Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 II 401



91 II 401

57. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Dezember 1965 i.S. Weber gegen
Hofmann. Regeste

    Klage auf Feststellung einer widerrechtlichen Verletzung in den
persönlichen Verhältnissen.

    1.  Zulässigkeit der Berufung (Art. 44 OG). (Erw. 1).

    2.  Verletzung in den persönlichen Verhältnissen durch ein
ehrverletzendes Zeitungsinserat (Erw. 2).

    3.  Die Verletzung durch eine unwahre ehrenrührige Nachricht ist im
Sinne von Art. 28 ZGB widerrechtlich, auch wenn die Nachricht in guten
Treuen verbreitet wurde. Das gilt auch, wenn sich der Täter der Presse
bediente. Art. 55 BV ändert daran nichts (Erw. 3).

    4.  Klage auf Feststellung der Widerrechtlichkeit. Verhältnis
zur Klage auf Beseitigung der Störung (Art. 28 Abs. 1
ZGB). Feststellungsinteresse. (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Rudolf Hofmann in Wetzikon stellt landwirtschaftliche
Maschinen her und treibt mit solchen Handel. Ein Teil seiner Ware
stammt aus Osteuropa. Er führt z.B. Heugebläse der Marke Toron aus der
Tschechoslowakei ein.

    Hofmann belieferte u.a. den Wiederverkäufer Bührer in Winterthur mit
Heugebläsen. Dieser wünschte, eine solche Maschine schweizerischer Herkunft
im Oktober 1961 an der OLMA, Schweizer Messe für Land- und Milchwirtschaft,
auszustellen. Hofmann liess ein Heugebläse in der Schweiz anfertigen und
stellte es Bührer zur Verfügung. Die Bewilligungs- und Zulassungskommission
des Schweizerischen Landmaschinen-Verbandes, die am 12. Oktober 1961 an der
Messe einen Augenschein vornahm, glaubte indessen, das ausgestellte Gebläse
sei ausländischer Herkunft, und veranlasste deshalb die OLMA-Leitung,
es aus der Messe entfernen zu lassen.

    Am 28. Februar 1962 schrieb das Sekretariat der OLMA dem Garageinhaber
Wyss in Wetzikon:

    "Auf Ihre telephonische Anfrage von heute teilen wir Ihnen folgendes
mit: Herr Hofmann von Wetzikon hat sich an der OLMA 1960 um einen Stand
beworben, konnte aber nicht zugelassen werden, da er nur ausländische
Artikel führte. Letztes Jahr tauchte nun Herr Hofmann als Untermieter der
Firma Bührer in Winterthur auf und zwar ohne Meldung an uns und wieder mit
ausländischen Artikeln. Er wurde infolgedessen aus seinem Stand entfernt."

    Am 2. März 1962 erschien in der Zeitung "Zürcher Oberländer" ein
grosses Inserat mit der Überschrift "Osthändler Hofmann von der OLMA
weggewiesen". Es enthält drei photographische Abbildungen. Zwei davon
zeigen mehrere Toron-Heugebläse, die beim Bahnhof Wetzikon stehen, und
die dritte einen tschechoslowakischen Güterwagen.

    Ferner steht im Inserat:

    "Der in Wetzikon als Gemeinderat kandidierende Rudolf Hofmann
versuchte an der OLMA 1961 als Untermieter einer Winterthurer Firma,
ohne Meldung an die Ausstellungsleitung, ausländische (lies östliche)
Artikel auszustellen. Er wurde infolgedessen aus seinem Stand entfernt.

    Die nebenstehenden Photos wurden im März 1961 auf dem Bahnhof Wetzikon
aufgenommen. Sie sagen mehr als viele Worte."

    Hofmann, der seit mehreren Jahren dem Gemeinderat von Wetzikon angehört
hatte, wurde in der Volkswahl vom 4. März 1962 nicht wiedergewählt.

