Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 I 389



89 I 389

56. Urteil vom 9. Oktober 1963 i.S. Nelz und Kons. gegen Kanton Zürich.
Regeste

    Art. 84, 85 OG:

    Unzulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen kantonale
Verfassungsvorschriften.

    Unzulässigkeit der Abstimmungsbeschwerde

    a)  wenn eine Anordnung in Frage steht, welche vor der Abstimmung
hätte angefochten werden können,

    b)  wenn es an einer der Beschwerde vorausgegangenen kantonalen
Entscheidung über das Abstimmungsverfahren fehlt.

Sachverhalt

    A.- Die Stimmberechtigten des Kantons Zürich haben in der
Volksabstimmung vom 7. Juli 1963 das Verfassungsgesetz über die Abänderung
der Art. 47, 52, 63 und 64 der Staatsverfassung angenommen. In dieser
revidierten Fassung lautet Art. 64 der Staatsverfassung folgendermassen:

    "Die Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit ist nach Massgabe des
Bundesrechtes gewährleistet.

    Die evangelisch-reformierte Landeskirche und ihre Kirchgemeinden,
eingeschlossen die französischen Kirchgemeinschaften, die
römisch-katholische Körperschaft und ihre Kirchgemeinden sowie die
christ-katholische Kirchgemeinde Zürich sind staatlich anerkannte Personen
des öffentlichen Rechts.

    Die staatlich anerkannten kirchlichen Verbände ordnen ihre
innerkirchlichen Angelegenheiten selbständig, unterstehen im übrigen aber
der Oberaufsicht des Staates. Ihre Organisation sowie ihr Verhältnis zum
Staat werden durch die Gesetzgebung geregelt, die auch die staatlichen
Leistungen für das Kirchenwesen ordnet. .."

    Ferner wurde in derselben Abstimmung angenommen: das Gesetz über
die evangelisch-reformierte Landeskirche; nach dessen § 2 baut sich die
Landeskirche auf den Kirchgemeinden auf und sind beide staatlich anerkannte
Personen des öffentlichen Rechts. Nach § 5 übernimmt der Staat unter
Vorbehalt der näheren Bestimmungen des Gesetzes und der Verpflichtungen
Dritter insbesondere die darin aufgeführten Leistungen für die ökonomischen
Bedürfnisse der Landeskirche. Ebenso wurde angenommen das Gesetz über
das katholische Kirchenwesen, das die kantonale römisch-katholische
Körperschaft und die im Anhang zum Gesetz genannten römisch-katholischen
Gemeinden als Personen des öffentlichen Rechts anerkennt und ihnen nach den
Bestimmungen des Steuergesetzes die Steuerfreiheit und Autonomie einräumt
(§§ 1-3 des Gesetzes).

    B.- Im Anschluss an die Abstimmung sowie die Publikation
dieser Erlasse erheben Dr. Walter Nelz in Zürich als Präsident der
neuen Freidenker-Vereinigung und 6 Mitunterzeichner staatsrechtliche
Beschwerde mit den Anträgen, das Verfassungsgesetz, das Gesetz über die
evangelisch-reformierte Landeskirche und dasjenige über das katholische
Kirchenwesen als gegen die Bundesverfassung verstossend aufzuheben und
dem Regierungsrat zu empfehlen, die völlige Trennung von Staat und Kirche
im Kanton Zürich durchzuführen, das Kultusbudget abzuschaffen und die
öffentlichen Schulen, insbesondere die Universität durch Abschaffung
der theologischen Fakultät, "auf eine einwandfreie und zureichende
wissenschaftliche Grundlage zu stellen". Zur Begründung wird ausgeführt,
die öffentlichrechtliche Anerkennung der reformierten und der katholischen
Kirche widerspreche der Glaubens- und Gewissensfreiheit, dem Grundsatz
der Rechtsgleichheit und Art. 6 BV. Die Verletzung von Art. 49 Abs. 6
BV wird darin gesehen, dass das staatliche Kultusbudget nach Annahme
der Kirchengesetze jährlich etwa 10 Millionen Franken betragen werde,
obwohl etwa 20.000 Personen nicht Mitglieder der staatlich anerkannten
Kirchen seien. Ferner wird gerügt, dass auf den Stimmzetteln die Frage
zum Verfassungsgesetz mit "Abänderung der Art. 47, 52, 63 und 64 der
Staatsverfassung" zu wenig deutlich bezeichnet worden sei, wenigstens hätte
hinzugefügt werden müssen: "Verfassungsgrundlage für das reformierte
und katholische Kirchengesetz". Dem Präsidenten des Kantonsrates
sei am 18. Juni 1963 eine Einzelinitiative zugestellt worden, die bei
ordnungsgemässer Weiterleitung an den Kantonsrat "durch ihr eventuelles
Echo in der Presse noch vor der Abstimmung im Volke aufklärend hätte
wirken können". Der Präsident des Kantonsrates habe sie zurückbehalten,
was allein genügen müsse, die Abstimmung als ungültig zu erklären.

