Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 90 II 121



90 II 121

15. Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Juni 1964 i.S. Hunziker gegen
Agfa A.-G. Regeste

    Wechselrecht.

    Ermittlung des anwendbaren Rechts im internationalen Verhältnis
(Erw. 1).

    Bedeutung der Materialien zum Genfer Abkommen über das Einheitliche
Wechselgesetz für die Auslegung (Erw. 2).

    Die auf der Rückseite des Wechsels angebrachte blosse Unterschrift
eines aus dem Wechsel nicht Berechtigten ist kein Indossament (Erw. 3)
und begründet auch keine Wechselbürgschaft (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Die in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Cinevox Filmverleih
GmbH, die sich anfänglich Deutsche Cinevox Filmverleih GmbH nannte,
zog vom Dezember 1961 bis im März 1962 auf die Cinevox Film A.-G.,
Hergiswil a.S., zehn Wechsel im Gesamtbetrage von DM 100'545. -,
die vom 25. März bis 30. Oktober 1962 an die Agfa A.-G., Leverkusen,
oder deren Ordre zahlbar waren. Die namens der Ausstellerin von deren
Gesellschafter Leopold Branoner unterzeichneten Wechsel wurden teils
in Hergiswil a.S., teils in Luzern ausgestellt. Sie tragen alle auf
der Vorderseite die Annahmeerklärung der Bezogenen, die aus dem Stempel
"Cinevox Film A.-G." und den Unterschriften ihrer zeichnungsberechtigten
Verwaltungsratsmitglieder Hunziker und Branoner besteht. Auf der Rückseite
weisen sie den quergestellten Stempel der Ausstellerin Cinevox Film
GmbH mit der Unterschrift Branoners auf. Unmittelbar darunter steht
die Unterschrift Hunzikers. Dann folgt ein an "Order Deutsche Bank AG"
lautendes Indossament der Agfa A.-G. und schliesslich das Indossament
der Deutschen Bank AG an eine schweizerische Bank.

    Die Cinevox Film A.-G. fiel am 4. April 1962 in Konkurs. Da sie
die Wechsel nicht einlöste, liessen die Inhaberinnen Protest erheben
und die Papiere an die Agfa A.-G. zurückgehen. Diese belangte Hunziker
gestützt auf seine Unterschrift auf den Wechseln. Sie liess ihm für die in
schweizerische Währung umgerechneten Wechselsummen sieben Zahlungsbefehle
über zusammen Fr. 109'163.45 nebst Zinsen zustellen und erwirkte in allen
Betreibungen provisorische Rechtsöffnung.

    B.- Hunziker erhob Klage gegen die Agfa A.-G. auf Aberkennung aller
in Betreibung gesetzten Forderungen samt Zinsen und Kosten.

    Das Kantonsgericht Nidwalden und das Obergericht Nidwalden wiesen
die Aberkennungsklage ab.

    C.- Gegen das obergerichtliche Urteil vom 12. März 1964 ergriff
der Kläger die Berufung mit dem erneuten Antrag auf Aberkennung aller
Forderungen, die Gegenstand der sieben Betreibungen bilden. Er wendet sich
gegen die Auffassung des Obergerichts, dass seine Unterschriften auf der
Rückseite der Wechsel Indossamente seien, die ihn gemäss Art. 1005 und
1033 OR für die Zahlung haftbar machten. Weitere im kantonalen Verfahren
erhobene Einreden, die sich nicht aus den Wechseln selbst ergeben, hat
er ausdrücklich fallen gelassen.

    Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene
Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Da die streitigen Wechsel von einer deutschen Firma in der Schweiz
ausgestellt worden sind und von einer ebenfalls deutschen Firma gegenüber
einer Person geltend gemacht werden, die in der Schweiz ansässig ist
und hier ihre Unterschrift auf die Wechsel gesetzt hat, ist in erster
Linie die Frage des anwendbaren Rechtes zu prüfen; denn die Berufung ist
nur zulässig, wenn schweizerisches Recht massgebend ist, da nur dessen
Anwendung vom Bundesgericht überprüft werden darf (Art. 43, 55 Abs. 1
lit. c OG).