    Am 4. Mai 1962 forderte er die AG Buchdruckerei Wetzikon und Rüti auf,
den Einsender des Inserates vom 2. März zu nennen. Paul Weber, Direktor
dieser Firma, lehnte das am 7. Mai 1962 ab und erklärte sich selbst für
den Inseratenteil des "Zürcher Oberländer" verantwortlich.

    B.- Am 5. Oktober 1962 klagte Hofmann gegen Weber auf Feststellung,
dass der Beklagte ihn durch das Inserat vom 2. März 1962 rechtswidrig in
seinen persönlichen Verhältnissen verletzt habe. Ferner stellte er ein
Unterlassungsbegehren und ein Begehren um Veröffentlichung des Urteils.

    Das Bezirksgericht Hinwil hiess am 26. März 1964 die beiden ersten
Begehren gut, wies dagegen das dritte ab.

    Auf Appellation des Beklagten hin hat das Obergericht des Kantons
Zürich am 29. Juni 1965 erkannt:

    "1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte den Kläger rechtswidrig
in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt hat durch das im "Zürcher
Oberländer" vom 2. März 1962 erschienene Inserat Nr. 2942 und insbesondere
durch die dort enthaltenen Behauptungen, der in Wetzikon als Gemeinderat
kandidierende Kläger habe an der OLMA 1961 als Untermieter einer
Winterthurer Firma ohne Meldung an die Ausstellungsleitung ausländische,
d.h. östliche Artikel auszustellen versucht und sei infolgedessen aus
seinem Stand entfernt worden.

    2. Mit Bezug auf die übrigen Begehren wird die Klage abgewiesen."

    C.- Der Beklagte hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit
dem Antrag, die Klage abzuweisen.

    Der Kläger beantragt die Abweisung der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Klagebegehren, besonders das allein gutgeheissene
Feststellungsbegehren, wurden damit begründet, der Beklagte habe den Kläger
in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt. Solche Streitigkeiten
sind nicht vermögensrechtlicher Natur, es wäre denn, dass mit der Klage
- was im vorliegenden Falle nicht zutrifft - nur Vermögensleistungen
(Schadenersatz, Genugtuung) verlangt werden (BGE 67 II 44). Die Berufung
ist daher gemäss Art. 44 OG zulässig, ohne dass nach einem Streitwert zu
fragen wäre (BGE 80 II 30).

Erwägung 2

    2.- Der Beklagte macht geltend, das Inserat vom 2. März 1962 habe
den Kläger nicht in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt, weil
der Ausschluss von einer Ausstellung wegen ausländischer Herkunft der
Ware nichts mit sittlicher Beurteilung des Ausstellers zu tun habe;
die Behauptung, der Kläger sei aus diesem Grunde weggewiesen worden,
habe nur die unbestrittene, vom Kläger selbst als zulässig betrachtete
Behauptung verstärkt, er treibe Osthandel; auch der Vorwurf, der Kläger
habe versucht, einen gemäss Reglement nicht zugelassenen Gegenstand
auszustellen, könne seiner Persönlichkeit nicht schaden; wer ein Erzeugnis
auszustellen versuche und abgewiesen werde, werde nicht einer unreellen
Machenschaft bezichtigt.

    Das Inserat beschränkt sich indessen nicht darauf, dem Kläger
Osthandel nachzureden und ihm vorzuhalten, er habe ein gemäss Reglement
nicht zugelassenes ausländisches Erzeugnis auszustellen versucht und
sei deswegen abgewiesen worden. Es wirft ihm vielmehr vor, er habe ohne
Meldung an die Ausstellungsleitung Artikel aus Osteuropa auszustellen
versucht und sei aus diesem Grund aus seinem Stand entfernt worden. Damit
wird der Eindruck erweckt, der Kläger habe die Ausstellungsleitung
zu hintergehen versucht und sei wegen dieser Machenschaft vom bereits
bezogenen Ausstellungsstand weggewiesen worden. Dieser Eindruck wird
dadurch verstärkt, dass das Inserat behauptet, er habe als Untermieter
einer andern Fir.ma gehandelt. Wer das liest, wird vermuten, der
Kläger habe diese Firma vorgeschoben, damit die Ausstellungsleitung
seine Machenschaft nicht entdecke. Der Leser des Inserates stellt sich
ferner vor, der Kläger habe darauf gerechnet, das Publikum werde die aus
Osteuropa stammenden Erzeugnisse für Schweizerware halten, weil an der
OLMA nur solche ausgestellt werden dürfe.

