Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 I 80



89 I 80

14. Urteil vom 20. März 1963 i.S. Jampen und Konsorten gegen Straub und
Konsorten und Staatsrat des Kantons Freiburg Regeste

    Wahlbeschwerde.

    1.  Zu den "kantonalen Wahlen" im Sinne von Art. 85 lit. a OG gehören
auch die Gemeindewahlen (Erw. 1).

    2.  Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei Wahlbeschwerden
(Erw. 3).

    3.  Wann hat die Unterlassung des Einspruchs gegen das Wahl- und
Abstimmungsverfahren die Verwirkung des Rechts zur Anfechtung des Wahl-
oder Abstimmungsergebnisses wegen Verfahrensmängeln zur Folge? (Erw. 4).

    4.  Gemeinsamer Gemeinderat zweier für die Verwaltung vereinigter
Gemeinden des Kantons Freiburg. Sind, beim Fehlen einer gesetzlichen
Regelung, die Mitglieder des Gemeinderates durch beide Gemeinden gemeinsam
zu wählen, oder hat jede Gemeinde nur die auf sie entfallenden Mitglieder
zu wählen? (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- Das freiburg. Gesetz vom 19. Mai 1894 über die Gemeinden und
Pfarreien (GG) enthält im V. Titel Vorschriften über die "Ausnahmsweise
Verwaltung der Gemeinden". Es regelt die Voraussetzungen, unter denen
der Staatsrat den Gemeinderat abberufen und durch "zeitweilige Verwalter"
ersetzen kann (Art. 226/30), und bestimmt anschliessend in

    "Art. 231. Endlich kann eine Gemeinde für die Verwaltung mit einer
benachbarten Gemeinde vereinigt werden:

    a)  .....

    b)  wenn die Bevölkerung einer Gemeinde weniger als 150 Seelen beträgt;

    c)  ....

    In den auf diese Weise vereinigten Gemeinden ist ein Gemeinderat zu
ernennen, dessen Mitglieder so gut als möglich auf alle diese Gemeinden
im Verhältnis ihrer Bevölkerungszahl verteilt werden. Der Staatsrat setzt
diese Verteilung fest.

    Art. 232. Ungeachtet dieser Vereinigung bleibt jede Gemeinde
Eigentümerin ihrer Gememde- und sonstigen Güter; der Gemeinderat verwaltet
dieselben gesondert. ...."

    Entsprechende Bestimmungen enthielten schon die Gemeindegesetze von
1831, 1848, 1864 und 1879.

    B.- Die Gemeinden Merlach und Greng werden seit über 100 Jahren gemäss
Art. 231 lit. b. GG durch einen gemeinsamen Gemeinderat verwaltet. Im
übrigen haben die beiden Gemeinden ihre Selbständigkeit behalten; jede
führt ihr eigenes Register der stimmfähigen Bürger, hält (unter dem
Vorsitz des gemeinsamen Gemeindeammanns) eigene Gemeindeversammlungen ab
und verkehrt selber mit der kantonalen Verwaltung. Nach der Volkszählung
von 1960 hat die Gemeinde Merlach 332 Einwohner mit 82 Stimmberechtigten
und die Gemeinde Greng 68 Einwohner mit 17 Stimmberechtigten.

    Der gemeinsame Gemeinderat von Merlach und Greng besteht seit jeher
aus 5 Mitgliedern, davon vier aus Merlach und einem aus Greng. Er wurde
bisher durch die Gesamtheit der Stimmberechtigten beider Gemeinden in
einer gemeinsamen Wahlversammlung nach dem absoluten Mehr gewählt.

    Für die Neuwahlen im Februar/März 1962 empfahl die Mehrheit der
Stimmbürger von Greng ihren bisherigen Vertreter Walter Straub zur
Wiederwahl, während Stimmbürger von Merlach die in Greng wohnhaften Fritz
Berger und Ernst Laubscher vorschlugen.