    Welcher Rechtsordnung die von der Beklagten geltend gemachten
Ansprüche unterstehen, beurteilt sich in erster Linie nach dem Abkommen
vom 7. Juni 1930 über Bestimmungen auf dem Gebiete des internationalen
Wechselprivatrechts, dem Deutschland mit Wirkung ab 1. Januar 1934 und die
Schweiz mit Wirkung ab 1. Juli 1937 beigetreten sind (BS 11 S. 868 ff.),
und in zweiter Linie nach den Bestimmungen des schweizerischen OR über
den Geltungsbereich der wechselrechtlichen Normen (Art. 1086 ff. OR).

    Art. 3 Abs. 1 des Abkommens und Art. 1087 Abs. 1 OR unterstellen
die Form einer Wechselerklärung übereinstimmend dem Recht des Landes,
in dessen Gebiet die Erklärung unterschrieben worden ist.

    Hinsichtlich der Wirkung von Wechselerklärungen ist zu unterscheiden:
Für Verpflichtungserklärungen des Annehmers eines gezogenen Wechsels
sowie des Ausstellers eines eigenen Wechsels bestimmen sich die Wirkungen
nach dem Rechte des Zahlungsortes (Art. 4 Abs. 1 des Abkommens; Art. 1090
Abs. 1 OR); für die Wirkungen der übrigen Wechselerklärungen ist das Recht
des Landes massgebend, in dessen Gebiet sie unterschrieben worden sind
(Art. 4 Abs. 2 des Abkommens; Art. 1090 Abs. 2 OR).

    Da der Kläger seine Unterschrift in der Schweiz auf die Wechsel
gesetzt hat, beurteilt sich somit nach schweizerischem Recht, ob sie den
wechselrechtlichen Formvorschriften entspreche, und da der Kläger weder
Aussteller noch Annehmer der Wechsel war, ist auch für die Wirkungen
seiner Unterschrift das schweizerische Recht massgebend. Auf die Berufung
ist daher einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Die Schweiz hat das Abkommen vom 7. Juni 1930 über das Einheitliche
Wechselgesetz (EWG) ratifiziert (BS 11 S. 928). Damit verpflichtete sie
sich nicht nur, das in der Anlage I des Abkommens enthaltene Gesetz in
ihrem Gebiete einzuführen (Art. 1 Abs. 1 des Abkommens) - was sie durch
Erlass der Art. 991 ff. OR getan hat -, sondern auch, es im Geiste des
Abkommens anzuwenden und auszulegen. Diese Verpflichtung besteht auch
im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland, die das Abkommen ebenfalls
ratifiziert hat (BS 11 S. 866).

    Bei der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass der französische
und der englische Wortlaut des Gesetzes die massgebenden Urtexte sind
(Art. III Abs. 1 des Abkommens). Ferner sind die Verhandlungen, die
zum Abschluss des Abkommens geführt haben, als Quelle zur Auslegung des
Gesetzes heranzuziehen, soweit sie den Willen der vertragschliessenden
Staaten klar erkennen lassen (vgl. CARRY, SJZ 1960 S. 354, linke
Spalte). An der in BGE 77 II 254 geäusserten gegenteiligen Auffassung
kann aus den von Carry aaO dargelegten Gründen nicht festgehalten werden.

Erwägung 3

    3.- Die Unterschrift des Klägers auf der Rückseite der zehn Wechsel
entspricht formell den Erfordernissen des Indossaments. Ein solches
braucht den Indossatar nicht zu bezeichnen und kann selbst in der blossen
Unterschrift des Indossanten bestehen (Blankoindossament); im letzteren
Falle muss es, um gültig zu sein, auf die Rückseite des Wechsels oder
auf den Anhang gesetzt sein (Art. 13 Abs. 2 EWG, Art. 1003 Abs. 2 OR).