    Eine Vernehmlassung ist nicht eingeholt worden.

    C.- Nach Eingang der Beschwerde, d.h. am 4. Oktober 1963, hat die
Bundesversammlung der geänderten Staatsverfassung des Kantons Zürich die
Gewährleistung erteilt, weil die neuen Verfassungsbestimmungen nichts
der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthielten (BBl. 1963 II 852 f.).

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird angeschlossen an die
Publikation des Verfassungsgesetzes und der beiden Ausführungserlasse und
gleichzeitig an die Abstimmung darüber. Sie macht die Verfassungswidrigkeit
der Erlasse geltend und ist insoweit eine Beschwerde im Sinne von Art. 84
lit a OG. Sie rügt ausserdem Mängel des Abstimmungsverfahrens und stellt
sich insoweit als Abstimmungsbeschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG
dar. Die Legitimation der Beschwerdeführer dazu ergibt sich aus ihrer
Eigenschaft als stimmberechtigte Kantonseinwohner; Verlangt wird von
ihnen die Aufhebung der Erlasse und der Abstimmung darüber. Soweit mehr
verlangt wird, nämlich die Anweisung an den Regierungsrat, bestimmte
Massnahmen zu treffen, welche das Verhältnis von Kirche und Staat im
Kanton Zürich berühren würden, ist die Beschwerde wegen ihres grundsätzlich
kassatorischen Charakters unzulässig.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 6 BV sind die Kantone verpflichtet, für ihre
Verfassungen die Gewährleistung des Bundes nachzusuchen. Dieser
übernimmt die Gewährleistung unter den in Abs. 2 genannten
Voraussetzungen, u.a. dann, wenn die Verfassungen nichts den
Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten. Die
Prüfung und Garantie wird der Bundesversammlung übertragen (Art. 85
Ziff. 7 BV). Das Bundesgericht wird als zuständig bezeichnet, über
Beschwerden wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger zu
urteilen (Art. 113 BV). Als Objekt dieser Prüfung werden in Art. 84
OG Erlasse und Verfügungen bezeichnet. Daraus entsteht von selbst
die Frage, ob zu den Erlassen und Verfügungen in diesem Sinne auch
Vorschriften der kantonalen Verfassungen gehören, es also auch eine
Aufgabe des Bundesgerichtes ist, kantonale Verfassungen daraufhin zu
überprüfen, ob sie verfassungsmässige Rechte des Bürgers verletzen. Die
Rechtsprechung hat angenommen, die Vorschriften der Art. 113 und 85
Ziff. 7 BV stünden zueinander nicht im Verhältnis gleichwertiger Normen;
vielmehr stelle Art. 85 Ziff. 7 BV verglichen mit Art. 113 spezielles
Recht dar, sodass kantonale Verfassungsvorschriften nicht Gegenstand
staatsrechtlicher Anfechtung bilden könnten. Die Praxis wurde eingeleitet
durch das Urteil vom 21. November 1891 i.S. der Gemeinde Wollishofen
(BGE 17, 622). Später wurde sie wiederholt bestätigt (BGE 22, 1019;
56 I 330; 69 I 177; 71 I 252) und schliesslich in dem Sinne erweitert,
dass die Gewährleistung auch eine vorfrageweise Überprüfung kantonaler
Verfassungsvorschriften, also deren Anfechtung im Anschluss an eine
Anwendungsverfügung, ausschliesse (BGE 83 I 181 Erw. 6). Die Praxis fand
teils Zustimmung (FLEINER, Bundesstaatsrecht S. 59; GUT, Die Gewährleistung
der Kantonsverfassungen durch den Bund S. 31: RÜEGG, Die Verordnung nach
zürcherischem Staatsrecht S. 144), meist jedoch Ablehnung (BURCKHARDT,
Kommentar zu Art. 6 S. 71; GIACOMETTI, Verfassungsgerichtsbarkeit S. 110
ff.; FLEINER-GIACOMETTI, Bundesstaatsrecht S. 134, CEREGHETTI, Die
Überprüfung der Kantonsverfassungen durch die Bundesversammlung und das
Bundesgericht, Zürich 1956, S. 135 ff.; SCHAUB, Die Aufsicht des Bundes
über die Kantone, Zürich S. 203; JENNY, Die Aufsicht des Bundes über die
Kantone S. 107 ff.; MARTI, Probleme der staatsrechtlichen Beschwerde,
ZSR 1962 S. 44; BONNARD, Problèmes relatifs au recours de droit public,
ZSR 1962 S. 407 ff.).