    In der Wahlversammlung vom 25. Februar 1962, an welcher 78 Stimmbürger,
davon 16 aus Greng, teilnahmen, erreichten drei bisherige Mitglieder des
Gemeinderates aus Merlach das absolute Mehr. Von den Kandidaten aus Greng
erhielten Berger 31, Straub 30 und Laubscher 19 Stimmen.

    Am 28. Februar 1962 reichten 13 Stimmbürger von Greng beim
Staatsrat des Kantons Freiburg eine Beschwerde ein mit dem Antrag,
die Wahlhandlung zu kassieren und anzuordnen, es seien neue Wahlen in
der Weise durchzuführen, dass die Gemeinden Merlach und Greng getrennte
Wahlkreise mit eigenen Wahlversammlungen bilden; ferner sei festzustellen,
dass die Gemeinde Merlach 4 und die Gemeinde Greng einen Vertreter im
gemeinsamen Gemeinderat haben.

    Am 4. März 1962 fand eine zweite Wahlversammlung statt, an der 80
Stimmbürger, davon 15 aus Greng, teilnahmen. In dieser erreichte ein
weiterer Kandidat aus Merlach das absolute Mehr, während Straub 34,
Berger 33 und Laubscher 10 Stimmen erhielten.

    Darauf reichten 14 Stimmbürger aus Greng beim Staatsrat eine weitere
Beschwerde ein, mit der sie die in der Beschwerde vom 28. Februar 1962
gestellten Begehren erneuerten.

    Der Staatsrat stellte das weitere Wahlverfahren ein, holte ein
Rechtsgutachten bei Prof. W. Oswald (Freiburg) ein und hiess dann mit
Entscheid vom 9. Oktober 1962 die Beschwerden dahin gut, dass er die
ergangenen Wahlhandlungen kassierte und anordnete, die Neuwahlen seien in
getrennten Wahlversammlungen in dem Sinne durchzuführen, dass die Gemeinden
Merlach und Greng ihre Vertreter im gemeinsamen Gemeinderat im Verhältnis
von 4: 1 gesondert bestimmen. Die Begründung dieses Entscheids lässt sich
wie folgt zusammenfassen: Dass für die Gemeinden Merlach und Greng ein
gemeinsamer Gemeinderat zu wählen sei und die Gemeinde Greng Anspruch
auf einen Sitz in diesem habe, sei unbestritten. Streitig und im Gesetz
nicht ausdrücklich gesagt sei dagegen, wie der gemeinsame Gemeinderat zu
wählen sei. Art. 231 GG stelle eine Ausnahme von Art. 2 GG, wonach in
jeder Gemeinde eine Gemeindeversammlung und ein Gemeinderat bestehe,
dar und sei daher einschränkend auszulegen in dem Sinne, dass bei
Gemeinden mit gemeinsamer Verwaltung jede Gemeinde ihre Versammlung,
also auch die Wahlversammlung bewahre. Bei der Beratung des GG von
1879 habe der Regierungsvertreter im Grossen Rat erklärt, dass bei
gemeinsamer Verwaltung jede Gemeinde selbständig bleibe und die Bürger
keines ihrer Rechte verlieren. Den Gemeinden sei somit das Recht auf
einen Gemeinderat bzw. auf eine angemessene Vertretung im gemeinsamen
Gemeinderat und das Recht auf eine eigene Gemeindeversammlung geblieben
und den Stimmbürgern das Recht, ihr in Art. 20 und 72 ff. GG umschriebenes
Stimm- und Wahlrecht auszuüben. Wieso dies aber nur für die gewöhnliche
Gemeindeversammlung und nicht auch für die Wahlversammlung gelten sollte,
sei nicht einzusehen. Wenn im Rahmen der administrativen Vereinigung der
kleinen Gemeinde als Minderheit gegenüber der grösseren als Mehrheit das
Recht auf angemessene Vertretung im gemeinsamen Gemeinderat garantiert
werde, so wäre es widersinnig, es der grösseren auf anderm Wege, nämlich
bei der Bestimmung dieser Vertretung, zu ermöglichen, die Minderheit zu
majorisieren. Damit diese das ihr zustehende Mitspracherecht wirksam
ausüben könne, müsse sie den ihr als am geeignetsten erscheinenden
Vertreter selber bestimmen können.

