Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 I 8



89 I 8

2. Auszug aus dem Urteil vom 13. Februar 1963 i.S. X. gegen Direktion
der Landwirtschaft des Kantons Bern. Regeste

    Sperrfrist für die Weiterveräusserung landwirtschaftlicher
Grundstücke. Voraussetzungen der Ausnahmebewilligung nach Art. 22.18bis
OR. Umfang des Ermessens der Bewilligungsbehörde. Überprüfungsbefugnis
des Bundesgerichts.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Ein im Kanton Basel-Land wohnhafter Rechtsanwalt Dr. X. hat
am 19. Oktober 1961 mit Y., Landwirt in Courtételle/BE, einen
Kaufrechtsvertrag abgeschlossen und damit das Recht erworben, das
landwirtschaftliche Heimwesen "Mont-dessus" des Y. in Courtételle,
einschliesslich totes Inventar, zu einem bestimmten Maximalpreis zu
kaufen. Das Kaufrecht war wirksam bis zum 1. November 1962; Fr. 30'000.--
sind Y. von Dr. X. als Vorauszahlung im Hinblick auf diesen Vertrag schon
am 25. September 1961 ausbezahlt worden.

    Da Y. erst am 11. Juni 1955 Eigentümer des fraglichen Heimwesens
geworden war, ersuchte der sich mit der Sache befassende Notar in Delsberg
am 15. Februar 1962 den Regierungsstatthalter um die Bewilligung, den
Kaufrechtsvertrag vor Ablauf der in Art. 218 OR vorgesehenen, zehnjährigen
Sperrfrist im Grundbuch eintragen zu dürfen. Der Regierungsstatthalter von
Delsberg lehnte es mit Entscheid vom 13. Juli 1962 ab, diese Bewilligung zu
erteilen, im wesentlichen mit der Begründung, Dr. X. besitze bereits ein
landwirtschaftliches Heimwesen in Lupsingen/BL und der Kaufrechtsvertrag
sehe vor, dass das Kaufrecht abtretbar sei, was als Indiz dafür betrachtet
werden könne, dass das ganze Geschäft einen spekulativen Charakter habe.

    Auf Rekurs von Dr. X. bestätigte die Landwirtschaftsdirektion des
Kantons Bern am 13. November 1962 den Entscheid des Regierungsstatthalters
von Delsberg.

    Gegen den Entscheid der Landwirtschaftsdirektion führt Dr. X.
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV. Das
Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer erblickt Willkür in der Art und Weise, wie die
kantonalen Behörden Art. 218 f. OR angewendet und das Vorliegen wichtiger
Gründe im Sinne von Art. 218bis OR verneint haben. Nach der letztgenannten
Bestimmung "kann" die vom Kanton der gelegenen Sache als zuständig
erklärte Behörde bei Vorliegen wichtiger Gründe, namentlich zum Zwecke
einer erbrechtlichen Auseinandersetzung, der Abrundung landwirtschaftlicher
Betriebe, sowie zur Verhinderung einer Zwangsverwertung, eine Veräusserung
landwirtschaftlicher Grundstücke vor Ablauf der Sperrfrist von 10 Jahren
gestatten. Der Sinn dieser Bestimmung ist, gewisse Härten des nach Art. 218
OR grundsätzlich geltenden, der Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes
durch die Unterbindung der Spekulation mit landwirtschaftlichen
Grundstücken dienenden Veräusserungsverbotes zu mildern, sofern es
der spezielle Fall und die besonderen Verhältnisse erfordern. Bei
der Prüfung der Frage, ob eine Veräusserung innerhalb der Sperrfrist
zu gestatten sei, steht der zuständigen Behörde ein weiter Spielraum
freien Ermessens zu. Das Bundesgericht hat deshalb auf Beschwerden wegen
Verletzung von Art. 4 BV hin nur einzuschreiten, wenn die Behörde ihr
Ermessen eindeutig überschritten hat, wie es beispielsweise der Fall
ist, wenn sie sich von Gesichtspunkten hat leiten lassen, die nach Sinn
und Zweck des Gesetzes nicht in Betracht gezogen werden dürfen, oder
wenn sie umgekehrt wesentliche Gesichtspunkte grundlos unberücksichtigt
gelassen hat (BGE 84 I 5 Erw. 6; Urteil vom 26. September 1962 in Sachen
Dorta/Widmer, Erw. 3a; Urteil vom 19. Dezember 1962 in Sachen Scheuber,
Erw. 2). Nichts ist jedoch dagegen einzuwenden, wenn die zuständige
Behörde bei ihrem Entscheid nicht nur die persönlichen Interessen der
Vertragsparteien an der Veräusserung des Grundstückes berücksichtigt,
sondern auch Überlegungen allgemein-wirtschaftlicher Natur anstellt,
die sich auf den in Art. 1 des Bundesgesetzes über die Erhaltung des
bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 (EGG) umschriebenen Zweck
des landwirtschaftlichen Bodenrechtes stützen lassen.

