Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 II 4



91 II 4

2. Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Januar 1965 i.S. Wirth & Co. AG
gegen Feldmühle AG Regeste

    Verwechselbarkeit von Marken (Art. 6 MSchG).

    -  Nichtigkeit einer Marke, die mit einer früher eingetragenen
verwechselbar ist; Befugnis jedes rechtlich Interessierten, ihre
Nichtigkeit geltend zu machen (Bestätigung der Rechtsprechung). Einrede
des Beklagten, der Kläger sei wegen Nichtigkeit seiner Marke nicht
klageberechtigt. Verteidigung des Klägers. Wirkungen des Urteils. (Erw.
1).

    - Hinfall des Schutzes der dem Kläger entgegengehaltenen ältern
Marke wegen Nichtgebrauchs für gleichartige Erzeugnisse während dreier
aufeinander folgender Jahre? (Art. 9 MSchG). (Erw. 2).

    - Gänzliche Verschiedenheit der Erzeugnisse? (Art. 6 Abs. 3
MSchG). (Erw. 3).

    - Verwechselbarkeit der Wortmarken COLUX und POLLUX. (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Feldmühle AG in Rorschach hinterlegte am 29.  März 1954 beim
Eidg. Amt für geistiges Eigentum für "Folien und Verpackungen aller Art"
die Marke Nr. 150563. Sie besteht aus dem in weisser Schrift auf einem
schwarzen länglichen Schildchen stehenden Worte POLLUX. Das Schildchen
ist von einem weissen Strich umrahmt, an den sich aussen ein schmälerer
schwarzer Strich anschmiegt.

    Am 16. November 1962 hinterlegte die Firma Wirth & Co. AG Zürich beim
gleichen Amte die aus demWorte POLY-LUX bestehende Marke Nr. 195190,
und zwar für "Plastikfolien, Kunststoff, mit Kunststoff beschichtete
Materialien und daraus hergestellte Packungen, insbesondere Beutel,
Hüllen, Schalen, Taschen, Becher".

    B.- Die Feldmühle A. G. stellte beim Handelsgericht des Kantons Zürich
die Begehren, die Marke Nr. 195190 ungültig zu erklären und der Firma
Wirth & Co. AG Zürich jeden Gebrauch des Wortes Poly-Lux zu untersagen,
unter Androhung der Überweisung an den Strafrichter wegen Ungehorsams
gemäss Art. 292 StGB im Falle der Zuwiderhandlung.

    Das Handelsgericht hiess die Klage am 2. Juni 1964 gut.  C. - Die
Beklagte hat die Berufung erklärt. Sie beantragt, die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt die Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beklagte spricht der Klägerin das Klagerecht ab, weil die
Marke POLLUX wegen der seit 3. Juli 1944 bzw. 5. Oktober 1953 unter
Nr. 107707 und 148595 beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum für
"Papier und Papierwaren" hinterlegten Marke COLUX der Firma Burkhardt &
Hauser AG nichtig sei.

    Das Handelsgericht weist diese Einrede in erster Linie deshalb ab,
weil es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach eine
gegen Art. 6 MSchG verstossende Marke keinen Schutz geniesst und jeder
Interessierte sich auf ihre Nichtigkeit berufen kann (BGE 30 II 584, 35
II 338, 47 II 355, 53 II 515, 73 II 190, 76 II 173, 82 II 543, 90 II 47),
nicht beipflichtet.

    Diese Rechtsprechung wird ausser von MATTER, MSchG Art. 6 Anm. I 5,
S. 98, in neuerer Zeit auch von einem Berichterstatter des bernischen
Handelsgerichtes beanstandet (ZBJV 100 327 f.).

    a) Das Handelsgericht des Kantons Zürich legt besonderes Gewicht
darauf, dass der Begriff der Nichtigkeit "dem rein privatrechtlichen Kern
des Markenrechtes wesensfremd" sei und das Markenschutzgesetz zu einem
Polizeigesetz mache. Es betont wiederholt, der Zivilrichter dürfe nicht
von Amtes wegen eine Marke wegen Verwechselbarkeit nichtig erklären;
er müsse die Auseinandersetzung über gleiche oder ähnliche Marken den
Beteiligten überlassen; die verwechselbare Marke sei nur anfechtbar.

