Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 90 III 93



90 III 93

22. Entscheid vom 14. September 1964 i.S. Itasas

AG Regeste

    Aufhebung eines Arrestes wegen Nichtexistenz des arrestierten
Gegenstandes. Art. 271 ff. SchKG.

    Eine individuell bezeichnete arrestierte Forderung darf das
Betreibungsamt nur dann als nicht existierend betrachten, wenn ausser
Zweifel steht, dass sie nie entstanden oder aber in gültiger Weise
erloschen ist.

Sachverhalt

    A.- Zur Sicherstellung des Kaufpreises einer Warenlieferung der
spanischen Firma Galdámez y Hernández S.L., Alfaro/Rioja, nach Kolumbien
stellte die Finanzierungsgesellschaft Itasas AG, Basel, am 7. August
1963 bei der Schweizerischen Bankgesellschaft in Basel das Akkreditiv
Nr. 45 917 von US $ 4'074.-- zugunsten jener spanischen Verkäuferin. Das
Akkreditiv war unwiderruflich bis zum 5. September 1963 und der Betrag
gegen Empfang der näher bezeichneten Dokumente 30 Tage nach dem Datum
des Konnossements zahlbar, sofern die begünstigte Firma nicht inzwischen
direkte Zahlung aus Kolumbien erhielt. In diesem Sinne beauftragte die
Bankgesellschaft ebenfalls am 7. August 1963 den Banco de Vizcaya, Bilbao,
der begünstigten Firma das Akkreditiv anzuzeigen, es jedoch nicht (im Sinn
einer eigenen Akkreditivverpflichtung) zu bestätigen ("Nous vous prions
de bien vouloir aviser le bénéficiaire sans ajouter votre confirmation").

    B.- Am 3. Oktober 1963 erwirkte die Itasas AG bei der Arrestbehörde
Basel-Stadt gegen Galdámez y Hernández S.L. einen Arrestbefehl für
eine Schadenersatzforderung von Fr. 17'599.68 ($ 4'074.-- zum Kurse von
4.32) nebst Zins zu 5% seit 7. August 1963. Als Arrestgegenstände wurden
bezeichnet "Forderungen und Guthaben des Arrestschuldners, welche diesem
oder in seinem Namen dem Banco de Bilbao oder dem Banco de Vizcaya, Bilbao,
bei der Schweizerischen Bankgesellschaft Basel zustehen, insbesondere
aus dem zugunsten des Arrestschuldners errichteten Akkreditiv Nr. 45 917
vom 7. August 1963 der Schweizerischen Bankgesellschaft". Dieser Arrest
Nr. 161 wurde der Bankgesellschaft noch am selben 3. Oktober 1963 mit dem
Formular Nr. 9 unter genauer Angabe der Arrestgegenstände angezeigt und die
Arresturkunde auf diplomatischem Weg der Arrestschuldnerin zugestellt. Sie
erhob Rechtsvorschlag, worauf die Itasas AG am Arrestort Basel gegen sie
die Forderungsklage einreichte.

    C.- Beim Arrestvollzug hatte die Bankgesellschaft wie üblich mit
Berufung auf das Bankgeheimnis erklärt, im gegenwärtigen Stadium des
Verfahrens keine Auskunft über das Vorhandensein von Vermögenswerten
erteilen zu können. Am 5. Juni 1964 teilte sie dann dem Betreibungsamt,
"nachdem uns der Arrestschuldner hiezu ermächtigt hat", mit, die
in der Zwischenzeit erfolgte Abklärung habe ergeben, "dass weder dem
Arrestschuldner noch in seinem Namen den in der Arrestanzeige genannten
Banken bei uns irgendwelche Guthaben oder Forderungen zustehen, auch
nicht aus dem zugunsten des Arrestschuldners errichteten Akkreditiv
Nr. 45 917." Demgegenüber verlangte die Itasas AG die Aufrechterhaltung
des Arrestes. Die zur Stellungnahme eingeladene Bankgesellschaft aber
machte geltend, der Banco de Vizcaya habe die Verschiffungsdokumente
"fristgemäss aufgenommen" und der Bankgesellschaft am 2. September 1963
zugestellt, und jene spanische Bank habe am 30. September 1963 den Betrag
laut Akkreditiv an die Arrestschuldnerin bezahlt. "Die Transaktion wurde
vor dem Arrestverfahren abgewickelt."

