Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 I 303



89 I 303

47. Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Juni 1963 i.S. Baumberger gegen
Regierungsrat des Kantons Bern. Regeste

    Wann ist ein auf Klage einer schweizerisch/ausländischen Doppelbürgerin
in ihrem andern Heimatstaat ergangenes Scheidungsurteil in der Schweiz
anzuerkennen? Art. 7 g und 7 h NAG. Ausfüllung von Gesetzeslücken.
Art. 1 Abs. 2 und 3 ZGB. Tragweite des Art. 144 ZGB.Hat eine gebürtige
Ausländerin bei der Heirat mit einem Schweizerbürger ihre angestammte
Staatsangehörigkeit beibehalten, so ist die von ihr in ihrem andern
Heimatstaat erlangte Ehescheidung gegen den in der Schweiz wohnhaften
Ehemann von den schweizerischen Behörden anzuerkennen,

    -  wenn die Ehefrau berechtigterweise (gemäss Art. 25 Abs. 2 und
Art. 170 Abs. 1 ZGB) in ihrem andern Heimatstaat Wohnsitz genommen hatte
(Erw. 2-4);

    - ebenso, wenn sie sich ohne solche Berechtigung in ihrem andern
Heimatstaat dauernd niedergelassen hatte und ihr als Bürgerin mit
gewöhnlichem Aufenthalt im dortigen Staatsgebiet ein Gerichtsstand für
die Scheidungsklage zur Verfügung stand (Erw. 5);

    - dagegen nicht bei tatsächlichem Daueraufenthalt der Ehefrau in der
Schweiz (Erw. 5).

    Vorbehalt der öffentlichen Ordnung der Schweiz (Erw. 6).

Sachverhalt

    A.- Otto Baumberger, von Koppigen (Kanton Bern), liess sich am
8. August 1958 in Romanshorn mit der deutschen Staatsangehörigen Liselotte
Wilhelmine Batscheider trauen. Die Ehefrau behielt neben dem durch die
Heirat erworbenen schweizerischen das angestammte deutsche Bürgerrecht
bei. Die Eheleute wohnten nur kurze Zeit beisammen. Der Ehemann war einige
Wochen bei der Ehefrau, die bei ihren Eltern in Probstried (Allgäu) wohnte,
zu Besuch. Nachher begab er sich wieder in die Schweiz und liess sich in
Basel nieder. Die Ehefrau blieb in Deutschland.

    B.- Auf Klage der Ehefrau sprach die 1. Zivilkammer des Landgerichts
Kempten (Allgäu) am 25. Juni 1962 die Scheidung der Ehe aus. Der Ehemann
war im Scheidungsprozess durch einen Anwalt vertreten. Er anerkannte die
Zuständigkeit des von der Ehefrau angerufenen Gerichts und widersetzte sich
der Scheidung nicht. Das Urteil beruht auf § 48 des deutschen Ehegesetzes.

    C.- Das Amt für den Zivilstandsdienst des Kantons Bern lehnte die
Eintragung des rechtskräftig gewordenen deutschen Scheidungsurteils
im Familienregister der Heimatgemeinde Koppigen ab. Der von Baumberger
eingelegte Rekurs mit dem Antrag, dieEintragung sei anzuordnen, wurde
vom Regierungsrat des Kantons Bern mit Entscheid vom 21. Dezember 1962
abgewiesen. Dieser Entscheid beruht auf folgenden Erwägungen: Der Ehemann
hatte seinen Wohnsitz während des Scheidungsprozesses in der Schweiz,
während die Ehefrau in Deutschland wohnte. Nach Art. 7 g Abs. 3 NAG wird
die Scheidung schweizerischer Ehegatten durch ein ausländisches Urteil
nur dann anerkannt, wenn beide im Ausland wohnen (wobei auf BGE 56 II 341,
64 II 78 und 80 II 97 hingewiesen wird). Dass der Ehemann den deutschen
Gerichtsstand anerkannt hat, ist belanglos, denn die Gerichtsstände für
Personen- und Familienstandsklagen sind der Parteiautonomie entzogen
(BGE 84 II 469 ff.).

