassung ist grundsätzlich beizustimmen. In der
Tat ist die Anwendung der nachbarrechtlichen Normen des ZGB (insbesondere
des Art. 684) und des damit zusammenhängenden Art. 679 (vgl. BGE 88 II
263 Erw. 3; 91 II 106) gegenüber dem Gemeinwesen (Staat oder Gemeinde)
auch dann nicht schlechthin auszuschliessen, wenn es sich um Auswirkungen
des Gemeingebrauches oder einer andern Art der Ausübung öffentlicher Gewalt
handelt. Gewiss ist der auf öffentlichem Recht beruhenden Zweckbestimmung
Rechnung zu tragen. Nachteilige Einwirkungen, die der bestimmungsmässige
Gebrauch öffentlicher Sachen für die Nachbarschaft mit sich bringt
und die sich nicht oder nicht leicht vermeiden lassen, sind durch das
Enteignungsrecht gedeckt und müssen hingenommen werden. An die Stelle der
zivilrechtlichen Klagen tritt hiebei der Anspruch auf öffentlich-rechtliche
Entschädigung, der sich nach den Grundsätzen des Enteignungsrechtes
bestimmt und vor den Enteignungsbehörden geltend zu machen ist (BGE 88
I 195 Erw. 2 und dort angeführte Entscheidungen). Damit ist aber nun im
Gegensatz zur erwähnten umstrittenen Rechtsprechung stillschweigend
anerkannt, dass die jenen gesetzlichen Rahmen überschreitenden
Einwirkungen öffentlicher Sachen - seien es Einwirkungen, die nicht
dem bestimmungsmässigen Gebrauch oder Betrieb zuzuschreiben sind, oder
solche, die zwar auf eine solche Verwendung der Sache zurückgehen,
sich jedoch mit einem zumutbaren Aufwand hätten vermeiden lassen -
nicht mehr durch die Ausübung öffentlich-rechtlicher Befugnisse zu
rechtfertigen sind und daher zur Anrufung des Art. 679 ZGB Anlass bieten
können. Auch das Gemeinwesen untersteht als Herr über unbewegliches Gut
dem Nachbarrecht, soweit der öffentlich-rechtliche Zweck jenes Gutes
keinen Eingriff in die für private Grundeigentümer geltende Ordnung
erfordert (vgl. F. GUISAN, aaO, p. 313). Entscheidend ist somit, ob
die übermässigen Einwirkungen auf Nachbargrundstücke bei der Erfüllung
öffentlicher Aufgaben unvermeidlich (oder doch nur mit unverhältnismässigen
Aufwendungen vermeidbar) sind oder nicht. Im ersten Fall ist der Nachbar
auf die Geltendmachung einer öffentlich-rechtlichen Entschädigung
nach Enteignungsgrundsätzen angewiesen, im zweiten kann er sich mit
einer Unterlassungs- und Schadenersatzklage nach Art. 679 ZGB zur Wehr
setzen. Auf dieser Betrachtungsweise beruhen, ausser der soeben erwähnten
staatsrechtlichen Entscheidung, auch neuere Urteile der II. Zivilabteilung
(i.S. Domaine du Rhône gegen Etat du Valais, Erw. 3, vom 17. September
1959, i.S. Fischereiverein Neptun gegen Viertelsgemeinde Schwarzenburg,
Erw. 6, vom 12. März 1964, und i.S. Consorzio sistemazione torrentizia,
Gordola, gegen Patelli und Kons., Erw. 1, vom 21. Januar 1964).

Erwägung 6

    6.- Im vorliegenden Falle sind jedoch die Voraussetzungen einer
Haftung des Kantons nach Art. 679 ZGB nicht erfüllt. Der Schaden wurde
nicht durch eine Handlungsweise des Beklagten herbeigeführt, wodurch er
sein Eigentumsrecht überschritten hätte; er traf vielmehr infolge eines
Naturereignisses, der ausserordentlichen Regenfälle im Einzugsgebiete
des Bennengrabens, ein. Der Grundeigentümer, der keine Massnahmen trifft,
um den schädlichen Folgen eines Naturereignisses vorzubeugen, kann nicht
auf Grund von Art. 679 ZGB belangt werden (Urteil der II. Zivilabteilung
vom 4. Februar 1965 i.S. Commune de Fribourg gegen Cuennet et cons.,
Erw. 2 S. 9).