    So verstanden, macht das Inserat den Kläger als Menschen und
Geschäftsmann verächtlich. Es wirft ihm ein unanständiges, gegen Treu
und Glauben verstossendes Verhalten vor, das nach dem Bundesgesetz
über den unlautern Wettbewerb auf Antrag der Mitbewerber zivil- und
strafrechtlich verfolgt werden könnte. Dadurch verletzt es den Kläger
in seinen persönlichen Verhältnissen. Die Verletzung ist schwer;
denn der Vorwurf wurde öffentlich erhoben und in einem Zeitpunkt, in
dem der Kläger wegen der bevorstehenden Gemeindewahlen auf die Achtung
seiner Mitbürger besonders angewiesen war und sich nicht mehr öffentlich
verteidigen konnte. Dem Publikum ist es - namentlich auch in ländlichen
Gegenden - aus mannigfachen Gründen nicht gleichgültig, wenn Erzeugnisse
aus Osteuropa als Schweizerware ausgegeben werden. Das ist nicht einmal
für jene Leute belanglos, die wegen der Natur der Erzeugnisse selbst nicht
als Abnehmer in Frage kommen und am Osthandel als solchem nicht Anstoss
nehmen. Das Inserat bezweckte denn auch offensichtlich, den Kläger durch
den erwähnten Vorwurf verächtlich zu machen, damit er nicht wieder in
den Gemeinderat gewählt werde.

Erwägung 3

    3.- Der Beklagte ist der Auffassung, wenn er den Kläger in seinen
persönlichen Verhältnissen verletzt habe, sei das jedenfalls nicht
"unbefugterweise" (Art. 28 Abs. 1 ZGB) geschehen. Er habe im Interesse der
Öffentlichkeit in guten Treuen eine so sorgfältig wie möglich überprüfte,
für die Beurteilung des Klägers durch die Wähler erhebliche Nachricht
verbreitet und damit ein richtiges Mittel zu einem richtigen Zweck
verwendet. Er habe zudem nichts Unwahres behauptet, da der Kläger
tatsächlich mit der Begründung, die ausgestellte Maschine sei kein
schweizerisches Erzeugnis, von der OLMA weggewiesen worden sei. Als
unzutreffend habe sich nur diese Begründung erwiesen, von der er nicht
behauptet habe, sie sei überprüft und für richtig befunden worden. Eine
solche Überprüfung wäre ihm auch nicht möglich gewesen. Wenn der für eine
Presseäusserung Verantwortliche wegen einer in guten Treuen verbreiteten
Nachricht gerichtlich verurteilt werden könnte, wäre die Presse in der
Erfüllung ihrer Aufgabe behindert; eine hiezu führende Auslegung von
Art. 28 ZGB verstosse gegen Art. 55 BV.

    a) Art. 28 ZGB schützt die Persönlichkeit nur gegen unbefugte
Verletzungen. Der in seinen persönlichen Verhältnissen Verletzte kann also
nach dieser Bestimmung nur klagen, wenn der Eingriff widerrechtlich ist
(BGE 80 II 38). Ein schädigendes Verhalten gilt nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichts als widerrechtlich, wenn es gegen geschriebene oder
ungeschriebene Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstösst, die dem
Schutz des verletzten Rechtsgutes dienen (BGE 82 II 28 mit Hinweisen,
88 II 280/281 und 90 II 279 Erw. 4).

