Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 II 250



91 II 250

37. Verfügung des Präsidenten der II. Zivilabteilung vom 6. Oktober 1965
i.S. K. gegen K. Regeste

    Sicherstellung für eine allfällige Parteientschädigung (Art. 150
Abs. 2 OG) im Ehescheidungsprozess.

    Ein dahingehendes Gesuch des berufungsbeklagten Ehemannes wird
abgelehnt:

    a)  wegen Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege an die Ehefrau
(Art. 152 Abs. 1 OG);

    b)  wegen Fehlens einer Beitragspflicht der Ehefrau gegenüber dem
Ehemann unter den gegebenen Umständen (Art. 145/159 ff. ZGB).

Sachverhalt

    A.- Die Ehe der Parteien wurde am 7. Juni 1962 gerichtlich
auf unbestimmte Dauer getrennt und im vorliegenden Rechtsstreit auf
beidseitiges Begehren in Anwendung von Art. 148 ZGB geschieden. Streitig
blieb die Zuweisung der fünf noch minderjährigen Kinder. Das Obergericht
stellte sie in seinem Urteil vom 20. Mai 1965, unter Anordnung einer
vormundschaftsbehördlichen Aufsicht, unter die elterliche Gewalt des
Vaters. Demgegenüber verlangt die Mutter mit ihrer Berufung an das
Bundesgericht die Zuweisung der drei jüngeren Kinder an sie selbst mit
entsprechender Regelung des Besuchsrechtes und der Unterhaltspflicht,
eventuell die Stellung aller fünf Kinder unter Vormundschaft.

    B.- Der Präsident der II. Zivilabteilung bewilligte der
Berufungsklägerin am 19. August 1965 die von ihr nachgesuchte
unentgeltliche Rechtspflege gemäss Art. 152 Abs. 1 OG, in der Annahme,
das Gesuch beziehe sich nur auf die Gerichtskosten.

    C.- In der Berufungsbeantwortung stellt der geschiedene Ehemann
den Antrag:

    "2. Es sei der Berufungsklägerin und Beklagten die unentgeltliche
Prozessführung nicht zu bewilligen, bzw. die unentgeltliche Prozessführung
zu entziehen, falls diese schon bewilligt worden sein sollte; sie soll
eine Parteientschädigung sicherstellen."

    Zur Begründung wird angeführt, die Rechtsbegehren der Berufungsklägerin
seien aussichtslos. Diese habe daher keinen Anspruch auf unentgeltliche
Rechtspflege. "Wenn sie prozessieren will, soll sie die Gerichtskosten
selber zahlen, vor allem aber auch die Parteientschädigung der Gegenpartei
sicherstellen."

Auszug aus den Erwägungen:

                          In Erwägung:

    dass kein Grund besteht, auf die Erteilung des Armenrechts an die
Berufungsklägerin zurückzukommen, da sich die Berufung einstweilen nicht
als aussichtslos erweist und die Bedürftigkeit der Gesuchstellerin schon
in kantonaler Instanz dargetan war;

    dass mit der unentgeltlichen Rechtspflege von Gesetzes wegen die
Befreiung von der Sicherstellung einer der Gegenpartei allenfalls
zustehenden Parteientschädigung verbunden ist (Art. 152 Abs. 1 OG;
damit übereinstimmend die Rechtslehre, vgl. GULDENER, Schweizerisches
Zivilprozessrecht, 2. A., S. 380/81; ebenso die Regelung in kantonalen
Zivilprozessgesetzen, vgl. Zürich § 82, St. Gallen Art. 160, Bern Art. 77
Abs. 5);

    dass das Sicherstellungsgesuch somit an der Armenrechtserteilung
an die Berufungsklägerin scheitern muss, weshalb offen bleiben kann,
ob deren Bedürftigkeit im Sinne von Art. 152 OG ohne weiteres zugleich
Zahlungsunfähigkeit im Sinne von Art. 150 Abs. 2 OG bedeuten würde;

    dass dem Sicherstellungsgesuch übrigens auch Gründe des Familienrechts
entgegenstehen;

    dass es dem Ehemann in der Tat nicht zusteht, die Durchführung
des von der bedürftigen Ehefrau eingeleiteten Berufungsverfahrens im
Scheidungsprozess, auch wenn nur noch Nebenfolgen, insbesondere die
Zuweisung der Kinder, streitig sind, von einer Sicherstellung seiner
Prozesskosten durch sie abhängig zu machen, was auf eine unter den
gegebenen Verhältnissen gänzlich ungerechtfertigte Beitragspflicht der
Ehefrau gegenüber dem Ehemann hinausliefe (vgl. BGE 91 II 78/79);

Entscheid:

verfügt der Präsident der II. Zivilabteilung:

    Das Gesuch des Berufungsbeklagten um Verpflichtung der
Berufungsklägerin zur Sicherstellung einer ihm allenfalls zukommenden
Parteientschädigung wird abgewiesen.