    Es stellt sich die Frage, ob an der bisherigen Praxis festzuhalten ist,
wenn die staatsrechtliche Beschwerde an die Publikation der kantonalen
Verfassungsvorschrift angeknüpft hat.

Erwägung 3

    3.- Der Wortlaut der in Frage stehenden Vorschriften gibt keine
Lösung, ebensowenig das Organisationsgesetz, das die Vorschrift von
Art. 113 BV in den Art. 84 ff. OG ausgeführt hat. Weder der Wortlaut
noch die Entstehungsgeschichte von Art. 84 OG enthalten Anhaltspunkte
dafür, dass unter Erlassen nur Gesetze und Verordnungen, nicht auch
Verfassungsvorschriften zu verstehen sind. Das Verhältnis der Vorschriften
von Art. 6 und 85 Ziff. 7 gegenüber derjenigen in Art. 113 BV muss aus
deren Zweck, aus Gegenstand und Inhalt der vorzunehmenden Kontrolle
ermittelt werden.

    Dabei spricht die Vermutung zum vorneherein dagegen, dass eine
und dieselbe Aufgabe zwei verschiedenen Behörden übertragen werden
wollte. Das träfe aber zu, wenn sowohl die Bundesversammlung als das
Bundesgericht die Bundesrechtsmässigkeit kantonaler Verfassungsvorschriften
im Anschluss an deren Erlass zu prüfen hätten. Wohl wären die Aufgaben der
Bundesversammlung und des Bundesgerichtes bei dieser Kontrolle nicht genau
dieselben. Jene hat vornehmlich die Wahrung des öffentlichen Interesses,
dieses hätte den Schutz verfassungsmässiger Individualrechte zum Ziel. Mit
Bezug auf den Gegenstand und den Inhalt der Kontrolle bestünden dagegen
keine in Betracht fallenden Unterschiede. Wenn durch die kantonale
Norm die derogatorische Kraft des Bundesrechtes verletzt wird, darf die
Bundesversammlung sie nicht gewährleisten. Denn eine mit dem Bundesrecht im
Widerspruch stehende kantonale Vorschrift verletzt auch eine Vorschrift
der Bundesverfassung, nämlich Art. 2 der Übergangsbestimmungen. Wenn
die verletzte Vorschrift des Bundes gleichzeitig ein Individualrecht
beinhaltet, obläge dem Bundesgericht dieselbe Kontrolle wie der
Bundesversammlung. Auch das Verbot rechtsungleicher Behandlung kann nicht
bloss unter dem Gesichtspunkt individueller Freiheitsrechte, sondern
auch unter demjenigen von Art. 6 BV eine Rolle spielen (Botschaft
des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 1. März 1957 über die
Gewährleistung der abgeänderten Verfassung des Kantons Waadt: BBl. 1957 I
810; Verstoss einer Verfassungsvorschrift gegen Art. 4 BV, die die Bürger
protestantischer Konfession vom Stimmrecht in Schulsachen ausschliesst: VON
SALIS, Bundesrecht I 271 (franz. Ausgabe); Kontrolle der Vorschrift, wonach
Personen, die nicht einer bestimmten Religionsgenossenschaft angehören, zu
deren Vermögensverwaltung nicht zugelassen werden, auf ihre Übereinstimmung
mit Art. 4 BV: von Salis I 258). Dasselbe gilt von andern Vorschriften der
Bundesverfassung, deren Art. 31 (von Salis I 236), den Art. 27, 49 oder 55
(von Salis I 281). Die Aufgaben der beiden Behörden würden oder könnten
sich jedenfalls überschneiden und die Kontrolle der einen diejenige der
andern wenn nicht rechtlich, so doch faktisch präjudizieren.