    Dagegen liegt eine wesentliche Schadensursache im mangelhaften Zustand
des Bennengrabens, der über die Ufer trat und das Land der Klägerin
überschwemmte, weil

    (erstens) das Bachbett verkrautet und daher das Durchflussprofil
allgemein verkleinert war,

    (zweitens) der sog. Mittelwegdurchlass nur einen Durchmesser von 80
cm aufweis - und

    (drittens) der rechtsufrige Damm des Bennengrabens oberhalb des
Mittelwegdurchlasses um 20 bis 30 cm abgetragen worden war, sodass die
Sohlentiefe des Baches dort nur 1.20 bis 1.30 m (statt 1.50 m) betrug.

    Bei der Melioration hatte man den Lauf des Bennengrabens verlegt und
ein neues Bachbett angelegt. Die zu diesem Zweck erstellten Einrichtungen
(Bachbett, Damm, Durchlässe mit Einschluss des Mündungsbauwerkes)
erfüllen den Werkbegriff, wie ihn Lehre und Rechtsprechung entwickelt
haben (vgl. BGE 61 II 254; OFTINGER, Haftpflichtrecht Bd. II S. 31
ff.). Auch die Aufschüttungen links und rechts des Bachbettes sind
- entgegen der Auffassung des Beklagten - als Teile des Werkes zu
betrachten; denn von ihrer Höhe und Ausdehnung hangen die Sohlentiefe
und zum Teil auch das Durchflussprofil ab, so wie beides von den
Erstellern des neuen Bachbettes als erforderlich betrachtet wurde
(vgl. den Bericht des Kulturingenieurs des Kantons Zürich über die
Melioration des Furttales, 1920, S. 35; danach wurde die mittlere Tiefe
des Bennengrabens auf 1,50 m festgelegt). Dementsprechend fasste denn
auch das kantonale Meliorations- und Vermessungsamt im Frühjahr 1947
als eine der zu treffenden Massnahmen das "stellenweise Wiederanschütten
des weggepflügten Hochwasserdammes" am rechten Bachufer ins Auge. Der zu
geringe Durchmesser des Mittelwegdurchlasses sowie der sog. Dammabtrag
stellen also Werkmängel dar. Die Verkrautung des Bachbettes wirkte sich
in ähnlicher Weise aus, da sie das Durchflussprofil verengerte und somit
das Werk gleichfalls in einen mangelhaften Zustand versetzte. Dennoch
ist sie nicht als eigentlicher Werkmangel zu betrachten. An und für
sich ist sie eine natürliche Erscheinung, muss aber durch periodisches
Ausmähen immer wieder beseitigt werden, damit das Werk seinen Zweck zu
erfüllen vermag. Die Unterlassung dieser Unterhaltsarbeiten kann als
"mangelhafte Unterhaltung des Werks" gleichfalls unter Art. 58 OR fallen.

