Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 I 49



89 I 49

8. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Februar 1963 i.S. Istituto
Sieroterapico Berna S.r.l. gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum. Regeste

    Markenrecht. Verweigerung des Schutzes einer internationalen
Marke in der Schweiz wegen Gefahr der Täuschung über die Herkunft der
Ware. Schweizerischer Ortsname in der Marke für Erzeugnisse, die mit
Zustimmung einer am betreffenden Ort niedergelassenen Firma nach deren
Vorschriften im Ausland hergestellt werden. Pariser Verbandsübereinkunft
Art. 6 lit. B Ziff. 3; Madrider Abkommen Art. 5 Abs. 1; MSchG Art. 3
Abs. 4, Art. 14 Ziff. 2 und Art. 18 Abs. 3; UWG Art. 1 Abs. 2 lit. b.

Sachverhalt

    A.- Das Schweiz. Serum- und Impfinstitut in Bern ist Inhaber der
Marke "Berna", die es für Sera, Impfstoffe, pharmazeutische Präparate
usw. verwendet. Die italienische Handelsgesellschaft Istituto Sieroterapico
Berna S.r.l. in Como ist seine Alleinvertreterin für Italien und hat von
ihm u.a. das Recht erworben, seine Erzeugnisse in Italien zu verkaufen,
seine "geschützten Namen" zu verwenden und gewisse "Berna"-Produkte
selber herzustellen.

    Am 29. Januar/16. April 1962 liess diese italienische Gesellschaft in
Italien die Marke "Broncasma Berna" eintragen. Am 4. Juni 1962 hinterlegte
sie diese Marke unter Nr. 256'307 beim Internationalen Bureau zum Schutze
des gewerblichen Eigentums in Genf; dies auf Grund von Art. 6 lit. A der
Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (PVU)
und von Art. 1 der Madrider Übereinkunft betreffend die internationale
Eintragung der Fabrik- oder Handelsmarken (je in der Fassung von London
1934). Das Internationale Bureau trug die Marke in das dafür bestimmte
Register ein.

    B.- Gemäss Art. 3 Abs. 3 der Madrider Übereinkunft über diese
Eintragung unterrichtet, hat das Eidg. Amt für geistiges Eigentum in
Ausübung der ihm nach Art. 14 MSchG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 der
Madrider Übereinkunft zustehenden Befugnis der Marke "Broncasma Berna"
durch Verfügung vom 26. Oktober 1962 den Schutz in der Schweiz gänzlich
(totalement) verweigert mit der Begründung, die Marke könnte, da sie die
Angabe "Berna" enthalte, das Publikum über die Herkunft der Erzeugnisse
täuschen, d.h. es in den Glauben versetzen, diese stammten aus der Schweiz,
während sie italienischen Ursprungs seien; die Marke verstosse also gegen
die guten Sitten (Art. 6 lit. B Ziff. 3 PVU; Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG).

    C.- Gegen diese Verfügung hat die italienische Gesellschaft beim
Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag,
der internationalen Marke "Broncasma Berna" sei auch in der Schweiz
Schutz zu gewähren; eventuell habe dies wenigstens für diejenigen
Erzeugnisse zu geschehen, "die von der Beschwerdeführerin nach den
Vorschriften und Rezepten der Firma Schweiz. Serum- und Impfinstitut ...
hergestellt werden."

    Das Bundesgericht weist diese Begehren ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägungen:

    1./2. - (Prozessuale Fragen.)

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 5 Abs. 1 der Madrider Übereinkunft darf eine
Schutzverweigerung "nur unter den Voraussetzungen verfügt werden, welche
auf Grund der allgemeinen Übereinkunft" (d.h. der PVU) "auf eine zur
nationalen Eintragung hinterlegte Marke anwendbar wären." Nach Art. 6
lit. B Abs. 1 Ziff. 3 PVU können u.a. Marken, die gegen die guten Sitten
verstossen, zurückgewiesen oder als ungültig erklärt werden. Das MSchG
bestimmt in Art. 3 Abs. 4, dass Zeichen, die gegen die guten Sitten
verstossen, nicht in eine Marke aufgenommen werden dürfen, und weist das
Amt für geistiges Eigentum in Art. 14 Ziff. 2 an, die Eintragung einer
Marke zu verweigern, wenn sie gegen die guten Sitten verstösst. Dieses
Amt darf und muss also einer international eingetragenen Marke, die gegen
die guten Sitten verstösst, den Schutz in der Schweiz verweigern.