    Die Nichtgewährleistung einer Verfassungsvorschrift durch
die Bundesversammlung hat nach anerkannter Lehre die Bedeutung der
autoritativen Feststellung der Bundesrechtswidrigkeit der betreffenden
kantonalen Normen (BURCKHARDT, Kommentar zu Art. 6 S. 70; GIACOMETTI,
Verfassungsgerichtsbarkeit S. 114; CEREGHETTI, aaO S. 67). Nichtgenehmigte
kantonale Verfassungsvorschriften, solche, denen die Bundesversammlung die
Genehmigung versagt hat, könnten also, auch solange sie von den Kantonen
nicht aufgehoben oder abgeändert worden sind, nicht zum Gegenstand
einer staatsrechtlichen Beschwerde gemacht werden. Das bedeutet, dass
eine staatsrechtliche Beschwerde solange, als die Bundesversammlung noch
nicht entschieden hat, nicht beurteilt werden könnte und die Beschwerde
nachher allfällig gegenstandslos würde. Der Verfassungsschutz durch das
Bundesgericht könnte aus diesem Grunde kein umfassender sein. Er wäre
durch den Beschluss der Bundesversammlung, welche die Gewährleistung
verweigert, präjudiziert.

    Die Kontrolle der Bundesversammlung ist nicht von anderer Art, als jene
des Bundesgerichtes es sein könnte, wenn es die kantonalen Verfassungen
auf ihre Übereinstimmung mit dem Bundesrecht zu prüfen hätte. Denn ob
eine kantonale Verfassung nichts den Vorschriften der Bundesverfassung
Zuwiderlaufendes enthält, ist kein Entscheid politischer, sondern ein
solcher rechtlicher Natur. Nicht politische Zweckmässigkeitserwägungen
sind massgebend, sondern die Frage, ob die kantonale Verfassungsvorschrift
rechtmässig ist (FLEINER, S. 57; BURCKHARDT, Komm. zu Art. 6 S. 70). Übt
aber die Bundesversammlung eine reine Rechtskontrolle aus, so wäre
sonderbar, wenn dieselbe Kontrolle auch noch dem Bundesgericht zukäme.

    Die Notwendigkeit, kantonale Verfassungsvorschriften zum
Gegenstand einer staatsrechtlichen Beschwerde machen zu können, wenn
sie verfassungsmässige Individualrechte des Bürgers verletzen, wird aber
damit begründet, dass die der Gewährleistung vorangehende Kontrolle nur
summarisch sein könne, die Gewährleistung nur dann verweigert werden dürfe,
wenn ausser jedem Zweifel stehe, dass eine kantonale Verfassungsbestimmung
Vorschriften des Bundesrechtes zuwiderlaufe (die erwähnte Botschaft
des Bundesrates vom 1. März 1957, BBl. 1957 I 809; FLEINER-GIACOMETTI,
S. 133; BBl. 1930 II 431; CEREGHETTI S. 57 f.).