    D.- Gegen diesen Entscheid hat Baumberger die vorliegende
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Er hält am
Begehren fest, das deutsche Scheidungsurteil sei anzuerkennen und dessen
Eintragung in das Familienregister von Koppigen anzuordnen.

    E.- Der Regierungsrat beantragt Abweisung der Beschwerde. Im gleichen
Sinne lässt sich das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement
vernehmen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Da die Parteien des in Deutschland durchgeführten
Scheidungsprozesses Schweizerbürger sind (und zwar der Ehemann
ausschliesslich), besteht für die Schweiz keine staatsvertragliche
Pflicht zur Anerkennung des in Deutschland ergangenen Urteils (Art. 3
des Vollstreckungsabkommens vom 2. November 1929 zwischen Deutschland
und der Schweiz). Ob dieses Urteil in der Schweiz anzuerkennen sei,
hängt somit nur davon ab, ob nach den Grundsätzen des schweizerischen
Rechtes eine Zuständigkeit zur Beurteilung der Scheidungsklage der Ehefrau
in Deutschland begründet war oder nicht. Davon geht der angefochtene
Entscheid zutreffend aus.

Erwägung 2

    2.- Der Entscheid des Regierungsrates beruht auf Art. 7 g Abs. 3 NAG,
wonach "die Scheidung schweizerischer, im Auslande wohnender Ehegatten
durch ein nach dortigem Rechte zuständiges Gericht" anzuerkennen ist. Er
verneint, dass man es hier mit "im Auslande wohnenden Ehegatten" zu
tun habe, da nach der Rechtsprechung beide Ehegatten im Auslande wohnen
müssten, jedoch hier der Ehemann seinen Wohnsitz ständig in der Schweiz
hatte. In der Tat verlangt die Rechtsprechung zu Art. 7 g Abs. 3 NAG
ausländischen Wohnsitz nicht bloss des klagenden, sondern beider Ehegatten
(vgl., ausser den im kantonalen Entscheid angeführten Präjudizien, BGE
74 II 54 und 86 II 309).

    Der Beschwerdeführer hält dafür, diese Einschränkung des
Anwendungsgebietes von Art. 7 g Abs. 3 NAG (die übrigens nicht von allen
Autoren gebilligt wird, vgl. STAUFFER, N. 3 zu Art. 7 g NAG) sei jedenfalls
dann ungerechtfertigt, wenn der klagende Ehegatte neben der schweizerischen
noch eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt und die Klage in seinem
andern Heimatstaat, wo er wohnt, angehoben hat. Die erwähnte Rechtsprechung
stamme aus einer Zeit, in der weder das schweizerische noch das deutsche
Bürgerrechtsgesetz der Ehefrau ein Sonderbürgerrecht zugebilligt haben. Das
NAG von 1891 regle die Fälle doppelter Staatsangehörigkeit nicht. Es
bestehe eine Gesetzeslücke, die unter Berücksichtigung der Rechtsordnung
des andern Heimatstaates auszufüllen sei. Die Ehefrau Baumberger sei in
Deutschland nach dortigem Rechte gültig geschieden worden und habe sich
seither wieder verheiratet. Dieser Änderung der Rechtsverhältnisse könne
die Schweiz ihre Anerkennung nicht versagen.

    Demgegenüber will das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement jene nach
der Rechtsprechung für die Anwendung von Art. 7 g Abs. 3 NAG bestehende
Schranke auch gegenüber der Scheidung auf Klage eines Doppelbürgers gelten
lassen. Für die schweizerischen Behörden gelte der Doppelbürger einfach als
Schweizerbürger. Das entspricht der Stellungnahme der Justizabteilung in
mehreren Bescheiden (vgl. Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden 1955 Nr.
62 S. 139 und 1956 Nr. 49 S. 143).