    Das Verbreiten von Nachrichten, die einen andern in seiner Ehre
verletzen, ist nach der schweizerischen Rechtsordnung grundsätzlich
verboten. Das folgt aus Art. 173 ff. ZGB und Art. 49 OR. Eine solche
Handlung ist nur dann nicht widerrechtlich, wenn ihr Urheber aus einem
besondern Grunde dazu berechtigt ist.

    b) Es kann dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen
der Umstand, dass die verbreitete Nachricht wahr ist, nicht nur die
Strafbarkeit (vgl. hiezu Art. 173 Ziff. 2 und 3 StGB), sondern überhaupt
die Widerrechtlichkeit der Handlung ausschliesst. Das Inserat vom 2. März
1962 enthielt nämlich nicht bloss die wahre Angabe, dass der Kläger mit
der Begründung, er habe ausländische Waren auszustellen versucht, von
der OLMA weggewiesen wurde, sondern stellt als Tatsache hin, er habe als
Untermieter einer andern Firma ohne Meldung an die Ausstellungsleitung
aus dem Ausland (und zwar aus Osteuropa) stammende Artikel auszustellen
versucht. Diese Behauptung und der dem Sinne nach damit erhobene Vorwurf,
der Kläger habe die Ausstellungsleitung zu hintergehen versucht, sind
festgestelltermassen unbegründet. Die vom Beklagten verbreitete Nachricht
ist also im entscheidenden, die Ehre des Klägers berührenden Punkte unwahr.

    c) Das Verbreiten falscher Nachrichten vermag dem öffentlichen
Interesse an der Kenntnis von privaten und geschäftlichen Dingen,
die für die Beurteilung eines Wahlbewerbers erheblich sind, nicht zu
dienen, sondern läuft ihm gegenteils zuwider. Die Wähler und das weitere
Publikum sind nur daran interessiert, über die Bewerber die Wahrheit zu
erfahren. Falsche Nachrichten führen sie irre. Der Beklagte kann sich
daher nicht damit rechtfertigen, er habe im Interesse der Öffentlichkeit
gehandelt.

    d) Der Beklagte war zu seiner Handlung auch dann nicht berechtigt, wenn
er die streitige Nachricht auf Grund des Schreibens des Sekretariates der
OLMA am 28. Februar 1962 für wahr hielt und halten durfte und sie daher
in guten Treuen verbreitete. Ob der Täter gutgläubig war und nach den
Umständen sein durfte, ist nur für die Frage seines Verschuldens - und
damit gemäss Art. 49 OR für die Beurteilung allfälliger Schadenersatz-
und Genugtuungsansprüche - von Bedeutung, nicht dagegen für die Frage
der Widerrechtlichkeit des Eingriffs. Entschuldbarkeit allein macht eine
Verletzung in den persönlichen Verhältnissen nie rechtmässig (BGE 71 II
193 f.).

    e) Dabei bleibt es auch, wenn sich der Täter zur Verbreitung der
Nachricht der Druckerpresse bediente (vgl. den eben angeführten Entscheid).

    Bei der Auslegung von Art. 28 ZGB hat der Richter allerdings den
besondern Verhältnissen der Presse Rechnung zu tragen, wie er überhaupt
in Fällen, in denen sich Rechte und Interessen der einen Partei mit denen
der andern nicht vertragen, nach Recht und Billigkeit entscheiden muss,
welches Recht vor dem andern zurückzutreten habe (vgl. Art. 4 ZGB). Das
Interesse der Presseleute und des Publikums daran, dass Nachrichten
über die Öffentlichkeit angehende Dinge ungehindert durch das Mittel der
Druckerpresse verbreitet werden können, vermag indessen die Verletzung
der Persönlichkeitsrechte Dritter durch unwahre Behauptungen nicht zu
rechtfertigen, auch wenn der Täter die Nachrichten mit guten Gründen für
wahr halten durfte. Würde ein solcher Eingriff als rechtmässig betrachtet,
so wäre der Täter der Pflicht enthoben, den guten Ruf des Betroffenen
wiederherzustellen, und könnte nicht einmal auf Unterlassung weiterer
Verletzungen belangt werden, da solche Klagen die Widerrechtlichkeit
des Eingriffs voraussetzen (BGE 68 II 131). Das widerspräche ethischen
Grundsätzen. Der Anwendungsbereich des Art. 28 Abs. 1 ZGB, der dem
unbefugterweise in seinen persönlichen Verhältnissen Verletzten selbst
gegenüber dem schuldlosen Täter einen Anspruch auf Beseitigung der
Störung gibt, würde in unerträglicher Weise eingeschränkt. Das Interesse
des Verletzers, nicht verklagt zu werden, hat deshalb auch dann, wenn
die falsche Nachricht in guten Treuen durch die Presse verbreitet wurde,
vor dem Interesse des Betroffenen an der Verteidigung seines guten Rufes
zurückzutreten.

