Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 I 62



89 I 62

10. Auszug aus dem Urteil vom 1. März 1963 i.S. Neblker gegen
Reglerungsrat des Kantons Basel-Landschaft. Regeste

    Einspruch gegen Liegenschaftskäufe.

    1.  Auslegung der Gesetzesvorschrift, nach welcher die kantonale
Behörde Einspruch erheben "kann". Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts
(Erw. 1).

    2.  Ist die Abrundung benachbarter Heimwesen ein wichtiger
Grund für die Aufhebung eines existenzfähigen landwirtschaftlichen
Gewerbes? (Erw. 3).

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 19 Abs. 1 EGG (und § 8 des basellandschaftlichen
Einführungsgesetzes) "kann" gegen Kaufverträge über landwirtschaftliche
Heimwesen oder zu einem solchen gehörende Liegenschaften Einspruch erhoben
werden, wenn bestimmte im Gesetz umschriebene Voraussetzungen erfüllt
sind. Der Ausdruck "kann" entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Die
Vorschriften, die das Gesetz im öffentlichen Interesse "zur Erhaltung
eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft,
sowie zur Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes" aufstellt (Art. 31bis BV
und Art. 1 EGG), schränken in schwerwiegender Weise die Eigentumsgarantie
und den Grundsatz der Vertragsfreiheit ein. Daher bestimmt Art. 19
Abs. 1 EGG nicht nur, dass der auf lit. b oder c gestützte Einspruch
nicht gerechtfertigt ist, wenn ihm wichtige Gründe entgegenstehen,
sondern auch, dass - beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen -
Einspruch erhoben werden "kann", nicht "muss". Damit wird dem Ermessen der
zuständigen Behörde anheimgestellt, darüber zu befinden, ob im einzelnen
Fall die nach Gesetz zulässige Massnahme ergriffen werden soll oder nicht
(Opportunitätsprinzip). Dies bedeutet nicht, dass die Behörde nach Willkür
bald so, bald anders verfahren darf; vielmehr hat sie das ihr zustehende
Ermessen pflichtgemäss zu handhaben, d.h. jeweils diejenige Lösung zu
treffen, die mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse des Falles
und nach allgemeinen Grundsätzen als angemessen erscheint.

    Das Bundesgericht hat aber nicht zu untersuchen, ob ein Einspruch
in der Angelegenheit, welche ihm durch Beschwerde unterbreitet wird,
oder auch in anderen Fällen opportun gewesen sei oder nicht (vgl. BGE
63 I 44 Erw. 2 und 74 I 92 Erw. 3, betreffend das Opportunitätsprinzip
im Disziplinarrecht). Es hat nur den mit der Beschwerde angefochtenen
Entscheid zu überprüfen, und zwar ausschliesslich daraufhin, ob
er das Bundesrecht verletze, nicht auch unter dem Gesichtspunkt der
Opportunität. Es prüft frei, ob die kantonale Behörde in diesem Entscheid
die bundesrechtliche Ordnung der Voraussetzungen des Einspruchs richtig
angewendet habe. Ergibt die Prüfung, dass der vom Beschwerdeführer
beanstandete Einspruch begründet ist, so ist die Beschwerde ohne weiteres
abzuweisen. Sie könnte nicht trotzdem gutgeheissen werden, wenn in anderen,
mehr oder weniger ähnlichen Fällen ein Einspruch von der zuständigen
kantonalen Behörde unterlassen (oder von der kantonalen Beschwerdeinstanz
nicht bestätigt) worden wäre. Das Gericht hat zu der Haltung, welche die
kantonale Behörde in anderen Fällen eingenommen hat, überhaupt nicht,
auch nicht unter dem Gesichtswinkel des Art. 4 BV, Stellung zu nehmen.

    Die Rüge des Beschwerdeführers Nebiker, er sei rechtsungleich
behandelt worden, weil die kantonale Behörde in den von ihm angeführten
Vergleichsfällen den Verkauf zugelassen habe, geht daher fehl, so dass
seinem Antrag, die betreffenden Hofgüter seien zu besichtigen, nicht
stattgegeben werden kann. Zu prüfen ist einzig, ob die Voraussetzungen,
unter denen nach der gesetzlichen Ordnung Einspruch erhoben werden kann,
in seinem Fall erfüllt sind oder nicht.

Erwägung 2

    2.- (Durch den Verkauf einer Parzelle an den Beschwerdeführer würde
ein landwirtschaftliches Gewerbe die Existenzfähigkeit verlieren. Art. 19
Abs. 1 lit. c EGG).

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG wäre der Einspruch gleichwohl
abzuweisen, wenn die Aufhebung des landwirtschaftlichen Gewerbes sich
durch wichtige Gründe rechtfertigen liesse.

    Der Beschwerdeführer nennt als einzigen solchen Grund, dass der
umstrittene Kauf in Verbindung mit einem beabsichtigten Tausch eine
Abrundung seines Hofes "Ebnet" und auch des Nachbarhofes "Bruggthal"
ermögliche. Es mag für die beiden Höfe ungeachtet der Grösse, die sie schon
jetzt aufweisen, betriebswirtschaftlich von Vorteil sein, wenn jeder um
rund 30 a arrondiert wird. Aber dieser Vorteil kann nicht als wichtiger
Grund im Sinne des Gesetzes anerkannt werden; denn er vermag den Nachteil,
den das Verschwinden eines existenzfähigen landwirtschaftlichen Heimwesens
bedeutet, bei weitem nicht aufzuwiegen.