    In materieller Hinsicht ist jedoch zu beachten, dass das Indossament
zur Übertragung aller Rechte aus dem Wechsel bestimmt ist (Art. 11,
14 Abs. 1 EWG, Art. 1001, 1004 Abs. 1 OR). Es setzt also Rechte
des Indossanten am Wechsel voraus (STRANZ, Wechselgesetz, 14. Aufl.,
Art. 11 Anm. 7; ARMINJON/CARRY, La lettre de change S. 264 f. Nr. 236;
PERCEROU/BOUTERON, La nouvelle législation française et internationale
de la lettre de change, S. 56, Nr. 62/63). Es kann vom ersten oder
von jedem späteren unmittelbaren oder mittelbaren Wechselnehmer
ausgestellt werden, nicht dagegen von jemandem, der aus dem Wechsel
nichts zu fordern hat. Dass Art. 15 Abs. 1 EWG und Art. 1005 OR, auf den
das Obergericht seine gegenteilige Auffassung stützt, den Indossanten
mangels eines entgegenstehenden Vermerks für die Annahme und die Zahlung
des Wechsels haftbar machen, ändert nichts. Diese Garantiefunktion
(s. Randtitel zu Art. 1005 OR) ist nicht Zweck, sondern nur Folge
des Indossamentes. Niemand kann sich um der Garantiefunktion willen
zum Indossanten machen, wenn er aus dem Wechsel nicht berechtigt ist
und daher den durch das Indossament bezweckten Übergang von Rechten
nicht bewirken kann. Die Garantiefunktion des gültigen Indossamentes
besteht ja nur in der Haftung gegenüber den Nachmännern des Indossanten,
d.h. gegenüber jenen, die ihr Recht unmittelbar oder mittelbar (durch
eine ununterbrochene Reihe Indossamenten) von ihm ableiten (Art. 47 EWG;
Art. 1044 OR), nicht auch in einer Haftung gegenüber den Vormännern,
d.h. gegenüber denen, die vor dem Indossanten aus dem Wechsel berechtigt
waren und von deren Recht er das seine unmittelbar oder mittelbar ableitet
(Art. 49 EWG; Art. 1046 OR) (GUHL, Schweiz. Obligationenrecht, 5. Aufl.,
§ 96 III lit. b; STRANZ, Wechselgesetz Art. 15 Anm. 3 Abs. 3, Art. 49
Anm. 9). Wer einen Wechsel "indossiert", ohne aus ihm berechtigt zu sein,
überträgt durch seine Unterschrift keine Rechte, verschafft niemandem die
Stellung eines Nachmannes und kann folglich auch keinem solchen haftbar
werden. Weil er niemandem Rechte übertragen hat, kann auch niemand auf ihn
Rückgriff im Sinne von Art. 43 ff. EWG, bezw. 1033 ff. OR nehmen. Wer,
ohne Wechselgläublger zu sein, für die Wechselverbindlichkeit eines anderen
wechselmässig einstehen will, kann dieses Ziel nicht durch Anbringung
eines Indossamentes, sondern nur durch Eingehung einer Wechselbürgschaft
erreichen.

    Der deutsche Bundesgerichtshof hat allerdings in EBGH 13 S. 87 f. eine
andere Auffassung geäussert. Im dort beurteilten Falle war ein an eigene
Ordre gezogener Wechsel auf der Rückseite an erster Stelle von einer
Nichtgläubigerin unterzeichnet, dann von der Ausstellerin anderweitig
indossiert, im Auftrage des letzten Inhabers protestiert worden und
nachher in die Hand der erstunterzeichnenden Nichtgläubigerin gelangt,
die mit der Behauptung, sie habe ihn eingelöst, auf die Ausstellerin
zurückgreifen wollte. Der Bundesgerichtshof ging davon aus, dass die
Klägerin mit ihrer Unterschrift bezweckt habe, den Wechsel wertvoller,
umlauffähiger zu machen; sie habe durch ihre Mithaftung die Verwertbarkeit
des Wechsels erhöhen wollen. Dazu bemerkte er:

    "Eine Wechselzeichnung dieses Inhalts ist möglich (STAUB/STRANZ,
Wechselgesetz zu Art. 14 Anm. 2). Einer solchen Wechselzeichnung kommt
lediglich die Garantiefunktion des Indossaments, nicht aber dessen
Transportfunktion zu, denn die Unterschrift in einem solchen Falle,
wo dem Unterzeichner selbst das Wechselrecht nicht zusteht, soll noch
kann das Gläubigerrecht nicht übertragen. Wer den Wechsel eingelöst hat,
kann nach Art. 49 WG seine Vormänner für den bezahlten Betrag nebst
Nebenkosten in Anspruch nehmen. Einen Vormann hat die Klägerin nicht, da
sie das Wechselrecht von niemandem, insbesondere nicht von der Beklagten,
übertragen erhalten hat."

    Um das wechselmässige Rückgriffsrecht der Klägerin gegen die
Ausstellerin des Wechsels zu verneinen, was Gegenstand des Prozesses war,
brauchte nicht entschieden zu werden, ob das vermeintliche Indossament
der Klägerin, obschon ihm keine Übertragungsfunktion zukam, gleichwohl
die Garantiefunktion haben konnte. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage
nur nebenbei bejaht. Die einzige Begründung, die er gibt, besteht in dem
Hinweis auf STAUB/STRANZ, Art. 14 Anm. 2. Der dort behandelte Sachverhalt
ist aber ein anderer als der vom Bundesgerichtshof beurteilte und auch
als der heute zu beurteilende. An der erwähnten Literaturstelle wird
ausgeführt, das Indossament werde gelegentlich auch nur zu Garantiezwecken
benützt, indem eine Person, die nicht Wechselgläubiger sei, den Wechsel zu
Bürgschaftszwecken indossiere; wenn z.B. der Inhaber des Wechsels durch ein
Blankoindossament legitimiert sei, könne ein Dritter sein Blankoindossament
beifügen und sich für die Einlösung des Wechsels haftbar machen, ohne
dass die Legitimation des bisherigen Wechselinhabers zerstört werde, so
dass dieser weiterhin Gläubiger bleibe und den Wechsel für seine Rechnung
verwerten, ihn insbesondere indossieren könne. Diese Ausführungen betreffen
somit den Fall, wo der Nichtgläubiger sein Blankoindossament unter das
Blankoindossament des legitimierten Wechselinhabers setzt und den Wechsel
an diesen zurückgibt. Es liegen zwei Übertragungen durch Blankoindossament
vor. Die erste macht den Nichtgläubiger zum Wechselgläubiger und die
zweite überträgt sein Recht auf seinen Vormann zurück. Die Beteiligten
nehmen also durch ihre Blankoindossamente vollwertige Übertragungen vor,
obwohl es ihnen nur um die Garantiefunktion zu tun ist.

    Die vom Bundesgerichtshof beiläufig geäusserte Auffassung über die
Möglichkeit der Abspaltung der Garantiefunktion des Indossaments von seiner
Übertragungsfunktion vermag daher nicht zu überzeugen. Es ist ihr denn
auch im Schrifttum sofort widersprochen worden (HIRSCH, Neue Juristische
Wochenschrift 1954 S. 1568 f., Anm. zu Nr. 9; STRANZ, ebenda S. 1917). Es
bleibt dabei, dass eine Unterschrift, die keine Wechselrechte überträgt,
weil sie weder vom ersten Wechselnehmer noch von einem durch eine
ununterbrochene Reihe von Indossamenten legitimierten Indossatar stammt,
auch nicht die Garantiefunktion eines gültigen Indossamentes haben kann.