    Zur Frage, ob und in welcher Weise Art. 7 g Abs. 3 NAG bei
schweizerisch/ausländischem Doppelbürgerrecht des klagenden Ehegatten
anwendbar sei, hat die Rechtsprechung bisher nicht in umfassender Weise
Stellung genommen. Von den angeführten Entscheidungen bezieht sich nur BGE
80 II 97 ff. auf solche Doppelbürger. Dabei wurde freilich die nach der
Rechtsprechung gegenüber Ehegatten ohne ausländisches Bürgerrecht geltende
Schranke der Anwendung von Art. 7 Abs. 3 NAG als ebenfalls massgebend
betrachtet (aaO S. 101/2). Das geschah jedoch, ohne dass die Frage auch
nur aufgeworfen worden wäre, ob das neben dem schweizerischen bestehende
ausländische Bürgerrecht des im Auslande klagenden Ehegatten - allgemein
oder unter bestimmten Voraussetzungen - eine weitergehende Berücksichtigung
des ausländischen Urteils zu rechtfertigen vermöge. Der vorliegende
Fall gibt Veranlassung, dies näher zu prüfen. Im Unterschied zum Fall
des erwähnten Präjudizes ist es hier bereits zu einem rechtskräftigen
ausländischen Scheidungsurteil gekommen, worauf sich die geschiedene
Ehefrau des Beschwerdeführers nach dessen Vorbringen wieder verheiratet
hat. Bei dieser Konfliktslage gewinnt die Frage besondere Bedeutung,
ob die für "schweizerische" Ehegatten aufgestellte Gesetzesnorm in jeder
Hinsicht auch für schweizerisch/ausländische Doppelbürger zu gelten habe,
und namentlich, ob jenes Erfordernis des beidseitigen ausländischen
Wohnsitzes auch in einem solchen Falle im Sinne des Gesetzes liege.

Erwägung 3

    3.- Im allgemeinen wird der Doppelbürger in jedem Heimatstaat
einfach als sein Bürger betrachtet (BGE 76 I 38 mit Hinweisen). In
Anwendung dieses Grundsatzes hat das Bundesgericht den Gerichtsstand
des (schweizerischen) Heimatortes für die Scheidungsklage nach Art. 7 g
Abs. 1 NAG auch einer im Auslande wohnenden Doppelbürgerin zuerkannt (der
Ehefrau eines Belgiers, die durch die Heirat dessen Bürgerrecht erworben
und daneben ihr angestammtes Schweizerbürgerrecht beibehalten hatte;
BGE 84 II 474/75). Dieselbe Ansicht findet sich in der Literatur
vertreten (vgl. STAUFFER, N. 2, und BECK, N. 11 zu Art. 7 g NAG;
SCHNITZER, Handbuch des internationalen Privatrechts, 4. Auflage, I
S. 162 mit Hinweisen). Andere Autoren nehmen den Standpunkt ein, ein
im andern Heimatstaate wohnender Doppelbürger könne den Gerichtsstand
seines schweizerischen Heimatortes nach Art. 7 g Abs. 1 NAG nicht in
Anspruch nehmen. Sie weisen auf die Gefahr der Nichtanerkennung des
schweizerischen Urteils im andern Heimat- und zugleich Wohnsitzstaate
hin und wollen daher einen solchen Doppelbürger in der Schweiz, wo
er nicht wohnt, in bezug auf die Gerichtsbarkeit in Scheidungssachen
schlechthin als Ausländer behandelt wissen (so namentlich GULDENER,
Internationales und interkantonales Zivilprozessrecht der Schweiz,
S. 39/40 und 65 mit Fussnote 174). Das Bundesgericht hat im soeben
erwähnten Urteil die sich mitunter aus der Anwendung von Art. 7 g Abs.
1 NAG auf Doppelbürger ergebenden Schwierigkeiten nicht übersehen, jedoch
gefunden, es sei mit der vorbehaltlos für einen "schweizerischen Ehegatten"
aufgestellten Gerichtsstandsnorm kaum vereinbar, den Gerichtsstand
des Heimatortes nicht auch einem Doppelbürger zugute kommen zu lassen,
sofern nur die eine Staatsangehörigkeit eben die schweizerische ist, und
im übrigen wäre es Aufgabe einer internationalen Regelung, Spezialnormen
für Doppelbürger aufzustellen. Es mag dahingestellt bleiben, ob jene
weite Auslegung des Art. 7 g Abs. 1 NAG angesichts der sich mehrenden
internationalen Zuständigkeitskonflikte als dem wahren Sinne des
Gesetzes entsprechend betrachtet werden könne und beizubehalten sei,
oder ob nicht vielmehr bei Wohnsitz des Doppelbürgers in einem seiner
Heimatstaaten der Gerichtsbarkeit dieses Staates gegenüber derjenigen
des andern Heimatstaates der Vorrang einzuräumen sei (vgl. ausser
GULDENER, aaO, NIEDERER, Einführung in die allgemeinen Lehren des
internationalen Privatrechts, 3. Auflage, S. 157; MAKAROW, Allgemeine
Lehren des Staatsangehörigkeitsrechtes, 2. Auflage 1962, S. 304;
AUBERT, La transcription des divorces étrangers dans les registres de
l'état civil suisse, in der Zeitschrift für Zivilstandswesen 1959-27,
S. 368/69; SCHMIDHEINY, Die privatrechtlichen Folgen der selbständigen
Staatsangehörigkeit der Ehefrau, Diss. 1958, S. 94 ff.; FEER, Die
mehrfache Staatsangehörigkeit natürlicher Personen, Diss. 1951/55,
S. 70/71; LACHENAL, Conséquences de la loi fédérale du 29 septembre 1952
sur l'acquisition et la perte de la nationalité suisse, im Schweizerischen
Jahrbuch für internationales Recht 1952 S. 112/13). Im vorliegenden
Falle geht es nicht um die Anwendung von Art. 7 g Abs. 1 NAG, da die
Ehefrau des Beschwerdeführers die Klage nicht an ihrem schweizerischen
Heimatort, sondern in Deutschland angehoben hat. Zu entscheiden ist über
die Tragweite des Art. 7 g Abs. 3 NAG, der die Anerkennung ausländischer
Scheidungsurteile betrifft und freilich in einem innern Zusammenhange
mit jenem Abs. 1 steht.

