Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 II 412



91 II 412

58. Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. Dezember 1965 i.S. der
Eheleute P. Regeste

    Eheschutz, Art. 169 ff. ZGB. Ist die Sperrung eines Grundbuchblattes
als Sicherungsmassnahme zulässig?

    1.  Eheschutzmassnahmen nach Art. 169 ff. ZGB unterliegen nicht der
Berufung an das Bundesgericht, wohl aber der Nichtigkeitsbeschwerde aus
einem der in Art. 68 OG vorgesehenen Gründe. (Erw. 1).

    2.  Welche Massnahmen kann der Richter im Verfahren nach Art. 169
ff. ZGB treffen? (Erw. 2).

    3.  Kann der Richter die Sperrung eines Grundbuchblattes verfügen:

    a)  als vorsorgliche Massnahme im Scheidungsprozess, gemäss Art. 145
ZGB? Frage offen gelassen;

    b)  als Eheschutzmassnahme nach Art. 169 ff. ZGB, um einem Ehegatten
die Benutzung einer ihm zugewiesenen Wohnung im Hause des andern Ehegatten
zu sichern? Frage verneint. (Erw. 3).

    4.  Kann der Richter das einem Ehegatten im Verfahren nach Art. 169
ff. ZGB zuerkannte Recht auf Benutzung einer solchen Wohnungals
persönliches Recht nach Art. 959 ZGB im Grundbuch vormerken
lassen? (Erw. 4).

    5.  Kassatorische Wirkung der Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 68
Abs. 1 lit. a OG. (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- In dem im Mai 1963 von der Ehefrau eingeleiteten Eheschutzverfahren
bewilligte ihr der Einzelrichter des Bezirks Bülach am 23. Oktober 1963
das Getrenntleben, wies ihr die eheliche Wohnung samt Hausrat in dem
im Eigentum des Ehemannes stehenden Hause zur Benützung zu, setzte dem
Ehemann eine Frist zum Verlassen des Hauses und stellte die Kinder unter
die Obhut der Ehefrau; dem Ehemann räumte er ein Besuchsrecht ein und
verpflichtete ihn zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von Fr. 900.--. Die
Ehefrau hatte in ihrem Gesuch auch eine über die Wohnliegenschaft zu
verhängende Kanzleisperre verlangt. Der Richter traf diese Massnahme
vorsorglich, hob sie aber wieder auf, da das dahingehende Begehren im
Laufe des Verfahrens zurückgezogen wurde.

    B.- Das Obergericht des Kantons Zürich, an das der Ehemann rekurrierte,
bestätigte am 20. Januar 1964 in der Hauptsache den erstinstanzlichen
Entscheid. Es verlegte den vom Ehemann einzuhaltenden Auszugstermin
und ermässigte die von ihm in bar zu leistenden Unterhaltsbeiträge auf
monatlich Fr. 450.--. Das Haus blieb der Ehefrau zugeteilt, jedoch mit
der Massgabe, dass sie die Mietzinseinnahmen aus einer ihr zugemuteten
Vermietung eines Teils des Hauses selber einziehen könne, was ihr bei
der Bemessung des Unterhaltsbeitrages des Mannes angerechnet wurde.

    C.- Am 16. März 1964 ersuchte die Ehefrau den Richter neuerdings um
Anordnung einer Grundbuchsperre. Sie wies darauf hin, dass der Ehemann das
Haus zum Verkauf ausgeschrieben habe. Der Einzelrichter des Bezirks Bülach
verfügte die Sperre sogleich vorsorglich und bestätigte sie am 11. Mai 1964
als Kanzleisperre im Sinne von § 29 der kantonalen Grundbuchverordnung.

