Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 90 I 258



90 I 258

39. Auszug aus dem Urteil vom 17. September 1964 i.S. Furrer gegen
Wehrsteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich. Regeste

    Wehrsteuer; Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland (Fassung vom
15. Juli 1931).

    1.  Ertrag beweglichen Vermögens (Art. 21 Abs. 1 lit. c
WStB): Rückständige Anleihenszinsen, die der deutsche Schuldner dem
schweizerischen Gläubiger auf Grund des Londoner Abkommens über deutsche
Auslandsschulden vom 27. Februar 1953 auf einmal teils in bar, teils
durch Fundierung (Aushändigung von Werttiteln) entrichtet hat (Erw. 2, 3).

    2.  Zeitpunkt, in dem die Zinsen als Einkommen erfasst werden (Erw. 4).

    3.  Berechnung des Einkommens, das der Gläubiger durch Bezug von
Fundierungstiteln erzielt hat (Erw. 5).

    4.  Bestimmung des für den Steuersatz massgebenden Gesamteinkommens:
Anrechnung der in der Schweiz nicht steuerbaren Zinsen für hypothekarisch
gesicherte Obligationen (Erw. 6).

    5.  Das Einkommen, zu dem die auf einmal entrichteten rückständigen
Zinsen gehören, wird zum ordentlichen Satz besteuert; Art. 40 Abs. 2 WStB
(Besteuerung zum Rentensatz) ist nicht anwendbar (Erw. 7).

Sachverhalt

    A.- Die Schuldner deutscher Auslandsanleihen hatten bei Kriegsende
im Jahre 1945 den Zinsendienst, der im allgemeinen schon vorher seit
Jahren nicht mehr den Vertragsbedingungen entsprochen hatte, vollständig
eingestellt. Am 27. Februar 1953 schloss die Bundesrepublik Deutschland
mit den Gläubigerstaaten, zu denen auch die Schweiz gehört, ein Abkommen
über deutsche Auslandsschulden ab (sog. Londoner Abkommen, AS 1954 S. 3
ff.). Auf Grund dieses Abkommens wurden u.a. die Modalitäten der auf
Schweizerfranken lautenden Anleihen neu geregelt.

    Der Beschwerdeführer Hermann Furrer verfügte über Obligationen,
die dieser Regelung unterstanden. Demnach wurden die am 1. Januar 1953
noch ausstehenden Zinsen für diese Titel in den Jahren 1953-1956 - den
Berechnungsjahren für die Wehrsteuer der 8. und 9. Periode - teilweise
zum Kapital geschlagen (fundiert) und teilweise in bar nachentrichtet.

    B.- Bei der Veranlagung des Beschwerdeführers zur Wehrsteuer der
genannten Perioden wurden diese Leistungen als Einkommen erfasst. Soweit
sie für Obligationen entrichtet wurden, die nicht hypothekarisch
sichergestellt waren, wurden sie in die Berechnung des steuerbaren
Einkommens einbezogen. Soweit es sich um grundpfändlich gesicherte Titel
handelte, wurden die Leistungen für die Bestimmung des Steuersatzes nach
Art. 44 WStB mitberücksichtigt.

    In seiner Beschwerde an die kantonale Rekurskommission bestritt
Hermann Furrer, dass die fundierten und in bar nachentrichteten Zinsen
ihm als Einkommen angerechnet werden können. Die Rekurskommission wies
die Beschwerde ab.

    C.- Gegen diesen Entscheid erhebt Hermann Furrer
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, in welcher er an seinem Standpunkte
festhält. Er macht geltend, er habe die deutschen Obligationen erst nach
dem Abschluss des Londoner Abkommens gekauft. In dem von ihm erlegten
Kaufpreis sei ein Betrag für die reduzierten aufgelaufenen Zinsen
inbegriffen. Durch die nachträgliche Entrichtung dieser Zinsen sei ihm
lediglich zurückbezahlt worden, was er für den Erwerb der entsprechenden
Forderung ausgelegt hatte. Es handle sich also nicht um Kapitalertrag.

    D.- Die kantonalen Behörden und die eidgenössische Steuerverwaltung
beantragen Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Prozessuales.)

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 21 Abs. 1 WStB fällt das gesamte Einkommen des
Steuerpflichtigen aus Erwerbstätigkeit, Vermögensertrag oder anderen
Einnahmequellen in die Steuerberechnung. In lit. c daselbst werden
als Ertrag beweglichen Vermögens unter anderm die Zinsen von Guthaben
aufgeführt; darunter fallen nach dieser Bestimmung "alle durch Zahlung,
Überweisung, Gutschrift, Verrechnung oder auf andere Weise bewirkten
geldwerten Leistungen des Schuldners an den Gläubiger, die rechtlich
nicht zur Tilgung der Kapitalschuld führen".