    C.- Gegen diesen Entscheid haben 20 Stimmberechtigte aus Merlach und
Fritz Berger aus Greng beim Bundesgericht eine Beschwerde gemäss Art. 85
lit. a OG eingereicht. Sie werfen dem Staatsrat Verletzung von Art. 6
lit. b BV sowie willkürliche, mit Art. 4 BV unvereinbare Anwendung von Art.
231 GG vor und machen im wesentlichen geltend: Wenn nach Art. 231 GG für
zwei Gemeinden ein gemeinsamer Gemeinderat zu ernennen sei, so müsse
dieser auch in einer gemeinsamen Wahlversammlung gewählt werden. Es
wäre höchst ungerecht, wenn die Stimmbürger von Merlach an der Wahl
des Vertreters von Greng nicht teilnehmen könnten, da dieser auch die
Gemeinde Merlach mit verwalte, und noch ungerechter wäre es, wenn die
Stimmbürger von Greng bei der Wahl der vier Vertreter von Merlach nicht
mitsprechen dürften. Der angefochtene Entscheid verstosse gegen Art. 6
lit. b BV, da der Grundsatz der Volkssouveränität erfordere, dass die
Behörden vom Inhaber der Souveränität gewählt würden, die Gemeindebehörden
also von den Bürgern der von diesen Behörden verwalteten Gemeinden. Der
angefochtene Entscheid sei sodann willkürlich, weil die Bürger von Greng
vor der Wahl keine Einsprache gegen das Wahlverfahren (Wahl in einer
gemeinsamen Wahlversammlung) erhoben hätten und daher nicht befugt seien,
das Wahlverfahren nach den Wahlen zu beanstanden (BGE 74 I 20). Ferner
sei der angefochtene Entscheid deshalb willkürlich, weil der Staatsrat
damit ohne triftigen Grund von einer langjährigen Praxis abgewichen sei.

    D.- Der Staatsrat des Kantons Freiburg sowie die Beschwerdegegner
Walter Straub und Mitbeteiligte beantragen die Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Durch den angefochtenen Entscheid hat der Staatsrat die am 25.
Februar und 4. März 1962 in gemeinsamer Wahlversammlung durchgeführten
beiden ersten Wahlgänge für den gemeinsamen Gemeinderat von Merlach
und Greng kassiert und bestimmt, wie bei den Neuwahlen vorzugehen
sei. Diese Gemeindewahlen gehören zu den "kantonalen Wahlen" im Sinne
von Art. 85 lit. a OG (BGE 76 I 51, 80 I 227). Die Beschwerdeführer sind
stimmberechtigte Bürger der Gemeinden Merlach und Greng. Als solche sind
sie befugt, den Entscheid des Staatsrates sowohl mit staatsrechtlicher
Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 84 lit. a
OG) als auch mit einer Wahlbeschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG
anzufechten.

Erwägung 2

    2.- (Art. 6 lit. b BV gewährleistet kein verfassungsmässiges
Individualrecht.)