    Daher haftet der Kläger nicht als Indossant. Er hat zwar den
Wechsel auf der Rückseite unmittelbar unter der dort angebrachten
Blankounterschrift der Ausstellerin ebenfalls blanko unterzeichnet. Die
Wechsel lauten aber alle nicht an die eigene Ordre der Ausstellerin,
sondern an die Ordre der Beklagten. Nur diese, nicht die Ausstellerin,
hätte sie an den Kläger indossieren können mit der Wirkung, dass er
Wechselgläubiger geworden wäre und seine Rechte durch Indossament hätte
weiterübertragen können. Ein Indossament der Beklagten, aus dem der
Kläger unmittelbar oder mittelbar Rechte an den Wechseln erworben hätte,
fehlt. Abgesehen davon, dass die Beklagte die Wechsel erst indossierte, als
der Kläger sie schon unterzeichnet hatte, übertrug sie die Papiere weder
blanko noch an den Kläger, sondern ausdrücklich an die Deutsche Bank AG

Erwägung 4

    4.- Die Parteien und die Vorinstanz gehen übereinstimmend davon aus,
dass die blosse Unterschrift auf der Rückseite eines Wechsels nicht als
Wechselbürgschaft ausgelegt werden könne. Ob diese Auffassung zutreffe,
hat jedoch das Bundesgericht von Amtes wegen zu prüfen (Art. 63 Abs. 3 OG).

    a) Art. 31 EWG und Art. 1021 OR lauten übereinstimmend:

    "Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder einen Anhang
gesetzt.

    Sie wird durch die Worte "als Bürge" oder einen gleichbedeutenden
Vermerk ausgedrückt; sie ist von dem Wechselbürgen zu unterschreiben.

    Die blosse Unterschrift auf der Vorderseite des Wechsels gilt als
Bürgschaftserklärung, soweit es sich nicht um die Unterschrift des
Bezogenen oder des Ausstellers handelt.

    In der Erklärung ist anzugeben, für wen die Bürgschaft geleistet wird;
mangels einer solchen Angabe gilt sie für den Aussteller."

    Die französischen und englischen Urtexte des Art. 31 EWG geben zu
keinen besonderen Bemerkungen Anlass; die deutsche Übersetzung stimmt
mit ihnen überein.

    b) In der Literatur findet sich die Ansicht, der dritte Absatz der
oben wiedergegebenen Gesetzesvorschrift wolle nicht bestimmen, dass eine
Bürgschaftserklärung auf der Vorderseite des Wechsels auch aus der blossen
Unterschrift bestehen könne; es solle damit nur gesagt werden, in welchem
Fall die auf der Vorderseite stehende blosse Unterschrift im Zweifel als
Bürgschaft zu gelten habe. Deshalb sei der Umkehrschluss, dass die blosse
Unterschrift auf der Rückseite des Wechsels nie Bürgschaft sein könne,
nicht zulässig. Absatz 2 der Bestimmung sodann bezwecke nur, Zweifel über
den Sinn der Unterschrift des Bürgen auszuschliessen, nicht dagegen,
die Eingehung der Bürgschaft zu erschweren. Aus diesen Überlegungen
wird gefolgert, die Absicht, Bürgschaft zu leisten, brauche in der
Erklärung nicht ausdrücklich kundgegeben zu werden; es genüge auch eine
stillschweigende Kundgabe, die allerdings eindeutig sein müsse (BAUMANN,
Die Wechselbürgschaft, Diss. Zürich 1956, S. 40 ff.).

    Bei der Prüfung dieser Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass
Abs. 2 und 3 des Art. 1021 OR den Sätzen 2 und 3 von Art. 1015 Abs. 1
OR nachgebildet sind. Wären jene Bestimmungen gemäss der Auffassung von
BAUMANN zu verstehen, so müssten daher die Sätze 2 und 3 von Art. 1015
Abs. 1 OR sinngemäss gleich gedeutet werden. Das ginge sehr weit und wird
denn auch in der Literatur nirgends vertreten.