    Es trifft zu, dass der Gewährleistungsbeschluss, der aus der
Kontrolle hervorgeht, als Verwaltungsakt nicht unabänderlich ist, die
Bundesversammlung vielmehr darauf zurückkommen kann, sowohl dann, wenn sie
die Gewährleistung erteilt, als wenn sie sie zunächst verweigert hat. Das
Letztere geschah bei der Gewährleistung des Wiedervereinigungsartikels der
beiden Basel (BBl 1960 II 221; dazu AS. 1948, 219). Wenn aber danach die
Überprüfung, die zur Genehmigung führt, nicht endgültig ist, nicht für alle
Zeiten gelten kann, so folgt daraus doch nicht, dass auch das Bundesgericht
befugt sein müsse, dieselbe kantonale Verfassungsvorschrift im Anschluss
an ihren Erlass auf ihre Verfassungsmässigkeit zu überprüfen. Aus der
Anfechtbarkeit kantonaler Erlasse, die der Genehmigung des Bundesrates
bedürfen (Art. 102 Ziff. 13 BV) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Denn die
der Genehmigung vorangehende Prüfung des Bundesrates geht weniger weit. Sie
bezieht sich regelmässig nur auf die Übereinstimmung mit dem Erlass des
Bundes, der die Genehmigung vorsieht, sodass also der kantonale Erlass der
Genehmigung des Bundesrates nur nach ganz bestimmten Richtungen bedarf
(BGE 71 I 252). Aus diesem Grunde ist freilich Zweck jener Genehmigung
nur eine vorläufige Überprüfung an sich rechtswirksamer Erlasse auf ihre
Übereinstimmung mit dem Bundesrecht, nicht die endgültige, abschliessende
Prüfung daraufhin, ob der Erlass bei seiner Anwendung dem Bundesrecht
widerspricht oder verfassungsmässige Rechte des Bürgers verletzt (das
erwähnte Urteil). Die der Gewährleistung vorangehende Kontrolle geht
weiter. Wohl vermag sie nicht alle Anwendungsfälle zu überblicken und daher
nicht festzustellen, dass die Anwendung der Verfassungsvorschrift vor dem
Bundesrecht in jedem Anwendungsfall standhält. Das schliesst nicht aus,
dass die Kontrolle der Übereinstimmung mit der Bundesverfassung und mit
dem Bundesrecht überhaupt, einlässlich vorgenommen wird, sei es von Amtes
wegen, sei es auf Veranlassung von Privaten oder Gruppen von Privaten
oder von Korporationen, die eine Verfassungswidrigkeit behaupten.

    Entscheidend muss schliesslich sein, dass sich das Bundesgericht
bei Anfechtung der Verfassungsvorschrift durch den Privaten oder eine
Korporation nicht in anderer Lage befände, seine Kontrolle keine wesentlich
andere sein könnte. Es vermöchte die Verfassungsmässigkeit der Vorschrift
ebenfalls nicht für jeden Anwendungsfall zu überblicken. Seine Kontrolle
wäre zudem eingeschränkt durch die Vorschrift von Art. 90 OG, welche die
Kognition auf die in der Beschwerde vorgebrachten Gründe beschränkt,
sodass es nicht allgemein, ohne Rücksicht auf die Beschwerdegründe
untersuchen könnte, ob verfassungsmässige Rechte des Beschwerdeführers
verletzt wurden. Auch die Wirkung des Urteils ginge nicht wesentlich weiter
als diejenige des Gewährleistungsbeschlusses. Denn bundesgerichtlichen
Urteilen, deren Anfechtungsobjekt eine generelle Norm ist, kommt keine
materielle Rechtskraft zu. Die Unwiderruflichkeit der staatsrechtlichen
Entscheidung ist in derartigen Fällen bloss eine relative (GIACOMETTI,
Verfassungsgerichtsbarkeit S. 252; BIRCHMEIER, Organisation der
Bundesrechtspflege zu Art. 38 Note 6). Die Entscheidung wäre nur
rechtskräftig, solange nicht ein Beschwerdeführer auf Grund eines neuen
Sachverhaltes dieselbe generelle Norm wieder zum Gegenstand der Anfechtung
machen würde. Solche erneute Anfechtung käme insbesondere gegenüber jeder
neuen Anwendung der Verfassungsnorm in Betracht.

Erwägung 4

    4.- Es kann deshalb nicht die Meinung des Verfassungsgesetzgebers
gewesen sein, dass die Kontrolle einer kantonalen Verfassungsvorschrift vor
oder nach der Gewährleistung durch die Bundesversammlung noch einem andern
Organ des Bundes, d.h. dem Verfassungsgerichtshof zustehen müsse. Dass
der Gewährleistungsbeschluss in der Form eines einfachen und daher für
das Bundesgericht nicht verbindlichen Bundesbeschlusses ergeht (Art. 113
Abs. 3 BV), hat nicht zur Folge, dass das Bundesgericht berufen sein
müsse, vor oder nach dem Gewährleistungsbeschluss einen Entscheid zu
fällen, der dieselbe Frage der Verfassungs- und Bundesrechtsmässigkeit
betreffen würde, wenn auch bloss vom Standpunkt individueller Rechte des
Bürgers aus. Gegen eine derart doppelte Entscheidung spräche schon der
Gesichtspunkt der Rechtssicherheit. Bei abweichenden Entscheiden stünden
einander der Beschluss der Bundesversammlung über die Gewährleistung und
das Urteil des Bundesgerichtes gegenüber. Es wäre unsicher, wieweit die
Gewährleistung durch ein Urteil des Bundesgerichtes berührt würde. Die
zuverlässige Abgrenzung der von der Bundesversammlung vor Erteilung
der Gewährleistung vorzunehmenden Kontrolle gegenüber den Aufgaben des
Bundesgerichtes als Verfassungsgerichtshof wäre in Frage gestellt. Das wäre
besonders dann der Fall, wenn anzunehmen wäre, das - die staatsrechtliche
Beschwerde gutheissende oder abweisende - Urteil des Bundesgerichtes könne
schon vor dem Gewährleistungsbeschluss ergehen, die Bundesversammlung
aber die Gewährleistung in der Folge verweigern würde.