Erwägung 3

    3.- Bei Beschwerden gemäss Art. 85 lit. a OG prüft das Bundesgericht
die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei,
die Auslegung anderer kantonaler Vorschriften aber, sofern sie nicht das
schon von Bundesrechts wegen gewährleistete Stimmrecht nach Inhalt und
Umfang normieren, sondern Verfahrens- und ähnliche Fragen betreffen,
nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel des Art. 4 BV (BGE 83 I 176
Erw. 2 und dort angeführte frühere Urteile). Im vorliegenden Falle gehen
die Beschwerdeführer und die Beschwerdegegner übereinstimmend davon aus,
dass es um den Inhalt und Umfang des Stimmrechts gehe und die Kognition
des Bundesgerichts daher unbeschränkt sei. Diese Auffassung dürfte richtig
sein, denn der Streit darüber, ob die Stimmbürger von Merlach die Vertreter
nur der eigenen oder auch der andern Gemeinde im gemeinsamen Gemeinderat zu
wählen haben, betrifft wohl nicht nur eine Verfahrensfrage, sondern auch
den Umfang ihres Stimmrechts. Wie es sich damit verhält, braucht indes
nicht abschliessend entschieden zu werden, da der angefochtene Entscheid,
wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergibt, den in der Beschwerde
erhobenen Rügen auch bei freier Prüfung standhält.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführer vertreten unter Berufung auf BGE 74 I 20
die Auffassung, die 14 Stimmbürger von Greng, welche die in gemeinsamer
Wahlversammlung beider Gemeinden durchgeführten Wahlgänge vom 28. Februar
und 4. März 1962 beim Regierungsrat angefochten haben, hätten das Recht
zu dieser Anfechtung verwirkt, weil sie vor den Wahlen keinen Einspruch
gegen das Wahlverfahren erhoben hätten. Nach einem vom Bundesgericht
bereits in BGE 49 I 329/30 aufgestellten und in BGE 74 I 21 Erw. 2, 81 I
207 und zahlreichen nicht veröffentlichten Urteilen bestätigten Grundsatz
verwirkt ein Stimmberechtigter das Recht zur Anrufung des Bundesgerichtes,
wenn er gegen das für eine Wahl oder Abstimmung angeordnete Verfahren, das
er für verfassungs- oder gesetzwidrig hält, nicht schon vor der Wahl oder
Abstimmung Einspruch erhebt, denn es wäre stossend und mit Treu und Glauben
unvereinbar, wenn er wegen eines Mangels, den er zunächst widerspruchslos
hingenommen hat, hinterher die Wahl oder Abstimmung anfechten könnte,
weil deren Ergebnis den gehegten Erwartungen nicht entspricht. Selbst
wenn dieser Grundsatz ohne weiteres auch für die Anrufung kantonaler
Rekursinstanzen gelten sollte, was nicht feststeht, so wäre er hier nicht
verletzt. Es kommt darauf an, ob ein früherer Einspruch nicht nur an sich
möglich, sondern den Betroffenen nach den Umständen auch zuzumuten war
(vgl. die nicht veröffentl. Urteile vom 30. April 1958 i.S. Schär c. Bern
Erw. 5 und vom 23. Januar 1962 i.S. Schwenk c. Aargau Erw. 1 a.E.). Nun
ist die Wahl des gemeinsamen Gemeinderates von Merlach und Greng von
jeher in einer gemeinsamen Wahlversammlung erfolgt und dabei als Vertreter
von Greng stets der von den Stimmbürgern dieser Gemeinde Vorgeschlagene
gewählt worden. Auch scheint es, dass die Wahlen in andern vereinigten
Gemeinden des Kantons bisher ebenfalls auf diese Weise durchgeführt
worden sind und dabei überall der Vorschlag der kleineren Gemeinde
durchdrang. Die Stimmbürger von Greng durften daher erwarten, dass die
Mehrheit ihrem Vorschlag auch dieses Mal folgen werde. Es erscheint daher,
obwohl schon am 19. Februar 1962 in einer Wählerversammlung ein Stimmbürger
aus Merlach einen andern Kandidaten aus Greng vorgeschlagen hat, nicht als
Verstoss gegen Treu und Glauben, dass die Stimmbürger von Greng es zunächst
unterliessen, gegen die Wahl in gemeinsamer Wahlversammlung Einspruch zu
erheben. Nachdem dann der erste Wahlgang vom 25. Februar 1962 gezeigt
hatte, dass die Mehrheit der Wähler von Merlach ihre Stimme nicht mehr
wie bisher dem von den Stimmbürgern von Greng vorgeschlagenen Kandidaten
zu geben gewillt waren, haben 13 der 17 Stimmbürger von Greng schon am
28. Februar 1962 beim Staatsrat Beschwerde erhoben.