    Das Bundesgericht hat nie erklärt, der Richter habe von Amtes
wegen zu erforschen, ob eine Marke sich genügend von den früher
eingetragenen unterscheide. Eine solche Pflicht ergibt sich auch nicht
aus dem bundesrechtlichen Begriff der Nichtigkeit. Die Ermittlung der sie
begründenden Tatsachen untersteht dem kantonalen Prozessrecht. Darnach hat
der Richter in der Regel nur tätig zu werden, wenn eine Partei die nötigen
Behauptungen aufstellt und die erforderlichen Beweise anbietet. Nur die
rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhaltes hat - wie immer
(BGE 89 II 340) - von Amtes wegen zu erfolgen. Es kann deshalb nicht
gesagt werden, der Begriff der Nichtigkeit der Marke mache das Gesetz zu
einem Polizeigesetz. Er hat nur zur Folge, dass ausser dem Inhaber der
nachgemachten Marke weitere Personen sich auf die Nichtigkeit des später
eingetragenen Zeichens berufen können. Aber nicht jedermann kann das tun
(BGE 76 II 174). Die Klage auf Löschung der Marke oder die Einrede der
Nichtigkeit wurde stets nur Personen zugestanden, die an der Nichtigkeit
der Marke rechtlich interessiert waren. Frage ist, ob diese Erweiterung
der Legitimation über den Inhaber der nachgemachten oder nachgeahmten
Marke hinaus dem Geiste des Gesetzes widerspreche.

    b) Das Handelsgericht glaubt, das annehmen zu müssen, weil das Amt für
geistiges Eigentum nur zu entscheiden habe, ob Art. 3 MSchG die Eintragung
einer Marke verbiete, nicht auch, ob sie unter dem Gesichtspunkt des
Art. 6 MSchG zulässig sei (Art. 14 MSchG).

    Zu dieser Beschränkung des Prüfungsrechts hat das Bundesgericht schon
in BGE 30 II 584 f. Stellung genommen. Sie beruht auf dem Gedanken,
dass es sich weniger aufdränge, die Zulässigkeit der Marke unter
den Gesichtspunkten des Art. 6 schon vor der Eintragung zu prüfen,
da in der Regel die Frage, ob sie mit älteren Zeichen vereinbar sei,
dem Richter unterbreitet werde. Diese Zuständigkeitsordnung bedeutet
nicht, die Eintragung verschaffe dem Hinterleger ein Recht an der Marke,
das nur durch Klage des Inhabers einer älteren Marke zu Fall gebracht
werden könne. Der Umstand, dass das Amt für geistiges Eigentum nicht
zu prüfen hat, ob die Marke mit bereits eingetragenen vereinbar sei,
spricht vielmehr gegen diese Wirkung. Es wäre sonderbar, wenn durch die
Eintragung ohne allseitige Vorprüfung ein Recht geschaffen würde, dessen
sich nicht alle rechtlich Interessierten erwehren könnten.

    c) Gemäss Art. 27 Ziff. 1 MSchG stehen die Zivil- und die Strafklage
nicht nur dem Inhaber der Marke, sondern auch dem getäuschten Käufer
zu. Daraus folgt, dass die Nachmachung und die Nachahmung nicht nur gegen
ein subjektives Recht des Inhabers der Marke verstossen, sondern objektiv
rechtswidrig sind. Dieser Schluss drängt sich selbst dann auf, wenn
der getäuschte Käufer nur Anspruch auf Schadenersatz hat, die Löschung
der Marke dagegen nicht verlangen kann (BGE 76 II 174 f.). Objektive
Rechtswidrigkeit der Hinterlegung der verwechselbaren Marke aber spricht
für Ungültigkeit des Eintrages. Mit Recht hat daher das Bundesgericht
aus Art. 27 Ziff. 1 MSchG auf Nichtigkeit geschlossen. Es kommt nichts
darauf an, dass der getäuschte Käufer, wie das Handelsgericht einwendet, im
Prozess die Voraussetzungen der Schadenersatzpflicht behaupten und beweisen
muss. Es ist, wie schon gesagt, nicht ein Merkmal der Nichtigkeit der
Marke, dass der Richter von Amtes wegen nach Nichtigkeitsgründen forsche.