    Was Art. 1021 Abs. 2 OR anbelangt, mag als richtig anerkannt werden,
dass diese Bestimmung nicht den Bürgen schützen, sondern nur Klarheit über
den Sinn seiner Unterschrift schaffen will. Entsprechend wäre zu sagen,
Art. 1015 Abs. 1 Satz 2 habe es nicht auf den Schutz des Annehmenden
abgesehen, sondern nur auf die Klarheit über die Bedeutung seiner
Unterschrift. Daraus darf aber nicht gefolgert werden, diese Bestimmungen
enthielten blosse Empfehlungen, die zuliessen, dass der Bürgschaftswille
bezw. der Annahmewille auch anders als durch die daselbst erwähnten
Worte oder ähnliche Vermerke bekundet werde, z.B. durch das lückenlose
Anschliessen der blossen Unterschrift an die Erklärung eines anderen
Wechselverpflichteten. Die imperative Wendung, "Sie (die Bürgschafts-
bezw. Annahmeerklärung) wird durch die Worte... ausgedrückt", verbietet
diesen Schluss. Hätte Art. 1021 Abs. 2 OR den von BAUMANN befürworteten
Sinn, so wäre die Bestimmung wohl eher wie folgt gefasst worden: "Im
Zweifel gilt eine Erklärung nur dann als Bürgschaft, wenn sie die Worte
'als Bürge' oder einen gleichbedeutenden Vermerk enthält." Entsprechend
würde Art. 1015 Abs. 1 Satz 2 OR z.B. lauten: "Im Zweifel gilt eine
Erklärung nur dann als Annahme, wenn sie das Wort 'angenommen' oder
einen gleichbedeutenden Vermerk enthält." Wären die beiden Bestimmungen
so zu verstehen, so würden sie übrigens den Zweck, Klarheit über den
Sinn der Unterschrift zu schaffen, nur schlecht erfüllen. Sie würden
den Streit darüber, ob eine blosse Unterschrift den Bürgschaftswillen,
bezw. den Annahmewillen, eindeutig kundgebe oder ob ein Zweifelsfall
vorliege, nicht verhüten. Nur wenn die Worte "als Bürge", bezw. das
Wort "angenommen" oder ein gleichbedeutender Vermerk in allen Fällen
Gültigkeitsvoraussetzung der auf der Rückseite des Wechsels angebrachten
Bürgschafts- bezw. Annahmeerklärung sind, besteht die angestrebte
Klarheit. Dass die ausdrückliche Kundgabe des Bürgschafts- bezw.
Annahmewillens Gültigkeitsvoraussetzung ist, kann auch aus dem Randtitel
"Form" (Art. 1021) bezw. "Form der Annahme" (Art. 1015) abgeleitet werden.
Die beiden Bestimmungen enthalten in erster Linie Formvorschriften,
nicht blosse Empfehlungen oder Regeln über die Deutung des Sinnes
einer auf der Rückseite des Wechsels stehenden Unterschrift. Von einer
gesetzlich vorgeschriebenen Form aber hängt die Gültigkeit des Vertrages
ab, wenn über ihre Bedeutung und Wirkung nicht etwas anderes bestimmt ist
(Art. 11 Abs. 2 OR). Dass diese Norm für das Wechselrecht nicht gelte
(BAUMANN aaO S. 41 Anm. 80), leuchtet um so weniger ein, als dieses auf
die Einhaltung von Formen allgemein grosses Gewicht legt.

