Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 II 362



91 II 362

53. Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. Oktober 1965 i.S. Massoni gegen
Meier. Regeste

    Wechselrecht

    1.  Ermittlung der Rechtsordnung, nach der im internationalen
Verhältnis die Wirkungen der Wechselbürgschaft und die Verjährung der
Wechselforderungen zu beurteilen sind (Erw. 1).

    2.  Verjährung der Wechselforderung: Art. 1070 OR bestimmt nur die
für die Wechselforderung geltenden Unterbrechungsgründe. Unter welchen
Voraussetzungen und wann die durch Rechtshandlungen des Gläubigers
unterbrochene Verjährung wieder zu laufen beginnt, geht aus der allgemeinen
Verjährungsbestimmung von Art. 138 OR hervor, deren Absätze 1-3 in
Ergänzung zu Art. 1070 OR anzuwenden sind (Erw. 2-9).

Sachverhalt

    A.- Angelo Giusti stellte am 5. Oktober 1959 in Mailand zugunsten
des Giovanni Massoni drei in Mailand zahlbare, nach zwei, drei und vier
Monaten verfallende eigene Wechsel über je eine Million Lire aus. Oskar
Meier unterzeichnete sie an seinem Wohnsitz Zürich als Bürge.

    Da weder Giusti noch Meier zahlten, liess Massoni diesem am 27. Februar
1960 durch das Betreibungsamt Zürich 9 einen auf Fr. 20'925.-- nebst Zins,
Protest- und Betreibungskosten lautenden Zahlungsbefehl zustellen. Meier
erhob Rechtsvorschlag. Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich wies
das Rechtsöffnungsbegehren des Massoni am 31. März 1960 ab.

    Am 8. März 1963 stellte Massoni gegen Meier beim Betreibungsamt Zürich
9 für Fr. 21'057.80 nebst Zins ein neues Betreibungsbegehren, doch konnte
der am 9. März 1963 ausgestellte Zahlungsbefehl nicht zugestellt werden,
weil Meier nunmehr im Betreibungskreis Zürich 10 wohnte. Am 21. März
1963 wiederholte Massoni das Betreibungsbegehren beim Betreibungsamt
Zürich 10. Am 22. März 1963 erhielt Meier den Zahlungsbefehl. Er erhob
Rechtsvorschlag.

    B.- Massoni klagte im Juni 1963 gegen Meier auf Zahlung von
Lit. 3'011,200 nebst Zins, Protest- und Betreibungskosten. Das
Bezirksgericht Zürich und das Obergericht des Kantons Zürich, dieses mit
Urteil vom 9. März 1965, wiesen die Klage ab.

    Das Obergericht wandte gemäss Art. 1090 Abs. 2 OR schweizerisches Recht
an und kam in Gutheissung der Verjährungseinrede des Beklagten zum Schluss,
die Forderung sei drei Jahre, nachdem das erste Betreibungsbegehren
gestellt wurde, also spätestens am 27. Februar 1963 verjährt. Art. 1070
OR sei eine Sondervorschrift, welche die Anwendung des Art. 138
Abs. 2 OR ausschliesse. Das Rechtsöffnungsbegehren des Klägers und
die Rechtsöffnungsverfügung vom 31. März 1960 wirkten daher nicht
verjährungsunterbrechend.

    C.- Der Kläger hat die Berufung erklärt. Er beantragt, die Klage
gutzuheissen, eventuell die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht
zurückzuweisen.

    Der Beklagte verlangt, die Berufung abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Welcher Rechtsordnung die vom Kläger geltend gemachte Forderung
untersteht, beurteilt sich in erster Linie nach dem Abkommen vom
7. Juni 1930 über Bestimmungen auf dem Gebiete des internationalen
Wechselprivatrechts, dem Italien mit Wirkung ab 1. Januar 1934 und
die Schweiz mit Wirkung ab 1. Juli 1937 beigetreten sind (BS 11 868
f.), und in zweiter Linie nach den Art. 1086 ff. des schweizerischen
Obligationenrechtes betreffend den Geltungsbereich der wechselrechtlichen
Normen (vgl. BGE 90 II 123 Erw. 1).

