Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 III 7



91 III 7

2. Entscheid vom 18. Januar 1965 i.S. de Ry. Regeste

    Eintritt eines Zessionars in die bereits bis zum Pfändungsvollzug
fortgeschrittene Betreibung.

    Der Eintritt ist grundsätzlich zulässig unter Vorbehalt eines vom
Richter dem Schuldner gemäss Art. 77 SchKG bewilligten nachträglichen
Rechtsvorschlages. Die Betreibungsbehörden haben bloss summarisch zu
prüfen, ob der Eintritt des Zessionars von vornherein abzulehnen sei wegen
offenkundiger Formfehler der Zession oder wegen offenkundig begründeter
materieller Einwendungen des Schuldners gegen den Zessionar.

    Wie hat das Betreibungsamt im Fall eines richterlich bewilligten
Rechtsvorschlages vorzugehen? Kreisschreiben Nr. 7 vom 15. November 1899.

Sachverhalt

    A.- A. Krieg hob am 3. Juli 1964 gegen Jean de Ry, Bern, die Betreibung
Nr. 33862 an. Er erhielt für Fr. 6886.25 definitive und für Fr. 39.80
provisorische Rechtsöffnung und ver langte alsdann die Fortsetzung der
Betreibung, worauf es am 11. September 1964 zum Pfändungsvollzuge kam.
Gepfändet wurde unter anderem ein Anspruch auf Fr. 50'000.-- aus dem
Verkaufserlös einer dem Michelangelo zugeschriebenen Bronzebüste, ferner
das Vorkaufsrecht des Schuldners am nämlichen Kunstgegenstand. Jean de Ry
hatte die Bronzebüste im Jahre 1956 an Jean Zanchi in Lausanne verkauft und
sich dabei gewisse Rechte vorbehalten, die jene Ansprüche umfassen. Diese
waren bereits provisorisch für einen andern Gläubiger gepfändet, mit dem
der Schuldner noch im Aberkennungsprozesse steht.

    B.- Indessen hatte A. Krieg die in Betreibung stehende Forderung am
29. Juni 1964 der Firma Zanchi SA in Lausanne abgetreten, mit folgender
Klausel:

    "Der Zessionar ist berechtigt, das Datum des Inkrafttretens dieser
Zession zu bestimmen."

    Am 11. September teilte nun der Anwalt des A. Krieg und zugleich der
Zessionarin jenem das Inkrafttreten der Zession mit. Gleichzeitig zeigte
er die Zession dem Schuldner und dem Betreibungsamte an, das er ersuchte,
die Betreibung auf den Namen der Zessionarin fortzusetzen.

    C.- Am 12. Oktober 1964 zog A. Krieg die Betreibung zurück und
widerrief die Zession wegen Täuschung. Dem Anwalt, der ihn bisher vertreten
hatte, entzog er die Vollmacht.

    D.- Mit Berufung auf die Zession hatte der Schuldner gegenüber A. Krieg
gestützt auf Art. 85 SchKG die Aufhebung oder eventuell Einstellung der
Betreibung verlangt. Dieses Gesuch wurde dann aber durch den Rückzug der
Betreibung gegenstandslos. Der Richter schrieb daher die Angelegenheit
als erledigt ab, jedoch ohne Präjudiz gegenüber der Zessionarin.

    E.- Die Zanchi SA beharrte ihrerseits auf ihren Rechten als
Zessionarin. Das Betreibungsamt nahm in der Pfändungsurkunde Vormerk vom
Wechsel des Gläubigers und stellte sie dem Schuldner am 23. November 1964
zu. Dessen Antrag, dem Verwertungsbegehren der Zessionarin sei keine
Folge zu geben, wies es ab.

    Am 3. Dezember 1964 führte der Schuldner Beschwerde mit dem Antrag,
die Pfändungsurkunde sei aufzuheben und das Betreibungsamt anzuweisen,
weiteren Begehren der angeblichen Zessionarin keine Folge zu geben. Er
machte geltend, die Zession sei darauf angelegt, ihn um die gepfändeten
Ansprüche zu bringen. Der bedingte Anspruch der Zessionarin sei nach
Art. 157 OR nichtig; ausserdem liege offenkundiger Rechtsmissbrauch vor. Im
übrigen sei die Zession unverbindlich und die von A. Krieg behauptete
Täuschung zu bejahen.

