Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 I 290



89 I 290

45. Urteil der I. Zivilabtellung vom 17. September 1963 i.S. Reemtsma
Cigarettenfabriken GmbH. gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum. Regeste

    Markenrecht, Schutzverweigerung gegenüber internationaler Marke wegen
Gefahr der Täuschung über die Herkunft der Ware.

    Zulässigkeit geographischer Angaben, allgemeine Grundsätze (Erw. 2).

    Verhältnisse bei Tabakwaren (Erw. 3).

    Unzulässigkeit der Marke "Dorset" für Zigaretten, die nicht aus
England stammen (Erw. 4, 5, 7).

    Unzulässigkeit der Marke "La Guardia" für Zigaretten, die nicht aus
amerikanischen Tabaken hergestellt sind (Erw. 5).

    Verstoss gegen die Rechtsgleichheit? (Erw. 6).

    Bindung des Bundesgerichts in Verwaltungsgerichtsbeschwerden an die
Rechtsbegehren der Parteien (Erw. 8).

    Madrider Abkommen Art. 5 Abs. 1. PVU 1958 Art. 6 Abs. 1. MSchG Art. 14
Abs. 1 Ziff. 2. OG Art. 109.

Sachverhalt

    A.- Die in Hamburg ansässige Firma Reemtsma Cigarettenfabriken
GmbH. liess am 2. Januar 1963 gestützt auf das Madrider Abkommen
von 1891/1934 betr. die internationale Eintragung der Fabrik- oder
Handelsmarken im internationalen Register zwei Marken eintragen, die
(neben dem Signet der Firma) das Wort "DORSET" (Marke Nr. 263 983),
bzw. das Wort "LA GUARDIA" (Marke Nr. 263 987) enthalten.

    Das Warenverzeichnis zur Marke "Dorset" lautet: "Produits de tabac
fabriqués partiellement ou entièrement en tabacs des pays de langue
anglaise; papier à cigarettes".

    Die Marke "La Guardia" ist bestimmt für "Tabacs fabriqués, papier
à cigarettes".

    Das Eidg. Amt für geistiges Eigentum teilte am 3. Mai 1963 dem
internationalen Amt gestützt auf Art. 5 des Madrider Abkommens mit,
dass den beiden Marken der Schutz im Gebiet der Schweiz vollumfänglich
verweigert werde, und zwar:

    - hinsichtlich der Marke Nr. 263 983 deshalb, weil das darin enthaltene
Wort "Dorset" geeignet sei, die Käufer über die Herkunft der Erzeugnisse
zu täuschen, da es sie zur Auffassung verleiten könnte, diese würden
in England hergestellt oder bearbeitet, während sie in Wirklichkeit aus
Deutschland stammten;

    - hinsichtlich der Marke Nr. 263 987 deshalb, weil die darin enthaltene
Bezeichnung "La Guardia" der Name eines NewYorker Flughafens und daher
geeignet sei, die Käufer über die Herkunft der Erzeugnisse zu täuschen, da
es sie zur Auffasung verleiten könnte, diese würden in den U.SA hergestellt
oder bearbeitet, während sie in Wirklichkeit aus Deutschland stammten.

    In rechtlicher Beziehung stützte das Amt die Schutzverweigerung darauf,
dass die beiden Marken wegen der ihnen anhaftenden Täuschungsgefahr gegen
die guten Sitten verstossen (Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG, Art. 6 Abs. 1
der Pariser Verbandsübereinkunft).

    B.- Gegen diese Schutzverweigerung, die das internationale
Amt am 4. Juni 1963 der Markeninhaberin bekanntgab, erhob diese
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit den Anträgen:
      1.- Für die Marke Nr. 263 983, "Dorset" sei

    a) die Schutzverweigerung im vollen Umfang aufzuheben,

    b) eventuell der Schutz einzuschränken auf Zigaretten,

    die hergestellt wurden aus oder unter Mitverwendung von Tabaken aus

    englisch-sprechenden Ländern;
      2.- Für die Marke Nr. 263 987, "La Guardia", sei

    a) die Schutzverweigerung im vollen Umfang aufzuheben,

    b) eventuell der Schutz einzuschränken auf Zigaretten,

    die hergestellt wurden aus oder unter Mitverwendung amerikanischer
Tabake.

