Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 II 425



91 II 425

59. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Dezember 1965
i.S. Moret gegen Schweizerische Unfallversicherungs-Anstalt in Winterthur.
Regeste

    Schadenersatz bei Körperverletzung. Art. 46 Abs. 1 OR.

    1.  Die Entschädigung wegen Erschwerung des wirtschaftlichen
Fortkommens setzt einen wirtschaftlichen Nachteil für den Verletzten voraus
(Erw. 3).

    2.  Welche Verdienstverhältnisse sind bei der Berechnung der künftigen
Erwerbseinbusse massgebend? (Erw. 4).

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Bei der umstrittenen Schadensberechnung ist vorerst der Anspruch
zu prüfen, den der Kläger für Nachteile der Arbeitsunfähigkeit und
Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens in der Zeit zwischen der
vollen Aufnahme der Arbeit am 16. Februar 1960 und dem von den Parteien
anerkannten Stichtag vom 30. Mai 1965 erhebt.

    a) Die Vorinstanz hält fest, im genannten Zeitraum sei eine
Lohneinbusse des Klägers oder auch nur eine Beeinträchtigung der
Erwerbsfähigkeit nicht nachgewiesen. Der Kläger könne und wolle
seine bisherige Arbeitsstelle beibehalten und komme in den Genuss
der regelmässigen Lohnerhöhungen, ohne dass ihn der Arbeitgeber
begünstige. Wesentliche Sitzbeschwerden während der Arbeit seien
ebenfalls nicht dargetan. Der Kläger wendet hiegegen ein, dass es an einer
Erwerbseinbusse fehle, dürfe nicht entscheidend sein. Wegen schmerzhafter
Beschwerden und verminderter Erwerbsfähigkeit sei er mit Fr. 6'191.25,
d.h. während 5 Jahren und 3 1/2 Monaten mit 50 Rappen pro Arbeitsstunde,
zu entschädigen.

    b) Die Vorbringen des Klägers in der Berufungsschrift wären
durchschlagend und die von ihm begehrte Entschädigung gutzuheissen,
wenn Körperverletzungen an sich einen Schaden im Sinne des Gesetzes
darstellten. Dies trifft jedoch nicht zu. Als Schaden nach Art. 46 OR
ist neben den hier nicht umstrittenen Kosten nur die aufgehobene oder
verminderte Arbeitsfähigkeit sowie die Erschwerung des wirtschaftlichen
Fortkommens zu entschädigen, soweit sie wirtschaftliche Nachteile für den
Verletzten mit sich bringt. Nichtökonomische Beeinträchtigungen können -
wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind - höchstens zum Zuspruch
einer Genugtuungssumme führen (OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht
Bd. I S. 189; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 16 zu Art. 46 OR).

    Die Arbeitsfähigkeit des Klägers war nach den verbindlichen
Feststellungen des Obergerichtes nicht herabgesetzt. Aber auch
sein wirtschaftliches Fortkommen wurde im fraglichen Zeitraum nicht
beeinträchtigt. Frühzeitige Abnützungserscheinungen lagen bei ihm nicht
vor und er war, anders als der Verletzte im angerufenen Entscheid des
Bundesgerichtes vom 20. Dezember 1960 in Sachen Darbre gegen Antenen,
nicht zu höhern Auslagen als bisher gezwungen, wie sie eine besondere
Lebensweise oder aussergewöhnliche Anschaffungen für die Ausübung der
Berufstätigkeit mit sich bringen. Endlich hält der Vergleich, den der
Kläger mit einer beinamputierten Hausfrau anstellt, nicht stand; diese
kann in der Regel daraus einen Anspruch ableiten, dass sie einen grössern
Zeitaufwand benötigt, um die bisher verrichteten Arbeiten zu erledigen,
was für den Kläger nicht zutrifft.

    c) Bei dieser Sachlage sind die zeitweilig auftretenden Schmerzen nicht
durch eine Entschädigung wegen Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens
auszugleichen, sondern durch Zuerkennung einer Genugtuungssumme. Das ist
mit Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 3. Juni 1965 geschehen;
die Vorinstanz hat daher nicht Bundesrecht verletzt, wenn sie für die
Zeit bis zum Stichtag des 30. Mai 1965 die Gutheissung eines Anspruches
für Invalidität ablehnte.