    Die Wirkungen, welche die Erklärung des Wechselbürgen hat, bestimmen
sich gemäss Art. 4 Abs. 2 des erwähnten Abkommens und Art. 1090 Abs. 2 OR
nach dem Rechte des Landes, in dessen Gebiete die Erklärung unterschrieben
wurde, im vorliegenden Falle also nach schweizerischem Recht.

    Es ist fraglich, ob diese Regelung in allen Teilen auch für die
Verjährung der Forderung gilt. Das Abkommen über Bestimmungen auf
dem Gebiete des internationalen Wechselprivatrechts macht zwar hierauf
bezüglich keine Ausnahme, aber in Art. 17 Abs. 1 der Anlage II zu dem am
gleichen Tage abgeschlossenen Abkommen über das einheitliche Wechselgesetz
wird bestimmt, es bleibe der Gesetzgebung jedes der vertragschliessenden
Teile überlassen, die Gründe für die Unterbrechung und die Hemmung der
Verjährung der von seinen Gerichten zu beurteilenden wechselmässigen
Ansprüche zu bestimmen (BS 11 863). Die Schweiz hat von der Möglichkeit,
das Abkommen über das einheitliche Wechselgesetz nur unter Vorbehalt
dieser Bestimmung zu genehmigen, Gebrauch gemacht (Bundesbeschluss
vom 8. Juli 1932, BS 11 928). Die Gründe für die Unterbrechung der
Verjährungsfrist nannte sie in Art. 1070 OR. Eine besondere Norm über
den zwischenstaatlichen Geltungsbereich dieser Bestimmung erliess sie
nicht. Die staatsrechtliche Kammer des Bundesgerichts hat jedoch aus
dem Erlass des Art. 1070 gefolgert, der schweizerische Gesetzgeber
scheine den Willen gehabt zu haben, die Unterbrechungsgründe stets dem
schweizerischen Recht zu unterstellen, welches Recht auf die Wirkungen
der Wechselverbindlichkeit auch immer anwendbar sein möge; jedenfalls
sei diese Auffassung nicht willkürlich (BGE 77 I 11).

    Es erübrigt sich, zu dieser Frage Stellung zu nehmen, denn im
vorliegenden Falle müsste - welches auch die Lösung wäre - durchwegs
schweizerisches Recht angewendet werden, sei es auf Grund obiger
Überlegungen, sei es gemäss Art. 1090 Abs. 2 OR.

Erwägung 2

    2.- Die Verjährung wechselmässiger Ansprüche ist in den Art. 1069-1071
OR geregelt, die unter den Bestimmungen über den gezogenen Wechsel stehen,
aber gemäss Art. 1098 Abs. 1 OR auch für den eigenen Wechsel gelten.

    Art. 1070 erklärt, die Verjährung werde durch Anhebung der Klage,
durch Einreichung eines Betreibungsbegehrens, durch Streitverkündung oder
durch Eingabe im Konkurs unterbrochen. Diese Vorschrift trat an die Stelle
des etwas anders gefassten, aber inhaltlich ungefähr gleichen Art. 806
aoR, in dem im übrigen dem Sinne nach auch der heutige Art. 1071 Abs. 1
enthalten war.

    Die Fassung des Art. 806 aoR und der verschiedenen Entwürfe verraten
deutlich, dass ihnen Art. 80 der Allgemeinen deutschen Wechselordnung
von 1848 (WO) Vorbild war, wie denn überhaupt das Wechselrecht des alten
Obligationenrechts sich eng an diese Ordnung anlehnte (Botschaft des
Bundesrates vom 27. November 1879, BBl 1880 I 225, 226).