    D.- Gestützt auf diesen Bericht entschloss sich das Betreibungsamt,
über den Arrest Nr. 161/63 abzurechnen, und teilte dies der Itasas AG am
9. Juli 1964 mit.

    E.- Über diese Verfügung beschwerte sich die Itasas AG mit dem Antrag,
sie sei aufzuheben und das Betreibungsamt anzuweisen, den Arrest Nr. 161/63
weiterhin aufrecht zu erhalten und der Bankgesellschaft zu bestätigen.

    F. - Mit Entscheid vom 3. August 1964 hat die kantonale
Aufsichtsbehörde die Beschwerde abgewiesen, im wesentlichen aus folgenden
Gründen: Nach den Mitteilungen der Schweizerischen Bankgesellschaft, wie
sie am 14. Oktober 1963 an die Beschwerdeführerin und am 8. Juli 1964 an
das Betreibungsamt ergingen, hat im Auftrag jener Bank am 30. September
1963 der Banco de Vizcaya, Bilbao, der Arrestschuldnerin US $ 4'074.--
ausbezahlt. Die Beschwerdeführerin ist nicht in der Lage, diese Darstellung
zu widerlegen. Somit ist anzunehmen, die verarrestierten Forderungen
seien durch Zahlung untergegangen, so dass dem spanischen Geschäftspartner
der Beschwerdeführerin kein unter den Arrest fallendes Guthaben mehr
zusteht. Der Arrest ist daher inhaltlos geworden.

    G.- Mit vorliegendem Rekurs hält die Itasas AG an der Beschwerde fest.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Der Entschluss des Betreibungsamtes, über den Arrest Nr. 161/63
abzurechnen, beruht auf der Feststellung, dass der Arrestschuldnerin keine
"Guthaben und Forderungen" bei der Schweizerischen Bankgesellschaft Basel,
wie sie als Gegenstand dieses Arrestes bezeichnet wurden, zustehen, und
dass insbesondere die Forderung, die ihr als Akkreditierter gemäss dem
Akkreditiv Nr. 45 917 vom 7.August 1963 zustand, erloschen sei. In der Tat
hat ein Arrest als gescheitert zu gelten, wenn sich ergibt, dass die im
Arrestbefehl aufgeführten Gegenstände nicht existieren. Wie aber mehrmals
entschieden wurde, lässt sich über das Bestehen unkörperlicher Rechte,
wie namentlich von Forderungen, die nicht in Wertpapieren verkörpert sind,
gewöhnlich nicht einfach eine tatsächliche Feststellung treffen. Es geht
um die Beurteilung rechtlicher Verhältnisse, wozu die Betreibungsbehörden
nicht zuständig sind. Deshalb muss in Kauf genommen werden, dass es
unter Umständen bei der Arrestierung bestrittener Forderungen bleibt und
zu deren Pfändung und Verwertung kommt. Ein sogenannter Gattungsarrest
kann immerhin nicht aufrecht bleiben, wenn sich nicht wenigstens im
spätern Verlauf der Prosekutionsbetreibung bestimmte Anhaltspunkte für
das Vorhandensein der gattungsmässig bezeichneten Gegenstände (Rechte,
Forderungen an den angegebenen Drittschuldner) ergeben (BGE 54 III 42 ff.,
80 III 87 E. 1 u. 2).

    Im vorliegenden Falle sind - abgesehen von der Forderung aus dem
Akkreditiv Nr. 45 917 - nun zwar keine der gattungsmässigen Umschreibung
in der Arresturkunde entsprechenden "Forderungen und Guthaben" der
Arrestschuldnerin bei der Schweizerischen Bankgesellschaft Basel entdeckt
oder gemeldet worden. Was aber jene als Arrestgegenstand speziell genannte
Forderung aus Akkreditiv betrifft, so hat die Rekurrentin sie von Anfang
an nach dem Rechtsgrund und nach der Person des Drittschuldners genau
bezeichnet und damit genügend als Vermögensstück individualisiert. Diese
Forderung kann daher sehr wohl Gegenstand des Arrestes wie auch einer
Pfändung und Verwertung bilden, wenn auch infolge der Stellungsnahme der
Drittschuldnerin (Bankgesellschaft) bloss als bestrittene Forderung. Sie
als nicht existierend zu erachten und den Arrest deshalb als inhaltslos
aufzuheben, steht den Betreibungsbehörden nach dem Gesagten grundsätzlich
nicht zu und kann nur dann in Frage kommen, wenn ausser Zweifel steht,
dass sie nie entstanden oder aber in gültiger Weise erloschen ist.

