Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 90 III 79



90 III 79

18. Entscheid vom 5. November 1964 i.S. Monney. Regeste

    Verlustschein (Art. 149 SchKG):

    Er bescheinigt, dass das gesamte der schweizerischen Vollstreckung
unterworfene Vermögen des Schuldners nicht genügt hat, um den Gläubiger
zu befriedigen.

    Kein Verlustschein ist daher auszustellen in einem am besondern
Betreibungsort der Arrestlegung (Art. 52 SchKG) durchgeführten
Pfändungsverfahren, das nur die gemäss Angabe des Gläubigers arrestierten
Gegenstände erfasste und nicht zur amtlichen Ermittlung weiteren Vermögens,
insbesondere auch nicht zu einer Nachpfändung führen konnte.

    (Bestätigung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- André Monney erwirkte im Jahre 1960 in Zürich einen Arrestbefehl
gegen Dr. A. Ch. de Guttenberg, der sich damals im Tessin aufhielt, die
Schweiz dann aber verliess und heute unbekannten Aufenthaltes ist. In der
anschliessenden Arrestbetreibung Nr. 2522 stellte das Betreibungsamt Zürich
1 dem Gläubiger eine "Verlustbescheinigung infolge Arrest und Pfändung"
aus. Danach ist für die gesamte Forderung von Fr. 26'532.10 ein Erlös von
Fr. 8258.75 erzielt worden, so dass sich ein Verlust von Fr. 18'273.35
ergibt. Anschliessend wird in der Bescheinigung bemerkt: "Da es sich in
dieser Arrestbetreibung um einen Schuldner handelt, der in der Schweiz
kein ordentliches Betreibungsdomizil hat, sondern nur Arrestdomizil, so
kann gemäss konstanter Praxis ein Verlustschein gemäss Art. 149 SchKG
nicht ausgestellt werden."

    B.- Der Gläubiger will sich mit dieser Bescheinigung nicht begnügen. Er
verlangt einen förmlichen Verlustschein im Sinne von Art. 149 SchKG und
hat auf dem Beschwerdeweg ein dahingehendes Begehren gestellt. In beiden
kantonalen Instanzen abgewiesen, hält er mit vorliegendem Rekurs gegen
den Entscheid der obern kantonalen Aufsichtsbehörde vom 29. September
1964 am Beschwerdebegehren fest.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Die auf einen Arrest gestützte Betreibung wird nach Art. 280 SchKG je
nach der Person des Schuldners auf dem Wege der Pfändung oder des Konkurses
fortgesetzt. Geht die Betreibung auf Pfändung, und wird sie gemäss Art. 52
SchKG an dem (nicht zufällig mit dem allenfalls vorhandenen allgemeinen
Betreibungsort des schweizerischen Wohnsitzes zusammenfallenden) Orte der
Arrestlegung durchgeführt, so können nach ständiger Rechtsprechung nur die
arrestierten Gegenstände gepfändet werden und zur Verwertung gelangen, und
es ist alsdann kein Verlustschein im Sinne des Art. 149 SchKG auszustellen
(vgl. BGE 25 I 588, 31 I 371, 34 I 405, 39 II 384 E. 3 - Sep. Ausg. 2
S. 288, 8 S. 163, 11 S. 95, 16 S. 242; BGE 51 III 122, wo namentlich
dargelegt wird, dass in einer solchen Arrestbetreibung keine Nachpfändung
oder Ergänzungspfändung nicht arrestierter Gegenstände zulässig ist; BGE
47 III 27 ff. und 73 III 26/27, wonach auch beim sog. Ausländerarrest,
Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG, kein Verlustschein auszustellen ist; JAEGER,
N. 3 zu Art. 52 SchKG; FRITZSCHE, SchK II 221). Hat der Schuldner seinen
Wohnsitz in der Schweiz, so steht dem Gläubiger frei, vom speziellen
Betreibungsort des Art. 52 SchKG keinen Gebrauch zu machen und den
Arrest statt dessen am allgemeinen Betreibungsorte zu prosequieren.
Alsdann geht die Vollstreckung in das ganze pfändbare Vermögen des
Schuldners, und wenn sie keine genügende Deckung ergibt, so ist sie durch
Ausstellung eines Verlustscheines im Sinne von Art. 149 SchKG mit allen
dieser Urkunde zukommenden gesetzlichen Wirkungen abzuschliessen (BGE
77 III 129, 88 III 66/67). Im vorliegenden Falle hat man es dagegen mit
einer am speziellen.Betreibungsorte der Arrestlegung durchgeführten,
nur auf Pfändung und Verwertung der Arrestgegenstände gerichteten
Betreibung zu tun. Wenn das Betreibungsamt es abgelehnt hat, das dabei
erzielte, zur Befriedigung des Gläubigers nicht ausreichende Ergebnis
in einem Verlustschein zu verurkunden, und wenn die Vorinstanzen diesem
Standpunkt beigetreten sind, so steht dies im Einklang mit der erwähnten
Rechtsprechung.

