Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 90 I 293



90 I 293

44. Urteil vom 4. November 1964 i.S. X. gegen Kanton Zürich und
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Regeste

    Doppelbesteuerung. Selbständige Besteuerung getrennt lebender
Ehegatten. Eine gegen Art. 46 Abs. 2 BV verstossende Doppelbesteuerung
liegt nicht vor, wenn der empfangende Ehegatte die Alimenteneingänge
in seinem Wohnsitzkanton als Einkommen zu versteuern hat, trotzdem
der andere Ehegatte in seinem Wohnsitzkanton nicht berechtigt ist, die
Alimentenzahlungen von seinen Einkünften abzuziehen.

Sachverhalt

    Frau X. ist auf Grund von Art. 170 Abs. 2 ZGB berechtigt, von ihrem
Ehemann getrennt zu leben. Laut gerichtlichem Vergleich ist der Ehemann,
der sich am 30. Dezember 1961 in Zug niedergelassen hat, verpflichtet,
der Ehefrau, die den Wohnsitz in Zürich beibehalten hat, monatliche
Unterhaltsbeiträge zu entrichten.

    Gemäss § 18 Abs. 2 und § 20 Abs. 1 Ziff. 4 des zugerischen Gesetzes
über die Kantons- und Gemeindesteuern (StG) vom 7. Dezember 1946 gelten
Eingänge aus familienrechtlichen Unterhaltsbeiträgen nicht als steuerbares
Einkommen; das leistende Familienglied ist andererseits nicht berechtigt,
die Beiträge von seinen Einkünften abzuziehen. Nach § 25 lit. e und §
19 lit. h des zürcherischen Gesetzes über die direkten Steuern (StG)
vom 8. Juli 1951 werden demgegenüber Beitragszahlungen an den getrennt
lebenden Ehegatten von den Einkünften des leistenden Ehegatten abgezogen
und zu den steuerbaren Einkünften des empfangenden Ehegatten gerechnet.

    In Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmungen ist es dem Ehemann X. im
Kanton Zug versagt, die der Ehefrau geleisteten Unterhaltsbeiträge von
seinen Einkünften abzuziehen; die Zürcher Steuerbehörden haben dagegen
in der Steuereinschätzung 1962 die betreffenden Unterhaltsbeiträge
dem steuerbaren Einkommen der Ehefrau zugerechnet. Diese erhob dagegen
Beschwerde an das Verwaltungsgericht mit dem Begehren, die Besteuerung der
Alimente sei fallen zu lassen, weil darin eine unzulässige wirtschaftliche
und rechtliche Doppelbesteuerung liege. Das Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich hat die Beschwerde am 2. Juli 1964 abgewiesen.

    Im Anschluss daran führt Frau X. staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung des Art. 46 Abs. 2 BV mit dem Antrag, der Entscheid des
Verwaltungsgerichts und die Besteuerung der Alimente sei aufzuheben. Der
Regierungsrat und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schliessen
auf Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerdeführerin macht keine Verletzung kantonalen
Rechts geltend. § 19 lit. h des zürcherischen StG besagt denn
auch klar, dass der getrennt lebende Ehegatte die Alimente, die
er vom andern Ehegatten empfängt, als Einkommen zu versteuern hat,
wie es die kantonalen Steuerbehörden im vorliegenden Fall angeordnet
haben. Die Beschwerdeführerin wendet einzig ein, das in Art. 46 Abs. 2 BV
ausgesprochene Doppelbesteuerungsverbot lasse es nicht zu, dass § 19 lit. h
des zürcherischen StG auch dann angewendet werde, wenn der Wohnsitzkanton
des andern Ehegatten, wie hier beispielsweise der Kanton Zug, es diesem
nicht gestattet, die geleisteten Beiträge von den steuerbaren Einkünften
abzuziehen. Das Bundesgericht hat im Hinblick auf die zürcherische Regelung
und ähnliche Vorschriften anderer Kantone wiederholt über die von der
Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage zu entscheiden gehabt; es hat
indessen aus den im Folgenden darzulegenden Gründen stets das Vorliegen
einer gegen Art. 46 Abs. 2 BV verstossenden Doppelbesteuerung verneint.

Erwägung 2

    2.- Nach dem Wehrsteuerrecht des Bundes (Art. 13 WStB) und nach dem
Steuerrecht der Kantone bilden die Ehegatten steuerrechtlich im allgemeinen
eine Einheit. Diese Ordnung beruht auf der Überlegung, dass die eheliche
Gemeinschaft regelmässig auch wirtschaftlich eine Einheit bildet. Diese
Erwägung entfällt ganz oder mindestens teilweise, wenn keine umfassende
Gemeinschaftlichkeit der Mittel für die Wohnung und den Unterhalt mehr
besteht und ein Ehegatte den andern nur noch mit ziffernmässig genau
bestimmten Beiträgen unterstützt, wie das bei gerichtlicher Trennung (Art.
147 ZBG) und bei Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes (Art. 170 ZGB)
zutrifft. In diesen Fällen sind die Kantone von Bundesrechts wegen frei,
die Ehegatten als selbständige Steuersubjekte zu besteuern (BGE 54 I 324
ff.; ZBl 1946 S. 425 f., 1947 S. 304).