    Abgesehen hievon besteht für die Zulassung der staatsrechtlichen
Beschwerde gegen eine kantonale Verfassungsvorschrift kein wirkliches
Bedürfnis. Der Bürger, der glaubt, er werde durch diese in einem
verfassungsmässigen Recht betroffen, kann sich an die Bundesversammlung
wenden und seine Bedenken geltend machen. Ein Bedürfnis wäre umsoweniger
vorhanden, wenn gestützt auf die Kritik, welche das Urteil BGE 83
I 173 gefunden hat (MARTI aaO S. 45; IMBODEN, Normkontrolle und
Norminterpretation in der Festschrift für Hans Huber S. 135) auf die
Rechtsprechung zurückgekommen würde, wonach auch die Anfechtung der
Kantonsverfassung im Anschluss an eine Anwendungsverfügung unzulässig
ist. Ob aber hieran festzuhalten ist, braucht nicht entschieden
zu werden. Die Beantwortung dieser Frage vermag diejenige nach der
Zulässigkeit der Beschwerde im Anschluss an den Erlass und die Publikation
der Verfassung nicht zu präjudizieren.

Erwägung 5

    5.- Soweit sich die staatsrechtliche Beschwerde gegen die am 7. Juli
1963 abgeänderte Verfassung des Kantons Zürich, deren Art. 47, 52,
63 und 64 richtet, ist daher auf sie nicht einzutreten. Es wäre darin
auch gar nicht dargelegt, wieso die Art. 47 Abs. 1 (Gemeindeeinteilung)
und Art. 63 der Staatsverfassung (Wahl der Volksschullehrer durch die
Gemeinden, Wiederwahl, Vorbehalt der Gesetzgebung für das Wahlverfahren,
Besoldung der Lehrer) gegen die Bundesverfassung verstossen sollen.

    Soweit sich die Beschwerde gegen die beiden gleichzeitig angenommenen
Kirchengesetze richtet, ist sie nicht substanziert. Die Beschwerdeführer
legen nicht dar, welches der Inhalt dieser Gesetze oder einzelner
Vorschriften derselben ist und worin deren Verfassungswidrigkeit liegen
soll, oder dass bei Verfassungswidrigkeit einzelner Gesetzesvorschriften
die Gesetze in ihrer Gesamtheit aufgehoben werden müssten. Es wird einfach
davon ausgegangen, weil das Verfassungsgesetz bundesrechtswidrig sei,
seien es auch die beiden gestützt darauf erlassenen Gesetze. Die fehlende
Substanzierung hat aber die Unzulässigkeit der Beschwerde gegen die beiden
Kirchengesetze zur Folge (Art. 90 OG).

Erwägung 6

    6.- Die Beschwerdeführer machen sodann geltend, auf den Stimmzetteln
sei die Fragestellung zum Verfassungsgesetz mit der Bezeichnung "Abänderung
der Art. 47, 52, 63 und 64 der Staatsverfassung" zu. wenig deutlich
gewesen. Es hätte beigefügt werden müssen: "Verfassungsgesetz für das
reformierte und katholische Kirchengesetz".

    Insoweit stellt sich die Beschwerde gleichzeitig als
Abstimmungsbeschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG dar. Damit kann
geltend gemacht werden, eine Wahl oder Abstimmung sei nicht ordnungsgemäss
vor sich gegangen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der eigentlichen
Wahl- oder Abstimmungsverhandlung und der Feststellung ihres Ergebnisses
sowie vorbereitenden Anordnungen, die zur Verfälschung der Wahl oder
Abstimmung führen können.

