Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 90 III 10



90 III 10

3. Entscheid vom 2. Mai 1964 i.S. Truttmann Regeste

    Aktive Betreibungsfähigkeit kommt der Gemeinde und nicht dem ihr
zugeordneten Verwaltungszweig zu. Im Falle der Betreibung zu Gunsten
des Verwaltungszweiges liegt eine mangelhafte Gläubigerbezeichnung
vor. Voraussetzungen, unter denen ein solcher Mangel zur Aufhebung der
Betreibung führt.

Sachverhalt

    A.- Dominik Truttmann und weitere Kläger reichten am 4.  Mai 1962
Klage ein gegen die Kirchenverwaltung Seedorf und die Armenpflege
Seedorf. Das Landgericht Uri wies die Klage mit Urteil vom 26. März 1963
wegen mangelnder Passivlegitimation (Legitimation zur Sache) der beiden
Beklagten ab, nachdem es vorgängig deren Partei- und Prozessfähigkeit
bejaht hatte. Die Kläger wurden in solidarischer Haftbarkeit zur Bezahlung
einer ausserrechtlichen Entschädigung von Fr. 488.20 an die Beklagten
verurteilt.

    B.- Die Kirchenverwaltung und die Armenpflege Seedorf leiteten
gegen Truttmann mit Zahlungsbefehl Nr. 7010 vom 21. August 1963
für die ausserrechtliche Entschädigung von Fr. 488.20 nebst Zins
Betreibung ein. Auf Rechtsvorschlag des Schuldners hin bewilligte der
Richter den Gläubigerinnen mit Entscheid vom 2. Dezember 1963 definitive
Rechtsöffnung für Zahlungsbefehl Nr. 7010. Sie setzten die Betreibung fort
und am 18. Februar 1964 wurde dem Schuldner vom Betreibungsamt der Stadt
Luzern die Mitteilung des Verwertungsbegehrens zugestellt. Hiegegen
erhob er Beschwerde zuerst beim Amtsgericht Luzern-Stadt als
unterer Aufsichtsbehörde und dann bei der Schuldbetreibungs- und
Konkurskommission des Obergerichtes des Kantons Luzern als oberer
kantonaler Aufsichtsbehörde. Beide Beschwerden wurden abgewiesen und zwar
mit Entscheiden vom 26. Februar und 9. April 1964.

    C.- Gegen den Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde des
Kantons Luzern für Schuldbetreibung und Konkurs vom 9. April 1964 hat
Truttmann am 17. April 1964 beim Bundesgericht Rekurs erhoben. Er verlangt
Aufhebung des Betreibungsverfahrens Nr. 7010 und macht geltend, den beiden
Gläubigerinnen fehle die Parteifähigkeit.

    Auf Gesuch des Rekurrenten hat der Präsident der Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer am 20. April 1964 dem Rekurs aufschiebende Wirkung erteilt.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- In Anlehnung an zivilprozessuale Grundsätze ergibt sich für das
Betreibungsverfahren, dass eine Betreibung als Gläubiger nur einleiten
kann, wer parteifähig und handlungsfähig ist. Der Rekurrent bestreitet
in der gegen ihn gerichteten Betreibung Nr. 7010 diese Eigenschaften bei
den Gläubigerinnen, der Kirchenverwaltung und der Armenpflege Seedorf. Die
Bestreitung erfolgt insoweit zu Recht, als die Fähigkeit, in eigenem Namen
zu betreiben, nicht der Kirchenverwaltung oder Armenpflege als Organ oder
Verwaltungszweig der Gemeinde Seedorf zukommt, sondern allein dem hinter
den genannten Organen stehenden Rechtssubjekt, der Einwohnergemeinde
Seedorf selbst. Allein wenn auch formell Kirchenverwaltung und
Armenpflege Seedorf als Gläubigerinnen auftreten, so ergibt sich doch
ohne weiteres, dass die Betreibung als solche der Gemeinde Seedorf, deren
Verwaltungsorgane die Gläubigerinnen bilden, zu behandeln ist. Es handelt
sich also im vorliegenden Fall um eine mangelhafte Gläubigerbezeichnung,
welche aber den handlungs- und parteifähigen, wirklichen Gläubiger erkennen
lässt. Ein solcher, unbedeutender Mangel gibt normalerweise keinen Anlass
zur Aufhebung der Betreibung (BGE 31 I 529 und Entscheid des Obergerichtes
des Kantons Aargau vom 3. März 1950 in Bl. f. Sch. u. K. 1952, S. 170/171;
vgl. auch BGE 41 III 170/171 E. 2). Eine derart schwerwiegende Massnahme
könnte höchstens dann vorgenommen werden, wenn die unrichtige Bezeichnung
missverständlich wäre, der Schuldner dieser Unklarheit zum Opfer fiele und
die Aufrechterhaltung der Betreibung ihn in seinen Interessen schädigte
(BGE 31 I 529/530). Dies trifft aber im vorliegenden Fall nicht zu;
es fehlen auch entsprechende Behauptungen des Rekurrenten.

Erwägung 2

    2.- Im Zivilprozess vor dem Landgericht Uri, welcher dem
Betreibungsverfahren Nr. 7010 vorausgegangen ist, war ebenfalls die
Partei- und Handlungsfähigkeit der Kirchenverwaltung und Armenpflege
Seedorf zu beurteilen. Der Rekurrent und seine Mitkläger klagten
die beiden Gemeindeorgane mit der gleichen mangelhaften Bezeichnung
ein, wie sie im vorliegenden Rekursverfahren als Nachlässigkeit
der Gegenpartei zur Diskussion steht. Trotz der Ungenauigkeit des
Rekurrenten und seiner Mitkläger bejahte das Landgericht im Zivilprozess
die Partei- und Handlungsfähigkeit der eingeklagten Gemeindeorgane,
bzw. der Gemeinde, und damit deren Legitimation zum Verfahren. Die
Betreibungsfähigkeit der Gläubigerinnen und deren Prozessfähigkeit sind
somit nach gleichen Grundsätzen beurteilt worden und es ergeben sich keine
Widersprüche. Dass das Landgericht Uri die Begehren des Rekurrenten und
seiner Mitkläger schliesslich in der wenig folgerichtigen Annahme abwies,
der Kirchenverwaltung und Armenpflege fehle die Legitimation zur Sache,
d.h. die Qualität als Schuldner - nicht als Prozesspartei -, ist für die
vorliegende Rekurssache ohne Bedeutung.

Erwägung 3

    3.- Der materiellrechtliche Anspruch, welchen die Betreibung Nr. 7010
zum Gegenstand hat, ergibt sich aus dem Kostenentscheid des rechtskräftigen
Urteils des Landgerichtes Uri vom 26. März 1963. Das Urteil ist im
Rechtsöffnungsverfahren als definitiver Rechtsöffnungstitel anerkannt
worden, sodass der Vollstreckung des Anspruches der Gläubigerinnen
weder Hindernisse des formellen Rechtes noch solche des materiellen
entgegenstehen.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.