    C.- Das Eidg. Amt für geistiges Eigentum beantragt in seiner
Vernehmlassung:
      1.- Die Beschwerde betreffend die Marke Nr. 263 983, "Dorset", sei im

    vollen Umfang abzuweisen;
      2.- die Beschwerde betr. die Marke Nr. 263 987, "La Guardia", sei

    bezüglich des Hauptantrages abzuweisen; der Eventualantrag sei insofern

    gutzuheissen, als die Marke zum Schutz in der Schweiz zuzulassen sei,

    sofern ihr Gebrauch auf Zigaretten beschränkt werde, die aus oder unter

    Mitverwendung von Tabaken aus den Vereinigten Staaten von Amerika

    hergestellt werden.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 5 Abs. 1 des Madrider Abkommens, auf den sich die
angefochtene Verfügung stützt, darf eine Schutzverweigerung nur unter
den Voraussetzungen verfügt werden, welche auf Grund der allgemeinen
Übereinkunft auf eine zur nationalen Eintragung hinterlegte Marke
anwendbar wären. Unter der "allgemeinen Übereinkunft" ist die Pariser
Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (PVU) zu
verstehen, und zwar ist für den vorliegenden Fall der am 31. Oktober
1958 in Lissabon beschlossene, revidierte Text massgebend, der in den
Beziehungen zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland seit
dem 17. Februar 1963 in Kraft steht (AS 1963 S. 123 ff.).

Erwägung 2

    2.- Kraft des Vorbehaltes in Art. 6 Abs. 1 PVU zugunsten der
Landesgesetzgebung ist das Eidg. Amt befugt, einer Marke, die gegen
die guten Sitten verstösst, den Schutz zu verweigern (Art. 14 Abs. 1
Ziff. 2 MSchG). Gegen die guten Sitten verstösst gemäss ständiger
Rechtsprechung eine Marke, die geeignet ist, die schweizerischen
Durchschnittskäufer in irgend einer Hinsicht irre zu führen (BGE 89 I
51 und dort erwähnte Entscheide). Daher ist eine Marke unzulässig, wenn
sie geographische Angaben enthält, die zu Täuschungen über die Herkunft
der Ware Anlass geben können. Denn eine geographische Angabe erweckt
nach der Lebenserfahrung im allgemeinen beim Käufer die Vorstellung,
das betreffende Erzeugnis stamme aus dem Land, auf das sich die Angabe
bezieht. Ist das Erzeugnis tatsächlich anderer Herkunft, so kann die
Marke daher irreführend wirken. Anders verhält es sich nur, wenn die
geographische Angabe offensichtlich blossen Phantasiecharakter hat und
nicht als Herkunftsbezeichnung aufgefasst werden kann (BGE 89 I 51 Erw. 4
und dortige Hinweise).

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführerin anerkennt grundsätzlich die Richtigkeit
dieser Rechtsprechung. Sie behauptet jedoch, die Regel, wonach ein
geographischer Name als Hinweis auf die Herkunft der Ware wirke, treffe
auf Tabakwaren im allgemeinen und auf Zigaretten im besonderen nicht
zu. Bei solchen habe der geographische Begriff "englisch", "amerikanisch",
"türkisch", "ägyptisch", "Orient" usw. nur die Funktion eines Hinweises
auf die Geschmacksrichtung. Niemand nehme an, dass die so bezeichneten
Erzeugnisse tatsächlich aus dem Lande stammen, auf das sich die betreffende
Bezeichnung beziehe; es handle sich vielmehr um Sachbezeichnungen.

    Dieser Einwand geht an der Sache vorbei. Es fragt sich im vorliegenden
Fall nicht, ob es angehe, Zigaretten als "englische", bzw. "amerikanische"
zu bezeichnen, obwohl sie nicht in England, bzw. in den USA hergestellt
worden sind. Es handelt sich vielmehr nur darum, ob die Marken "Dorset",
bzw. "La Guardia" den Käufer in den Glauben versetzen könnten, die damit
versehenen Tabakerzeugnisse - gleich welcher Geschmacksrichtung - stammten
aus England, bzw. den USA.

    Selbst wenn es übrigens zutreffen sollte, dass das Publikum allgemein
die Bezeichnungen "englisch", "amerikanisch" usw. bei Tabakwaren
nicht als Herkunftsbezeichnung, sondern als Hinweis auf eine bestimmte
Geschmacksrichtung verstehe, so dürfte daraus entgegen der Meinung der
Beschwerdeführerin noch keineswegs geschlossen werden, dass dies überhaupt
auf jede geographische Angabe zutreffe, die sich auf eines der in Frage
stehenden Länder bezieht.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerde bestreitet das Bestehen der vom Amt eingewendeten
Täuschungsgefahr hinsichtlich der Marke "Dorset" mit der Begründung, diese
werde von den schweizerischen Abnehmern im allgemeinen überhaupt nicht als
geographische Bezeichnung erkannt; sie würden eher annehmen, es handle
sich um ein der französischen Sprache entnommenes Wort. Dass "Dorset"
die französische Bezeichnung für den englischen Distrikt Dorsetshire sei,
wisse der schweizerische Käufer im allgemeinen nicht.

