Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 90 III 36



90 III 36

9. Entscheid vom 1. Juli 1964 i.S. Monney Regeste

    1.  Art. 68 Abs. 2 SchKG betrifft nur die Art der Anrechnung des
einem einzelnen Gläubiger zufliessenden Betrages. Für die Verteilung
des Verwertungsergebnisses unter mehrere beteiligte Gläubiger sind
die Artikel 144 ff. SchKG massgebend. Der Reinerlös ist nach Abzug der
Pfändungskosten gleichmässig auf die in gleichem Range stehenden Gläubiger
zu verteilen. Dabei ist die Gesamtforderung jedes dieser Gläubiger
mit Einschluss seiner Betreibungs- und allfälligen Rechtsöffnungskosten
(samt Parteientschädigung) in Rechnung zu stellen. (Erw. 1).

    2.  Das Vorrecht des Art. 281 Abs. 2 SchKG gilt nur für die Kosten der
Arrestbewilligung und des Arrestvollzuges, nicht auch für die Kosten der
anschliessenden Betreibung und eines Rechtsöffnungsverfahrens. (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Auf Grund eines Urteils der Cour supérieure de
Montréal vom 28. März 1956 erhielt André Monney in der von ihm
angehobenen Arrestbetreibung Nr. 2522 des Betreibungsamtes Zürich 1
definitive Rechtsöffnung für die Betreibungssumme von Fr. 21'051.--
(entsprechend 4'606.35 kanadischen Dollars), 5% Zins seit 30. März
1960, Fr. 24.80 Arrest- und Fr. 16.20 Zahlungsbefehlskosten sowie für
die Rechtsöffnungskosten und für die ihm im Rechtsöffnungsverfahren
zugesprochene Parteientschädigung von Fr. 1200.--. Die erwähnte Betreibung
wurde mit einer andern Arrestbetreibung zu einer Gruppe vereinigt. Die
Verwertung ergab keinen genügenden Erlös. Laut dem vom Betreibungsamt
aufgestellten Kollokations- und Verteilungsplan erhält Monney vorweg den
Betrag der Arrest- und Pfändungskosten von Fr. 107.90 zugeschieden. Die
Kosten des Zahlungsbefehls und des Rechtsöffnungsverfahrens samt der
für dieses Verfahren zuerkannten Parteientschädigung werden dagegen
zur Hauptforderung (Kapital und Zinsen) geschlagen und damit der
anteilsmässigen Verteilung unterworfen. Dem

    Gesamtbetrag dieser Guthaben von      Fr. 26'424.20

    steht ein Treffnis gegenüber von      Fr.  8'139.85

    so dass sich ein Verlust von  Fr. 18'284.35

    ergibt.

    B.- Über diese Zuteilung beschwerte sich Monney bei der
Aufsichtsbehörde. Er verlangte eine Änderung der Verteilungsliste in dem
Sinne, dass ihm ausser den Arrest- und Pfändungskosten ebenfalls vorweg
die Kosten des Rechtsöffnungsverfahrens sowie die ihm für dieses Verfahren
zuerkannte Parteientschädigung aus dem Verwertungserlöse zuzuweisen seien.