    Eher liesse sich einwenden, indem das Gesetz in Art. 27 Ziff. 1
nur das Klagerecht des Inhabers der Marke und des getäuschten Käufers
erwähne, schliesse es alle weiteren Personen davon aus, sich durch Klage
oder Einrede auf Art. 6 MSchG zu berufen. Schon in BGE 53 II 516 wurde
indessen ausgeführt, dass die erwähnte Bestimmung die Klageberechtigten
nicht abschliessend aufzählt. Es muss z.B. auf Löschung einer seinen
Firmennamen enthaltenden oder nachahmenden Marke auch klagen können,
wer diesen Namen nicht als Marke verwendet. Auch kommt im Wortlaut von
Art. 27 Ziff. 1 nicht zum Ausdruck, das jede interessierte Partei, also
nicht nur der Inhaber einer Marke, auf Löschung eines Zeichens klagen
kann, das während drei aufeinanderfolgenden Jahrennichtgebrauchtwurde
(Art. 9 MSchG).

    d) Für die objektive Rechtswidrigkeit und daher Nichtigkeit einer
mit älteren Zeichen verwechselbaren Marke spricht auch die Fassung des
Art. 6 Abs. 1 MSchG. Diese Norm bestimmt gebieterisch, die zur Hinterlegung
gelangende Marke müsse sich von den schon eingetragenen durch wesentliche
Merkmale unterscheiden. Art. 6 Abs. 1 lässt in keiner Weise durchblicken,
dass er dann nicht gelte, wenn der Inhaber der früher eingetragenen Marke
die Hinterlegung einer verwechselbaren anderen Marke gestattet oder sie
stillschweigend duldet.

    Könnte das Einverständnis des ersten Hinterlegers vom Gebot genügender
Unterscheidbarkeit später hinterlegter Marken entbinden, so wäre auch
nicht nötig gewesen, im Jahre 1939 den die sogenannten Konzernmarken
betreffenden Art. 6 bis in das Gesetz aufzunehmen. Die wirtschaftlich eng
miteinander verbundenen Personen hätten die nämliche Marke im gegenseitigen
Einvernehmen schon vor dem Erlass dieser Bestimmung gültig hinterlegen
können. In der Botschaft vom 20. September 1937 über die Abänderung des
Markenschutzgesetzes wurde denn auch ausgeführt (BBl 1937 III 109 f.):

    "Soweit es sich nur um die Zulassung der Eintragung für die mehreren
"Miteigentümer" der gleichen Marke handelt, ist eine Änderung des
Markenschutzgesetzes nicht erforderlich; denn nach Art. 13 Abs. 2 des
Gesetzes kann ein Hinterleger auf der Eintragung seiner angemeldeten
Marke auch dann beharren, wenn diese mit einer bereits eingetragenen Marke
übereinstimmt. Indessen ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass sich die
Angehörigen des gleichen wirtschaftlichen Verbands, welche je die gleiche
Marke haben eintragen lassen, gegen einen aussenstehenden Dritten zur Wehr
setzen müssen, welcher ebenfalls die nämliche Marke benützt, und dass
dieser Dritte ihnen im Prozess entgegenhält, ihre eingetragenen Marken
seien ungültig, weil sie sich nicht voneinander unterscheiden (Art. 6
Abs. 1) und infolgedessen nicht geeignet seien, die mit ihnen versehenen
Waren als aus einem bestimmten Betrieb stammend zu kennzeichnen. Dieser
Einwand muss mit Rücksicht auf den neuen Text der Verbandsübereinkunft
abgeschnitten werden dadurch, dass Abs. 1 von Art. 6 als nicht anwendbar
erklärt wird im Falle der Eintragung der gleichen Marke für Inhaber,
welche zum gleichen wirtschaftlichen Verband gehören."

    Die gesetzgebenden Behörden gingen also noch in den Jahren 1937-1939
davon aus, dass Aussenseiter den die gleiche Marke benützenden
Verbandsangehörigen unter Berufung auf Art. 6 Abs. 1 MSchG deren
Ungültigkeit entgegenhalten könnten, wenn nicht eine Ausnahmebestimmung
(Art. 6 bis) in das Gesetz eingeführt würde.

    Zudem gestattet Art. 6 bis die Hinterlegung von Konzernmarken nur
unter dem Vorbehalt, dass "weder das Publikum getäuscht noch sonstwie
das öffentliche Interesse verletzt werden kann". Auch daraus ergibt sich,
dass die Zulässigkeit und Gültigkeit übereinstimmender Marken nicht allein
von der Stellungnahme der beteiligten Inhaber abhängt.