Erwägung 4

    4.- Wenn Art. 7 g Abs. 3 NAG nach der erwähnten Rechtsprechung
die Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils betreffend
"schweizerische, im Auslande wohnende Ehegatten" nur zulässt, falls beide
Ehegatten im Auslande wohnen, so ist damit gesagt, bei schweizerischem
Wohnsitz des beklagten Ehegatten sei es dem allein im Auslande wohnenden
Kläger füglich zuzumuten, den ihm ja nach Abs. 1 daselbst zur Verfügung
stehenden Gerichtsstand des (schweizerischen) Heimatortes in Anspruch zu
nehmen (vgl. die Begründung hiefür in BGE 56 II 341 unten). Dazu tritt
die Erwägung, diese Einschränkung des Anwendungsgebietes von Art. 7
g Abs. 3 NAG werde keine internationalen Zuständigkeitskonflikte mit
sich bringen: "... Wird sich doch kaum ein ausländisches Gericht mit
dem Scheidungsprozess unter Schweizern (vom Standpunkte des Auslandes
aus betrachtet: unter Ausländern) abgeben wollen, wenn von vorneherein
feststeht, dass sein Scheidungsurteil in der schweizerischen Heimat doch
nicht anerkannt werden wird, und anderseits der heimatliche Gerichtsstand
zur Verfügung steht" (ebenda S. 341 oben). Gerade diese Erwägung trifft
nun aber nicht zu, wenn der klagende Ehegatte neben der schweizerischen
noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzt. Zumal wenn er im andern
Heimatstaate wohnt, ist sehr wohl damit zu rechnen, dass dieser
einerseits ihm gleichfalls einen Gerichtsstand für die Scheidungsklage
zur Verfügung stellt und anderseits ein schweizerisches Urteil nicht
anerkennt. Dem Art. 7 g Abs. 3 NAG (wie auch dem Art. 7 h desselben
Gesetzes) liegt die Absicht zu Grunde, internationale Zuständigkeits-
und Rechtsanwendungskonflikte soweit möglich zu vermeiden (was ein
allgemeines Anliegen des internationalen Privat- und Prozessrechtes
ist; vgl. namentlich NEUHAUS, Die Grundbegriffe des internationalen
Privatrechts, 1962, S. 38 ff.). Diesem Gesetzeswillen entspricht
es, Art. 7 g Abs. 3 NAG auf ein im Ausland von einem dort wohnenden
schweizerisch/ausländischen Doppelbürger erlangtes Scheidungsurteil ohne
weiteres anzuwenden, ohne dass es hiebei auf den Wohnsitz des andern
Ehegatten ankäme. Diese Lösung geht weniger weit als die von mehreren der
erwähnten Autoren verfochtene, da sie neben dem ausländischen immerhin
auch das schweizerische Bürgerrecht des im Auslande wohnenden Klägers zur
Geltung kommen lässt: Diesem steht frei, die Scheidungsklage an seinem -
schweizerischen - Heimatort oder aber bei dem in seinem andern Heimat- und
zugleich Wohnsitzstaate zuständigen Richter anzuheben. Eine so weitherzige
Anwendung des Art. 7 g Abs. 3 NAG bei mehrfacher Staatsangehörigkeit
des klagenden Ehegatten wird durch die Fassung des Gesetzes nicht
ausgeschlossen. Die Wendung "schweizerische, im Auslande wohnende
Ehegatten" fasst eigentlich bloss Personen ausschliesslich schweizerischer
Nationalität ins Auge, so dass in bezug auf Doppelbürger füglich eine
im dargelegten Sinn auszufüllende Lücke des Gesetzes angenommen werden
kann. Abgesehen von dem auf Vermeidung internationaler Zuständigkeits-
und Rechtsanwendungskonflikte bedachten Gesetzeswillen spricht für die
Anerkennung eines solchen ausländischen Scheidungsurteils auch noch
folgende Überlegung: Da die Schweiz einem im Auslande wohnenden Bürger
ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des andern Ehegatten den Gerichtsstand
seines Heimatortes nach Art. 7 g Abs. 1 NAG zur Verfügung stellt, wäre es
ungereimt, eine im andern Heimatstaat eines Doppelbürgers, der ausserdem
dort seinen Wohnsitz hat, gegebene Zuständigkeit in Scheidungssachen nur
bei ausländischem Wohnsitz auch des andern Ehegatten gelten zu lassen.