    Der Rekurrent ist sich dessen denn auch bewusst. Er will es jedoch
nicht bei den von Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen bewenden
lassen, sondern setzt sich für eine Anwendung des Art. 149 SchKG auch in
der am speziellen Arrestorte durchgeführten Betreibung ein.

    a) Grundsätzlich ist indessen festzuhalten, was auch der Rekurrent
anerkennt, dass die am Spezialbetreibungsstand des Art. 52 SchKG
durchgeführte Arrestbetreibung nur einen vom Gläubiger ausgewählten Teil
des Schuldnervermögens umfasst, während der Verlustschein bezeugt, dass
das gesamte der schweizerischen Vollstreckung unterworfene Vermögen zur
Gläubigerbefriedigung nicht ausreicht. Der Rekurrent hält die Ausstellung
eines Verlustscheines dennoch auch bei einer bloss auf Verwertung von
Arrestgegenständen gerichteten Betreibung mit ungenügendem Ergebnis
für gerechtfertigt, wenn der Schuldner sich durch Flucht ins Ausland
samt seinem übrigen Vermögen der vollständigen Auspfändung entzogen
hat. So verhalte es sich hier: Auf Vermögenswerte Guttenbergs in Zürich
habe nicht nur er, sondern noch eine Gläubigergruppe aus Hamburg einen
Arrest erwirkt. Guttenberg sei dann aus der Schweiz verschwunden, und
es sei von den beiden Betreibungen das gesamte in der Schweiz greifbare
Vermögen erfasst worden. Den Rest habe der Schuldner ins Ausland gebracht
oder unter dem Schutz des Bankgeheimnisses versteckt. Der Arrest sei
eine blosse Sicherungsmassnahme; in den darauf gestützten Betreibungen
könnten dem Gläubiger nicht die Rechte vorenthalten werden, die jedem
betreibenden Gläubiger zustehen.

    Dieser Betrachtungsweise ist nicht zu folgen. Schuldenflucht ist
nach Art. 271 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG lediglich ein Arrestgrund. Kommt es
zu einer auf Verwertung arrestierter Gegenstände beschränkten Betreibung
am speziellen Betreibungsorte des Art. 52 SchKG, so ist es in keinem
Falle zulässig, dem Gläubiger einen Verlustschein auszustellen, der das
Ungenügen des gesamten der schweizerischen Vollstreckung unterworfenen
Vermögens zur Befriedigung des Gläubigers amtlich bescheinigen würde. In
einer solchen Betreibung ist das Betreibungsamt weder verpflichtet noch
auch nur berechtigt, alle in der Schweiz gelegenen Vermögensstücke des
Schuldners zur Vollstreckung heranzuziehen. Vielmehr war es Aufgabe des
Gläubigers, die Gegenstände. die er zur Befriedigung für seine Forderung
in Anspruch nehmen wollte, zu bezeichnen (Art. 274 Ziff. 4 SchKG). Hierauf
hatte das Betreibungsamt keine Feststellung über das Vorhandensein oder
Fehlen weiteren Vermögens des Schuldners zu treffen. Die Behauptung
des Gläubigers, ausser den von ihm bezeichneten Arrestgegenständen wäre
in der Schweiz kein anderes Vermögen des Schuldners greifbar gewesen,
vermag eine amtliche Feststellung hierüber nicht zu ersetzen und auch
nicht etwa hinterher zu veranlassen, da für einen Zugriff auf solches
weiteres Vermögen in der reinen Arrestbetreibung eben kein Raum ist.