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 80 WO wurde ursprünglich die Verjährung nur durch
Behändigung der Klage oder durch Streitverkündigung unterbrochen. Die
Einführungsgesetze zur Konkursordnung und zur Zivilprozessordnung änderten
diese Bestimmung ab, indem sie weitere Handlungen, besonders die Anmeldung
im Konkurs, zu Unterbrechungsgründen erhoben. Von wann an die unterbrochene
Verjährung wieder laufe, wurde in der Wechselordnung nicht gesagt; man
hielt die hiefür geltenden allgemeinen Grundsätze für massgebend (THÖL,
Handelsrecht Bd. 2, Leipzig 1873 S. 789 f.; BERNSTEIN, Allgem. deutsche
und allgem. österreichische Wechselordnung, Breslau 1898 S. 296 § 3, mit
Hinweis auf S. LXXIII der Motive zum Entwurf). Lehre und Rechtsprechung
nahmen an, die Klage unterbreche die Verjährung für solange, als der
Kläger den Prozess fortsetze, die Streitverkündung unterbreche sie bis
zur Beendigung des Prozesses und die unterbrechende Wirkung der Anmeldung
im Konkurs daure bis zum Prüfungstermin oder bis zur Bekanntmachung
der Beendigung des Konkurses (HARTMANN, Das deutsche Wechselrecht,
Berlin 1869 S. 457 f.; VON WÄCHTER, Encyclopädie des Wechselrechts,
Stuttgart 1880 S. 978 f.; LEHMANN, Lehrbuch des deutschen Wechselrechts,
Stuttgart 1886 S. 578; STAUB, Komm. zur WO, Berlin 1895 Art. 80 §§
15-19; GRÜNHUT, Wechselrecht, Leipzig 1897 2 553; Entscheidungen des
Reichs-Oberhandelsgerichts 16 362 f., vgl. 13 269; BOLZE, Die Praxis des
Reichsgerichts in Zivilsachen 18 Nr. 139).

    Es ist zu vermuten, dass Art. 806 aoR gleich wie sein Vorbild nur
bestimmen wollte, durch welche Rechtshandlungen (und mit Wirkung gegen
welchen Verpflichteten) der Wechselgläubiger die Verjährung unterbrechen
könne, dass er dagegen offen liess, unter welchen Voraussetzungen und
wann die durch Anhebung der Betreibung, Eingabe im Konkurs, Klage oder
Streitverkündung unterbrochene Verjährung wieder zu laufen beginne. Diese
Frage bedurfte für das Wechselrecht keiner besonderen Ordnung, weil sie
in Art. 157 aoR allgemeingültig beantwortet war.

Erwägung 4

    4.- Ein Blick auf die Entwürfe bestätigt die Richtigkeit dieser
Auffassung.

    Noch der nach den Beschlüssen einer Kommission vom Jahre 1876
bearbeitete Entwurf bestimmte in Art. 197 gleich wie die frühern
Entwürfe, die Unterbrechung der Verjährung durch Anhebung einer Klage
dauere bis zum Abschluss des Rechtsstreites, die Unterbrechung durch ein
Betreibungsbegehren bis zur letzten vergeblichen Vollstreckungshandlung
und die Unterbrechung durch Konkurseingabe bis zur Rehabilitation oder bis
zum Tode des Schuldners. Dabei war klar, dass Art. 197 des Entwurfes auch
für Wechselverpflichtungen gelten sollte. Es bestand kein Anlass, Klage,
Betreibungsbegehren und Konkurseingabe im Wechselrecht nicht ebenfalls die
Wirkung einer bis zum Abschluss des Verfahrens andauernden Unterbrechung
der Verjährung beizumessen. Der dem Art. 806 aoR entsprechende Art. 857
des Entwurfes hatte nur den Zweck, den in Art. 195 neben der Klage
usw. miterwähnten Unterbrechungsgrund der Schuldanerkennung für das
Wechselrecht auszuschalten und ausserdem klarzustellen, die Unterbrechung
wirke nur gegen jenen Wechselverpflichteten, gegen den die Handlung
gerichtet sei. Diese Regelung wurde in weitern Entwürfen und Vorlagen im
wesentlichen beibehalten.

    Erst in der das ganze Kapitel der Verjährung neu gestaltenden Vorlage
vom 24. Januar 1881 wurde vorgeschlagen, im Verlaufe des Rechtsstreites
mit jeder gerichtlichen Handlung der Parteien und mit jeder Verfügung
oder Entscheidung des Richters und im Falle der Schuldbetreibung am
Tage nach der Zustellung des Betreibungsaktes eine neue Verjährungsfrist
beginnen zu lassen (Art. 163 Abs. 1 und 3). Bei der Unterbrechung durch
Konkurseingabe jedoch hielt das Justiz- und Polizeidepartement daran fest,
dass die neue Verjährungsfrist erst mit der Aufhebung des Konkurses, der
Rehabilitation oder dem Tode des Schuldners laufe (Art. 163 Abs. 2). Der
Ständerat pflichtete am 17. Februar 1881 dieser Ordnung bei, wobei er
immerhin forderte, dass mit dem Zeitpunkt, in welchem die im Konkurs
eingegebene Forderung nach dem Konkursrecht wieder geltend gemacht werden
könne, auch die neue Verjährungsfrist beginne (Art. 162).