    D.- Den gegen diese Verfügung gerichteten Rekurs des Ehemannes wies
das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 19. März 1965 ab,
im wesentlichen aus folgenden Gründen: Allerdings wurde es bisher als
unzulässig bezeichnet, im Eheschutzverfahren Massnahmen zur Sicherstellung
eines Vorschlagsanteils zu treffen; die Grundbuchsperre wurde "teilweise"
überhaupt verpönt. Im vorliegenden Falle geht es jedoch um die Sicherung
eines in einem vorausgegangenen Eheschutzverfahren bereits rechtskräftig
anerkannten Anspruchs der Ehefrau und des darauf beruhenden Besitzes. Die
Zuweisung der Wohnung an sie ist zwar an und für sich bereits vollzogen;
der Ehemann hat das Haus verlassen. Nachher ist aber die Ehefrau in ihrem
Wohnungsbesitz durch das Vorhaben des Ehemannes, über die Liegenschaft zu
verfügen, gestört worden. Gegen eine solche Gefährdung sind richterliche
Schutzmassnahmen zulässig, insbesondere kann eine Grundbuchsperre
verhängt werden. Voraussetzung hiefür ist die Glaubhaftmachung einer
Gefährdung oder eines widerrechtlichen Eingriffes. Die Gefahr eines
Hausverkaufes ist im vorliegenden Falle hinreichend glaubhaft gemacht. -
Die Ehefrau hat einen ihr rechtskräftig zuerkannten Anspruch auf die
heutige eheliche Wohnung. Dieser Anspruch wird nicht grundlos gemacht
durch das Angebot des Ehemannes, ihr und den Kindern, falls sie ausziehen
müssten, eine andere Wohnung zu beschaffen. Die bestehende Regelung
könnte nur durch einen neuen Eheschutzentscheid geändert werden. - Auch
die auf Einschränkung der Sperre gehenden Eventualanträge des Ehemannes
sind einstweilen nicht zu schützen. Würde ihm auch nur die Aufnahme
weiterer Grundpfanddarlehen gestattet, so wäre das Wohnrecht der Ehefrau
bereits gefährdet. Und ob ein Verkauf des Hauses dann zu bewilligen wäre,
wenn der Käufer die Verpflichtung einginge, das Wohnrecht der Ehefrau
des Verkäufers zu respektieren, könnte der Richter nur auf Grund eines
ihm vorgelegten bestimmten Vertrages prüfen. - Unbegründet ist endlich
die Einrede des Ehemannes, der Anordnung einer Grundbuchsperre stehe
die rechtskräftige Erledigung des im frühern Verfahren von der Ehefrau
gestellten dahingehenden Begehrens durch Rückzug entgegen. Seither haben
sich die Verhältnisse geändert. Das neue Begehren stützt sich auf einen
andern Sachverhalt.

    E. - Gegen diesen Entscheid hat der Ehemann folgende Rechtsmittel
ergriffen: eine Nichtigkeitsbeschwerde des kantonalen Rechtes, die
vorliegende Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht und eine
staatsrechtliche Beschwerde.

    a) Das kantonale Kassationsgericht hat die bei ihm eingereichte
Nichtigkeitsbeschwerde am 27. September 1965, soweit darauf einzutreten
war, abgewiesen. Die Begründung geht im wesentlichen dahin: Ob der
Ehefrau durch die Zuweisung der ehelichen Wohnung an sie, laut Verfügung
im vorausgegangenen Eheschutzverfahren, Ansprüche erwachsen seien, die
den Rechten des eingetragenen Grundeigentümers vorgehen, ist eine Frage
des eidgenössischen Zivilrechts, auf welche das Kassationsgericht nicht
eintreten kann. Sollte sie zu bejahen sein (worüber das Bundesgericht
im Verfahren der bei ihm erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde wird befinden
können), so verletzt der angefochtene Entscheid das kantonale Prozessrecht
nicht. Dieses sieht zum Schutz des Besitzes Anordnungen vor, welche die
Verfügung über bestimmte Vermögensstücke verhindern; dazu gehört auch die
Grundbuchsperre. Dem tatsächlichen Besitzer steht der Besitzesschutz auch
gegen den im Grundbuch Eingetragenen zu (Homberger, N 17 zu Art. 937 ZGB).

    b) Das staatsrechtliche Verfahren ist eingestellt worden.

    c) Mit der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde nach Art.  68 OG stellt
der Ehemann die Anträge: 1. der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und
die Angelegenheit an das Obergericht zurückzuweisen; 2. das Grundbuchamt
Bassersdorf sei anzuweisen, die bestehende Kanzleisperre, lastend auf
der Liegenschaft..., sofort zu löschen und aufzuheben.