Erwägung 5

    5.- Der Regierungsrat hat also dem deutschen Scheidungsurteil
die Anerkennung zu Unrecht deshalb versagt, weil bloss die Ehefrau
in Deutschland wohnte, der Ehemann dagegen in der Schweiz. Indessen
ist fraglich, ob die Ehefrau in Deutschland ihren rechtlichen Wohnsitz
hatte, oder ob sich dieser Wohnsitz, trotz ihrem dauernden Aufenthalt in
Deutschland, nach der Regel des Art. 25 Abs. 1 ZGB beim Ehemann in der
Schweiz befand. Dem Scheidungsurteil und den übrigen Akten ist nichts zu
entnehmen, was eine Berechtigung der Ehefrau zum Getrenntleben vor dem
Scheidungsprozess gemäss Art. 170 Abs. 1 ZGB darzutun vermöchte. Daher ist
anzunehmen, es sei bei ihrem unselbständigen schweizerischen Wohnsitz
geblieben. Dennoch bestehen zureichende Gründe zur Anerkennung des
deutschen Scheidungsurteils.

    Zwar kann bei diesem Sachverhalt Art. 7 g Abs. 3 NAG jedenfalls nicht
unmittelbar angewendet werden. Setzt er doch, wie dargetan, ausländischen
Wohnsitz mindestens des klagenden Ehegatten schweizerischer Nationalität
voraus. Es ist auch kein Zweifel, dass der Wohnsitzgerichtsstand des
Art. 144 ZGB einer Ehefrau mit rechtlichem Wohnsitz in der Schweiz
auch dann (ohne die für einen ausländischen Ehegatten nach Art. 7 h
NAG geltenden Beschränkungen) zur Verfügung steht, wenn sie ausser dem
schweizerischen noch ein ausländisches Bürgerrecht besitzt. Sodann gilt
Art. 144 ZGB als zwingend, soweit nicht abweichende Bestimmungen des NAG
eingreifen (BGE 85 II 299).