    Dass die Presseleute sich berufsmässig an die Öffentlichkeit wenden
und daher der Gefahr, gutgläubig unwahre Behauptungen aufzustellen,
besonders ausgesetzt sind, ändert nichts. Eine Zivilklage haben sie nur zu
gewärtigen, wenn sie sich dem Begehren um Beseitigung der Störung nicht
freiwillig (durch Veröffentlichung einer Richtigstellung) unterziehen,
obwohl sie über die Unrichtigkeit der verbreiteten Nachricht aufgeklärt
wurden. Es kann daher nicht die Rede davon sein, dass die Presse, um
Prozesse zu vermeiden, auf einen Teil ihrer Aufgaben verzichten müsse. -
Der Beklagte hätte der Klage übrigens durch Nennung des Verfassers
ausweichen können.

    Ehrverletzungsfreiheit kann die Presse auch nicht mit der Begründung
beanspruchen, sie werde vor der Öffentlichkeit blossgestellt, wenn
sie in einem Prozess unterliege. Blossgestellt wird nur, wer sich trotz
nachträglicher Aufklärung weigert, zur Beseitigung des zugefügten Unrechts
Hand zu bieten.

    Unerheblich ist schliesslich, dass seit dem Inkrafttreten des
Bundesgesetzes vom 5. Oktober 1950 betreffend Abänderung des StGB
unwahre ehrverletzende Äusserungen in gewissen Fällen - nicht in allen
(Art. 173 Ziff. 3 StGB) - die Strafe wegen übler Nachrede nicht mehr nach
sich ziehen, wenn der Täter beweist, dass er ernsthafte Gründe hatte,
seine Behauptung in guten Treuen für wahr zu halten. Diese Regelung
beruht auf dem Gedanken, dass nur der Schuldige Strafe verdiene. Dass
die Tat des Schuldlosen erlaubt sei, sagt sie nicht, ebensowenig, dass
eine Ehrverletzung nur bei Verschulden zivilrechtliche Folgen habe.
Die strafrechtliche Regelung ist im Zivilrecht auch nicht sinngemäss
anzuwenden (vgl. Art. 53 OR).

    f) Indem der Beklagte geltend macht, die Beurteilung einer in guten
Treuen erfolgten Presseäusserung als widerrechtlich verstosse gegen Art. 55
BV, misst er der durch die Bundesverfassung gewährleisteten Pressefreiheit
zivilrechtliche Wirkungen bei.