    Die Ehefrau trägt auf Abweisung der Beschwerde an.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das Obergericht lässt offen, ob sich die nach
formell rechtskräftigem Abschluss eines Eheschutzverfahrens
verfügte Grundbuchsperre ebenfalls noch als (zusätzliche)
Eheschutzmassnahme oder aber als Vollstreckungsmassnahme (des kantonalen
Prozessrechts) kennzeichne. Jedenfalls handelt es sich nicht um eine
Zivilrechtsstreitigkeit, und daher ist der angefochtene Entscheid
kein der Berufung an das Bundesgericht unterliegender Endentscheid
im Sinne von Art. 48 OG. In der Tat ist das Eheschutzverfahren nach
Art. 169 ff. ZGB, wie mehrmals entschieden wurde, keine Streitigkeit
solcher Art; wohl aber ist es eine nach Massgabe von Art. 68 OG der
Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegende Zivilsache
(BGE 72 II 56, 80 I 308 Erw. 2, 85 II 288 Erw. 1; nicht veröffentlichtes
Urteil vom 6. Juli 1965 i.S. Joseph). Auch die vom Obergericht bewilligte
Grundbuchsperre ist richtigerweise als Eheschutzmassnahme zu betrachten,
gleichgültig ob sie in einem eigentlichen (zweiten) Eheschutz- oder in
einem sog. Befehlsverfahren angeordnet wurde. Denn sie bedeutet einen
zusätzlichen Eingriff in das Vermögen des Ehemannes zur Sicherung der als
Eheschutzmassnahme beschlossenen Zuweisung der ehelichen Wohnung an die
Ehefrau. Somit hat man es mit einer neuen (ergänzenden) Eheschutzmassnahme
zu tun.

Erwägung 2

    2.- Als Grund zur vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde wird Art. 68
Abs. 1 lit. a OG angerufen (Anwendung kantonalen statt des massgebenden
eidgenössischen Rechtes): Das Obergericht habe statt der bundesrechtlichen
Normen der Art. 169 ff. ZGB (Eheschutz) kantonales Prozessrecht
angewendet, nämlich § 372 (betreffend Vollstreckung eines gerichtlich
festgestellten Anspruchs) in Verbindung mit § 292 Ziff. 3 der Zürcher ZPO
(betreffend Schutz des Besitzes). Diese Rüge ist begründet, wenn die vom
angefochtenen Entscheid bewilligte Grundbuchsperre sich nicht unter die
nach Art. 169 ff. ZGB zulässigen Massnahmen einreihen lässt.

    Im Unterschied zu Art. 192 Abs. 2 des Vorentwurfs des eidgenössischen
Justiz- und Polizeidepartementes stellt das ZGB es in der Tat nicht in das
Ermessen des Richters, im Eheschutzverfahren nach fruchtloser Mahnung des
pflichtvergessenen Ehegatten schlechthin "die zum Schutze der Gemeinschaft
erforderlichen Massregeln" zu treffen. Vielmehr lässt Art. 169 Abs. 2
ZGB nur die "vom Gesetz vorgesehenen Massregeln" zu. Dadurch wird das
richterliche Ermessen, entsprechend dem Beschluss des Nationalrates
(Sten.Bull. 15 S. 652), bewusst eingeschränkt (vgl. EGGER, 2.A., N 7,
GMÜR, 2.A., N 29, und LEMP, N 17 Art. 169 ZGB). Wenn und solange keine
auf Ehescheidung oder -trennung gehende Klage hängig und daher Art. 145
ZGB nicht anwendbar ist, soll danach der Richter möglichst wenig in das
persönliche Eherecht eingreifen. Es ist ihm untersagt, einfach alles
vorzukehren, was ihm zum Schutz irgendwelcher Ansprüche eines Ehegatten
gegenüber dem andern als geeignet und angemessen erscheinen möchte. Der
Eheschutz ist grundsätzlich vom Gesetz in abschliessender Weise geordnet
(vgl. auch BGE 91 II 76 mit Literaturhinweis).

    Immerhin sind die in Art. 170 und 171 ZGB aufgestellten Normen nicht
erschöpfend. Es kann nicht Wille des Gesetzes sein, dass der Richter bei
Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes nach Art. 170 Abs. 1 ZGB sich darauf
beschränke, die Beiträge des einen Ehegatten an den Unterhalt des andern
nach Abs. 3 daselbst festzusetzen. Er muss auch die weitern Anordnungen
treffen, welche die neue Lage gebieterisch erfordert; Zuweisung der Kinder,
Festsetzung der Unterhaltsbeiträge für sie, Zuteilung von Mobiliar, und
dergleichen mehr (vgl. EGGER, aaO; GMUR, aaO N 29 a; LEMP aaO, der mit
Recht bemerkt, solche Massnahmen seien durch Auslegung der Art. 169 ff.
ZGB nach Art. 1 Abs. 1 ZGB gedeckt).

