Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 I 201



89 I 201

32. Auszug aus dem Urteil vom 20. März 1963 i.S. Einwohnergemeinde
Flüelen gegen Einwolmergemeinde Seedorf sowie Regierungsrat und Landrat
des Kantons Uri. Regeste

    Legitimation der Gemeinde zur staatsrechtlichen Beschwerde.
Gemeindeautonomie.

    1.  Als Trägerin öffentlicher Gewalt ist die Gemeinde
zur staatsrechtlichen Beschwerde nur legitimiert, wenn sie ihre
Autonomieverteidigt oder wenn sie Entscheidungen anficht, durch welche ihre
Existenz oder der Bestand ihres Gebietes in Frage gestellt werden. Wann
ist letzteres der Fall? (Erw. 1).

    2.  Den Entscheid, durch welchen eine kantonale Behörde den bisher
bestrittenen Verlauf der Grenze zwischen zwei Gemeinden festlegt, wegen
Verletzung von Art. 4 BV (Willkür und Verweigerung des rechtlichen Gehörs)
anzufechten, ist die Gemeinde nicht legitimiert, während die Rüge, dass
der Entscheid von einer unzuständigen kantonalen Behörde gefällt worden sei
und daher die Gemeindeautonomie verletze, unbegründet ist (Erw. 2 und 4).

Sachverhalt

    A.- In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Unterlauf
der Reuss im Kanton Uri kanalisiert und dabei die Einmündung des Flusses
in den Vierwaldstättersee um etwa 500 m nach Osten verlegt.

    Die Firma F. Arnold, Aschwanden & Cie in Flüelen betreibt ein
Baggereiunternehmen und beutet auf Grund einer Konzession im Mündungsgebiet
der Reuss Kies und Sand aus. Um 1950 wurde zwischen den beidseits der
Reussmündung an den See grenzenden Gemeinden Flüelen und Seedorf streitig,
inwieweit die Baggerei sich auch auf das Hoheitsgebiet der Gemeinde Seedorf
erstrecke und die Firma F. Arnold, Aschwanden & Cie daher auch in dieser
Gemeinde steuerpflichtig sei. Dabei behauptete die Gemeinde Seedorf,
die Grenze zwischen den beiden Gemeinden werde durch den Reusskanal
gebildet, während die Gemeinde Flüelen den früheren Lauf der Reuss als
Gemeindegrenze bezeichnete.

    Am 2. Juni 1953 ersuchte die Gemeinde Seedorf den Regierungsrat des
Kantons Uri um interkommunale Steuerausscheidung. Nachdem sich zunächst die
Steuerkommission mit der Sache befasst hatte, nahm die Justizdirektion sie
an die Hand und stellte eine Eingabe der Gemeinde Seedorf vom 21. Februar
1956 der Gemeinde Flüelen zur Stellungnahme zu. Diese stellte in einer
vom 31. Dezember 1956 datierten Vernehmlassung die Anträge.

    "1.  Es sei die Grenze zwischen der Gemeinde Flüelen und der Gemeinde
Seedorf im Gebiete der Reuss und der Reussmündung von der zuständigen
Behörde zu bestimmen.

    2.  Es sei der ursprüngliche Lauf der Reuss gemäss Plan von Ing. R. La
Nicca von 1843 von der zuständigen Behörde als massgeblicher Grenzfluss
zu erkennen.

    3.  Es sei die Grenze zwischen den beiden Gemeinden als "Mitte Fluss"
resp. "Mitte Einmündung" zu bezeichnen."

    Die Justizdirektion holte eine Replik der Gemeinde Seedorf ein und
forderte dann die Gemeinde Flüelen auf, die von ihr als Beweismittel
angerufenen Urkunden beim Staatsarchiv zu hinterlegen, was am 14. April
und 15. Juni 1959 geschah. Darauf ersuchte sie den Staatsarchivar um ein
rechtshistorisches Gutachten über die streitigen Grenzverhältnisse. Nachdem
dieses Gutachten Ende August 1959 erstattet und den beiden Gemeinden
zugestellt worden war, schlug ihnen die Justizdirektion vor, die
Grenzstreitigkeit durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen. Die
Verhandlungen hierüber zogen sich über das ganze Jahr 1960 hin und
scheiterten schliesslich. Darauf fällte der Regierungsrat am 17. Januar
1961 folgenden Entscheid:

    "1.  Als Grenze zwischen den Gemeinden Flüelen und Seedorf wird die
Mitte des Reusskanals verbindlich festgesetzt.