    Damit ist der Meinung des Handelsgerichts, es sei nun 80 Jahre nach dem
Erscheinen des Werkes von Josef Kohler über das Recht des Markenschutzes
endlich Zeit, sich von der Nichtigkeitstheorie dieses Autors frei
zu machen, der Boden entzogen. Die Nichtigkeit, obwohl seinerzeit vom
Bundesgericht auch durch Hinweis auf die erwähnte Lehrmeinung begründet,
lässt sich aus dem schweizerischen Gesetz ableiten, wie die Behörden es
noch in neuerer Zeit verstanden haben und es noch heute gilt. Auf den
Sinn des deutschen Warenzeichengesetzes und auf die heutige deutsche
Lehre kommt nichts an.

    e) Das Handelsgericht glaubt, wenn eine Marke wegen Verwechselbarkeit
nichtig wäre, müsste sie es immer bleiben; die Nichtigkeit könnte nicht
dadurch heilen, dass der Inhaber der älteren Marke das verwechselbare
Zeichen während längerer Zeit dulde oder sein Klagerecht sonstwie nach
Treu und Glauben verwirke, wie BGE 73 II 191 ff. dies als möglich erkläre.

    Dass Art. 2 ZGB auch im Gebiete des Markenrechts anwendbar ist,
bedeutet nicht, eine absolut nichtige Marke könne nachträglich auf
Grund dieser Bestimmung ein für allemal und gegenüber jedermann gültig
werden. Art. 2 ZGB setzt die Normen des Zivilrechts nicht allgemein für
bestimmte Arten von Fällen ausser Kraft, sondern weist den Richter nur an,
besonderen Umständen des einzelnen Falles Rechnung zu tragen (BGE 85 II
114, 87 II 154). Wenn der Richter die vom Inhaber der nachgeahmten Marke
gegen den Nachahmer gerichtete Löschungsklage wegen Rechtsmissbrauchs
abweist (vgl. BGE 73 II 191 ff., 76 II 394), heisst das daher nicht,
die Marke des Nachahmers werde nun gegenüber jedermann gültig. Das Urteil
wird nur zwischen dem Löschungskläger und dem Nachahmer rechtskräftig. Im
Prozesse des Nachahmers mit Dritten, z.B. mit dem getäuschten Käufer
oder mit einem Markeninhaber, dem der Nachahmer seinerseits Nachahmung
vorwirft, hat der Richter anhand der konkreten Umstände die Frage des
Rechtsmissbrauchs erneut zu prüfen und, falls er diesen verneint, die
Marke des ersten Nachahmers als ungültig zu behandeln.

    Zudem kann durchaus eine Marke anfänglich wegen Verwechselbarkeit
nichtig sein, im Laufe der Zeit aber im Lichte der Umstände des einzelnen
Falles nach Treu und Glauben schutzwürdig werden. Das ist die Folge davon,
dass Art. 2 ZGB den Richter verpflichtet, jeweilen den sich ändernden
Verhältnissen, dem Zeitablauf, dem besonderen Verhalten des einzelnen
Beteiligten und überhaupt allen dem einzelnen Falle eigenen Umständen
Rechnung zu tragen.

    f) Wenn der Inhaber die Marke während drei aufeinanderfolgenden Jahren
nicht gebraucht und seine Unterlassung nicht hinreichend zu rechtfertigen
vermag, kann der Richter die Marke auf Klage eines Interessierten
löschen lassen (Art. 9 MSchG). Das Handelsgericht ist der Meinung,
wenn der Nachahmer die Voraussetzungen dieser Bestimmung nachweist,
stehe die Gültigkeit seiner eigenen Marke fest; daraus folge, dass sie
vorher nicht absolut nichtig, sondern nur anfechtbar gewesen sein könne;
denn es sei begrifflich unmöglich, dass eine absolut nichtige Marke auf
einmal gültig werde; aus dem Nichts könne nichts entstehen.

    Auch diese formalistische Überlegung hält nicht stand. Wenn der
Richter die ältere Marke wegen dreijährigen Nichtgebrauchs löschen lässt
oder diesen Nichtgebrauch im Rechtsstreit zwischen dem Nachahmer und einem
Dritten vorfrageweise feststellt, ist es nicht begrifflich unmöglich, die
Marke des Nachahmers fortan - allenfalls sogar rückwirkend - als gültig
zu behandeln. Der besondere Sachverhalt (richterliche Feststellung
des Nichtgebrauchs der älteren Marke oder schon der Nichtgebrauch als
solcher) macht die Marke des Nachahmers gültig. Nach welchen Regeln sie
ohne den Eintritt dieses Sachverhaltes beurteilt werden müsste, ist damit
nicht gesagt.

    g) Das Handelsgericht glaubt die Nichtigkeit einer verwechselbaren
Marke auch verneinen zu müssen, weil ihre Voraussetzungen nicht immer
klar zutage lägen, sondern heikle Untersuchungen und eine gerichtliche
Entscheidung nötig machen könnten, so über die Frage der Verwechselbarkeit
oder der Warengleichheit oder darüber, ob die ältere Marke wegen
Nichtgebrauchs während dreier Jahre der Löschungsklage ausgesetzt sei
(Art. 9), ob sie einer noch älteren Marke widerspreche oder ob sie
gegenüber der neueren nach Treu und Glauben, z.B. wegen langen Duldens,
zurückzutreten habe. Es gehe deshalb nicht an, auf blosses Ansehen hin
zu erklären, eine Marke sei nichtig, weil sie einer am Prozess nicht
beteiligten älteren Marke ähnlich sei.