    Diese Auffassung ist irrig. "Dorset" ist keineswegs nur die französiche
Bezeichnung für die englische Grafschaft Dorsetshire, sondern es ist die
auch in der englischen Sprache gebräuchliche Abkürzung des Namens dieser
Grafschaft. In deren Nähe befinden sich die Insel Wight und der bekannte
Badeort Bournemouth, die auch von schweizerischen Ferienreisenden besucht
werden. Von zahlreichen schweizerischen Rauchern wird die Marke "Dorset"
daher ohne weiteres als geographische Bezeichnung erkannt.

Erwägung 5

    5.- Die geographische Bezeichnung "Dorset" ist zweifellos
geeignet, beim schweizerischen Käufer der -damit bezeichneten Ware eine
Ideenverbindung mit England hervorzurufen. Gleich verhält es sich mit der
Bezeichnung "La Guardia", dem allgemein bekannten Namen eines New-Yorker
Flughafens, der zwangsläufig zu einer Ideenverbindung mit den USA
führt. Dass diese geographischen Namen nicht als Herkunftsbezeichnungen,
sondern als blosse Phantasienamen aufgefasst würden, trifft nicht zu. Sie
haben nicht einen klar erkennbaren symbolischen Gehalt, wie dies z.B. der
Fall ist bei der Bezeichnung "Kongo" für eine Schuhwichse, "Nordpol"
für Speiseeis, "Alaska" für eine mentholhaltige Zigarette usw.

    Die Beschwerdeführerin macht jedoch geltend, eine Täuschungsgefahr
sei bei der Marke "Dorset" ausgeschlossen, weil dort, wie in England
überhaupt, kein Tabak wachse. Darauf kommt jedoch nichts an. Selbst wenn
als allgemein bekannt vorausgesetzt werden dürfte, dass die Tabakpflanze
in England nicht gedeiht, so könnte die Marke "Dorset" den Käufer doch
zu der Auffassung verleiten, die so bezeichnete Zigarette werde dort,
oder doch auf jeden Fall in England, aus importierten Tabaken hergestellt.

    Ebenso ist es unerheblich, dass die Bezeichnung "La Guardia" bei
niemandem die Meinung erwecken kann, es werde auf dem Flugplatz dieses
Namens Tabak angepflanzt, oder es stehe dort eine Zigarettenfabrik. Es
genügt, dass diese Bezeichnung beim Käufer zu einer Ideenverbindung mit
New-York, d.h. mit den USA führt und ihn so in den Glauben versetzen
kann, die Zigarette sei in den USA oder doch aus amerikanischen Tabaken
hergestellt.

    Da feststeht, dass die Zigaretten der Marke "Dorset" nicht in England
und diejenigen der Marke "La Guardia" nicht in den USA und auch nicht
aus amerikanischen Tabaken, sondern in Deutschland hergestellt werden,
sind die streitigen Marken wegen Täuschungsgefahr über die Herkunft der
damit bezeichneten Waren in der Schweiz unzulässig.

Erwägung 6

    6.- Die Beschwerdeführerin vertritt unter Hinweis auf die
Zigarettenmarken "Parisienne", "Boston", Broadway", "Marocaine" die
Auffassung, die Zurückweisung ihrer beiden streitigen Marken verstosse
gegen die Rechtsgleichheit. Auch dieser Einwand ist unbegründet.

    Die Marken "Boston" und "Broadway" sind zwar im internationalen, bzw.
schweizerischen Markenregister eingetragen, aber mit der ausdrücklichen
Angabe, sie seien bestimmt für "tabac à fumer, fabriqué en ou sous
application de tabacs américains", bzw. für "aus amerikanischen Tabaken
hergestellte Zigaretten". Diese Marken können daher nicht zu Täuschungen
über die Herkunft des Erzeugnisses bzw. der dafür verwendeten Rohtabake
Anlass geben.

    Die Marke "Parisienne" sodann hat sich als Marke der schweizerischen
Zigarettenfabrik Burrus in Boncourt beim schweizerischen Publikum seit
langem derart durchgesetzt, dass eine Täuschungsgefahr nicht besteht.