    2.  Die kantonale Steuerverwaltung Uri wird angewiesen, die
Steuerausscheidung zwischen den Gemeinden Flüelen und Seedorf i.S. Firma
Arnold, Aschwanden & Cie gestützt auf diesen Grenzentscheid vorzunehmen."

    Die Erwägungen dieses Entscheids lassen sich wie folgt
zusammenfassen: Die KV zähle in Art. 45 wohl die Gemeinden auf, habe
aber eine genaue Abgrenzung ihres Gebietes weder vorgenommen noch
vorgeschrieben. Die Umschreibung des Gemeindegebietes sei deshalb dem
Herkommen, der Vereinbarung der einzelnen Gemeinden und dem Verwaltungs-
bzw. Gerichtsentscheid überlassen. Dafür, dass die Grenzziehung zwischen
Flüelen und Seedorf in dem im Eigentum der Korporation Uri stehenden
Mündungsgebiet der Reuss je vereinbart oder angeordnet worden sei, fehle
jeder Beweis. Aus verschiedenen, teilweise bis zum Beginn des letzten
Jahrhunderts zurückgehenden Urkunden ergebe sich zwar, dass Flüelen
auf dem streitigen Gebiet links des Reusskanals bis zum Jahre 1905
Nutzungsrechte gehabt habe als Entgelt für Wuhrpflichten. Das sei aber
kein Beweis dafür, dass es sich dabei um Hoheitsgebiet der Gemeinde Flüelen
gehandelt habe. Anderseits ergebe sich aus kirchlichen Urkunden aus dem 17.
und 18. Jahrhundert, dass das streitige Gebiet seinerzeit zur Pfarrei
Altdorf und nicht Flüelen gehört habe. Da die heutigen Gemeindegrenzen
in der Regel auf den Pfarreigrenzen basierten, dürfe mit etwelcher
Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass im streitigen Gebiet der alte
Lauf der Reuss nicht als politische Grenze betrachtet werden könne. Die
Einwohnergemeinde-Hoheit sei denn auch, wie auf Grund der vorliegenden,
freilich aus neuerer Zeit stammenden Urkunden, Protokolle und Rapporte
festzustellen sei, im streitigen Gebiete stets von Seedorf ausgeübt worden.

    B.- Gegen diesen Entscheid des Regierungsrates hat die Gemeinde
Flüelen beim Landrat des Kantons Uri einen Rekurs eingereicht. Mit diesem
machte sie zunächst geltend, dass der Entscheid über die vorliegende
Grenzstreitigkeit nicht in die Zuständigkeit des Regierungsrates, sondern
in diejenige des Landrates, eventuell des Obergerichtes, falle; sodann
suchte sie darzutun, dass der Entscheid des Regierungsrates und das ihm
zugrunde liegende Gutachten des Staatsarchivars unrichtig seien.

    Durch Beschluss vom 23. Mai 1962 ist der Landrat auf den Rekurs nicht
eingetreten, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Mit dem angefochtenen
Entscheid habe der Regierungsrat eine umstrittene, wahrscheinlich nie genau
bestimmte und jedenfalls nicht mehr zu beweisende Grenze festgelegt, wobei
die streitige Zone verhältnismässig klein sei und keinen wesentlichen
Gebietsbestandteil einer der beiden Gemeinden darstelle. Eine solche
Grenzfestlegung falle in den Rahmen reiner Verwaltungstätigkeit und stehe
dem Regierungsrat zu (Art. 62 lit. d'e und 1 KV). Und zwar entscheide der
Regierungsrat hierüber letztinstanzlich und sei der in Art. 59 lit. n KV
vorgesehene Rekurs an den Landrat ausgeschlossen, da es sich um einen
Akt des Vollzugs von Art. 45 KV handle, der die lückenlose Aufteilung
des Kantonsgebietes auf die 20 Gemeinden vorschreibe.

    C.- Die Gemeinde Flüelen hat sowohl gegen den Beschluss des
Regierungsrates vom 17. Januar 1961 als auch gegen denjenigen des Landrates
vom 23. Mai 1962 rechtzeitig staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem
Antrag, diese Beschlüsse aufzuheben.