    Der Bericht der Schweizerischen Bankgesellschaft Basel ist entgegen
der Ansicht des Betreibungsamtes und der kantonalen Aufsichtsbehörde
nicht geeignet, das Erlöschen der Forderung der Arrestschuldnerin
aus jenem Akkreditiv zweifelsfrei darzutun. Die Entstehung dieser
Forderung ist belegt und steht ausser Zweifel. Die Forderung bestand
sicher noch am 30. September 1963. Streitig ist, ob eine Zahlung an die
Arrestschuldnerin an diesem Tag (so nach Behauptung der Bankgesellschaft)
oder erst nach dem am 3. Oktober 1963 vollzogenen Arrest erfolgt sei
(so "allenfalls" nach Behauptung der Rekurrentin). Es befremdet, dass
die Vorinstanz angesichts dieser verschiedenen Sachdarstellungen nicht
auch die Arrestschuldnerin zur Vernehmlassung einlud. Gewisse Zweifel
über die angeblich am 30. September 1963 an sie erfolgte Zahlung aus dem
Akkreditiv durch den Banco de Vizcaya, Bilbao, musste übrigens schon die
Stellungnahme der Bankgesellschaft laut ihrem Briefe vom 14. Oktober 1963
an die Rekurrentin erwecken. Dort ist freilich von jener Zahlung die Rede;
jedoch ist beigefügt, die Bankgesellschaft halte sich für verpflichtet,
jener von ihr beauftragten spanischen Bank den Betrag zu vergüten,
"sobald der Arrest wegfällt". Es fragt sich, ob dieser Vorbehalt darauf
zurückzuführen sei, dass die Zahlung des Banco de Vizcaya allenfalls der
Destinatärin bloss angekündigt, aber dann infolge des (offenbar sofort nach
Bilbao gemeldeten) Arrestes nicht vollzogen worden sein mag. Im übrigen
hat die Rekurrentin (ohne in diesem Beschwerdeverfahren zum Nachweis des
Fortbestehens der arrestierten Forderung verpflichtet zu sein) auf Umstände
hingewiesen, die gegen eine am Tage des Arrestvollzuges, dem 3. Oktober
1963, bereits erfolgte Zahlung durch die erwähnte spanische Bank auf
Rechnung des Akkreditivs sprechen: Aus den der Beschwerde beigelegten
Briefen der Arrestschuldnerin an die Rekurrentin vom 17. Oktober und
27. November 1963 geht nämlich hervor, dass jene noch am letztern Datum
die Zahlung verlangte. Bei dieser Sachlage könnte selbst eine die
Darstellung der Bankgesellschaft allenfalls bestätigende Vernehmlassung
der Arrestschuldnerin nicht genügen, um die Behauptung der Rekurrentin,
der Arrest vom 3. Oktober 1963 habe eine damals noch existierende Forderung
der Arrestschuldnerin an die Bankgesellschaft aus dem von dieser Bank
eröffneten Akkreditiv betroffen, mit Sicherheit zu entkräften. Es mag noch
bemerkt werden, dass die arrestierte Forderung nicht etwa identisch ist mit
dem von der Bankgesellschaft anerkannten Vergütungsanspruch des Banco de
Vizcaya aus dem zwischen den beiden Banken bestehenden Auftragsverhältnis
(vgl. BGE 78 II 42 ff.).

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben
und das Betreibungsamt Basel-Stadt angewiesen, den Arrest Nr. 161/63 in
Sachen Itasas AG gegen Galdámez y Hernández S.L. weiterhin aufrecht zu
erhalten und der Schweizerischen Bankgesellschaft in Basel zu bestätigen.