    Art. 1021 Abs. 3 OR sodann kann nicht dahin ausgelegt werden, dass
diese Norm nur sagen wolle, in welchen Fällen die auf der Vorderseite
stehende blosse Unterschrift im Zweifel als Bürgschaft zu gelten habe. Der
Zweck dieser Bestimmung besteht darin, eine Ausnahme von der Regel des
Art. 1021 Abs. 2 OR zu schaffen. Diese Ausnahme, ausgedrückt in der ersten
Hälfte des Abs. 3, wird in der zweiten Hälfte eingeschränkt, was aber
nichts daran ändert, dass die erwähnte Ausnahme das eigentliche Thema des
Abs. 3 bildet. Das zeigt insbesondere der Vergleich mit Art. 1015 Abs. 1
Satz 3, der im Verhältnis zum vorausgehenden Satz 2 ebenfalls die Natur
einer Ausnahmebestimmung hat, und zwar einer uneingeschränkten. Es hätte
kein Anlass bestanden, sich in Art. 1015 Abs. 1 Satz 3 mit der auf der
Vorderseite des Wechsels angebrachten blossen Unterschrift des Bezogenen
zu befassen, wenn dieser den Wechsel auch durch blosse Unterzeichnung
auf der Rückseite annehmen könnte. Entsprechend liegt nahe, dass der
Gesetzgeber Art. 1021 Abs. 3 nicht aufgestellt hätte, wenn er nicht der auf
der Vorderseite des Wechsels stehenden blossen Unterschrift eine andere
Wirkung hätte geben wollen als der auf der Rückseite angebrachten. Bloss
um zu sagen, dass die Unterschrift des Bezogenen oder des Ausstellers nicht
als Bürgschaftserklärung zu gelten habe, war Art. 1021 Abs. 3 nicht nötig;
denn das versteht sich von selbst.

    c) Dass die Wechselbürgschaft auf der Rückseite des Wechsels ausser der
Unterschrift die Worte "als Bürge" oder einen ähnlichen Vermerk erfordert,
ergibt sich auch aus den Verhandlungen der Genfer Konferenz über Art. 31
EWG (Comptes rendus de la conférence internationale pour l'unification du
droit en matière de lettres de change, etc., S. 389 f.). Danach führte
Arcangeli (Italien) aus, eine Blankounterschrift auf der Rückseite des
Wechsels sei nicht immer ein Indossament, weshalb es sich empfehle,
Art. 31 Abs. 3 EWG dahin abzuändern, dass er auch den Fall decke, wo
sich die blosse Unterschrift auf der Rückseite befindet. Er bezweckte mit
seinem Abänderungsvorschlag ausdrücklich, eine Lücke auszufüllen. De la
Vallée Poussin (Belgien) vertrat seinerseits die Auffassung, Art. 31 lasse
keinen Zweifel aufkommen, dass die Wechselbürgschaft nur dann durch blosse
Unterschrift begründet werden könne, wenn diese auf der Vorderseite des
Wechsels stehe. Der Vorsitzende (Limburg, Niederlande) hielt fest, dass
eine blosse Unterschrift auf der Rückseite in den Fällen, wo sie nicht
die Voraussetzungen eines Indossamentes erfülle, wertlos sei. Arcangeli
wünschte auf das hin, dass diese Auslegung in den Bericht aufgenommen
werde. Percerou (Frankreich) beantragte dagegen, in einer Fussnote
festzuhalten, dass die blosse Unterschrift auf der Rückseite des Wechsels
als Wechselbürgschaft gelte, wenn sie nicht in die Reihe der Indossamente
passe. Sulkowski (Polen) wandte ein, eine solche Fussnote widerspräche dem
beschlossenen Wortlaut des Art. 31 Abs. 2. De la Vallée Poussin betonte
nochmals, dass diese Bestimmung unzweideutig die blosse Unterschrift nicht
genügen lasse, wenn sie sich auf der Rückseite des Wechsels befindet; er
beantragte, es beim beschlossenen Text bewenden zu lassen. Der Vorsitzende
stimmte dieser Meinung bei. Nachdem er bestätigt hatte, dass die gefallenen
Äusserungen in das Verhandlungsprotokoll aufgenommen würden, erklärte
sich Arcangeli befriedigt, worauf Art. 31 unverändert angenommen wurde.