    Die Zessionarin wies demgegenüber auf das widerspruchsvolle Verhalten
des Schuldners hin, der sich zuerst selber auf die ihm bekannt gewordene
Zession berufen habe, und nun (im Einverständnis mit dem Zedenten, der die
Betreibung zurückzog) Ungültigkeit der Zession geltend mache. Diese sei
ordnungsmässig erfolgt, und die übrigen Einreden des Schuldners könne das
Betreibungsamt gar nicht beurteilen. A. Krieg habe vom Inkrafttreten der
Zession an nicht mehr in die Betreibung eingreifen können, nach Art. 152
OR schon vorher nicht mehr.

    F.- Mit Entscheid vom 28. Dezember 1964 hat die kantonale
Aufsichtsbehörde die Beschwerde abgewiesen.

    G.- Gegen diesen Entscheid richtet sich der vorliegende Rekurs des
Schuldners, der an der Beschwerde festhält.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt und auch der Rekurrent nicht
verkennt, tritt der Zessionar einer in Betreibung stehenden Forderung
in die betreibungsrechtliche Stellung des Zedenten ein; er erwirbt
dessen "Legitimation zum Verfahren" und kann daher die Betreibung in
dem Stadium, in das sie getreten war, nun in eigenem Namen fortsetzen
(BGE 22 S. 669, 32 I 772 ff. = Sep.-Ausg. 9 S. 354, 49 III 25, 68 III 39
ff.; FRITZSCHE, SchK Bd. I S. 57 und dort angeführte Autoren). Freilich
muss der Schuldner Gelegenheit erhalten, die ihm allenfalls gegenüber dem
Zessionar zustehenden Einreden zu erheben und namentlich die Gültigkeit
der Zession zu bestreiten. Zu diesem Zwecke stellt ihm die Rechtsprechung
den Behelf des nachträglichen Rechtsvorschlages in analoger Anwendung
des Art. 77 SchKG zur Verfügung (JAEGER, N. 2 zu Art. 77; BLUMENSTEIN,
Handbuch, S. 255; FRITZSCHE, Sch K I S. 113, BGE 22 S. 670).

    Der Rekurrent wendet sich gegen die Heranziehung des Art. 77 SchKG
im Fall einer Zession. Die erwähnte Gesetzesnorm habe diesen Fall nicht
im Auge, was denn auch kantonale Gerichte mehrmals ausgesprochen hätten
(SJZ 28 S. 316 Nr. 69 und SJZ 60 S. 339 Nr. 223). Das Bundesgericht
habe sich seit jenem Entscheid aus dem Jahre 1896 nicht mehr ausführlich
mit der Frage befasst, sondern sie nur noch in BGE 32 I 771 ff. (=
Sep.-Ausg. 9 S. 353 ff.) gestreift. Es liege dem Betreibungsamt, und
dementsprechend im Beschwerdeverfahren den Aufsichtsbehörden, ob, die
vom Schuldner aufgeworfene Frage der Gültigkeit der Zession nicht bloss
summarisch, sondern einlässlich, wenn auch nur im Sinn einer Vorfrage,
mit Wirkung auf die vorliegende Betreibung, zu prüfen.

    Indessen haben auch neuere als die soeben angeführten Entscheidungen
des Bundesgerichts den Schuldner gegenüber einem in die Betreibung
eingetretenen Zessionar auf den Weg des nachträglichen Rechtsvorschlages
verwiesen und, daran anknüpfend, denselben Rechtsbehelf Platz greifen
lassen, wenn einer von mehreren gemeinsam betreibenden Gläubigern erst nach
Ablauf der Rechtsvorschlagsfrist (durch Verzicht oder Tod) ausscheidet und
der Schuldner nicht gelten lassen will, dass die verbleibenden Gläubiger
die Betreibung fortsetzen können (BGE 58 III 115 ff., 76 III 90 ff.).

    An dieser Betrachtungsweise ist festzuhalten. Grundsätzlich soll einem
Zessionar nicht verwehrt sein, in die vom Zedenten angehobene Betreibung
einzutreten und sich die von diesem erworbene Stellung im Verfahren
zunutze zu machen (statt eine neue Betreibung anheben zu müssen und damit
ein Gruppenvorrecht zu verlieren). Anderseits muss der Schuldner - worauf
auch der Rekurrent ausgeht- Gelegenheit erhalten, ihm allfällig gegen den
Zessionar zustehende Einreden geltend zu machen (statt der Betreibung den
Lauf lassen zu müssen und auf eine betreibungsrechtliche Rückforderung
nach Art. 86 SchKG angewiesen zu sein). Hiezu steht aber nach Ablauf der
Rechtsvorschlagsfrist kein anderer Rechtsbehelf zu Gebote als eben der
nachträgliche Rechtsvorschlag. Zuzugeben ist, dass sich bei einem solchen
erst hinterher auf Gläubigerseite eingetretenen Rechtsvorschlagsgrund
besondere Fragen erheben mögen, wie etwa hinsichtlich des Beginns der
Frist von drei Tagen nach Art. 77 SchKG zur Anrufung des Richters. Es
muss jedoch der gerichtlichen Entscheidung anheimgegeben bleiben, über
die Wahrung dieser Frist zu entscheiden.