    Für die steuerliche Behandlung der Beiträge des emen Ehegatten an den
Unterhalt des andern stehen den Kantonen dabei verschiedene Wege offen.
Sowohl in der vom Kanton Zürich als auch in der vom Kanton Zug gewählten
Lösung wirkt der Gedanke der Familienbesteuerung nach, indem die Alimente
an den getrennt lebenden Ehegatten als Verwendung des Einkommens innerhalb
der Familie betrachtet werden, die nicht mehrmals besteuert werden soll. §
25 lit. e und § 19 lit. h des zürcherischen StG erreichen dieses Ziel
dadurch, dass die Alimente, die vom empfangenden Ehegatten als Einkommen zu
versteuern sind, von den steuerbaren Einkünften des leistenden Ehegatten
abgezogen werden; § 18 Abs. 2 des zugerischen StG gelangt zum gleichen
Ergebnis, indem er Zuwendungen aus familienrechtlichen Unterhaltsbeiträgen
steuerfrei erklärt. Beide Regelungen halten, innerkantonal angewendet,
vor dem Bundesrecht und namentlich vor den von der Beschwerdeführerin
angerufenen familienrechtlichen Grundsätzen des ZGB stand. Die betreffenden
Einwendungen der Beschwerde gehen deshalb fehl.

    Die Verschiedenheit der kantonalen Gesetzgebung bringt es freilich mit
sich, dass getrennt lebende Ehegatten, die nicht im selben Kanton wohnen,
je einer andern Ordnung der Alimentenbesteuerung unterstehen können. Das
kann, wie hier, dazu führen, dass es dem leistenden Ehegatten in seinem
Wohnsitzkanton nicht gestattet ist, die entrichteten Unterhaltsbeiträge
von den steuerbaren Einkünften abzuziehen, der andere Ehegatte aber
die empfangenen Zahlungen gleichwohl als Einkommen zu versteuern
hat. Das Bundesgericht hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass
eine solche Besteuerung Art. 46 Abs. 2 BV nicht verletzt. Im Sinne
der Rechtsprechung liegt nämlich eine gegen diesen Verfassungssatz
verstossende Doppelbesteuerung grundsätzlich nur vor, wenn ein und
derselbe Steuerpflichtige von zwei oder mehreren Kantonen für das nämliche
Steuerobjekt zu Steuern herangezogen wird (LOCHER, Das interkantonale
Doppelbesteuerungsrecht, § 1 II A). Ausnahmen von dieser Regel anerkennt
das Bundesgericht lediglich dann, wenn Steuerpflichtige mit Bezug auf
einen bestimmten Sachverhalt rechtlich und wirtschaftlich in besonderem
Masse verbunden sind, wie das namentlich bei der Nutzniessung und bei
der Kollektiv- und Kommanditgesellschaft zutrifft (BGE 49 I 533 mit
Verweisungen, LOCHER, aaO, § 1 II A, Nr. 3, 5, 7, 8). Für getrennt lebende
Ehegatten hat das Bundesgericht dagegen das Vorliegen einer solchen
Verbindung verneint (vgl. ZBl 1946 S. 426, 1947 S. 304, LOCHER, aaO, §
3 III C, 3 Nr. 6), weil keine umfassende Gemeinschaftlichkeit der Mittel
mehr besteht und sie gerade darum abweichend von der Regel als selbständige
Steuersubjekte behandelt werden. Wie das Bundesgericht in ZBl 1947 S. 304
festgehalten hat, verbietet es das Bundesrecht den Kantonen nicht, in
folgerichtiger Durchführung des Grundsatzes der gesonderten Besteuerung
getrennt lebender Ehegatten die Unterhaltsleistungen beim empfangenden
Ehegatten als Einkommen zu besteuern, ohne dem andern Ehegatten einen
entsprechenden Abzug von den steuerbaren Einkünften zu gestatten. Es
besteht deshalb kein Grund, unter dem Gesichtswinkel des Art. 46 Abs. 2
BV einzuschreiten, wenn es nicht kraft der Gesetzgebung eines Kantons,
sondern infolge der Verschiedenheit der Steuerordnungen zweier Kantone zu
diesem Ergebnis kommt und der getrennt lebende Ehegatte die empfangenen
Alimente als Einkommen versteuern muss, obwohl der andere Ehegatte seine
Leistungen nicht vom steuerbaren Einkommen abziehen darf.

    Diese Rechtsprechung ist diskutiert worden. Die Umstände des
vorliegenden Falles und die Vorbringen der Beschwerdeführerin geben dem
Bundesgericht jedoch keinen Anlass, darauf zurückzukommen. Der angefochtene
Entscheid steht mit der Rechtsprechung im Einklang. Die dagegen gerichtete
Beschwerde ist daher abzuweisen.