    Auch mit diesen Überlegungen lässt sich die Auffassung des
Handelsgerichts nicht begründen. Es versteht sich, dass die Prozessparteien
gemäss den Vorschriften des kantonalen Prozessrechtes alle Tatsachen zu
behaupten und zu beweisen haben, von denen die Nichtigkeit abhängt oder
die ihr im Wege stehen. Kommen sie ihrer Behauptungspflicht nach und
bieten sie die nötigen Beweise an, so darf der Richter nicht auf blosses
Ansehen der Marke hin entscheiden, sondern muss er auch alle anderen
für das Urteil erheblichen Tatsachen abklären und berücksichtigen. Die
Schwierigkeiten, die er bei der Ermittlung des behaupteten Sachverhaltes
oder dessen rechtlicher Würdigung allenfalls zu überwinden hat, stehen
der Auffassung nicht im Wege, dass eine Marke unter den gesetzlichen
Voraussetzungen nichtig sei. Nichtigkeit setzt nicht voraus, dass sie von
jedermann ohne weiteres erkannt werden könne. Gerade weil sie oft nicht
klar zutage liegt, hat nach dem Willen des Gesetzes nicht schon das Amt
für geistiges Eigentum die Voraussetzungen des Art. 6 MSchG zu prüfen,
sondern erst der Zivil- oder der Strafrichter.

    h) Das Handelsgericht glaubt ferner, die Praxis des Bundesgerichts
widerspreche den Bedürfnissen des Handelsverkehrs nach klaren,
übersichtlichen Rechtsverhältnissen.

    Zuzugeben ist, dass es für den Nachahmer einfacher wäre, wenn
er nur dem Inhaber der nachgeahmten Marke Rede und Antwort zu stehen
brauchte. Der Klarheit und Übersichtlichkeit ist jedoch am besten gedient,
wenn er damit rechnen muss, dass seine Marke auch Dritten gegenüber nicht
durchdringe. Das wird ihn von Nachahmungen abhalten. Die Auffassung des
Handelsgerichts ist geeignet, den Gebrauch gleicher oder ähnlicher Marken
für gleichartige Waren verschiedener Herkunft zu fördern und damit im
Handelsverkehr Verwirrung zu schaffen oder zu dulden.

    i) Das Handelsgericht lehnt die Praxis des Bundesgerichts ferner
ab, weil sie freie Bahn zu Markenrechtsverletzungen schaffe, stossend
sei und zu dem Ärgernis führe, dass fast jeder Markenrechtsverletzer zum
eigenen Vorteil dem Kläger ältere Marken entgegenhalte, ohne sich um deren
wirklichen Bestand und um ihr Verhältnis zur Marke des Klägers zu kümmern.

    Damit unterstellt das Handelsgericht, nach der Praxis des
Bundesgerichts genüge immer schon die blosse Eintragung einer älteren
Marke, um die ihr gleichende neuere nichtig zu machen. Davon kann nicht
die Rede sein. Dem Inhaber der neueren Marke bleibt vorbehalten, dem
Richter die Gründe darzulegen, aus denen seine Marke allenfalls trotz
der älteren gültig ist. So kann er z.B. vorbringen, die ältere sei
gemäss Art. 9 MSchG wegen Nichtgebrauchs unwirksam. Ferner unterstellt
das Handelsgericht, die Duldung der neueren Marke durch den Inhaber der
älteren mache jene ohne weiteres gültig. Da auch das nicht zutrifft, ist es
nicht stossend, wenn der vom Inhaber der neueren Marke Belangte dem Vorwurf
der Markenrechtsverletzung mit der Einrede der Nichtigkeit begegnet. Wie
häufig der Richter diese Einrede hören muss, ist unerheblich. Für die
Zahl dieser Fälle sind jene verantwortlich, die klagen, obschon sie
wissen oder wissen könnten, dass ihre Marke sich von einer älteren nicht
genügend unterscheidet.

    k) Das Handelsgericht wirft der Praxis des Bundesgerichts auch vor,
sie schaffe Verwirrung; sie schütze das kaufende Publikum nicht vor
Täuschungen, sondern erreiche gerade das Gegenteil, denn das Bundesgericht
erkläre die Marken nichtig, ohne sie im Register löschen zu lassen und
ihren weiteren Gebrauch zu untersagen.