    Im übrigen kann das Eheschutzverfahren Anlass zu Massnahmen bieten,
die zwar ausserhalb des Rahmens dieser Normen selbst stehen, jedoch in
andern Bestimmungen des ZGB vorgesehen sind. So etwa die Entziehung der
Vertretungsbefugnis der Ehefrau (Art. 164 ZGB), die ihr zu erteilende
Bewilligung, einen Beruf oder ein Gewerbe auszuüben (Art. 167), die
Sicherstellung des Frauengutes (Art. 205 Abs. 2). Der Richter darf solche
Massnahmen mit den eigentlichen Eheschutzmassnahmen verbinden, sofern
die für jene geltenden besonderen Voraussetzungen erfüllt sind und er
hiezu nach kantonalem Recht, sei es ohnehin oder eben in Verbindung mit
Eheschutzmassnahmen, ebenfalls zuständig ist (vgl. LEMP, N 18 zu Art. 169
ZGB mit Hinweisen).

Erwägung 3

    3.- Die vorliegende Grundbuchsperre wird im angefochtenen
Entscheide ausschliesslich auf kantonales Prozessrecht gestützt. Der
Entscheid erklärt, das von der Ehefrau eingeleitete Verfahren betreffe
"einen Besitzesschutz im Rahmen von Vollstreckungsmassnahmen, bzw. eine
ergänzende Massnahme zur Sicherung des schon festgestellten Rechtes." Als
solche Massnahme falle - bei Glaubhaftmachung einer Gefährdung oder eines
widerrechtlichen Eingriffes, was hier zutreffe - auch die Grundbuchsperre
in Betracht. Diese Ansicht erweckt Bedenken.

    a) Daraus, dass der Ehefrau die eheliche Wohnung im Haus des Ehemannes
im frühern Eheschutzverfahren bereits (formell) rechtskräftig zugewiesen
wurde (mit dem solchen Schutzmassnahmen anhaftenden Vorbehalt der Aufhebung
oder Änderung beim Eintritt neuer Verhältnisse; Art. 172 ZGB), lässt
sich nichts für die Rechtsbeständigkeit der verfügten Grundbuchsperre
herleiten. Die Frage geht dahin, ob diese zusätzliche Massnahme zulässig
sei, wobei es keinen Unterschied ausmacht, ob sie gleichzeitig oder in
einem neuen Verfahren getroffen wird. Die Zuweisung der bisher von den
Eheleuten und den Kindern gemeinsam benutzten Wohnung an die Ehefrau war
im neuen Verfahren nicht mehr streitig. Ob die Ehefrau aber zur Sicherung
dieses ihr im Rahmen des Eheschutzes zuerkannten Wohnungsbesitzes und
-genusses eine Grundbuchsperre verlangen dürfe, ist eine Frage für sich.

    b) Als Grundbuchsperre wird im allgemeinen, und so auch im
angefochtenen Entscheid, eine unmittelbar an das Grundbuchamt gehende
richterliche Anweisung verstanden, auf einem bestimmten Hauptbuchblatt
bis auf weiteres oder während bestimmter Zeit oder bis zum Eintritt
eines bestimmten Ereignisses überhaupt keine Eintragung vorzunehmen (sog.
Kanzleisperre) oder eine einzelne Anmeldung oder Anmeldungen bestimmter Art
nicht durch Eintragung in das Hauptbuch zu vollziehen. Eine vollständige
Kanzleisperre ist dem eidgenössischen Zivilrecht unbekannt; dagegen sieht
es eine teilweise Grundbuchsperre in besondern Fällen vor (vgl. HOMBERGER,
N 2 ff. zu Art. 960 ZGB mit Hinweis auf die Spezialbestimmungen von
Art. 841 ZGB, Art. 42/43 des eidg. Enteignungsgesetzes, Art. 7 des
Bundesgesetzes vom 25. Juni 1930 über die Sicherstellung von Ansprüchen
aus Lebensversicherung inländischer Gesellschaften und Art. 137 SchKG). Von
solchen gesetzlichen Ausnahmefällen abgesehen, gewährt das ZGB einem
Dritten Schutz vor grundbuchlichen Verfügungen lediglich durch das Mittel
der Vormerkung gemäss Art. 959-961. Die Vormerkung sperrt das Grundbuch
nicht, verleiht aber den betreffenden persönlichen Rechten und den in
solcher Weise gesicherten Verfügungsbeschränkungen "Wirkung gegenüber
jedem später erworbenen Rechte" (Art. 959 Abs. 2 und Art. 960 Abs. 2
ZGB), und bei vorläufiger Eintragung wird "das Recht für den Fall seiner
spätern Feststellung vom Zeitpunkte der Vormerkung an dinglich wirksam"
(Art. 961 Abs. 2 ZGB). Ob das kantonale Recht befugt sei, als weitergehende
Sicherung vormerkbarer Rechte, oder sogar darüber hinaus als Sicherung
anderer Rechte, eine bundesrechtlich nicht vorgesehene Kanzleisperre
einzuführen, ist umstritten. Die Zürcher Grundbuchverordnung vom 26. März
1958 anerkennt die Einrichtung der "Kanzleisperre" in § 29, lautend:

    "Von Strafverfolgungs- und Gerichtsbehörden erlassene Kanzleisperren
nach kantonalem Prozessrecht sind im Grundbuch anzumerken und im
Eigentümerverzeichnis zu erwähnen. Sie schliessen im Umfange der Anordnung
jede Verfügung über das Grundstück aus."

    Die Zürcher ZPO ihrerseits bestimmt in § 293, dass im Befehlsverfahren
Anordnungen getroffen werden können, "durch welche der Beklagte in der
Verfügung über bestimmte Vermögensobjekte gehindert wird", und als Mittel
hiezu kann nach der Gerichtspraxis auch die Sperrung des Grundbuches
dienen (STRÄULI/HAUSER, Kommentar, 2.A., N 7 zu § 293 mit Hinweis auf BlZR
18 Nr. 29). Namentlich wenden die Zürcher Gerichte (und ihnen folgend
das Thurgauer Obergericht, ZBGR Bd. 28 S. 210) die Grundbuchsperre als
vorsorgliche Massregel nach Art. 145 ZGB im Ehescheidungsprozess an,
um auf solche Weise die güterrechtlichen Ansprüche desjenigen Ehegatten
zu sichern, der das eheliche Vermögen nicht in Händen hat. Dieser
Betrachtungsweise steht BGE 78 II 89 ff. gegenüber, wonach es nicht
zulässig ist, auf Grund von Art. 145 ZGB zur Sicherung einer Forderung der
Ehefrau aus ehelichem Güterrecht eine Verfügungsbeschränkung nach Art.
960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB auf einem Grundstück des Ehemannes vormerken zu
lassen; denn darin liege ein verschleierter Arrest, der beim Fehlen
der Voraussetzungen des Art. 271 SchKG zu verpönen sei. Wenn es sich
so verhält, darf vollends die weitergehende Sicherungsmassnahme einer
Grundbuchsperre nicht zugelassen werden. Dies hebt auch die redaktionelle
Bemerkung zum soeben erwähnten Entscheid in ZBGR 35 S. 112 hervor. Sie
nimmt im übrigen kritisch zum Entscheide Stellung und wirft die Frage
auf, ob es nicht doch im Sinne von Art. 145 ZGB liege, zur Sicherung
von Güterrechtsansprüchen eine Verfügungsbeschränkung und darüber
hinausgehend, wo es als angemessen erscheint, eine Grundbuchsperre
anzuordnen. So betrachtet, würde nach der erwähnten Bemerkung Art. 145
ZGB eine, nicht an die Voraussetzungen der Arrestnahme nach Art. 271
SchKG gebundene bundesrechtliche Sondernorm darstellen. Auf diesem
Gedanken beruht auch die aargauische Gerichtspraxis zu Art. 145 ZGB
(Aarg. Gerichts- und Verwaltungsentscheide 1957 S. 39/40 mit Hinweis auf
SJZ 1950 S. 110). HINDERLING (Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 2.A.,
S. 110) hält eine richterliche Verfügungsbeschränkung als Massnahme nach
Art. 145 ZGB ebenfalls für zulässig; dagegen verwirft er die Kanzleisperre
als eine dem Grundbuch fremde Einrichtung (Fussnote 79 daselbst). Gegen
die Einführung einer Kanzleisperre durch das kantonale Prozessrecht haben
sich auch die Behörden verschiedener Kantone ausgesprochen (angeführt bei
H.E. MÜLLER, Zur Frage der Grundbuchsperre im geltenden schweizerischen
Recht, Diss. Zürich 1942, S. 56; im gleichen Sinn der neuere Entscheid
des Luzerner Obergerichts, der die frühere Praxis bestätigt, in ZBGR
Bd. 28 S. 242, sowie u.a. WIELAND, N 2 zu Art. 960 ZGB und LEUCH, N 4
zu Art. 326 der Berner ZPO). Die gegenteilige Zürcher Praxis entspricht
in ihrem Grundgedanken der Auffassung von LEEMANN (SJZ 23/1927, S. 209
ff., Grundbuchsperren nach kantonalem Prozessrecht), der erklärt, die
richterlich verfügte Grundbuchsperre habe als prozessuale Massnahme
den gleichen Zweck wie die nach Art. 960 ZGB im Grundbuch vorzumerkende
Verfügungsbeschränkung. Sie bilde daher keine Abänderung, sondern eine
Verstärkung des bundesrechtlichen Instituts der Vormerkung; sie diene
einfach in noch wirkungsvollerer Weise zur Erhaltung des bestehenden
Zustandes hinsichtlich des Streitgegenstandes. Unzulässig sei es nur,
sie zur Sicherung einer Geldforderung zu verwenden (weshalb dieser
Autor die Anordnung einer Grundbuchsperre als Massregel nach Art. 145
ZGB zur Sicherung güterrechtlicher Ansprüche nicht billigt). Die
zürcherische Praxis zu Art. 145 ZGB geht, wie gesagt, weiter. Dagegen
hat sie bisher die Zulässigkeit einer Grundbuchsperre zur Sicherung von
Eheschutzmassnahmen als ausserhalb der Schranken des Art. 169 Abs. 2 ZGB
liegend abgelehnt (vgl. BlZR 49 Nr. 192, 51 Nr. 170, 55 Nr. 86, 57 Nr. 101
und 102). Im vorliegenden Fall erklärt nun aber das Obergericht, diese im
Eheschutzverfahren geübte Zurückhaltung gegenüber der Grundbuchsperre sei
"je und je als unbefriedigend empfunden worden."