    b) Somit muss es bei der Bescheinigung, wie sie das Betreibungsamt
Zürich 1 ausgestellt hat, sein Bewenden haben. Die Rechtsstellung eines
Verlustscheinsgläubigers kommt dem Rekurrenten nach dem Gesagten nicht zu,
weshalb in der Abweisung seines Begehrens auch keine ungerechtfertigte
Benachteiligung liegt. Im Gegenteil wäre es unangebracht, beim Fehlen
einer in das ganze Schuldnervermögen gerichteten Betreibung dem Gläubiger
insbesondere das Recht zur Erhebung einer Anfechtungsklage nach Art. 285
ff. zuzugestehen (BGE 47 III 29).

    c) Endlich kann dem Rekurrenten nicht zugegeben werden, dass die
bestehende Praxis zu "Absurditäten", d.h. zu Widersprüchen. führe.
Er bringt folgendes Beispiel an:

    "Ein Schuldner trifft gleich nach der Zustellung des Zahlungsbefehls
Anstalten zur Verschiebung seines Vermögens ins Ausland. Wenn ihm das
restlos gelingt, so erhält der Gläubiger eine leere Pfändungsurkunde,
der die volle Wirksamkeit eines Verlustscheins zukommt (Art. 115 SchKG;
Fritzsche I 230). Gelingt es jedoch dem Gläubiger, einen auch noch so
minimen Teil des schuldnerischen Vermögens vor der Abwanderung mit Arrest
zu belegen, so liegt Arrestbetreibung vor. Der Gläubiger erhält keinen
Verlustschein, und jedes weitere, wirksame Vorgehen gegen den Schuldner
ist ihm versagt."

    Dazu ist zu bemerken: Wird in einer am allgemeinen Betreibungsort
durchgeführten Betreibung kein pfändbares Vermögen vorgefunden, so erhält
der Gläubiger freilich eine leere Pfändungsurkunde mit den Wirkungen eines
Verlustscheins (Art. 115 Abs. 1 SchKG). Kann in einer solchen Betreibung
Vermögen gepfändet werden, das aber nach der Schätzung des Beamten zur
Befriedigung des Gläubigers nicht genügt - etwa auch Vermögensstücke,
die der Gläubiger wegen Schuldenflucht des Betriebenen arrestieren liess
-, so dient ihm die Pfändungsurkunde nach Art. 115 Abs. 2 SchKG als
provisorischer Verlustschein, womit das Recht zu (weiterer) Arrestierung
und zur Erhebung einer Anfechtungsklage verbunden ist. Ohne Durchführung
einer auf Erfassung des ganzen pfändbaren Schuldnervermögens gerichteten
Betreibung am allgemeinen Betreibungsort erhält der Gläubiger aber
keinen Verlustschein. Ist ein solcher schweizerischer Betreibungsort
nicht vorhanden, und vermag der Gläubiger auch kein auf Schweizergebiet
liegendes Vermögen des Schuldners zu entdecken, so kann er in der Regel
keine Betreibungsvorkehren treffen. Gelingt es ihm dagegen, einzelne
Vermögensstücke des Schuldners mit Arrest zu belegen und verwerten zu
lassen, so wird er daraus immerhin eine mindestens teilweise Befriedigung
erlangen.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.