    Art. 144 ZGB ist jedoch eine Zuständigkeitsnorm des internen
schweizerischen Rechtes. Diese Vorschrift befasst sich nicht mit der Frage,
ob und wieweit eine zugleich im Ausland nach der dortigen Rechtsordnung
bestehende Ehescheidungsgerichtsbarkeit anzuerkennen sei. Es bleibt eine
offene Frage, ob die Anrufung eines ausländischen Ehescheidungsrichters bei
schweizerischem Wohnsitz nur einem Ehegatten ausschliesslich ausländischer
Nationalität (mit Rücksicht auf Art. 7 h NAG) oder unter Umständen auch
einem schweizerischen Ehegatten, speziell einem Doppelbürger zuzugestehen
sei mit der Folge, dass das ausländische Urteil dann in der Schweiz
ebenfalls anzuerkennen sein werde. Im übrigen bedeutet der zwingende
Charakter des Art. 144 ZGB bloss, der auf Grund dieser Vorschrift
angerufene schweizerische Richter habe seine örtliche Zuständigkeit von
Amtes wegen zu prüfen und gegebenenfalls abzulehnen. Die Unzuständigkeit
zieht nicht etwa die Nichtigkeit eines formell rechtskräftig gewordenen
Urteils nach sich (vgl. LEUCH, N. 2 zu Art. 28 und N. 3 zu Art. 359 der
bernischen ZPO).

    Ist der klagende Ehegatte ausschliesslich Schweizerbürger, so
liegt es allerdings nahe, ihn bei schweizerischem Wohnsitz (sei dies
ein selbständiger oder unselbständiger) durch Gegenschluss aus Art. 7
g Abs. 3 NAG und mit Hinweis auf die für rein ausländische Ehegatten
getroffene Regelung des Art. 7 h NAG an den Wohnsitzgerichtsstand des
Art. 144 ZGB als einzig zulässigen zu weisen. Die gleiche Lösung drängt
sich auf gegenüber einer schweizerisch/ausländischen Doppelbürgerin,
die nicht nur ihren rechtlichen Wohnsitz nach Art. 25 Abs. 1 ZGB in der
Schweiz hat, sondern auch tatsächlich mit dem Ehemanne zusammen wohnt
oder - bei berechtigtem Getrenntleben nach Art. 170 Abs. 1 ZGB - einen
selbständigen Wohnsitz im Gebiete der Schweiz genommen hat. Anders kann
sich die Zuständigkeitsfrage auf internationalem Boden jedoch dann stellen,
wenn eine schweizerisch/ausländische Doppelbürgerin zwar ihren rechtlichen
(abgeleiteten) Wohnsitz nach Art. 25 Abs. 1 ZGB in der Schweiz hat, dagegen
tatsächlich dauernd getrennt vom Ehemann in ihrem andern Heimatstaate wohnt
und dessen Rechtsordnung, an den Daueraufenthalt anknüpfend, ihr ebenfalls
einen Gerichtsstand für die Scheidungsklage zur Verfügung stellt. In diesem
Falle rechtfertigt sich bei Beurteilung der internationalen Abgrenzung
der Gerichtsbarkeit in Scheidungssachen - da das NAG die Rechtsbeziehungen
des Doppelbürgers zu seinen beiden Heimatstaaten nicht ins Auge fasst und
seine Vorschriften daher mit Bezug auf Doppelbürger nicht als abschliessend
gelten können, wie bereits in Erw. 4 dargetan - eine überstaatliche Art
der Betrachtung (vgl. NIEDERER. Einführung, S. 142 ff.).