    c) Das Bundesgericht hat die Frage, ob eine Grundbuchsperre ausserhalb
der besonderen bundesrechtlich vorgesehenen Fälle zulässig sei, in BGE
87 I 479 ff. nicht umfassend geprüft. Damals wurde (speziell S. 488
ff.) ausgesprochen, das Grundbuchamt habe eine vom Richter verfügte
teilweise Grundbuchsperre (nämlich das Verbot der Eintragung eines
bestimmten vom Grundeigentümer angemeldeten Kaufvertrages bis zur
rechtskräftigen Austragung eines Prätendentenstreites) zu beachten;
eine solche Sperre gehe weniger weit als ein - ebenfalls möglicher -
richterlicher Befehl an den Eigentümer, die betreffende Meldung einstweilen
überhaupt zurückzuziehen. (Grundsätzlich zustimmend H. HUBER, Redaktor der
ZBGR, in Bd. 44 S. 119; ablehnend die kritische Besprechung von LIVER,
ZbJV 98 S. 429 ff.: die Regelung des Art. 960 ZGB sei abschliessend;
"irgendwelche kantonalrechtlichen Ergänzungen oder Verstärkungen
sind dadurch ausgeschlossen"). HOMBERGER, N 2 und 7-9 zu Art. 960
ZGB, nimmt eine vermittelnde Stellung ein. Er unterscheidet von der
eigentlichen Grundbuchsperre (völlige oder teilweise Schliessung des
Hauptbuchblattes) die materiellrechtliche Beschränkung, welche eine sonst
verfügungsberechtigte Person hindert, eine grundbuchliche Verfügung
zu treffen. Eine solche "materielle Hinderung" wegen beschränkter
Verfügungsbefugnis des Berechtigten verpflichte den Grundbuchführer,
eine dennoch erfolgte Anmeldung abzuweisen, und wirke sich daher wie
eine Grundbuchsperre aus. Unter diesem Gesichtspunkt sei zu beachten,
dass eine Verfügungsbeschränkung nach Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB auch zur
Sicherung von Ansprüchen auf ein Unterlassen angeordnet werden könne. Der
genannte Autor nennt als Hauptanwendungsfall den durch die meisten
Prozessgesetze eingeräumten Anspruch auf Entzug der freien Verfügung
über den Streitgegenstand nach Klageanhebung. In solchen Fällen lasse
sich ein Verfügungsverbot vormerken, das auch der Grundbuchführer selbst
zu beachten habe. "In diesem Sinne" sei der zürcherischen Praxis und den
Ausführungen von H. LEEMANN, aaO, zuzustimmen.