Erwägung 5

    5.- Nach Art. 231 GG ist in den für die Verwaltung vereinigten
Gemeinden ein Gemeinderat zu ernennen, dessen Mitglieder so gut als
möglich auf alle diese Gemeinden im Verhältnis ihrer Bevölkerungszahl
verteilt werden. Dass danach die Gemeinde Merlach Anspruch auf 4 und
die Gemeinde Greng Anspruch auf einen Vertreter in dem aus 5 Mitgliedern
bestehenden gemeinsamen Gemeinderat haben, ist unbestritten. Streitig ist
einzig, ob alle 5 Vertreter in einer gemeinsamen Wahlversammlung oder
die Vertreter jeder Gemeinde in einer Wahlversammlung der betreffenden
Gemeinde zu wählen sind.

    Bis heute ist die Wahl des gemeinsamen Gemeinderates von Merlach und
Greng (und offenbar auch der übrigen administrativ vereinigten Gemeinden
des Kantons Freiburg) in einer gemeinsamen Wahlversammlung der Stimmbürger
beider Gemeinden erfolgt. Dieses Verfahren scheint kaum je zu Anständen
geführt zu haben und wurde vom Staatsrat in einem (nicht bei den Akten
liegenden) Entscheid vom 8. April 1907 als das richtige bezeichnet. Im
vorliegenden Falle hat dagegen der Staatsrat deshalb, weil die Wahl des
von der Mehrheit der Stimmbürger von Greng vorgeschlagenen Kandidaten
in der gemeinsamen Wahlversammlung auf Widerstand stiess, die Wahl der
Vertreter jeder Gemeinde in getrennten Wahlversammlungen angeordnet.

    Diese Lösung verstösst jedenfalls nicht gegen den Wortlaut des
Gesetzes, da weder Art. 231 GG noch eine andere Bestimmung des GG
vorschreibt, wie der gemeinsame Gemeinderat administrativ vereinigter
Gemeinden zu wählen ist. Fraglich kann nur sein, ob sie dem Sinne des
Gesetzes widerspricht.

    Wenn Art. 231 GG bestimmt, dass die Mitglieder des gemeinsamen
Gemeinderates auf die Gemeinden im Verhältnis ihrer Bevölkerungszahl
"verteilt" werden, so wird damit, wie der Staatsrat mit Recht ausführt
und offenbar auch die Beschwerdeführer annehmen, jeder Gemeinde das Recht
eingeräumt, im gemeinsamen Gemeinderat verhältnismässig "vertreten"
("représentée") zu sein. Dafür genügt nicht, dass ein Mitglied in der
betreffenden Gemeinde wohnt oder, ohne dort zu wohnen, als deren Vertreter
bezeichnet wird. Von einer "Vertretung" kann sinngemäss nur gesprochen
werden, wenn das betreffende Mitglied auch das Vertrauen der Mehrheit
der Stimmbürger der betreffenden Gemeinde geniesst. Eine derartige
Vertretung ist aber im Falle der Wahl in gemeinsamer Wahlversammlung
nicht gewährleistet. An sich wäre es zweifellos wünschbar, dass die
Mitglieder des gemeinsamen Gemeinderates auch in einer gemeinsamen
Wahlversammlung gewählt werden. Dies kann jedoch, wie der vorliegende
Fall zeigt, dazu führen, dass als Vertreter der kleineren Gemeinde
Personen gewählt werden, welche von der überwiegenden Mehrheit der
Stimmbürger dieser Gemeinde (hier: von 14 der 17) abgelehnt werden,
was besonders stossend scheint, wenn die kleinere Gemeinde wie hier
nur Anspruch auf einen einzigen Vertreter im gemeinsamen Gemeinderat
hat. Eine befriedigende Lösung dieser Schwierigkeit ist nicht leicht zu
finden. Im Kanton Bern, wo nach Art. 17 Abs. 3 des Gemeindegesetzes von
1917 die Minderheitspartei einen Anspruch auf angemessene Vertretung in
den nach Majorzsystem zu bestellenden Behörden und Kommissionen hat,
räumte die Praxis der Minderheit ein Vorschlagsrecht und der Mehrheit
die Befugnis ein, unter gewissen Voraussetzungen einen Doppelvorschlag
zu verlangen (Kreisschreiben der Gemeindedirektion vom 1. Mai 1957, MBVR
1957 S. 226/7 Ziff. 5). Ob diese Lösung auch angezeigt und zulässig wäre,
um der kleineren Gemeinde das ihr nach Art. 231 des freiburg. GG zustehende
Vertretungsrecht zu sichern, erscheint fraglich, zumal einer Gemeinde mit
nur 17 Stimmbürgern ein Doppelvorschlag unter Umständen nicht zuzumuten
ist. Als zulässig erscheint dagegen mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im
Gesetz die im angefochtenen Entscheid vom Staatsrat angeordnete Wahl der
Vertreter jeder Gemeinde in getrennten Wahlversammlungen. Diese Lösung hat
nicht nur den Vorteil der Einfachheit für sich, sondern entspricht auch der
politischen Selbständigkeit der nur administrativ vereinigten Gemeinden.