    1. In der Beschwerde gegen den Beschluss des Regierungsrates werden
folgende Rügen erhoben:

    a) Der Beschluss sei willkürlich und verletze Art. 4 BV, weil der
Regierungsrat die Streitsache nicht den Gerichten zum Entscheid vorgelegt,
keine historische Expertise eingeholt, den beteiligten Gemeinden nie
Einsicht in die Akten gegeben und die Tatsachen und Beweismittel in
unhaltbarer Weise gewürdigt habe.

    b) Der Beschluss verletze ferner die in Art. 38, 45 und 75 KV
gewährleistete Autonomie sowie die Bestandesgarantie der Gemeinde,
da es sich vorliegend nicht um eine aus sachlich vertretbaren Gründen
durchgeführte Grenzregulierung oder Grenzbereinigung, sondern um eine
eigentliche Gebietsveränderung handle, die zudem für die Beschwerdeführerin
vom steuerrechtlichen Gesichtspunkt aus von eminenter Bedeutung sei.

    2. In der Beschwerde gegen den Beschluss des Landrates wird geltend
gemacht, der Landrat habe der Beschwerdeführerin dadurch, dass er auf
den Rekurs nicht eintrat, das rechtliche Gehör verweigert, und zwar,
angesichts des klaren Wortlauts von Art. 59 lit. n KV, in willkürlicher
Weise, sodass Art. 4 BV verletzt sei.

    Die Begründung der einzelnen Rügen ist, soweit wesentlich, aus den
nachstehenden Erwägungen ersichtlich.

    D.- Der Regierungsrat des Kantons Uri ersucht für sich und im Namen
des Landrates um Abweisung der Beschwerde. Die Gemeinde Seedorf beantragt,
auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie als unbegründet
abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die verfassungsmässigen Rechte, wegen deren Verletzung kantonale
Erlasse und Verfügungen (Entscheide) gemäss Art. 84 lit. a OG mit
staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden können, sind ihrem
Wesen nach dazu bestimmt, die einzelnen Bürger und Korporationen gegen
die öffentliche Gewalt zu schützen. Daher sind die Gemeinden, die selbst
Träger öffentlicher Gewalt sind, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts
zur staatsrechtlichen Beschwerde grundsätzlich nur dann legitimiert, wenn
ein Erlass oder Entscheid sie in gleicher Weise rechtlich trifft wie eine
Privatperson. Als Trägerin öffentlicher Gewalt dagegen steht der Gemeinde
das Beschwerderecht nach der neueren Rechtsprechung nur in beschränktem
Umfange zu. Es ist dies vor allem dann der Fall, wenn die Gemeinde die
ihr verfassungsmässig gewährleistete Autonomie gegenüber dem Staate
als dem ihr übergeordneten Träger öffentlicher Gewalt verteidigen will
(BGE 83 I 121 Erw. 2 mit Verweisungen). Ferner gilt sie als legitimiert
zur Anfechtung von Entscheidungen, durch welche ihre Existenz oder der
Bestand ihres Gebietes in Frage gestellt werden, und zwar auch dann, wenn
die Verfassung die Existenz und den Gebietsbestand nicht ausdrücklich
garantiert. Da derartige Entscheidungen ihr Eigenleben ebensosehr wie
Eingriffe in ihr Selbstbestimmungsrecht treffen, wäre es unverständlich,
wenn die Gemeinde sich wohl gegen die Missachtung der ihr gegenüber
dem Staate vorbehaltenen Freiheitssphäre zur Wehr setzen könnte,
aber Verfassungsverletzungen, die ihr die Existenz oder das Gebiet,
d.h. die Grundlagen und Voraussetzungen ihrer Autonomie, entziehen,
hinnehmen müsste, ohne den Staatsgerichtshof anrufen zu können (nicht
veröffentl. Urteil vom 14. Juli 1949 i.S. Munizipalgemeinde Sirnach
Erw. 2; BIRCHMEIER, Über die Legitimation des Staates, der Gemeinde und
der Behörden zur staatsrechtlichen Beschwerde, ZBl 1950 S. 125/26).