    Ob und wieweit die verfassungsmässigen Freiheitsrechte den Bürger nicht
bloss gegen Eingriffe der Staatsgewalt schützen, sondern auch im Verhältnis
unter Privaten, insbesondere im Bereich des Persönlichkeitsschutzes,
Beachtung verdienen, ist in der Schweiz seit einiger Zeit Gegenstand
wissenschaftlicher Erörterung (vgl. HUBER, ZSR 1955 I 173 ff., GROSSEN,
ZSR 1960 II 14a ff., JÄGGI, ebenda 218a ff., J.P. MüLLER, Die Grundrechte
der Verfassung und der Persönlichkeitsschutz des Privatrechts, Berner
Diss. 1964, bes. S. 151 ff., 184 ff.). Im vorliegenden Falle braucht
diese Frage nicht einlässlich geprüft zu werden. Auch wenn man nämlich
zugunsten des Beklagten annimmt, die Bestimmungen des ZGB und OR über den
Schutz der Persönlichkeit seien im Geiste der Verfassung auszulegen und
die Grundgedanken der Verfassungsvorschriften über die Freiheitsrechte
seien demgemäss bei der Bestimmung des Inhalts und der Grenzen der - vom
Gesetz nicht in allen Einzelheiten umschriebenen - Persönlichkeitsrechte
zu berücksichtigen, damit die Einheit der Rechtsordnung gewahrt bleibe
(vgl. BGE 71 II 192, 80 II 42, 82 II 302, 86 II 376), folgt daraus nicht,
eine Ehrverletzung durch eine zwar unwahre, aber aus ernsthaften Gründen
für wahr gehaltene Presseäusserung sei rechtmässig; denn die Frage, ob (und
wann) eine unwahre Presseäusserung rechtwidrig sei, wird, wie JÄGGI (aaO
S. 220a) zutreffend sagt, durch Art. 55 BV nicht näher beantwortet als
durch Art. 28 ZGB (während die früher auf Grund von Art. 55 VB beurteilte
Frage, ob eine solche Äusserung mit staatlicher Strafe belegt werden dürfe,
heute durch Art. 173 ff. StGB abschliessend geregelt ist; vgl. BGE 70 IV 24
Erw. 2). Ob der gute Glaube des Täters eine durch unwahre Presseäusserung
erfolgte Ehrverletzung zu rechtfertigen vermöge, lässt sich nur durch
Abwägung der beteiligten Interessen im Sinne von lit. e hievor entscheiden.

    Wieweit Inserate den Schutz von Art. 55 BV geniessen, kann unter
diesen Umständen offen bleiben.

Erwägung 4

    4.- Art. 28 Abs. 1 ZGB sieht die Klage auf Feststellung der
Widerrechtlichkeit der Verletzung in den persönlichen Verhältnissen
nicht ausdrücklich vor. Das Obergericht hält sie im vorliegenden Falle
für zulässig, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes von
Bundesrechts wegen auf Feststellung eines dem eidgenössischen Recht
unterstehenden Rechtsverhältnisses geklagt werden kann, wenn der Kläger
an der Feststellung ein erhebliches rechtliches Interesse hat (BGE 77 II
344 ff., 79 II 394, 82 II 319, 84 II 398, 495 und 691, 88 II 238). Der
Beklagte wendet ein, dem Kläger fehle ein solches Interesse.

    Es lässt sich erwägen, ob das Recht aufFeststellung der
Widerrechtlichkeit in Fällen wie dem vorliegenden nicht schon aus dem
in Art. 28 Abs. 1 ZGB vorgesehenen Anspruch auf Beseitigung der Störung
hervorgehe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes kann das Recht
auf richterliche Feststellung aus diesem Anspruch abgeleitet werden, wenn
die Störungshandlung fortdauert oder sich zu wiederholen droht (BGE 40 II
165, 45 II 106 f., 48 II 16, 56 II 36) oder wenn durch sie ein Zustand
geschaffen wurde, der den Verletzten weiterhin in seinen persönlichen
Verhältnissen treffen könnte (BGE 68 II 133; vgl. auch 80 II 122 unten). Ob
ein Feststellungsbegehren bei einem gegebenen Sachverhalt aus diesem
Grunde zu schützen sei, ist eine Frage des materiellen Bundesrechts, die
die kantonalen Gerichte und das Bundesgericht von Amtes wegen zu prüfen
haben, auch wenn nicht ausdrücklich auf Beseitigung der Störung geklagt
wurde (BGE 89 II 339 Erw. 2, 90 II 40 und 317). Folgt in einem bestimmten
Falle das Recht auf Feststellung schon aus dem Beseitigungsanspruch,
so kann sich fragen, ob für die Anwendung der von der Rechtsprechung
entwickelten Regeln über das Recht auf Feststellung im allgemeinen Raum
bleibe.. Diese Frage kann hier jedoch offen bleiben; denn die Überprüfung
des angefochtenen Entscheides im Lichte dieser - von der Vorinstanz als
anwendbar erachteten - Regeln ergibt, dass das Feststellungsbegehren des
Klägers nicht bloss nach diesen Regeln begründet ist, sondern dass auch
die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen das Recht auf Feststellung
sich aus dem Beseitigungsanspruch ableiten lässt (vgl. namentlich lit. c
und d hienach).