    Der Wohnsitzbegriff enthält rechtliche Elemente, die in den
verschiedenen Rechtsordnungen voneinander abweichen. Deshalb wird in
neueren Gesetzen wie auch in internationalen Übereinkommen bisweilen
der einfachere Begriff des "gewöhnlichen Aufenthaltsortes" verwendet
(vgl. SCHNITZER, Handbuch des IPR, 4. Auflage, I 127/28; SCHNITZER,
Wohnsitz und Aufenthalt, Schweiz. Jur. Kart. Nr. 946 Ziff. 7;
W. v. STEIGER, Der Wohnsitz als Anknüpfungsbegriff im internationalen
Privatrecht, Diss. 1934, S. 108 ff.; W. v. STEIGER, in ZbJV 97/1961
S. 461/62). In der Tat ist es wünschbar, bei der Abgrenzung der
staatlichen Gerichtsbarkeiten von einheitlichen, möglichst einfachen
Begriffen ausgehen zu können. Grundsätzlich rechtfertigt es sich
nun, den "gewöhnlichen Aufenthaltsort" einer Person als einen dem
"Wohnsitz", zumal einem unselbständigen, fiktiven Wohnsitz, gleichwertigen
Anknüpfungsbegriff für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit gelten
zu lassen. Dies auch vom Standpunkte der schweizerischen Rechtsordnung
aus, da der "gewöhnliche Aufenthaltsort" ungefähr dem tatsächlichen
Wohnsitz selbständiger Personen nach Art. 23 ZGB entspricht. Fraglich
ist allerdings, wieweit der Berücksichtigung eines auf solcher Grundlage
bestehenden ausländischen Gerichtsstandes das den Artikeln 7 g und 7 h NAG
in hohem Masse zu Grunde liegende Heimatprinzip entgegensteht. Unter diesem
Gesichtspunkt ist zu beachten, dass die aus Deutschland stammende Ehefrau
eines Schweizerbürgers, die durch die Heirat dessen Bürgerrecht erworben,
jedoch das angestammte deutsche Bürgerrecht gleichwohl beibehalten hat
und dauernd vom Ehemanne getrennt in ihrem angestammten Heimatlande wohnt,
einerseits - als Schweizerbürgerin mit (unselbständigem) schweizerischem
Wohnsitz - den Gerichtsstand des Art. 144 ZGB, anderseits - als deutsche
Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland - den an
diesen Aufenthaltsort anknüpfenden Gerichtsstand des § 606 der deutschen
ZPO (in der Fassung des Gesetzes vom 18. Juni 1957; siehe die Ausgabe der
deutschen Gesetze von H. Schönfelder) zur Verfügung hat. Der (insbesondere
auch in Art. 7 g Abs. 3 NAG zum Ausdruck gebrachten) Absicht des NAG, nach
Möglichkeit internationale Zuständigkeitskonflikte zu vermeiden, entspricht
es nun durchaus, bei schweizerisch/ausländischem Doppelbürgerrecht einer
Ehefrau, die (wenn auch ohne Berechtigung zum Getrenntleben) dauernd in
ihrem andern Heimatstaate wohnt, die ihr in beiden Staaten zur Verfügung
stehende Scheidungsgerichtsbarkeit gleichermassen gelten zu lassen, also
das auf solcher Grundlage ergangene ausländische Urteil auf dem Weg der
Ausfüllung einer Lücke des Art. 7 g NAG anzuerkennen.

Erwägung 6

    6.- Gründe der öffentlichen Ordnung der Schweiz, die der
Anerkennung jenes Urteils im vorliegenden Fall entgegenstünden,
sind nicht gegeben. Der Ehefrau des Beschwerdeführers kann nicht
rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme der deutschen Gerichtsbarkeit
vorgehalten werden, was allenfalls unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen
Ordnung zu verpönen wäre (vgl. BGE 84 I 122; MERZ, N. 80 zu Art. 2 ZGB;
GULDENER, aaO S. 49). Sie hatte ständig am Ort der Klageanhebung gelebt,
so dass der dort befindliche "gewöhnliche Aufenthalt" alle Elemente
eines tatsächlichen Wohnsitzes im Sinne von Art. 23 ZGB umfasste. Auf
das ausländische Scheidungsverfahren hat der Beklagte sich im übrigen
eingelassen, und die Parteien wurden, wie das Urteil festhält, "gemäss
§ 619 ZPO gehört". Somit wurden keine Verfahrensgrundsätze verletzt,
die das inländische (schweizerische) Recht als grundlegend betrachtet
(vgl. GULDENER, aaO S. 102). Endlich ist in Analogie zu Art. 7 g Abs. 3
NAG nicht zu beanstanden, dass in materieller Hinsicht ausschliesslich
deutsches Recht (§ 48 des Ehegesetzes) angewendet wurde.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Regierungsrates
des Kantons Bern vom 21. Dezember 1962 aufgehoben und das Zivilstandsamt
Koppigen, Kanton Bern, angewiesen, das Ehescheidungsurteil der
1. Zivilkammer des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 25. Juni 1962
betreffend die Eheleute Baumberger-Batscheider im Familienregister
einzutragen.