    d) Zu diesen Literaturmeinungen braucht hier nicht Stellung genommen zu
werden. Es kann offen bleiben, ob es dem kantonalen Prozessrecht zustehe,
neben der richterlichen Verfügungsbeschränkung im Sinne von Art. 960 Abs. 1
Ziff. 1 ZGB ein stärkeres Sicherungsmittel in Gestalt einer richterlich
anzuordnenden Grundbuchsperre vorzusehen (besonders zur Verhinderung der
Veräusserung oder Veränderung des Streitgegenstandes), und es ist hier
auch nicht zu entscheiden, ob auf Grund von Art. 145 ZGB ohne Rücksicht
auf die der Arrestnahme durch Art. 271 SchKG gezogenen Schranken eine
Verfügungsbeschränkung oder sogar eine Grundbuchsperre zur Sicherung
fälliger oder erst in Zukunft fällig werdender Geldforderungen verfügt
werden dürfe. Der auf der Anwendung kantonalen Prozessrechts beruhende
angefochtene Entscheid hält jedenfalls aus folgenden Gründen nicht vor
dem Bundesrechte stand:

    Vom besondern Falle der im Scheidungsprozesse zu treffenden Massregeln
nach Art. 145 ZGB abgesehen, besteht auch bei den Befürwortern der
kantonalen Grundbuchsperre Einigkeit darüber, dass ihr nur die Aufgabe
einer verstärkten Verfügungsbeschränkung zukommt; sie soll die betreffenden
Verfügungen wirklich hindern, nicht nur die in Art. 960 Abs. 2 ZGB
vorgesehene Rangfolge eintreten lassen. Die Sperre ist also ebenso wie
die nach Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB vormerkbare Verfügungsbeschränkung,
wenn überhaupt, so doch nur "zur Sicherung streitiger oder vollziehbarer
Ansprüche" zulässig. Sie ist an die Voraussetzungen der nach dieser
bundesrechtlichen Norm vormerkbaren Verfügungsbeschränkung gebunden
(vgl. namentlich LEEMANN, aaO, und H. HUBER in ZBGR 35 S. 112,
der ausdrücklich erklärt, eine solche Kanzleisperre könne nur in
jenen Fällen angeordnet werden, wo auch eine Verfügungsbeschränkung
vormerkbar ist; vgl. auch Obergericht Aargau, Gerichtsentscheide 1963
S. 54 ff., insbesondere S. 61 oben). Nun hat aber Art. 960 Abs. 1 Ziff.
1 ZGB persönliche Ansprüche im Auge, die das betreffende Grundstück zum
Gegenstand haben: so namentlich Ansprüche auf Eigentumsübertragung, auf
Dienstbarkeits- oder Grundlasterrichtung, auf Vormerkung persönlicher
Rechte gemäss Art. 959 ZGB; Ansprüche also, die sich, wenn endgültig
anerkannt, grundbuchlich auswirken müssen. Blosse obligatorische Nutzungs-
und Benutzungsrechte, insbesondere Miete und Pacht, für welche die
Vormerkung gemäss Art. 959 ZGB nicht vereinbart ist, können sich auch bei
endgültiger Durchsetzung nicht grundbuchlich auswirken und fallen deshalb
ausser Betracht (HOMBERGER, N 11 zu Art. 960 ZGB). Um nichts anderes
aber handelt es sich im vorliegenden Falle. Der Ehefrau ist lediglich ein
persönliches Recht auf Nutzung und Benutzung der dem Ehemann gehörenden
Wohnliegenschaft eingeräumt worden. Ein Anspruch auf Unterlassung jeglicher
Verfügung des Eigentümers, wie Verkauf, Dienstbarkeitseinräumung oder
Grundpfandbelastung, steht ihr nicht zu. (Ein solcher Anspruch wäre
übrigens nicht einmal mit einem dinglichen Wohnrecht verbunden). Die vom
Obergericht angeordnete vollständige Kanzleisperre liegt somit ausserhalb
des Rahmens einer Verfügungsbeschränkung nach Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB,
und es hat daher die Anwendung der ihr zu Grunde liegenden Bestimmungen
des kantonalen Prozessrechts vor der derogatorischen Kraft des Bundesrechts
zu weichen.