Erwägung 4

    4.- In Bezug auf den künftigen Schaden, der allenfalls nach dem
Stichtag vom 30. Mai 1965 entsteht, hat die Vorinstanz eine Erschwerung
des wirtschaftlichen Fortkommens in der zweiten Hälfte der verbleibenden
mittleren Aktivitätsdauer angenommen, was bei 20%-iger Invalidität
und Fr. 10'000.-- Jahresverdienst eine kapitalisierte Rente von
Fr. 14'000.-- ergab. Diesem Posten rechnete sie eine unbestrittene
Forderung für Verdienstausfall bis zum 15. Februar 1960 von Fr. 5'517.45
zu; der haftpflichtversicherte Gesamtanspruch des Klägers betrug
demnach Fr. 19'517.45. Den Fr. 19'517.45 stand aber - nach Bildung der
sogenannten identischen Schadensposten - ein Regressanspruch der Suva
von Fr. 29'147.20 gegenüber, sodass ein Restanspruch für den Kläger
ausblieb. Diese Berechnung hält der Kläger für unrichtig. Er macht für
herabgesetzte Erwerbsfähigkeit Fr. 33'555.-- geltend; das entspricht einem
kapitalisierten Lohnausfall ab 30. Mai 1965 von Fr. 1.- pro Arbeitsstunde.

    a) Inwieweit der obergerichtliche Entscheid, wonach die körperliche
Beeinträchtigung des Klägers sich erst in der zweiten Hälfte der mittleren
Aktivitätsdauer auf seine Erwerbsfähigkeit auswirken werde, Bundesrecht
verletzen soll, ist nicht ersichtlich. Die Vorinstanz stützt sich auf
die Feststellung, dem Kläger sei seit der vollständigen Aufnahme der
Arbeit im Februar 1960 kein Schaden erwachsen und eine nachteilige
Änderung seiner Verdienstverhältnisse, insbesondere durch Verlust
des Arbeitsplatzes oder durch eine auf den Unfall zurückzuführende
Verschlechterung des körperlichen Zustandes, sei auch in den nächsten
Jahren nicht zu befürchten. Mit ihrer Schlussfolgerung, eine Beschränkung
der Arbeitsfähigkeit des Klägers trete unter solchen Umständen erst nach
Ablauf der ersten Aktivitätsdauer im Jahre 1975 ein, hält sie sich im
Rahmen des ihr in Art. 42 Abs. 2 OR eingeräumten Ermessens.

    b) Der Kläger rügt dagegen zu Recht, die Vorinstanz hätte den
Kapitalwert einer 20%-igen Invalidenrente für die zweite Hälfte der
mittleren Aktivitätsdauer auf Grund der zukünftigen Verdienstverhältnisse
und nicht auf Grund des Lohnes von Fr. 4.10 pro Stunde im Juli 1963
berechnen müssen. Auszugehen wäre dabei vom Stundenlohn des Klägers am
30. Mai 1965, der - was nicht abgeklärt worden ist - sehr wahrscheinlich
den Lohn vom Juli 1963 übersteigt. Im weitern wäre zu prüfen, ob der
mittlere Verdienst während der zweiten Aktivitätsperiode noch höher zu
veranschlagen ist. Dabei müssten allfällige Verdienstverminderungen infolge
altersbedingter Abnahme der Leistungen berücksichtigt werden; nicht ins
Gewicht fiele eine bloss teuerungsbedingte Steigerung des Einkommens.

    Eine Rückweisung der Streitsache an die Vorinstanz zur
Vervollständigung des Tatbestandes kann jedoch unterbleiben, da
die unvollständige Feststellung für die Beurteilung unerheblich
ist. Ein Anspruch des Klägers, der die Regressforderung der Suva von
insgesamt Fr. 29'147.20 übersteigt und im übersteigenden Betrag zu
berücksichtigen wäre, ist nämlich nur denkbar, wenn sich der Stundenlohn
eines Hilfsmechanikers - ohne Berücksichtigung der teuerungsbedingten
Steigerung - auf mehr als Fr. 7.20 pro Stunde erhöhte. Zu einer solchen
Annahme fehlt heute jeder Anhaltspunkt. Der Kläger selber legt seiner
Berechnung bloss einen künftigen Stundenansatz von Fr. 5.60 zu Grunde.
Damit bleibt sein Haftpflichtanspruch weit unter dem Regressanspruch der
Suva von Fr. 29'147.20, wie folgende Berechnung zeigt:

    für Verdienstausfall bis 15. Februar 1960     Fr. 5'517.45

    für künftigen Arbeits- und Erwerbsausfall,

    2340 Stunden zu 5.60 = Fr. 13'104.--; davon

    20% = Fr. 2'620.80; 26.20 x den Koeffizien-

    ten 700 =     Fr. 18'340.--
          Total   Fr. 23'857.45

    c) Steht fest, dass dem Kläger kein Restanspruch zukommt, so fällt
auch sein Begehren für Entschädigung künftigen Schadens als unbegründet
dahin. Die weitere, von ihm aufgeworfene Frage, ob bei der Aufteilung der
Versicherungssumme von Fr. 50'000.-- die Leistungen der Suva an den Kläger
mit ihrem vollen Wert einzusetzen sind oder nur mit der tatsächlichen
Zahlung der Beklagten an die Suva, braucht nicht geprüft zu werden
(vgl. dazu BGE 90 II 186 Erw. 1).