    Das Bundesgericht darfnicht über die Rechtsbegehren hinausgehen, welche
die Parteien im kantonalen Verfahren stellen. Ein bundesgerichtlicher
Befehl zur Löschung der nichtigen Marke und ein Verbot ihres weiteren
Gebrauches sind daher ausgeschlossen, wenn die Nichtigkeit der Marke
nur einredeweise, nicht durch Klage oder Widerklage. mit entsprechenden
Rechtsbegehren geltend gemacht wurde. Dass eine Marke eingetragen
bleiben kann, obschon das Bundesgericht sie als nichtig erachtet hat,
ist also nicht auf Fehler der Rechtsprechung zurückzuführen. Im übrigen
gibt das Markenregister deshalb nicht immer die wahre Rechtslage wider,
weil das Amt für geistiges Eigentum nach dem Willen des Gesetzes die
Eintragung verwechselbarer Marken nicht verweigern darf. Auch hiefür
ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung nicht verantwortlich. Nur eine
fehlerhafte Auslegung des Gesetzes könnte das Bundesgericht veranlassen,
sie zu ändern, nicht auch praktische Unzukömmlichkeiten, die andere
Ursachen haben.

    l) Schliesslich argumentiert das Handelsgericht, die Heranziehung
einer älteren am Prozess nicht beteiligten Marke sei auch prozessual
unzulässig und unmöglich. Das Bundesgericht dürfe als Berufungsinstanz die
Marken nicht miteinander vergleichen, ohne dass die kantonale Instanz die
tatsächlichen Feststellungen getroffen habe. Die nötigen Feststellungen
seien aber nicht möglich, wenn die ältere Marke am Prozess nicht beteiligt
sei. Ihr Inhaber sei nicht verpflichtet, Unterlagen vorzulegen oder
Erklärungen über seine Marke abzugeben. Es dürfe vermutet werden, der
Inhaber der älteren Marke habe nichts unternommen, weil die neuere Marke
für ihn unschädlich sei. Unter solchen Umständen sei es nicht Aufgabe
des Gerichtes, dem Inhaber der älteren Marke mehr Rechte zuzuschreiben,
als er selber beanspruche.

    Damit verkennt das Handelsgericht, dass der Richter nicht über die
Rechte des am Prozess nicht beteiligten Inhabers der älteren Marke, sondern
über die Rechtslage des klagenden Hinterlegers der neueren Marke gegenüber
dem beklagten Dritten entscheidet, wenn er dessen Nichtigkeitseinrede
beurteilt. In Erfüllung dieser Aufgabe hat er alle erheblichen
Beweise abzunehmen, die das kantonale Prozessrecht anerkennt und der
Beklagte in der von diesem Gesetze bestimmten Form rechtzeitig angerufen
hat. Gegebenenfalls hat er also auch den Hinterleger der älteren Marke
zur Herausgabe von Urkunden oder zur Zeugenaussage zu verhalten. Sollten
bisweilen prozessuale Normen ihn daran hindern, so könnte darin kein Grund
gesehen werden, das eidgenössische materielle Recht anders auszulegen,
als das Bundesgericht es in seiner ständigen Rechtsprechung getan hat.

    Aus allen diesen Gründen ist an der beanstandeten Praxis festzuhalten.

Erwägung 2

    2.- Die Klägerin hält die Marke POLLUX für gültig, weil die beiden
COLUX-Marken nicht für die eingetragenen Warengattungen "Papier und
Papierwaren" (Marke Nr. 107707) bzw. "Papier und Papierwaren aller
Art" (Marke Nr. 148595), sondern nur für Schrankpapier rechtsbeständig
seien. Nur für dieses Erzeugnis würden sie nämlich tatsächlich gebraucht;
im übrigen hätten sie die Natur unzulässiger Defensivzeichen.