Erwägung 4

    4.- Nach Art. 6 lit. B Abs. 1 Ziff. 3 PVU gelten als Marken, die
gegen die guten Sitten oder gegen die öffentliche Ordnung verstossen,
namentlich solche, welche geeignet sind, das Publikum zu täuschen. In
Übereinstimmung damit nimmt die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichts
zu Art. 3 Abs. 4 und Art. 14 Ziff. 2 MSchG an, eine Marke verstosse
insbesondere dann gegen die guten Sitten, wenn sie geeignet ist, die
Käufer (und zwar die Durchschnittskäufer in der Schweiz) in irgendeiner
Hinsicht irrezuführen (BGE 56 I 50 und 472, 63 I 93, 76 I 169, 77 I 79,
79 I 253, 82 I 50, 86 I 57): So verhält es sich u.a. im Falle, dass die
Marke eine geographische Bezeichnung enthält, die zu Täuschungen über die
Herkunft der Ware Anlass geben kann (BGE 56 I 472, 68 I 204, 76 I 171, 79 I
253). Solche Täuschungen sind bei Verwendung eines bekannten geographischen
Namens, der nicht zum Ursprungsland des Erzeugnisses, sondern zu einem
andern Lande in Beziehung steht, nur dann nicht zu befürchten, wenn für
das Publikum ohne weiteres erkennbar ist, dass es sich dabei nicht um
einen Hinweis auf die Herkunft des Erzeugnisses, sondern nur um eine
Phantasiebezeichnung handeln kann (BGE 55 I 271, 56 I 475, 72 I 240;
Urteil vom 16. September 1959 i.S. British-American Tobacco Company Ltd.).

    Die in der streitigen Marke enthaltene Bezeichnung "Berna" ist der
italienische Name für die Stadt Bern. Die Verwendung dieser Bezeichnung
in einer Marke erweckt beim Durchschnittskäufer in der Schweiz die
Vorstellung, die betreffende Ware werde in Bern hergestellt. Die
Beschwerdeführerin macht mit Recht nicht geltend, man habe es mit
einer reinen Phantasiebezeichnung zu tun, sondern sie will die Käufer
durch den Gebrauch des Wortes "Berna" unstreitig auf eine Beziehung
des Erzeugnisses zu Bern hinweisen, und dieser Hinweis wird eben vom
Durchschnittskäufer in der Schweiz als ein solcher auf die Herkunft
des Erzeugnisses aufgefasst. Soweit die Marke "Broncasma Berna" für
italienische Erzeugnisse verwendet werden soll, ist sie also dazu angetan,
das schweizerische Publikum über die Herkunft der Ware zu täuschen, und
kann folglich nach den erwähnten Bestimmungen und der Rechtsprechung dazu
in der Schweiz keinen Schutz finden.