    a) Das nach der Rechtsprechung erforderliche Interesse an
der verlangten Feststellung lässt sich dem Kläger nicht mit der
Begründung absprechen, sie wäre nur Motiv für ein Schadenersatz- und
Genugtuungsbegehren, das er hätte stellen können. Dieser Einwand ist
geradezu kühn. Die Schadenersatzklage hätte nämlich ein Verschulden, die
Genugtuungsklage sogar ein besonders schweres Verschulden vorausgesetzt;
der Beklagte aber will die ehrverletzende Äusserung in guten Treuen für
wahr gehalten, sie also schuldlos verbreitet haben.

    b) Auch der Umstand, dass der Kläger die Veröffentlichung des Urteils
verlangt hat, widerlegt sein Interesse an der beantragten Feststellung
nicht. Der Anspruch auf Veröffentlichung wurde in erster Instanz
verneint, und der Kläger hat sich mit diesem Entscheid abgefunden,
so dass der Anspruch als nicht bestehend zu gelten hat. Zudem hat die
Veröffentlichung nie selbständige Bedeutung. Sie setzt voraus, dass der
Richter eine Feststellung treffe, dem Beklagten etwas verbiete oder ihn
zu einer Leistung verurteile. Ein Leistungsbegehren aber hat der Kläger
mit guten Gründen nicht gestellt, und das Unterlassungsbegehren wurde
vom Obergericht endgültig abgewiesen. Es bleibt nur die Feststellung,
die Gegenstand eines zu veröffentlichenden Urteils hätte sein können. Das
Veröffentlichungsbegehren machte somit das Feststellungsbegehren nicht
überflüssig.

    c) Die Feststellungsklage ist auch nicht deshalb grundsätzlich
unzulässig, weil der Kläger sie erst am 5. Oktober 1962 eingereicht
hat. Freilich sprach das Bundesgericht in gewissen Urteilen vom "Interesse
an sofortiger Feststellung" (BGE 77 II 351, 84 II 398/399 und 691). Das
hatte aber nicht den Sinn, die Feststellungsklage sei unverzüglich nach der
Entstehung des streitigen Rechtsverhältnisses zu erheben. Die erwähnte
Wendung will nur sagen, der Kläger müsse in Fällen, in denen später
eine Leistungsklage in Frage käme, ein Interesse an der Vorwegnahme
der Feststellung haben. Solange das Rechtsverhältnis besteht und der
Kläger an seiner Feststellung interessiert ist, darf er grundsätzlich
auch auf Feststellung klagen. Mit dem Zeitablauf kann allerdings sein
Interesse an der Feststellung abnehmen. Das hängt aber von der Natur des
festzustellenden Rechtsverhältnisses und von den Umständen des einzelnen
Falles ab.

