Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 90 I 133



90 I 133

21. Auszug aus dem Urteil vom 5. Juni 1964 i.S. Bank X gegen
Eidg. Bankenkommission Regeste

    1.  Begriff der Bank nach Art. 1 Abs. 1 des Bankengesetzes. Bedeutung
der in Abs. 2 daselbst vorgesehenen Ausnahmen. (Erw. 3).

    2.  Ist ein Unternehmen mit überwiegend bankgewerblicher Tätigkeit dem
Bankengesetz unterstellt worden, so darf diese Unterstellung, wenn es sich
später in stärkerem Mass als früher einer andersartigen Geschäftstätigkeit
widmet, nur dann aufgehoben werden, wenn nunmehr diese andere Tätigkeit
deutlich überwiegt. (Erw. 4).

    3.  Wie ist die überwiegende Geschäftstätigkeit zu ermitteln? (Erw. 5,
a).

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Der Begriff der Bank wird in Art. 1 des Gesetzes nicht umschrieben.
Dass das Gesetz aber nur Unternehmen, die "einen eigentlichen Bankbetrieb
führen", als Banken anerkannt wissen will, ergibt sich aus Abs. 2
daselbst, wonach dem Gesetze nicht unterstellt sind "c. Börsenagenten
und Börsenfirmen, die neben dem Handel mit Wertpapieren und den damit
unmittelbar im Zusammenhang stehenden Geschäften keinen eigentlichen
Bankbetrieb führen; d. Vermögensverwalter, Notare und Geschäftsagenten,
die lediglich die Gelder ihrer Kunden verwalten und keinen eigentlichen
Bankbetrieb führen". Im übrigen unterscheidet das Gesetz zwischen
"bankähnlichen Finanzgesellschaften" und "industriellen und kommerziellen
Finanzgesellschaften". Jene unterstehen dem Gesetze nach Art. 1 Abs. 1,
wenn sie sich öffentlich zur Annahme fremder Gelder empfehlen, schlechthin,
sonst aber nach Art. 1 Abs. 2 lit. a nur den Art. 7 und 8. Und die
industriellen und kommerziellen Finanzgesellschaften unterstehen dem
Gesetz überhaupt nicht, selbst wenn sie sich öffentlich zur Annahme
fremder Gelder empfehlen (Art. 1 Abs. 2 lit. b).

    Die in Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes enthaltene Aufzählung der
Unternehmen, deren Tätigkeit derjenigen einer Bank einigermassen ähnlich
ist, die das Gesetz aber nicht als Banken gelten lässt, darf nicht als
abschliessend betrachtet werden (vgl. REIMANN, N. 7 zu Art. 1 BankG). Ein
Unternehmen, das nicht im landläufigen Sinne des Wortes, also nach dem
Sprachgebrauch des täglichen Lebens, eine Bank ist, untersteht dem Gesetze
nicht, auch wenn es in der Aufzählung des Abs. 2 daselbst nicht genannt ist
(vgl. BRÜHLMANN, N. 2 zu Art. 1 BankG). So ist denn in BGE 87 I 501/2 eine
Finanzgesellschaft nicht dem Bankengesetz unterstellt worden, obwohl sie
keine "industrielle oder kommerzielle" war. Sie erwies sich eben gleichwohl
nicht als "bankähnliche", weil sie sich hauptsächlich mit der Finanzierung
des Baugewerbes ihres Hauptaktionärs befasste. Im vorliegenden Falle hat
freilich die Beschwerdeführerin seit dem Jahre 1961 ihre geschäftliche
Tätigkeit in einer Weise geändert, dass sie, was auch die Bankenkommission
anerkennt, überhaupt nicht mehr als Finanzgesellschaft zu betrachten ist,
die bloss einem bestimmten Unternehmen oder einem Konzern als "Hausbank"
zu dienen hätte. Die Gründe, aus denen im Falle des erwähnten Präjudizes
die Unterstellung unter das Bankengesetz aufzuheben war, treffen also hier
nicht zu. Da es aber nicht entscheidend darauf ankommt, ob einer der in
Art. 1 Abs. 2 genannten besondern Fälle oder ein analoger Fall vorliege,
sondern darauf, ob die Beschwerdeführerin eine Bank im wahren Sinne des
Wortes sei, gemäss dem grundlegenden Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes, hat die
Bankenkommission mit Recht die gewerbliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin
unter diesem Gesichtspunkte geprüft.