    Es trifft nicht zu, dass, wie die Klägerin vorbringt, vor dem
Handelsgericht beide Parteien ausgeführt hätten, die COLUX-Marken würden
nur für Schrankpapier verwendet. Lediglich die Klägerin nahm diesen
Standpunkt ein, indem sie einen weitergehenden Gebrauch "vorsorglich"
bestritt. Die Beklagte dagegen behauptete unter Berufung auf zwei
Zeugen, das Zeichen COLUX werde tatsächlich gebraucht, "und zwar für
speziell veredeltes Papier (mit Lack beschichtet, es ist ein spezielles
Herstellungsverfahren) und für Papierfolien zur Schrankauskleidung
sowie zum Teil für Verpackungen". Das Handelsgericht hat den angebotenen
Beweis nicht abgenommen und die Behauptung der Beklagten im Urteil nur
wiedergegeben, ohne dazu Stellung zu nehmen.

    Es erübrigt sich jedoch, die Sache zur Abklärung dieses Punktes
zurückzuweisen. Gewiss erstreckt sich der Schutz einer Marke nach
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht notwendigerweise auf alle
eingetragenen Waren. Er entfällt für jene Gattungen, für die das Zeichen
binnen der dreijährigen Frist des Art. 9 MSchG nicht tatsächlich gebraucht
wird (BGE 62 II 61 und nicht veröffentlichtes Urteil vom 2. November
1954 i.S. Solco AG/Mühlethaler SA). Doch liegt dieser Sachverhalt hier
jedenfalls in bezug auf das Erzeugnis "Papier" nicht vor. Man darf in
Schrankpapier nicht eine besondere Kategorie sehen, da es nicht im Sinne
des Art. 6 Abs. 3 MSchG gänzlich von "Papier" abweicht. Es fällt gegenteils
vollständig unter diese Warengattung. Selbst wenn die Firma Burkhardt &
Hauser AG die COLUX-Marken nur auf den zur Auskleidung von Schränken
bestimmten Papieren verwenden sollte, könnte daher nicht gesagt werden,
sie brauche sie für die Gattung "Papier" nicht. Um für diese Marken Schutz
beanspruchen zu können, war sie nicht verpflichtet, sie auf Papieren
aller möglichen Beschaffenheit oder Bestimmungszwecke anzubringen.

    Ob die Eintragung der COLUX-Marken für die Gattung "Papierwaren" bzw.
"Papierwaren aller Art" nur zu Defensivzwecken erfolgte, kann dahingestellt
bleiben.

Erwägung 3

    3.- Die Klägerin macht geltend, das Zeichen POLLUX sei für Erzeugnisse
bestimmt, die von dem mit den COLUX-Marken versehenen Schrankpapier
gänzlich verschieden seien; deshalb sei es gültig.

    Der Schutzbereich der COLUX-Marken erstreckt sich indessen nicht nur
auf Schrankpapier, sondern auf Papier überhaupt, wenn nicht allenfalls
sogar auch auf Papierwaren. Deshalb sind die Gattungen "Folien und
Verpackungen aller Art", für die das Zeichen POLLUX bestimmt ist, nicht
dem Schrankpapier, sondern dem Papier schlechthin gegenüberzustellen.

    Weder "Folien", noch "Verpackungen aller Art" weichen ihrer Natur
nach von "Papier" gänzlich ab, wie es nötig wäre, damit die Klägerin
sich auf Art. 6 Abs. 3 MSchG berufen könnte. Diese Bestimmung trifft
nicht schon bei technisch verschiedener Beschaffenheit der Ware zu. Sie
setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die Abnehmer dank der
Verschiedenheit der Ware trotz der Übereinstimmung oder Verwechselbarkeit
der Marken nicht auf den Gedanken kommen können, die Erzeugnisse würden
von ein und derselben Firma hergestellt oder auf den Markt gebracht (BGE
87 II 108 und dort erwähnte Entscheide). Daher ist nicht entscheidend, ob
die Käufer, wie die Klägerin vorbringt, unter Folien "etwas Künstliches,
Chemisches" verstehen und deshalb Papier nicht dazu zählen. Folien,
wie sie der Klägerin vorschweben, z.B. Polyaethylenfolien, dienen
weitgehend gleichen Zwecken wie Papiere, nämlich zum Verpacken oder
Bedecken von Waren, zum Belegen von Tischen und Gestellen, zum Auskleiden
von Schränken, Schubladen usw. Sie stehen in vielen Anwendungsbereichen
mit dem Papier im Wettbewerb und verdrängen es mehr und mehr. Das ist
so wahr, dass die Klägerin den Schutz der Marke POLLUX nicht nur für
Folien und Verpackungen aus Folien, sondern für Verpackungen aller Art
beansprucht, also auch für solche aus Papier. Falls die Marke POLLUX
mit den COLUX-Marken verwechselt werden kann, ist sie daher geeignet,
die Abnehmer über die Herkunft der Ware irrezuführen.