    Die umstrittene Frage sodann, ob sich aus Art. 145 ZGB für die Dauer
eines Scheidungsprozesses Sicherungsansprüche besonderer Art herleiten
lassen, ist hier nicht zu erörtern (vgl. die Teile III und IV der Sammlung
Praxis zum schweizerischen Ehescheidungsrecht, bearbeitet von R. KEHL,
S. 57 ff.). Wie bereits dargelegt, gilt das dem Ehescheidungsrichter
nach Art. 145 ZGB zustehende freie Ermessen nicht im Bereich des
Eheschutzes. Dieser soll gerade auch dazu dienen, einen endgültigen
Bruch zwischen den Ehegatten zu vermeiden, und es ist das richterliche
Eingreifen eben deshalb durch Art. 169 Abs. 2 ZGB auf "die zum Schutz
der Gemeinschaft erforderlichen, im Gesetz vorgesehenen Massregeln"
beschränkt. Darin ist kein Raum für die Sicherung eines persönlichen
Nutzungs- und Benutzungsrechtes an einem Grundstück durch Vormerkung
einer Verfügungsbeschränkung oder durch eine Grundbuchsperre.

Erwägung 4

    4.- Eine Frage für sich bildet es, ob der Richter im Eheschutzverfahren
befugt sei, das einem Ehegatten zuerkannte Recht zur Benutzung
der ehelichen Wohnung (und unter besondern Umständen, wie sie hier
vorliegen, zur darüber hinausgehenden Nutzung der dem andern Ehegatten
gehörenden Wohnliegenschaft mit Anrechnung der Erträgnisse auf den
Unterhaltsanspruch) im Sinne von Art. 959 ZGB als vormerkbar zu erklären,
und ob der Grundbuchführer verpflichtet wäre, eine dahingehende Verfügung
zu befolgen. Eine solche richterliche Anordnung müsste sich als analoge
Anwendung der Bestimmungen über den Mietvertrag rechtfertigen lassen,
in dem Sinne, dass das dem einen Ehegatten zuerkannte Recht auf Benutzung
der ehelichen Wohnung einem Mietverhältnis besonderer Art gleichgeachtet
und ausserdem angenommen würde, der Richter könne die in Wirklichkeit
fehlende Vereinbarung der Vormerkung durch eine dahingehende amtliche
Verfügung ersetzen. Im vorliegenden Falle wurde nicht so vorgegangen,
so dass es sich erübrigt, die Möglichkeit einer solchen Regelung zu
erörtern. Sollte in einem Eheschutzverfahren eine richterliche Anordnung
solchen Inhalts getroffen werden, der Grundbuchführer die Vormerkung aber
als ausserhalb des Art. 959 ZGB stehend ablehnen, so könnte darüber auf
dem Beschwerdeweg eine Entscheidung herbeigeführt werden. Selbst wenn
eine solche Vormerkung als zulässig befunden würde, könnte aber eine
Verfügungsbeschränkung nach Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB nur eben zur
Sicherung des in Frage stehenden Nutzungs- und Benutzungsrechtes selbst,
solange dessen Vormerkung noch nicht rechtskräftig bewilligt wäre, Platz
greifen, und zwar ebenfalls in Gestalt einer Vormerkung. Diese hätte den
Gegenstand des zu sichernden Rechtes anzugeben und ihm Wirkung gegenüber
jedem später erworbenen Rechte zu verschaffen (vgl. Art. 74 Abs. 1 GBV;
HOMBERGER, N 7 a.E. zu Art. 959 ZGB), jedoch nicht etwa anderweitige
Verfügungen über das Grundstück, welche sehr wohl mit Vorbehalt jenes
vorgemerkten Rechtes erfolgen können, zu verhindern.

Erwägung 5

    5.- Die auf Art. 68 Abs. 1 lit. a OG gestützte Nichtigkeitsbeschwerde
hat, wenn sie gutgeheissen wird, kassatorische Wirkung. Das Bundesgericht
kann daher nicht in der Sache selbst entscheiden (BGE 83 II 200 Erw. 3).

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des
Obergerichtes des Kantons Zürich vom 10. März 1965 aufgehoben und die
Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an das Obergericht
zurückgewiesen.