    Die Beschwerde gegen die Vornahme der Abstimmung oder die Ermittlung
des Ergebnisses muss an einen letztinstanzlichen Entscheid der
kantonalen Behörde darüber angeschlossen werden. Die Beschwerdeführer
haben von der ihnen nach § 131 des kantonalen Wahlgesetzes zustehenden
Einsprachemöglichkeit keinen Gebrauch gemacht, sodass es schon an
der Voraussetzung eines kantonalen Entscheides fehlt, an welchen die
staatsrechtliche Beschwerde angeknüpft werden könnte.

    Bei der Anfechtung von vorbereitenden Anordnungen müsste
sich die Einsprache überdies schon gegen diese selbst richten. Der
Stimmberechtigte, der durch sie eine unzulässige Beeinflussung des Wahl-
oder Abstimmungsergebnisses befürchtet, darf mit der Geltendmachung des
Mangels nicht bis nach der Vornahme der Abstimmung zuwarten. Er muss,
um den Mangel womöglich vor der Abstimmungs- oder Wahlverhandlung zu
beheben, gegen die angeblich fehlerhafte Anordnung sofort Einsprache
erheben (BGE 49 I 328, 74 I 22, 81 I 208 und weitere nicht veröffentlichte
Urteile). Zu diesen einer Abstimmung vorausgehenden Massnahmen gehört auch
die Formulierung der Abstimmungsfrage auf dem Stimmzettel. Dieser ist
den Stimmberechtigten zugleich mit den Stimmrechtsausweisen spätestens
am Mittwoch vor dem Abstimmungstage zugestellt worden (§ 20 des
Wahlgesetzes), sodass die Möglichkeit bestanden hätte, eine allfällig
mangelhafte Bezeichnung der Abstimmungsfrage zu rügen. Auch das haben
die Beschwerdeführer unterlassen.

    Übrigens wäre nicht einzusehen, inwiefern der Stimmzettel deshalb
mangelhaft gewesen wäre, weil er keinen Kommentar darüber enthielt,
welche Tragweite der Abstimmung über die Verfassungsvorlage für die
Gesetzgebungskompetenz des Kantons zukommt, zumal den Stimmberechtigten
nicht entgehen konnte, dass das Verfassungsgesetz die Grundlage bilde
für die gleichzeitig zur Abstimmung gelangenden Kirchengesetze.

Erwägung 7

    7.- Die Beschwerdeführer behaupten, sie hätten am 18. Juni 1963 dem
Präsidenten des zürcherischen Kantonsrates eine Einzelinitiative zugehen
lassen, welche "bei ordnungsgemässer Weiterleitung an den Kantonsrat
durch ihr eventuelles Echo in der Presse noch vor der Abstimmung im
Volke aufklärend hätte wirken können." Darin, dass unterlassen wurde,
sie zu behandeln, erblicken sie einen weiteren Grund, die Abstimmung als
ungültig zu erklären.

    Da es an den gesetzlichen Voraussetzungen für eine
Abstimmungsbeschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG fehlt (Erwägung
Ziff. 6 hievor), könnte der Umstand, dass die Abstimmung vor bzw. ohne
Behandlung der Initiative durchgeführt wurde, die Aufhebung der Abstimmung
nur zur Folge haben, wenn die Durchführung der Abstimmung aus diesem Grunde
eine Verfassungsverletzung darstellen würde. Das ist nicht behauptet. Es
wird nicht einmal darzulegen versucht, was der Inhalt der Initiative
gewesen ist. Es könnte aus diesem Grunde auch nicht geprüft werden, ob es
sich bei der Eingabe dem Gegenstand nach um eine Initiative im Sinne von §
1 des Gesetzes vom 12. August 1894 über das Vorschlagsrecht des Volkes
gehandelt hat. Nach demjenigen, was in der Beschwerde über die Folgen
einer Veröffentlichung der Initiative ausgeführt ist (nämlich, dass man
die Initianten "nicht mehr derart negativ hätte beurteilen können"),
wäre das ohnehin unwahrscheinlich. Handelte es sich aber nicht um eine
Initiative im Sinne des Gesetzes, so kann von einer Verfassungswidrigkeit
nicht die Rede sein, wenn der Präsident des Kantonsrates ihr keine Folge
gab, bevor die Abstimmung stattfand.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.