    In der endgültigen Fassung von Art. 157 aoR wurde dann noch
verdeutlicht, im Falle der Unterbrechung durch Schuldbetreibung fange
mit jedem Betreibungsakt eine neue Verjährungsfrist an. In den Entwürfen
zu Art. 806 aoR anderseits wurde nie etwas darüber gesagt, wann die
unterbrochene Verjährung wieder beginne. Man ging offensichtlich
davon aus, für das Wechselrecht seien die allgemeinen Bestimmungen
massgebend. Als man dann den Grundsatz, dass während des Rechtsstreites,
der Betreibung und des Konkurses keine neue Verjährungsfrist laufe,
nur noch für den Konkursfall aufrecht hielt und im übrigen zum System
der Unterbrechung durch gerichtliche Handlung der Parteien, durch
Verfügungen und Entscheidungen des Richters und durch Betreibungsakte
überging, unterliess man, in Art. 806 aoR ausdrücklich zu sagen, diese
Unterbrechungsgründe gälten auch für Wechselforderungen. Es fehlt
aber jeder Anhaltspunkt dafür, die gesetzgebenden Behörden wären der
Meinung gewesen, die durch Klage, Streitverkündung oder Betreibung
unterbrochene Verjährungsfrist bei Wechselforderungen werde nicht
erneut unterbrochen durch jede gerichtliche Handlung der Parteien,
durch Verfügung und Entscheidungen des Richters, beziehungsweise durch
jeden Betreibungsakt. Entweder schenkte man der Frage, welche Rechtslage
bei Wechselforderungen mit der Unterbrechungshandlung eintrete, keine
Beachtung, oder man ging davon aus, sie werde nach wie vor durch die
allgemeinen Verjährungsbestimmungen beantwortet. So oder so liegt auf
der Hand, dass Art. 157 aoR auch im Wechselrecht zu gelten hatte.

Erwägung 5

    5.- Dabei blieb es, als im Jahre 1911 Art. 157 aoR durch den gleich
lautenden Art. 138 OR und im Jahre 1936 Art. 806 aoR durch Art. 1070
ersetzt wurde. In der Botschaft des Bundesrates von 1928, S. 132 (= BBl
1928 I 336), wurde ausdrücklich gesagt, die Unterbrechungsgründe würden
in Übereinstimmung mit dem (damals) geltenden Recht geordnet.

Erwägung 6

    6.- Diese Auslegung des alten und des neuen Gesetzes ist auch
vernünftig. Mit Art. 806 aoR und Art. 1070 OR wollte der Gesetzgeber den
Gläubiger veranlassen, die Wechselforderung innerhalb der Verjährungsfrist
durch Klage, Betreibung, Eingabe im Konkurs oder Streitverkündung geltend
zu machen und den in Art. 154 Ziff. 1 aoR bzw. 135 Ziff. 1 OR aufgezählten
Handlungen des Schuldners im Wechselrecht die verjährungsunterbrechende
Kraft nehmen. Dagegen bestand kein Anlass, den Wechselgläubiger, der
seine Forderung durch eine der erwähnten Rechtshandlungen rechtzeitig
geltend macht, im Verlaufe des Prozesses, der Betreibung oder des Konkurses
ungünstiger zu behandeln als andere Gläubiger. Während des Prozesses kommt
eine Wiederholung der Klage oder eine Streitverkündung des Gläubigers
gegen den Beklagten nicht in Frage und entbehrt ein Betreibungsbegehren
eines Sinnes. Es ist nicht zu ersehen, weshalb der Kläger ein solches
stellen sollte und nicht auch die gerichtlichen Handlungen der Parteien
und die Verfügungen oder Entscheidungen des Richters die Verjährungsfrist
unterbrechen könnten. Es ist auch sinnlos, den Wechselgläubiger
während einer Betreibung, solange Betreibungsakte noch möglich sind,
zur Einreichung eines neuen Betreibungsbegehrens oder einer Klage oder
zu einer Streitverkündung zu verhalten. Ebenso unvernünftig wäre es,
die durch Konkurseingabe unterbrochene Verjährungsfrist in Abweichung
von Art. 138 Abs. 3 OR für Wechselforderungen während des Konkurses neu
laufen zu lassen. All das legt nahe, für Wechselforderungen die Absätze
1-3 des Art. 138 in Ergänzung von Art. 1070 OR anzuwenden.