    Die in der Beschwerde dagegen erhobenen Einwände sind unbegründet. Dass
eine durch Volkswahl zu bestellende Behörde von der Gesamtheit der
Stimmberechtigten des ihr unterstellten Gebietes zu wählen sei, ist kein
allgemein gültiger Grundsatz des schweizerischen Staatsrechtes. Beim
Nationalrat, bei den meisten Kantonsräten und auch bei Parlamenten
grösserer Städte werden die Mitglieder in getrennten Wahlkreisen gewählt,
obwohl sie nicht "Vertreter" dieser Wahlkreise, sondern zusammen
Repräsentanten des gesamten Volkes des in Frage stehenden Gemeinwesens
sind (vgl. hiezu BURCKHARDT, Komm. zur BV S. 715/16, und GIACOMETTI,
Staatsrecht der Kantone S. 301/2). Dass es sich dort um Parlamente,
hier dagegen um eine vollziehende Behörde handelt, verschlägt nichts. Wie
statt der Wahl des Gemeinderates nach dem Majorzsystem auch die Wahl nach
dem Proporzsystem möglich ist und in der Schweiz vorkommt (GIACOMETTI
aaOS. 415/16, HEINIGER, Der Gemeinderat, Diss. Zürich 1957 S. 34 ff.),
so kann sich, statt der Wahl aller Mitglieder durch die Gesamtheit
der Stimmbürger, beim Vorliegen besonderer Verhältnisse auch die Wahl
einzelner Mitglieder in Wahlbezirken rechtfertigen. Solche besonderen
Umstände liegen aber offensichtlich vor, wenn zwei politisch selbständige
Gemeinden einen gemeinsamen Gemeinderat haben und jede Gemeinde in diesem
im Verhältnis ihrer Bevölkerungszahl vertreten sein soll.

    Unbegründet ist schliesslich auch der Einwand der Beschwerdeführer,
der Staatsrat sei im angefochtenen Entscheid ohne triftigen Grund von
einer langjährigen Praxis abgewichen. Einmal kann, da sich der Staatsrat
seit dem vereinzelten Entscheid vom 8. April 1907 nicht mehr mit der
Frage zu befassen hatte, ob der gemeinsame Gemeinderat in gemeinsamer
Wahlversammlung zu wählen sei, nicht von einer Praxis und jedenfalls
nicht von einer ständigen Praxis des Staatsrates gesprochen werden. Davon
abgesehen kann es einer Behörde nicht verwehrt werden, ihre bisherige
Praxis zu überprüfen und sie gegebenenfalls, neuer oder besserer Erkenntnis
folgend, zu ändern (BGE 86 I 326 mit Verweisungen). So verhält es sich
aber hier. Der Staatsrat hat offenbar erstmals festgestellt, dass die
Wahl in gemeinsamer Wahlversammlung zu einer Majorisierung der kleineren
durch die grössere Gemeinde führen kann, und ist zum Schluss gekommen,
diesem dem Sinne von Art. 231 GG widersprechenden Missstand könne hier nur
durch die Wahl der Vertreter jeder Gemeinde in getrennten Wahlversammlungen
wirksam begegnet werden.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.