Erwägung 4

    4.- Bei gemischter, teils bankgewerblicher, teils andersartiger
Geschäftstätigkeit ist, wie in BGE 87 I 500/1 dargelegt wird, entscheidend,
welcher der beiden Geschäftszweige überwiegt. Eine Frage für sich ist,
wie es sich verhält, wenn die bankmässige und die andersartige Tätigkeit
sich ungefähr die Waage halten. In Sachen I.B.Z. vom 13. Juli 1962
hat das Bundesgericht ausgesprochen, eine bisher dem Bankengesetz nicht
unterstellte Finanzgesellschaft gemischten Charakters sei dem Gesetze nur
dann nachträglich zu unterstellen, wenn der bankgewerbliche Zweig ihrer
Tätigkeit bereits deutlich das Übergewicht erlangt hat. Im umgekehrten
Fall eines seit Jahren dem Bankengesetz unterstellten Unternehmens, wie
des vorliegenden, das denn auch - erlaubterweise - im Geschäftsverkehr als
Bank aufgetreten ist, wäre es dagegen unangebracht, das Unternehmen nicht
mehr als Bank gelten zu lassen, sobald neben die bankgewerbliche eine
andere Tätigkeit von ungefähr gleichem Umfange getreten ist. Vielmehr
ist in einem solchen Falle der Bankcharakter nur dann nachträglich zu
verneinen, wenn nunmehr die bankfremde Betätigung deutlich überwiegt. Ist
dies der Fall, so darf es dann allerdings nicht bei der Unterstellung
unter das Bankengesetz bleiben, das die Verwendung des Ausdruckes "Bank"
oder "Bankier" in der Firma, in der Bezeichnung des Geschäftszweckes
und in Geschäftsreklamen ausschliesslich den wirklich das Bankgewerbe
betreibenden Unternehmen vorbehält (Art. 1 Abs. 3).

Erwägung 5

    5.- Ob die bankgewerbliche oder die andersartige Tätigkeit eines
Unternehmens überwiegt, ist nach den tatsächlichen Verhältnissen zu
entscheiden (BGE 87 I 498). Die Fassung der Statuten, das äussere
Auftreten des Unternehmens, die Bezeichnung des Gewerbes in Briefen,
Zeitungsinseraten und dergleichen gibt nicht zuverlässig die wahre,
namentlich nicht mit Sicherheit die überwiegende Tätigkeit des Unternehmens
kund. Mit Recht hat daher die Bankenkommission diese Tätigkeit ermittelt,
wie sie sich an Hand der auf Ende 1962 erstellten Jahresbilanz (verglichen
mit der Bilanz des Vorjahres) darbietet. Grundsätzlich können zwar im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch neu in das Verfahren eingeführte
Tatsachen berücksichtigt werden, selbst solche, die erst seit Fällung des
angefochtenen Entscheides eingetreten sind (Art. 105 OG; BGE 55 I 173). Zur
Entscheidung über die Unterstellung unter das Bankengesetz muss jedoch
ein Stichtag gewählt werden, auf den sich die Geschäftsverhältnisse des
Unternehmens zuverlässig überprüfen lassen. Das ist notwendigerweise der
Zeitpunkt, auf den die der Bankenkommission unterbreitete Bilanz erstellt
worden ist (vgl. das Urteil i.S. I. B.Z. vom 13. Juli 1962, Erw. 3).

    a) Da indessen nicht der Stand der Jahresrechnungen an und für sich,
sondern die ihnen zu Grunde liegende Geschäftsstätigkeit massgebend
ist, darf nicht einfach auf die sich nach aussen im einen oder andern
Sinne darbietenden Bilanzpositionen abgestellt werden. Es sind vielmehr
weitere Auskunftsmittel (Briefe und andere Aktenstücke, namentlich aber
der Bericht der Revisionsstelle) beizuziehen, aus denen sich ergibt, auf
was für Geschäftsvorfällen die einzelnen Bilanzpositionen beruhen (vgl.
GRANER, Der Geltungsbereich des Bankengestzes, S. 61).