    Eine Frage für sich ist, ob und inwiefern es dem Betreibungsamt (und
den im Beschwerdeverfahren angerufenen Aufsichtsbehörden) zustehe, vorerst
selber über das Vorliegen einer zur Fortsetzung der Betreibung geeigneten
Zession zu entscheiden und bei Verneinung dieser Frage den Eintritt des
Zessionars abzulehnen. Entgegen der Ansicht des Rekurrenten kann diese
Prüfung durch die Betreibungsbehörden nur eine summarische sein. Sie
bezieht sich einerseits auf die Formgültigkeit der Zession, worüber sich
der in die Betreibung eintretende Zessionar auszuweisen hat, anderseits
auf die Frage, ob erhebliche Zweifel über die materielle Gültigkeit der
Zession offenkundig bestehen. Das Betreibungsamt hat also die Zession nicht
unbesehen zu berücksichtigen, sondern zu prüfen, ob sie den gesetzlichen
Formvorschriften entspricht, und im übrigen auf offenkundige Mängel
materiellrechtlicher Art zu achten. So wurde in BGE 22 S. 669 ausgeführt,
das Amt habe die Betreibung auf Begehren des Zessionars fortzusetzen;
"il ne pourrait s'y refuser que si, en la forme, la cession apparaissait
comme irrégulière ou que si d'autres circonstances, notamment le dire du
débiteur cédé, l'autorisaient à douter de sa validité... en particulier si
la cession se trouve entachée d'erreur manifeste ou si le débiteur soulève
contre sa validité une exception de portée décisive et évidente...". Man
kann sich fragen, ob das Betreibungsamt, um dem Schuldner Gelegenheit zur
Geltendmachung solcher Mängel zu geben, ihm das Begehren des Zessionars
jeweilen zur Vernehmlassung zu unterbreiten habe, um sich erst nachher
darüber schlüssig zu machen, ob ihm Folge zu geben sei. Im vorliegenden
Fall konnte sich der Schuldner, bevor eine massgebliche Verfügung des
Betreibungsamtes über die Zulassung des Gläubigerwechsels erging, hiezu
äussern, weil das Amt voreilig (vor Zustellung der Pfändungsurkunde) eine
(hernach als ungültig widerrufene) Mitteilung des Verwertungsbegehrens
erlassen hatte. Seine Einwendungen sind vom Betreibungsamt und von der
Vorinstanz mit Recht nicht in dem von ihm beantragten Sinne geschützt,
sondern auf den (von ihm denn auch gleichfalls beschrittenen) Weg eines
nachträglichen Rechtsvorschlages gewiesen worden. In der Tat entspricht
die Zessionsurkunde der vorgeschriebenen Schriftform, und es erweckt
auch keine grundsätzlichen Bedenken, dass dem Zessionar anheimgegeben
wurde, die Zession an einem ihm passenden Zeitpunkt in Kraft zu setzen
(vgl. BGE 84 II 363/64 mit Hinweisen). Was aber die übrigen Einwendungen
des Schuldners betrifft, so handelt es sich um verwickelte, keineswegs
liquide tatsächliche Zusammenhänge. Um der gerichtlichen Entscheidung
nicht vorzugreifen (vgl. BGE 73 III 20/21, Ende des ersten Absatzes),
haben sich die Betreibungsbehörden auf eine summarische Prüfung zu
beschränken und, wenn deren Ergebnis ungewiss bleibt, den Eintritt des
formell einwandfrei ausgewiesenen Zessionars unter dem Vorbehalt eines
nachträglichen Rechtsvorschlages des Schuldners zuzulassen.

    Sollte der Richter den Rechtsvorschlag bewilligen, so wird die bereits
vollzogene Pfändung aufrecht bleiben, jedoch bloss als provisorische,
und es wird dem neuen Gläubiger gemäss dem Kreisschreiben Nr. 7 vom
15. November 1899 Frist zur Anrufung des Richters anzusetzen sein
(vgl. auch BGE 82 III 18/19).

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.