    d) Auch im Schrifttum wird überwiegend die Auffassung vertreten,
dass die blosse Unterschrift auf der Rückseite des Wechsels den
Anforderungen einer Wechselbürgschaft nicht genüge und den Unterzeichner
nicht verpflichte, wenn sie nicht Indossament (Blankoindossament)
ist. Auf diesem Boden stehen für das schweizerische Recht GUHL, Schweiz.
Obligationenrecht, 5. Aufl., § 98 II a.E., ZIMMERMANN, SJZ 1945 S. 248 ff.
und CARRY, SJZ 1960 S. 354 ff. Ziff. II. Aus dem ausländischen Schrifttum
sind zu erwähnen: HUPKA, Das einheitliche Wechselrecht der Genfer
Verträge S. 79 f.; QUASSOWSKI/ALBRECHT, Wechselgesetz Art. 31 N. 7;
STRANZ, Wechselrecht, 14. Aufl., Art. 31 Anm. 3, sowie Neue Juristische
Wochenschrift 1954 S. 1917; JACOBI, Wechsel- und Scheckrecht S. 678;
WEISS, Das neue Wechselrecht 1 S. 65; ARMINJON/CARRY, La lettre de change
Nr. 266 S. 301; LESCOT/ROBLOT, Les effets de commerce Nr. 494, S. 557;
BAUMBACH/HEFERMEHL, Art. 31 N. 7; ULMER, Das Recht der Wertpapiere S. 273.

    Auch MOSSA, Trattato della cambiale S. 429, Nr. 481, nimmt an, dass
eine ausser der Reihe der Indossamente stehende blosse Unterschrift auf
der Rückseite des Wechsels ungültig sein könne. Er lässt allerdings den
Nachweis des Bürgschaftswillens zu. Ferner sieht er in der bei einem
Indossament stehenden blossen Unterschrift eine gültige Bürgschaft für
den Indossanten (S. 431 Anm. 16). Die Auffassung Mossas würde aber im
vorliegenden Fall nicht zu einem anderen Ergebnis führen als die strengere
Theorie, wonach die blosse Unterschrift auf der Rückseite des Wechsels nie
Bürgschaft sein kann. Es wird nämlich von keiner Partei behauptet, dass der
Kläger sich habe verbürgen wollen, und seme Unterschrift steht auch nicht
bei einem gültigen Indossament. Die Unterschrift der Cinevox Filmverleih
GmbH, die ihr unmittelbar vorausgeht, ist kein Indossament. Im übrigen
wäre mit CARRY, Problèmes relatifs à l'aval, Mélanges Georges Sauser-Hall
1952, S. 192, zu sagen "que l'on a toujours tort, en matière de droit de
change, de s'écarter du strict formalisme qui domine ce domaine juridique;
à vouloir rechercher la volonté des intéressés on risque de mettre en
danger la sécurité indispensable aux rapports cambiaires."

Erwägung 5

    5.- Liegt wegen Nichtbeachtung der vorgeschriebenen Form keine gültige
Wechselbürgschaft vor, so stellt sich die Frage, ob sie in ein anderes
Rechtsgeschäft umgedeutet werden könne (ZIMMERMANN, SJZ 1945 S. 250
f. Ziff. IV). Im vorliegenden Falle wäre an eine gewöhnliche Bürgschaft
für die Verpflichtungen der Ausstellerin Cinevox Filmverleih GmbH oder die
Annehmerin Cinevox Film A.-G. zu denken. Es behauptet aber keine Partei,
der Kläger habe Bürgschaft leisten wollen. Ferner ist der Formvorschrift
von Art. 493 Abs. 2 OR nicht genügt. Danach hätte die Bürgschaft öffentlich
beurkundet werden müssen, da die Wechselsumme in jedem einzelnen Falle
Fr. 2000. - übersteigt und der Kläger seiner Unterschrift keine Erklärung
beigefügt hat, wonach er nur bis zu diesem Betrage haften wolle.

    Es bleibt somit dabei, dass die Beklagte gegen den Kläger keine
Forderung hat. Die Aberkennungsklage ist deshalb gutzuheissen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Kantons Unterwalden
nid dem Wald vom 12. März 1964 wird aufgehoben und der Beklagten werden
alle Forderungen, die Gegenstand der Zahlungsbefehle Nr. 3683, 3706,
3707, 3813, 3843, 3894 und 3969 des Betreibungsamtes Hergiswil a.S. aus
dem Jahre 1962 bilden, samt Zins und Kosten aberkannt.