Erwägung 7

    7.- Auch Art. 1071 Abs. 2 OR steht der Anwendung des Art. 138
auf Wechselforderungen nicht im Wege. Vorgänger des Art. 1071 Abs. 2
OR war Art. 807 aoR, der mit der Unterbrechung eine neue dreijährige
Verjährungsfrist laufen liess. Es lag dieser Norm fern, den Ausgangspunkt
der neuen Verjährungsfrist festzulegen; ihr Sinn erschöpfte sich darin,
dass die neue Frist in allen Fällen drei Jahre dauere, wie lange auch
immer die alte gewesen sein möge. Das Gleiche gilt für Art. 1071 Abs. 2
OR; er stellt klar, dass nunmehr in Abweichung zum früheren Recht die neue
Verjährungsfrist von gleicher Dauer sei wie die ursprüngliche (Botschaft
des Bundesrates S. 132 = BBl 1928 I 336).

Erwägung 8

    8.- Unter der Herrschaft des Art. 806 aoR war in der Lehre
unbestritten, das weitere Schicksal der durch Klage, Streitverkündung,
Betreibung und Konkurseingabe unterbrochenen Verjährung sei für
wechselmässige Ansprüche in Art. 157 aoR bzw. Art. 138 OR geregelt
(HAFNER, 2. Aufl., Art. 807 Anm. 3; ROSSEL, Manuel du droit fédéral
des obligations, 2. Aufl. S. 945 Nr. 1030, 4. Aufl. S. 262 Nr. 431;
SCHNEIDER/FICK, Art. 807 Anm. 2; GOETZINGER in der 4. Auflage des
Kommentars Schneider/Fick Art. 807 Anm. 2; RENNEFAHRT, Anm. zu Art. 807;
vgl. auch MEILI, Das internationale Civil- und Handelsrecht 2 § 198 II 2).

    Seit dem Inkrafttreten des Art. 1070 OR hat die Lehre zu dieser
Frage noch nicht Stellung genommen, besonders auch nicht Guhl in seinem
Obligationenrecht, auf den sich die Vorinstanz beruft (GUHL, 5. Aufl. S.
751).

Erwägung 9

    9.- Das deutsche Recht kennt heute für die Verjährung von
Wechselforderungen keine besonderen Unterbrechungsgründe mehr. Art. 80
WO wurde auf 1. Januar 1900 durch Art. 8 des EG zum HGB ausser
Kraft gesetzt. Von da an galten die Unterbrechungsgründe der §§ 208
f. BGB auch im Wechselrecht (REHBEIN, Allgem. deutsche Wechselordnung,
6. Aufl. Art. 80 Bem. 7). Unter dem Wechselgesetz von 1933 ist es gleich
geblieben (BAUMBACH/HEFERMEHL N. 1 zu Art. 71 Wechselgesetz). Gemäss §
211 BGB dauert die Unterbrechung durch Klageerhebung fort, bis der Prozess
rechtskräftig entschieden oder anderswie erledigt ist. Die Unterbrechung
durch Zustellung eines Zahlungsbefehls im Mahnverfahren dauert ebenfalls
während des ganzen Verfahrens an (§ 213 in Verbindung mit § 212a BGB),
desgleichen die Unterbrechung durch Anmeldung im Konkurs (§ 214 BGB).

    Das österreichische Wechselgesetz von 1955 schränkt die in § 1497
ABGB genannten Unterbrechungsgründe nicht ein, sondern erweitert sie,
indem es in Art. 71 Abs. 2 bestimmt, der Anbringung der Klage ständen
in bezug auf die Unterbrechung der wechselrechtlichen Verjährung die vom
Beklagten bewirkte Streitverkündung und die Geltendmachung des Anspruchs
in der mündlichen Verhandlung gleich.