    C.- In beiden kantonalen Instanzen abgewiesen, hält Monney mit
vorliegendem Rekurs an der Beschwerde fest.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Den Anspruch, auch für die Kosten des Rechtsöffnungsverfahrens
und insbesondere für die ihm aus diesem Verfahren zustehende
Parteientschädigung vorweg aus dem Verwertungserlös gedeckt zu werden,
leitet der Rekurrent in erster Linie aus Art. 68 Abs. 2 SchKG ab. Zu
Unrecht. Diese Gesetzesnorm, wonach der Gläubiger berechtigt ist, von den
Zahlungen des Schuldners vorab die Betreibungskosten zu erheben, besagt
nur, wie der Gläubiger ein ihm zufallendes Treffnis auf seine Haupt-
und Nebenforderungen mit Einschluss der Betreibungskosten anrechnen
darf. Sie löst aber nicht die Frage, wieviel das Treffnis des einzelnen
Gläubigers überhaupt beträgt, wenn ein Verwertungserlös unter mehrere zu
einer Gruppe vereinigte Gläubiger zu verteilen ist. Insbesondere lässt
sich, wie die Vorinstanz richtig ausführt, aus Art. 68 Abs. 2 SchKG nicht
folgern, bei einem zur Befriedigung aller beteiligten Gläubiger gleichen
Ranges ungenügenden Erlös seien die Betreibungskosten jedes einzelnen als
bevorrechtet zu betrachten und vorweg aus dem Erlöse zu decken, so dass nur
die Hauptforderungen (Kapital und Zinsen) den Ausfall zu tragen hätten. Mit
der Frage der Verteilung des Verwertungsergebnisses befasst sich Art. 68
Abs. 2 SchKG in keiner Weise. Dafür sind die Artikel 144 ff. SchKG
massgebend. Reicht der Erlös (worunter nach Art. 144 Abs. 4 der Reinerlös
zu verstehen ist) nicht zur Befriedigung aller beteiligten Gläubiger
hin, so hat das Betreibungsamt nach Art. 146 einen Kollokationsplan
aufzustellen. Dabei sind die in Art. 219 SchKG für das Konkursverfahren
vorgesehenen Klassen zu berücksichtigen. Gläubiger gleichen Ranges aber -
womit man es im vorliegenden Falle zu tun hat - sind als gleichberechtigt
zu betrachten. Und zwar ist die gesamte Forderung eines jeden, bestehend
aus Kapital, Zinsen und Betreibungskosten, gemäss Art. 144 Abs. 4 als
einheitliches Gesamtguthaben in Rechnung zu stellen. Es ist nicht die
Rede davon, dass dieses Gesamtguthaben in zwei Teile zu zerlegen wäre,
einen bevorrechteten, die Betreibungskosten enthaltenden und einen
nachgehenden, die Kapital- und Zinsforderungen umfassenden Teil. Vielmehr
sind auf den verfügbaren Erlös (also auf den Reinerlös mit Abzug der
Verteilungskosten gemäss der zuletzt angeführten Bestimmung, erläutert
in Art. 20 der Verordnung I) die gesamten Forderungen - mit Einschluss
der Betreibungskosten - der beteiligten Gläubiger anzuweisen, wie es denn
auch das für den Kollokations- und Verteilungsplan der Pfändungsgläubiger
geltende fakultative Formular Nr. 4 vorsieht. Nur für die Pfändungskosten
gilt etwas Besonderes: es ist jedem beteiligten Gläubiger der Betrag
seines für die Pfändungskosten geleisteten Vorschusses vorweg aus
dem Reinerlös zurückzuerstatten (gemäss der mit dem Schlussabsatz von
Art. 20 der Verordnung I übereinstimmenden Anleitung zur Zwangsverwertung
von Grundstücken, S. 114 des Nachtrages zur Sammlung der Erlasse 1921,
Bemerkung 2, worauf jenes Formular hinweist). Dies deshalb, weil es ein
Gebot der Gerechtigkeit ist, diesen der ganzen Gruppe zugute kommenden
Aufwand vorweg zu bereinigen. Nach alldem kann der Rekurrent - sofern
sich aus dem einstweilen ausser Betracht gelassenen Art. 281 SchKG
nichts Abweichendes ergibt - seine Betreibungskosten, also auch die
Rechtsöffnungskosten und die ihm für das Rechtsöffnungsverfahren zuerkannte
Parteientschädigung, nur auf gleicher Linie wie seine Hauptforderung bei
der Verteilung des Erlöses zur Geltung bringen.