Erwägung 5

    5.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, eine Täuschung der Abnehmer
ihrer Erzeugnisse sei ausgeschlossen, weil sie die streitige Marke nur für
Präparate verwende, die sie mit Zustimmung des Schweiz. Seruminstituts
in Bern nach dessen Vorschriften und Rezepten herstelle, und weil die
in dieser Marke enthaltene Bezeichnung "Berna" von dem "für solche
chemisch-pharmazeutische Produkte in Frage kommenden Publikumskreis",
womit nach andern Stellen der Beschwerdeschrift die "Fachleute" gemeint
sind, nur als Hinweis auf diesen Sachverhalt, nicht als Hinweis auf den
Herstellungsort verstanden werde. Massgebend ist jedoch die Auffassung der
Durchschnittskäufer, nicht diejenige der Fachleute. Es kann keine Rede
davon sein, dass als Abnehmer der fraglichen Erzeugnisse nur Fachleute
(insbesondere Ärzte und Apotheker) in Frage kommen. Erzeugnisse, wie sie
unter der Marke "Broncasma Berna" feilgeboten werden sollen ("Produits
pharmaceutiques, vétérinaires, hygiéniques, produits diététiques pour
les enfants et les malades, emplâtres, matériel de médication"), werden
vielmehr häufig von Laien gekauft, und zwar nicht nur auf ärztliche
Vorschrift. Dass die Bezeichnung "Berna" nicht nur für Fachleute,
sondern auch für Laien zu einem "von der Stadt Bern als Herkunftsort
völlig losgelösten", nur auf die Herstellung nach den Vorschriften
und Rezepten des dortigen Instituts hinweisenden "Begriff" geworden
sei, macht die Beschwerdeführerin nicht geltend. Mit Recht behauptet
sie auch nicht, dem Laien sei der Herstellungsort solcher Erzeugnisse
gleichgültig. Die Lebenserfahrung zeigt im Gegenteil, dass die Käufer
von Markenartikeln nicht selten auf diesen Ort achten, sei es, weil sie
daraus (zu Recht oder zu Unrecht) Schlüsse auf die Beschaffenheit der
Ware ziehen, sei es, weil sie aus andern Gründen (z.B. zwecks Förderung
des einheimischen Gewerbes) Waren bestimmter Herkunft bevorzugen. Bei
chemisch-pharmazeutischen Erzeugnissen kann der Herstellungsort in den
Augen des kaufenden Publikums mit Rücksicht auf den guten Ruf'den die
schweizerische Industrie auf diesem Gebiete geniesst, von besonderer
Bedeutung sein. Der Umstand, dass ein Erzeugnis im Ausland nach den
Vorschriften und Rezepten eines schweizerischen Unternehmens hergestellt
wird, gilt beim Käufer nicht ohne weiteres als Gewähr dafür, dass das
ausländische Erzeugnis dem schweizerischen gleichwertig sei. Neben den
Vorschriften und Rezepten für die Herstellung können auch die Rohstoffe
und die Fähigkeiten des leitenden und des ausführenden Personals die
Beschaffenheit der Erzeugnisse beeinflussen. Es bleibt somit dabei,
dass die Verwendung des Wortes "Berna" in einer Marke für italienische
Erzeugnisse eine Täuschung der Käufer in der Schweiz befürchten lässt.

Erwägung 6

    6.- Dass die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Umstände
ihr nicht gestatten, für in Italien hergestellte Produkte eine auf Bern
als Herkunftsort hinweisende Bezeichnung zu verwenden, wird durch Art. 18
MSchG und Art. 1 Abs. 2 lit. b UWG bestätigt.

    a) Nach Art. 18 Abs. 3 MSchG ist es untersagt, ein Produkt mit einer
der Wirklichkeit nicht entsprechenden Herkunftsbezeichnung zu versehen. Die
Herkunft eines Produkts bestimmt sich darnach, wo dieses selber, nicht
die seiner Herstellung zugrunde liegende Idee, herstammt (vgl. TROLLER,
Immaterialgüterrecht, I S. 342). Ein auf Grund einer ausländischen Lizenz
in der Schweiz hergestelltes Erzeugnis hat daher als schweizerisch, ein
auf Grund einer schweizerischen Lizenz im Ausland hergestelltes Erzeugnis
als ausländisch zu gelten.

    b) Nach Art. 1 Abs. 2 lit. b UWG verstösst gegen die Grundsätze
von Treu und Glauben und begeht somit unlautern Wettbewerb, wer "über
sich, die eigenen Waren, Werke, Leistungen oder Geschäftsverhältnisse
unrichtige oder irreführende Angaben macht ...". Auf Grund von §
3 des deutschen UWG, das in ähnlicher Weise u.a. unrichtige Angaben
über die Waren verpönt, hat die deutsche Praxis z.B. als unstatthaft
betrachtet: die Bezeichnung "Französische Haarfarbe" für Haarfarbe, die
nicht in Frankreich, sondern nach den Rezepten des Pariser Stammhauses
unter Anleitung eines französischen Chemikers und unter Verwendung
von aus Paris bezogenem Material in Deutschland hergestellt wird; die
Bezeichnung "Holländische Schokolade" für eine von holländischen Arbeitern
unter holländischer Leitung unter Verwendung von Kakao und Vollmilch
aus Holland in Deutschland hergestellte Schokolade; die Bezeichnung
"Schweizer Stickerei" für Stickereien, die in Deutschland auf Schweizer
Maschinen hergestellt sind (REIMER, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht,
3. Aufl. 1954, S. 637/38). Entsprechendes muss nach Art. 1 Abs. 2 lit. b
des schweizerischen UWG gelten.

    Aus allen diesen Gründen sind das Haupt- und das Eventualbegehren
der Beschwerdeführerin abzuweisen.