Erwägung 7

    7.- Im bereits (in Erw. 5) erwähnten Urteil BGE 61 II 323 ff.,
speziell S. 326, wurde indessen das Anwendungsgebiet des Art. 58 OR
gegenüber Art. 679 ZGB in der Weise abgegrenzt, dass sich die Haftung
aus Art. 58 OR auf die Schädigung von Personen und beweglichen Sachen
beschränke, die mit dem betreffenden Werk (zum Beispiel mit einer Strasse,
bei deren Benützung) in Berührung kommen; "für Einwirkungen dagegen,
die sich aus dem Vorhandensein der Strasse oder aus deren Benützung
auf die ihr benachbarten Grundstücke ergeben, findet diese Bestimmung
keine Anwendung." Bei solch enger Auslegung des Art. 58 OR könnte
sich die in ihrem Grundeigentum geschädigte Klägerin nicht auf diese
Bestimmung berufen, sondern nur auf den (unter den gegebenen Umständen,
wie dargetan, eine Haftung des Beklagten nicht rechtfertigenden)
Art. 679 ZGB. Zur Begründung hiefür wurde ausgeführt, ein in seinem
Grundeigentum Geschädigter habe sich nicht auf das Obligationenrecht,
sondern auf die sachenrechtlichen Normen, also auf das Nachbarrecht
und auf die zugehörige Haftungsnorm des Art. 679 ZGB zu stützen. Das
angeführte Urteil beruft sich auch in diesem Punkte auf das Präjudiz
i.S. Aufdermaur c. Schwyz (das seinerseits auf BGE 43 II 268 ff. verweist)
und auf die Entstehungsgeschichte der Art. 58 OR und 679 ZGB. Auch diese U
nterscheidung lässt sich nun aber nicht halten. Das Bundesgericht selbst
(und zwar die gleiche Zivilabteilung, welche das Urteil BGE 61 II 323
ff. gefällt hatte) ist davon im Urteil vom 28. März 1944 i.S. Gemeinde
Langwies c. Stadt Chur bereits abgewichen und hat die beklagte Gemeinde
auf Grund des Art. 58 OR zum Ersatz des Schadens verurteilt. der an den
Grundstücken der Klägerin durch einen Werkmangel (Bruch einer Stauanlage)
verursacht worden war (vgl. den Bericht hierüber im Zentralblatt für
Staats- und Gemeindeverwaltung 45/1944 S. 186 ff.). Sodann haben sich
mehrere Autoren mit zutreffenden Argumenten gegen jene Einschränkung der
Haftung für Werkmängel ausgesprochen (OFTINGER, Haftpflichtrecht II S. 16,
Fussnote 38; LIVER, Die nachbarrechtliche Haftung des Gemeinwesens,
ZBJV 99 S. 247, Fussnote 1; STARK, Das Wesen der Haftpflicht des
Grundeigentümers nach Art. 679 ZGB, S. 225; FROELICHER, aaO, S. 69). In
BGE 61 II 323 ff. Erw. 4 konnte von einer Anwendung des Art. 58 OR
deshalb abgesehen werden, weil "die fehlerhafte Herstellung der Strasse,
welche an sich geeignet wäre, eine Haftung des Beklagten aus Art. 58 OR
entstehen zu lassen", als Überschreitung des Eigentumsrechtes im Sinne
des Art. 679 ZGB erschien (dort S. 328 unten /329 oben). Die Werkmängel
sind aber richtigerweise, wenn sie ein benachbartes Grundstück schädigen,
unmittelbar nach Art. 58 OR als Haftungsgrund zu berücksichtigen. Es
steht dem Geschädigten also frei, neben Art. 679 ZGB den Art. 58 OR
anzurufen, sofern er diese beiden Haftungsgründe zugleich als gegeben
erachtet, oder aber bloss die eine oder andere dieser Gesetzesnormen,
sofern er nur den einen Haftungsgrund in Anspruch nehmen will. Nichts
zwingt dazu, bei der Schädigung eines benachbarten Grundstücks durch
ein mangelhaft angelegtes oder unterhaltenes Werk ausschliesslich Art.
679 ZGB anzuwenden und, wenn dessen Voraussetzungen nicht zutreffen, den
Entschädigungsanspruch überhaupt abzulehnen, in der Annahme, Art. 58 OR
beziehe sich nur auf eine Schädigung von Personen und beweglichen Sachen.
Eine derartige Begrenzung des Anwendungsgebietes des Art. 58 OR ergibt
sich weder aus dessen Wortlaut, noch liegen Gründe dafür vor, diese
Bestimmung so eng auszulegen. Auch die Entstehungsgeschichte der beiden
Bestimmungen bietet keinen Anlass hiezu. Denn daraus, dass man die Haftung
des Grundeigentümers für eine Überschreitung seines Eigent umsrechtes,
namentlich für Nachbarrechtsverletzungen, in das Sachenrecht verwies, folgt
keineswegs, dass ihn eine Haftung für Werkschaden nach Art. 58 OR nicht
treffen solle, wenn ein benachbartes Grundstück infolge eines Werkmangels
geschädigt worden ist. Es liegt unzweifelhaft im Sinne des Art. 58 OR und
ist denn auch unbestritten, dass der Werkeigentümer nicht bloss für eine
Verletzung von Personen, sondern auch für Sachschaden haftet. Warum dann
aber ein an Grundstücken angerichteter Schaden davon auszunehmen sei,
ist nicht einzusehen. Zuzugeben ist nur, dass in Schadensfällen solcher
Art oftmals die Anwendung des Art. 679 ZGB näher liegt, und dass es sich
bei Bejahung einer auf dieser Norm beruhenden Haftung erübrigt, auch
noch die Voraussetzungen eines Anspruchs aus Art. 58 OR zu prüfen. Es
besteht aber Anspruchskonkurrenz, und Art. 58 OR muss insbesondere dann
zur Geltung kommen, wenn nicht Eigentumsüberschreitung und Werkmangel
zugleich vorliegen, sondern der zweite Haftungsgrund allein gegeben ist,
wie im vorliegenden Falle.