    Bei der Bezeichnung "Marocaine" schliesslich handelt es sich nach
den Darlegungen des Amtes nicht um eine eingetragene Marke.

    Von einer rechtsungleichen Behandlung kann unter diesen Umständen
nicht die Rede sein.

    Selbst wenn übrigens früher Marken zu Unrecht zugelassen worden
sein sollten, so gäbe dies der Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf
Zulassung der streitigen Marken. Das würde bedeuten, dass die Gerichte
und die Verwaltungsbehörden für alle Zeiten an eine einmal begründete,
unrichtige Praxis gebunden wären. Es kann ihnen aber selbstverständlich
nicht verwehrt sein, von einer als gesetzwidrig erkannten Praxis abzugehen.

Erwägung 7

    7.- Unbehelflich ist schliesslich auch der Hinweis der
Beschwerdeführerin darauf, dass in Deutschland zahlreiche Zigarettenmarken
eingetragen worden seien, die für dort hergestellte Zigaretten ähnliche
geographische Bezeichnungen enthalten. Gemäss ständiger Rechtsprechung
ist jedoch jedes Verbandsland befugt, über die Zulässigkeit einer Marke
unter dem hier in Frage stehenden Gesichtspunkt selbständig zu entscheiden
(BGE 82 I 52 und dort erwähnte Entscheide).

Erwägung 8

    8.- Für den Fall der Abweisung ihres Hauptbegehrens auf
uneingeschränkte Zulassung der beiden streitigen Marken hat die
Beschwerdeführerin die Eventualbegehren gestellt, die Marke "Dorset"
sei einzuschränken auf Zigaretten, die hergestellt wurden aus oder unter
Mitverwendung von Tabaken aus englischsprechenden Ländern, und derjenige
der Marke "La Guardia" auf Zigaretten, die hergestellt wurden aus oder
unter Mitverwendung von amerikanischen Tabaken.

    Hinsichtlich der Marke "Dorset" ist jedoch auch das Eventualbegehren
gemäss dem Antrag des Amtes abzuweisen. Die Bezeichnung "Dorset" bildet
einen Hinweis auf England; sie darf daher nur für Erzeugnisse aus diesem
Lande verwendet werden, wenn sie nicht täuschend wirken soll. Zu den
englischsprechenden Ländern gehören aber ausser England auch noch eine
Anzahl anderer Länder, wie die USA, Kanada, Australien, Neuseeland, die
Südafrikanische Union. Die von der Beschwerdeführerin eventuell beantragte
Einschränkung des Schutzes vermöchte daher eine Täuschung über die Herkunft
der mit der Marke "Dorset" bezeichneten Zigaretten nicht zu verhindern.

    Hinsichtlich der Marke "La Guardia" beantragt das Amt die Gutheissung
des Eventualantrages der Beschwerdeführerin. Es anerkennt also die
Beschwerde in diesem Umfang. Das Bundesgericht hat sich daher mit
diesem Eventualantrag nicht mehr zu befassen. Denn gemäss Art. 109 OG
darf es - ausgenommen in Steuersachen - nicht über die Rechtsbegehren
der Parteien hinausgehen, also einer Partei nicht mehr zusprechen, als
sie verlangt, aber auch nicht weniger, als die Gegenpartei anerkannt
hat. Parteien des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens
sind aber nach einhelliger Literaturmeinung der Beschwerdeführer
und die Behörde, gegen deren Entscheid sich die Beschwerde richtet
(vgl. KIRCHHOFER, Verwaltungsrechtspflege, S. 28; GEERING, Das Verfahren
vor Bundesgericht in verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten, S. 10;
BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 432 f.). Auch die Rechtsprechung hat
die beteiligte Verwaltungsbehörde stets als Partei behandelt (vgl. BGE
72 I 55).

    Es ist somit von der Anerkennung des Eventualbegehrens bezüglich der
Marke "La Guardia" durch das Amt Vormerk zu nehmen, während im übrigen
die Beschwerde abzuweisen ist.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Es wird davon Vormerk genommen, dass das beschwerdebeklagte
Amt in Bezug auf die Marke "La Guardia" das Eventualbegehren der
Beschwerdeführerin in dem Sinne anerkannt hat, dass die Marke zum Schutz
in der Schweiz zugelassen wird, soweit sie für Zigaretten verwendet wird,
die aus oder unter Mitverwendung von Tabaken aus den Vereinigten Staaten
von Amerika hergestellt werden.

    Im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.