Erwägung 2

    2.- Was nun die besondere Stellung des Arrestgläubigers betrifft,
so gewährt ihm Art. 281 Abs. 1 SchKG den provisorischen Anschluss
an eine, nach Ausstellung des Arrestbefehls, für andere Gläubiger
vollzogene Pfändung der arrestierten Gegenstände. Dadurch erhält
der Arrestgläubiger die Möglichkeit, bei erfolgreicher Prosequierung
des Arrestes und rechtzeitig gestelltem Pfändungsbegehren (gemäss dem
Kreisschreiben Nr. 27 vom 1. November 1910, dazu BGE 84 III 102/3) der
betreffenden Pfändungsgruppe anzugehören, was an und für sich nichts
weiteres als die Gleichstellung mit den andern Gläubigern der Gruppe
bedeutet. Ein Vorrecht gegenüber diesen Gläubigern steht ihm nach Abs. 2
daselbst nur insofern zu, als er "die vom Arreste herrührenden Kosten"
aus dem Erlös der Arrestgegenstände vorwegnehmen darf. Das Schicksal
der vorliegenden Beschwerde hängt somit davon ab, ob zu den "vom Arreste
herrührenden Kosten" bloss die eigentlichen Arrestkosten, d.h. die Kosten
der Arrestbewilligung und des Arrestvollzuges gehören (deren Betrag das
Betreibungsamt neben demjenigen der vorgeschossenen Pfändungskosten
dem Rekurrenten vorweg aus dem Verwertungserlöse zugewiesen hat)
oder überdies, wie der Rekurrent es geltend macht, die Kosten der zur
Prosequierung des Arrestes durchgeführten Betreibung und insbesondere
die Rechtsöffnungskosten samt der bezüglichen Parteientschädigung. Der
Gesetzeswortlaut lässt eine so weite Auslegung nicht zu. Vom Arreste
rühren eben nur die Kosten der Arrestlegung, also der darauf gerichteten
Massnahmen der Arrestbehörde und des vollziehenden Betreibungsamtes,
her. Dem entspricht eindeutig auch der französische und der italienische
Text ("les frais du séquestre", "le spese del sequestro"). Es ist nicht
zulässig, diese speziell für die Arrestkosten getroffene Regelung
auf die Kosten der anschliessenden Betreibung und namentlich eines
Rechtsöffnungsverfahrens auszudehnen. Es handelt sich (im Unterschied zu
Art. 68 Abs. 2 SchKG) um ein Vorrecht des Arrestgläubigers, was schon der
Natur der Sache nach eine einschränkende Auslegung gebietet. Dazu kommt,
dass Art. 281 Abs. 3 SchKG ausdrücklich jedes weitere "Vorzugsrecht"
versagt. In bezug auf die Betreibungs- und Rechtsöffnungskosten, wie
sie auch einem sich nicht auf Arrestnahme stützenden Gläubiger erwachsen
können, hat es daher bei der Gleichstellung des Arrestgläubigers mit den
andern Gläubigern der Gruppe sein Bewenden.

    Diese Entscheidung steht mit der herrschenden Lehre im Einklang
(vgl. JAEGER, N. 5 zu Art. 281 SchKG; BLUMENSTEIN, Handbuch, S. 851,
der auch die Kosten eines vom Arrestgläubiger siegreich durchgeführten
Arrestaufhebungsprozesses dieses Vorrechtes teilhaftig werden lassen
will - was BGE 73 III 135 ablehnt -, jedoch laut Fussnote 77 nicht auch
die Kosten der nachfolgenden Betreibung; FRITZSCHE, SchK II 233; BRAND,
Schweiz. jur. Kartothek 741, Arrest II, Ziff. IV, 5).

    Mit der Frage, was für Kosten nach Art. 97 Abs. 2/275 SchKG durch
Arrest oder Pfändung zu decken sind (was den wesentlichen Gegenstand
von BGE 73 III 133 ff. bildet), darf die Umgrenzung des Privileges nach
Art. 281 Abs. 2 SchKG nicht vermengt werden. Daraus, dass der Arrest
ebenso wie eine Pfändung (die er gewissermassen vorausnimmt) auch die
Kosten der zu seiner Prosequierung durchzuführenden Betreibung decken
soll, folgt nichts für eine Privilegierung dieser Kosten. Art. 275 SchKG
verlangt lediglich die entsprechende Anwendung des Art. 97 Abs. 2, dem
jede derartige Privilegierung fremd ist. Das in Art. 281 Abs. 2 vorgesehene
Privileg aber hat, wie dargetan, ein enger umgrenztes Anwendungsgebiet.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.