    Im vorliegenden Falle lässt das Zuwarten mit der gerichtlichen
Klage bis zum 5. Oktober 1962 nicht darauf schliessen, dass das
Feststellungsinteresse fehle. Der Kläger hat den Beklagten schon am
18. Mai 1962 zur Sühnverhandlung vorladen lassen. Sein Interesse an der
Feststellung muss im Laufe der Zeit sogar zugenommen haben, weil er erst
nach und nach erfahren konnte, in welchem Ausmasse die ehrverletzende
Äusserung seinAnsehen bei Dritten untergraben hatte. Dass Tageszeitungen
gewöhnlich nur einmal gelesen und rasch beiseite gelegt oder vernichtet
werden, ändert nichts; ebensowenig der Umstand, dass das Inserat einem
Wahlkampf diente, der am 4. März 1962 zu Ende ging. Der gute Ruf des
Klägers war damit nicht von selbst wiederhergestellt. Die Gegner des
Klägers erinnern sich der ehrverletzenden Äusserung weiterhin, schon
deshalb, weil ihnen ihr Wissen erneut dienen könnte, wenn der Kläger
nochmals als Bewerber um das Amt eines Gemeinderates oder ein anderes
Amt auftreten sollte. Ein im "Zürcher Oberländer" vom 25. April 1963
erschienenes Inserat mit der Überschrift "Die Rache des Geschlagenen"
zeigt denn auch deutlich, dass die Erinnerung an den Wahlgang vom 4. März
1962 und die Gegensätze fortbestehen.

    Auch die mit dem Kläger im wirtschaftlichen Wettbewerb stehenden
Geschäftsleute und die als Kunden in Frage kommenden Personen werden sich
der vom Beklagten verbreiteten unwahren Behauptung auch in Zukunft noch
erinnern. Der Zeuge Bührer hat bestätigt, die Konkurrenten führten die
Wegweisung des Klägers von der OLMA zum Beweis der ausländischen Herkunft
des ausgestellten Gebläses an und die Untervertreter Bührers klagten über
den dieser Behauptung zuzuschreibenden schlechten Geschäftsgang. Das
Bundesgericht muss diese Aussage als richtig hinnehmen; denn das
Obergericht erachtet sie als glaubwürdig (Art. 63 Abs. 2 OG). Die Rüge
des Beklagten, sie sei mit Vorsicht und Zurückhaltung zu würdigen, ist
nicht zu hören; ebensowenig seine Behauptung, die Konkurrenten nützten
nur den Vorwurf des Osthandels aus, nicht auch den Vorwurf, der Kläger
sei von der OLMA weggewiesen worden, weil er ausländische Erzeugnisse
ausgestellt habe (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Ob der einzelne Konkurrent
das Inserat vom 2. März 1962 gelesen oder sein Wissen aus anderer Quelle
geschöpft habe, ist unerheblich. Schon die blosse Möglichkeit eines
ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Inserat und dem von Bührer
bezeugten geschäftlichen Misserfolg verleiht dem Kläger ein erhebliches
Interesse an der beantragten Feststellung. Sie wird ihm helfen, seinen
Ruf widerherzustellen. Eine Veröffentlichung des Urteils auf Kosten des
Beklagten kommt zwar nicht mehr in Frage, aber dem Kläger kann nicht
verwehrt werden, das Urteil vorzuzeigen, wo immer er das für zweckmässig
hält, oder es auf eigene Kosten zu veröffentlichen.

    d) Der Kläger ist an einem Feststellungsurteil zudem schon deshalb
erheblich interessiert, weil der Beklagte sich hartnäckig auf den
Standpunkt stellt, die Verletzung des Klägers in seiner Ehre sei nicht
widerrechtlich. Darin liegt eine Rechtsanmassung (vgl. JÄGGI, ZSR 1960
II 191a). Die richterliche Feststellung ist angesichts dieser Haltung
des Beklagten und der Abweisung des Unterlassungsbegehrens die einzige
Möglichkeit, die Rechtslage abzuklären und der allfälligenWiederholung
der ehrenrührigen Behauptung durch den Beklagten entgegenzuwirken. Auch
das Obergericht hält eine Wiederholung für möglich. Dass sie geradezu
wahrscheinlich sei, ist nicht nötig. Der Kläger ist daran interessiert,
dass der Richter durch die beantragte Feststellung auch der blossen
Möglichkeit erneuter Verunglimpfung vorbeuge.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil der II. Zivilkammer des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 29. Juni 1965 bestätigt.