    Im französischen Recht ist die wechselrechtliche Verjährung in
Art. 179 Ccom geregelt. Aus welchen Gründen sie unterbrochen werden könne,
sagt diese Bestimmung nicht. Es besteht in der Lehre und Rechtsprechung
sozusagen einhellig die Auffassung, die Unterbrechungsgründe des gemeinen
Zivilrechts, also der Art. 2244 und 2248 Cciv, seien anwendbar. Im übrigen
ergibt sich aus Art. 179 Abs. 4 Ccom, dass die durch Klage unterbrochene
Verjährung erst vom letzten Tag der gerichtlichen Verfolgung an wieder
läuft. Unterbrechungsgründe sind unter anderem auch der Zahlungsbefehl
und die Pfändung. Diese unterbricht die Verjährung bis zum Zeitpunkt,
in dem das Pfändungsverfahren beendet ist. (Siehe LESCOT/ROBLOT, Les
effets de commerce 2 S. 190 f. Nr. 722-725).

    Auch das italienische Wechselgesetz von 1933 befasst sich in
seinen Bestimmungen über die Verjährung (Art. 94 und 95) nicht mit den
Unterbrechungsgründen. Sie sind in den Art. 2943 und 2944 des Codice civile
allgemeingültig geregelt. Nach der Unterbrechung durch Klage beginnt die
neue Verjährung erst mit der Rechtskraft des Urteils zu laufen (Art. 2945
Abs. 2 Cciv).

    Verglichen mit den Rechten der Nachbarstaaten, nimmt also Art. 1070
OR eine Sonderstellung ein, die noch ausgeprägter wäre, wenn man Art. 138
OR auf die Verjährung wechselmässiger Ansprüche nicht anwenden würde. Das
ist ein Grund mehr, die vorinstanzliche Auslegung abzulehnen. Es kann
nicht gesagt werden, sie entspreche bewährter Lehre und Überlieferung.

    lo. - Der Beklagte hat sich für den Aussteller des Wechsels verbürgt.
Gemäss Art. 1022 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1098 Abs. 3 OR haftet er
daher wie der Aussteller. Dieser haftet seinerseits in gleicher Weise
wie der Annehmer eines gezogenen Wechsels (Art. 1099 Abs. 1). Der
wechselmässige Anspruch gegen den Beklagten untersteht daher der
dreijährigen Verjährungsfrist des Art. 1069 Abs. 1 (vgl. BGE 38 II 70 f.).

    Diese Frist lief von den Verfalltagen der Wechsel an und wurde
durch das Betreibungsbegehren, das zum Zahlungsbefehl vom 27. Februar
1960 führte, unterbrochen. Gemäss Art. 138 Abs. 2 OR begann hierauf
mit jedem Betreibungsakt die Verjährung von neuem zu laufen. Ausser
dem Zahlungsbefehl war der Rechtsöffnungsentscheid des Bezirksgerichtes
Zürich vom 31. März 1960 ein Betreibungsakt (HAFNER, Art. 157 Anm. 4 a,
und OSER/SCHÖNENBERGER, Art. 138 N. 4; vgl. auch BGE 81 II 136). Dass das
Rechtsöffnungsbegehren des Klägers abgewiesen wurde, ist unerheblich. Auch
in der Abweisung, durch die der Kläger endgültig auf die Geltendmachung
seiner Forderung im ordentlichen Prozessverfahren verwiesen wurde
(Art. 79 SchKG), liegt ein Akt, der die Betreibung in ein vorgerückteres
Stadium bringt. Damit ist die bestrittene Voraussetzung des Begriffes des
Betreibungsaktes erfüllt (BGE 81 II 136). Keine Rolle spielt endlich,
ob der gesetzlichen Unterbrechungshandlung in der gleichen Betreibung
weitere Amtshandlungen nachfolgen oder nicht.

    Die dreijährige Verjährungsfrist begann demnach mit dem
Rechtsöffnungsentscheid vom 31. März 1960 neu zu laufen. Sie wurde durch
den Zahlungsbefehl vom 21. März 1963, der am folgenden Tage dem Beklagten
zugestellt wurde, unterbrochen. Die Forderung des Klägers ist deshalb
nicht verjährt.

Erwägung 11

    11.- Da sich der Beklagte im kantonalen Verfahren der Klage noch mit
anderen Einwendungen widersetzte und die kantonalen Instanzen dazu nicht
Stellung nahmen, muss die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht
zurückgewiesen werden.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichtes des
Kantons Zürich - II. Zivilkammer - vom 9. März 1965 aufgehoben und die
Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.