Erwägung 8

    8.- Dass der zu eng dimensionierte Durchlass beim Mittelweg und
der sog. Dammabtrag auf dem rechten Ufer des Bennengrabens Werkmängel
sind, ist bereits in Erw. 6 gesagt worden und ergibt sich klar und
einleuchtend aus dem technischen Gutachten. Der Beklagte wendet zwar
ein, diese Unzulänglichkeiten des Bennengrabens seien deshalb nicht als
Werkmängel zu betrachten, weil die vorhandene Bachanlage normalerweise
ihren Zweck erfüllt habe und das Schadensereignis vom Juni 1953 ganz
ungewöhnlichen Niederschlagsmengen zuzuschreiben sei; es handle sich
dabei geradezu um höhere Gewalt, deren Auswirkungen man nicht mit
einem den normalen Anforderungen genügenden Abflussgraben habe vorbeugen
können. Der Bennengraben war jedoch als Zuleitungskanal von Anfang an seit
der Melioration ebenso wie der Hauptkanal des Furtbaches dazu bestimmt,
auch ungewöhnliche Niederschlagsmengen aufzunehmen und Überschwemmungen
bei Hochwasser zu verhüten. Deshalb pflegt man denn auch solche Anlagen,
an den Auswirkungen gewöhnlicher, häufig wiederkehrender Regenfälle (und
Schneeschmelzen) gemessen, überzudimensionieren. Derart aussergewöhnlich
waren übrigens die Regenfälle des Juni 1953 nicht, dass damit im Lauf der
Jahrzehnte schlechterdings nicht zu rechnen war. Von einer mit zumutbaren
Mitteln nicht abwendbaren höhern Gewalt kann daher nicht gesprochen werden
(vgl. zum Begriff der höhern Gewalt BGE 90 IV 270 Erw. 2 b, und 88 II 291
Erw. 3 c; OFTINGER, Haftpflichtrecht Bd I S. 101 ff. und Bd II S. 45/46
und 52). Das bestehende Kanalsystem des Furtbaches und des in ihn mündenden
Bennengrabens hätte übrigens zur Eindämmung und Ableitung des Hochwassers
vom Juni 1953 völlig hingereicht, wenn der Mittelwegdurchlass ebenso weit
dimensioniert gewesen wäre wie das offene Bachbett ober- und unterhalb
(oder wenn statt des Durchlasses an jener Stelle ein offenes Gerinne
bestanden hätte) und im übrigen der Bennengraben nicht verkrautet,
sondern gereinigt gewesen wäre (Gutachten S. 43 lit. d).

    Die Haftung nach Art. 58 OR muss somit Platz greifen, soweit die
Überschwemmung des Landes der Klägerin auf die erwähnten Werkmängel
zurückzuführen ist. Die weitere Schadensursache, nämlich der verkrautete
Zustand der Bachsohle (die ebenfalls zur Verkleinerung des freien
Durchflussprofils beitrug), scheidet dagegen als Haftungsfaktor aus. Der
Kanton wie auch die von ihm in entsprechendem Sinn angewiesene Gemeinde
Buchs haben in dieser Hinsicht das ihnen Obliegende getan. Diese Gemeinde
liess nämlich die Bachsohle jährlich zweimal, wie es ihr aufgegeben
worden war, ausmähen (was der damals im Amte stehende und der frühere
Gemeindepräsident als Zeugen glaubwürdig bestätigt haben). Diese Massnahme
ist auch nach dem Expertenbefund als normaler, ordentlicher Unterhalt
des Werkes zu betrachten.