    Der Einwand, die Abnehmerkreise deckten sich nicht, hilft nicht. Papier
wird nicht nur von Personen gekauft, die es im Haushalt verwenden wollen,
sondern auch von Unternehmern und Kaufleuten zur Verwendung im Geschäft,
besonders zum Einpacken von Waren, also gerade von jenen Kreisen, die auch
für die Folien und Verpackungen der Klägerin Interesse haben. Übrigens
gehen auch die dem breiten Publikum angebotenen Papiere durch die Hand der
Kleinhändler, also von Angehörigen der Kreise, die nach der Darstellung
der Klägerin deren Folien und Verpackungen zu erwerben pflegen. In diesen
Kreisen kann die Marke POLLUX Verwirrung stiften.

Erwägung 4

    4.- Die Klägerin hält ihre Marke auch für gültig, weil sie nicht mit
den COLUX-Marken verwechselt werden könne.

    Dem Klange nach unterscheiden sich diese Zeichen indessen nicht
genügend. Dass das eine mit einem P, das andere mit einem C beginnt und
dass im einen der Buchstabe L verdoppelt ist, kann leicht überhört werden,
besonders am Telephon. Die beiden Wörter sind beim Sprechen gleich lang,
und beide weisen zwei Silben auf, wobei die zweite in beiden Marken
identisch ist. Die zweite Silbe fällt wegen des selten vorkommenden
Buchstabens X besonders auf und bleibt im Gedächtnis leichter haften
als die erste. Aber auch das O der ersten Silbe kann Verwechslungen
fördern. Als Ganzes klingen beide Wörter so ähnlich, dass eine geringe
Undeutlichkeit beim Sprechen oder ein Hörfehler die Unterscheidung
verunmöglichen können.

    Das Wort COLUX hat keinen Sinn, und der aus der griechischen
Göttersage stammende und einen Fixstern bezeichnende Name POLLUX ist
im Volke so wenig bekannt, dass viele Leute ihn für ein Phantasiewort
halten können. Es kann daher nicht gesagt werden, die durch den Klang
geschaffene Verwechslungsgefahr werde vermindert oder behoben, weil die
beiden Wörter häufig vorkämen und kraft eines bestimmten Sinnes leicht
voneinander unterschieden werden könnten. Auch kann, wer die beiden
Wörter nicht schon beim Hören verwechselt, ihre Unterschiede mangels
eines allgemein bekannten Sinnes nachträglich leicht vergessen.

    Welchen Eindruck der Beschauer von den Zeichen erhält, ist schon
deshalb unerheblich, weil Wortmarken sich nicht nur beim Lesen und
Betrachten, sondern vor allem auch im mündlichen Verkehr voneinander
unterscheiden müssen. Dass die COLUX-Marke Nr. 148595 verschnörkelte
Schrift aufweist, wie die Klägerin geltend macht, spielt im übrigen auch
deshalb keine Rolle, weil daneben noch die COLUX-Marke Nr. 107707 mit
einfacher Schrift besteht. Übrigens pflegt der Leser die Schriftzüge
wenig zu beachten; wesentlich ist ihm bei Wortmarken gewöhnlich nur der
Klang und gegebenenfalls der Sinn. Davon geht auch die Firma Burkhardt &
Hauser AG aus, trägt doch das bei den Akten liegende Schrankpapier das
Wort Colux in einer Schrift, die von den beim Amt für geistiges Eigentum
hinterlegten Schriften abweicht. Auch der Umstand, dass die Marke POLLUX
im Gegensatz zu den COLUX-Marken in weisser Schrift auf schwarzem Grunde
steht, der von einem weissen und einem schwarzen Strich umrandet ist,
schliesst die Gefahr von Verwechslungen nicht aus. Meistens betrachtet man
nur das Wort, nicht auch das Schildchen, auf dem es steht. Das trifft für
die Marke POLLUX um so mehr zu, als sie, praktisch angewendet, keineswegs
bildhaft wirkt. Sie pflegt nämlich nur sehr klein und an unscheinbarer
Stelle der Verpackung angebracht zu werden, damit man sie nicht als eine
den Inhalt kennzeichnende Marke auffasse.

    Aus allen diesen Gründen ist die Marke der Klägerin nichtig. Die
Klägerin ist daher nicht berechtigt, auf Nichtigerklärung der Marke der
Beklagten und auf Unterlassung des Gebrauchs dieser Marke zu klagen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 2. Juni 1964
wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.