    Im vorliegenden Fall wurden aufgelaufene Zinsen aus deutschen
Obligationen teils in bar, teils in Form von Werttiteln (durch Fundierung)
entrichtet; die Kapitalschulden wurden dabei - in Übereinstimmung mit dem
Londoner Abkommen - nicht herabgesetzt. Es unterliegt keinem Zweifel, dass
die in dieser Weise bewirkten geldwerten Leistungen der deutschen Schuldner
an den Beschwerdeführer Zinsen aus Guthaben im Sinne von Art. 21 Abs. 1
lit. c WStB darstellen und daher in die Berechnung des für die Wehrsteuer
massgebenden Einkommens des Empfängers einbezogen werden mussten.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer wendet vergeblich ein, er habe beim Erwerb der
Obligationen nicht nur den Preis für die Kapitalforderung, sondern auch
ein Entgelt für den - im Kurswert mitberücksichtigten - Anspruch auf die
rückständigen Zinsen bezahlen müssen. Nach der hier anwendbaren Ordnung der
Wehrsteuer vom Einkommen nicht buchführungspflichtiger natürlicher Personen
kommt es nicht darauf an, ob das Vermögen des Steuerpflichtigen wertmässig
zugenommen hat oder nicht (BGE 86 I 231). Der Wertschriftenertrag wird
bei demjenigen als Einkommen erfasst, der ihn vom Schuldner erhält,
also im Zeitpunkt der Leistung Gläubiger ist, ohne Rücksicht darauf,
was er ausgelegt hat, um den Titel zu erlangen. Anderseits muss der
Verkäufer des Titels den Ertrag, der nicht mehr ihm zugekommen, aber im
Verkaufspreis einkalkuliert worden ist, nicht als Einkommen versteuern. Es
ist Sache des Titelerwerbers, der voraussehbaren steuerlichen Belastung
des Ertrages bei der Vereinbarung des Kaufpreises Rechnung zu tragen
(BGE 86 I 44 ff.). Dies gilt für Erträge von Aktien (Dividenden usw.)
wie auch für Obligationenzinsen. Hier wie dort handelt es sich um
Ertragseinkommen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB. Die Meinung
des Beschwerdeführers, dass die Rekurskommission zu Unrecht eine
"aktienrechtliche Betrachtungsweise" angewendet habe, ist unbegründet.

Erwägung 4

    4.- Die in Frage stehenden Zinsen hätten schon im Zeitpunkt der
Fälligkeit entrichtet werden sollen, doch war bis zum Abschluss des
Londoner Abkommens ungewiss geblieben, ob und, wenn ja, wann sie bezahlt
werden würden. Erst infolge dieses Abkommens ist die Ungewissheit
geschwunden. Mit Recht wurden die Zinsen erst in dem Zeitpunkt als
Einkommen erfasst, in dem sie in bar oder in Form von Werttiteln
ausgerichtet wurden (vgl. BGE 73 I 141).

Erwägung 5

    5.- Die Rekurskommission hat bei der Berechnung des Einkommens,
das der Beschwerdeführer in Form von Fundierungstiteln erhalten hat,
gemäss Empfehlung der eidgenössischen Steuerverwaltung auf den - unter
dem Nominalwert liegenden - Verkehrswert der ausgehändigten Obligationen
abgestellt. Das lässt sich rechtfertigen; denn der Gläubiger konnte die
Fundierungstitel nur zum Kurswert veräussern; sie hatten für ihn nur
diesen Wert.

Erwägung 6

    6.- Für die Besteuerung der deutschen Obligationen und ihrer Erträge
ist hinsichtlich der 8. und 9. Wehrsteuerperiode das schweizerisch-deutsche
Doppelbesteuerungsabkommen in der ursprünglichen Fassung vom 15. Juli
1931 anwendbar. Danach werden Kapitalvermögen und Einkünfte daraus
grundsätzlich in dem Staate besteuert, in dem der Steuerpflichtige seinen
Wohnsitz hat (Art. 6). Dagegen werden die Einkünfte aus hypothekarisch
gesicherten Forderungen (abgesehen von hier nicht in Betracht fallenden
Ausnahmen) im Schuldnerstaat von der Steuer erfasst (Art. 2 Abs. 1 und
2). Indessen sind sie nach Art. 44 WStB bei der Festsetzung des für den
Steuersatz massgebenden Gesamteinkommens des schweizerischen Gläubigers
mitzuberücksichtigen; das Doppelbesteuerungsabkommen steht dem nicht
entgegen (BGE 84 I 78 ff.). Die angefochtenen Einschätzungen entsprechen
diesen Grundsätzen.

Erwägung 7

    7.- Die rückständigen Zinsen sind von den deutschen Gesellschaften
auf einmal ausgerichtet worden. Man kann sich daher fragen, ob sie unter
Art. 40 Abs. 2 WStB fallen, wonach die Steuer für Einkommen, zu dem
Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen, Ersatzleistungen
für bleibende Nachteile oder Kapitalabfindungen bei Beendigung
eines Dienstverhältnisses gehören, zu dem Satze berechnet wird, der
anwendbar wäre, wenn an Stelle der Kapitalabfindung oder Ersatzleistung
wiederkehrende Leistungen ausgerichtet würden.

    Die Rekurskommission hat die Frage mit Recht verneint. Die in
Art. 40 Abs. 2 WStB vorgesehene Steuervergünstigung ist auf die
Tatbestände beschränkt, die in der Bestimmung abschliessend aufgezählt
sind (BGE 87 I 386). Hier ist einzig zu prüfen, ob Kapitalabfindungen für
wiederkehrende Leistungen vorliegen; die beiden anderen im Gesetz genannten
Tatbestände fallen von vornherein ausser Betracht. Kapitalabfindungen für
wiederkehrende Leistungen sind einmalige Zuwendungen, die dazu bestimmt
sind, einen Anspruch abzugelten, der auf periodische Leistungen geht
und mit deren Vollzug sukzessive untergeht. Sie stellen ein Entgelt für
den Ausfall künftiger solcher Leistungen dar, mit dessen Entrichtung die
Stammschuld getilgt wird. Mit einem solchen Entgelt hat man es hier nicht
zu tun; denn es wurden lediglich aufgelaufene Schuldzinsen - wenn auch in
reduziertem Umfange und auf einmal - nachträglich entrichtet, ohne dass
die Stammschuld selbst getilgt wurde (vgl. KÄNZIG, Die eidg. Wehrsteuer,
N. 3 zu Art. 40 WStB).

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.