    a) In Ansehung dieser Grundsätze konnte die kantonale Behörde
vorliegenden Falles ohne Willkür die Auffassung vertreten, die Tatsache,
dass Dr. X., der Erwerber des Kaufrechtes, selber nicht Landwirt und
bereits Eigentümer eines ca. 9 Hektaren umfassenden landwirtschaftlichen
Heimwesens im Kanton Basel-Land sei, spreche nicht für die Erteilung
einer Ausnahmebewilligung. Der Beschwerdeführer macht zwar geltend, er
habe die Absicht, das Heimwesen in Lupsingen/BL und den Hof "Mont-dessus"
in Courtételle/BE als wirtschaftliche Einheit bewirtschaften zu lassen,
weil der Besitz im Kanton Basel-Land zu klein sei und deshalb nicht
rentiere, sodass die Vereinigung beider Betriebe zur Schaffung einer
"auskömmlichen Existenz" für einen Pächter geradezu geboten sei und den
landwirtschaftlichen Interessen in hohem Masse Rechnung trage. Immerhin
räumt der Beschwerdeführer ein, dass er selber noch nicht genau weiss, auf
welche Weise die einheitliche Bewirtschaftung der beiden weit voneinander
entfernten Heimwesen verwirklicht werden soll. Abgesehen davon lässt
sich die Ansicht der Landwirtschaftsdirektion, die Schaffung eines
derartigen Einheitsbetriebes in der Hand eines Nichtlandwirtes sei nicht
wünschbar, ohne weiteres mit dem Hinweis auf den allgemeinen Zweck des
landwirtschaftlichen Bodenrechtes rechtfertigen, zumal ein 9 Hektaren
umfassendes Heimwesen, wie es der Beschwerdeführer in Lupsingen bereits
besitzt, zu den kleineren Mittelbetrieben gerechnet werden muss, die in
unserem Lande zahlreichen Landwirten eine "auskömmliche Existenz" bieten.

    b) Eine Ermessensüberschreitung kann auch darin nicht erblickt
werden, dass die Landwirtschaftsdirektion annahm, die Tatsache, dass
Emil Kneuss Geld benötigt habe, habe eine vorzeitige Veräusserung seines
Heimwesens nicht erforderlich gemacht, weil noch andere Möglichkeiten der
Geldbeschaffung offen gestanden hätten. Nach den vom Beschwerdeführer
nicht bestrittenen Feststellungen der Landwirtschaftsdirektion betrug
die Belastungsgrenze für den Hof "Mont-dessus" Fr. 117'260.--, während
die tatsächliche hypothekarische Belastung sich nur auf Fr. 86'500.--
belief. Was unter diesen Umständen der Aufnahme eines durch Grundpfand
gesicherten Darlehens hätte entgegenstehen sollen, ist nicht ersichtlich,
weshalb sich die Annahme, Y. hätte sich das benötigte Geld auch "anders
als durch Einräumung eines Kaufrechtes" verschaffen können, nicht als
willkürlich bezeichnen lässt.