    Die Gemeinde ist somit legitimiert zur staatsrechtlichen Beschwerde
gegen Entscheidungen, durch welche sie in mehrere neue Gemeinden aufgeteilt
oder mit andern Gemeinden zu einer neuen Gemeinde vereinigt wird (nicht
veröffentl. Urteil vom 5. März 1943 i.S. Kathol. Kirchgemeinde Busskirch).
Weiter steht ihr das Beschwerderecht zu, wenn ein wesentlicher Teil des
Gemeindegebiets oder der Gemeindebevölkerung ohne Ersatz abgetrennt
und einer andern Gemeinde zugeteilt werden soll (angeführtes Urteil
i.S. Sirnach). Dagegen fehlt der Gemeinde die Legitimation im Falle
von Gebietsveränderungen wie Grenzberichtigungen und -regulierungen,
bei denen die Grenzverhältnisse dadurch vereinfacht und verbessert
werden, dass verhältnismässig kleine Gebietsteile entweder zwischen zwei
Gemeinden ausgetauscht oder einer Gemeinde ohne Ersatz weggenommen und
einer andern zugeteilt werden (nicht veröffentl. Urteil vom 6. Februar
1947 i.S. Munizipalgemeinde Tägerwilen, BGE 87 I 214 Erw. 2). Ebensowenig
ist die Gemeinde zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert in Fällen,
in denen der bisher umstrittene Verlauf der Gemeindegrenze bestimmt
und festgelegt wird, und zwar auch dann, wenn das umstrittene Gebiet
nicht unbedeutend ist. Denn von einer Gebietsveränderung, durch welche
der Bestand der Gemeinde in Frage gestellt ist (BGE 87 I 214), kann nur
gesprochen werden bei der Abtretung von Gebiet, dessen Zugehörigkeit zur
Gemeinde feststeht, nicht dagegen bei der Festlegung der Grenze in einem
Gebiet, dessen Zugehörigkeit streitig ist.

Erwägung 2

    2.- Die angefochtenen Beschlüsse, durch welche der Regierungsrat
die Grenze zwischen den Gemeinden Flüelen und Seedorf im Mündungsgebiet
der Reuss festgesetzt hat und der Landrat auf einen hiegegen erhobenen
Rekurs nicht eingetreten ist, trifft die Gemeinde Flüelen rechtlich
nicht wie eine Privatperson, sondern in ihrer Eigenschaft als Trägerin
öffentlicher Gewalt, als Inhaberin der Gebietshoheit. Als solche ist
sie legitimiert zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung
der in Art. 75 KV gewährleisteten Gemeindeautonomie. Dagegen wäre sie
zur Berufung auf die Bestandesgarantie und zur Geltendmachung anderer
Verfassungsverletzungen nur befugt, wenn sie zur Abtretung von Gebiet
verhalten würde, das ihr unzweifelhaft gehört. Das ist jedoch nicht
der Fall. Wie im Entscheid des Regierungsrates festgestellt und von
der Beschwerdeführerin nicht bestritten wird, ist nicht dargetan, dass
der Grenzverlauf im Mündungsgebiet der Reuss je durch eine Vereinbarung
der beiden Gemeinden oder durch die Anordnung einer kantonalen Behörde
festgelegt worden wäre. Es ist auch nicht behauptet, dass die Grenze einmal
durch Marchsteine im Gelände kenntlich gemacht oder dass sie in amtliche
Pläne eingezeichnet worden wären. Der bisherige Verlauf der Gemeindegrenze
im Mündungsgebiet der Reuss ist vielmehr unsicher und streitig und
lässt sich, wenn überhaupt, nur noch auf Grund rechtshistorischer
Untersuchungen ermitteln. In Frage steht somit nicht ein Eingriff in den
Gebietsbestand der Beschwerdeführerin, sondern vielmehr die Feststellung
des bisher unbestimmten und streitigen Umfangs ihres Gebietes, weshalb die
Beschwerdeführerin nach dem in Erw. 1 Gesagten nur zur Berufung auf die
Gemeindeautonomie, nicht zur Geltendmachung anderer Verfassungsverletzungen
(Verletzung von Art. 4 BV und 59 lit. n KV sowie der allfällig in der
kantonalen Verfassung enthaltenen Bestandesgarantie) legitimiert ist.

    Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Regierungsrat angeordnet
hat, sein Grenzentscheid sei der Steuerausscheidung zwischen den beiden
Gemeinden in Sachen Firma Arnold, Aschwanden & Cie zugrunde zu legen. Auch
inbezug auf die Abgrenzung der Steuerhoheit zwischen Gemeinden fehlt
diesen, wie seit BGE 68 I 84 ff. in ständiger Rechtsprechung entschieden
wurde, die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung
verfassungsmässiger Rechte (nicht veröffentl. Urteile vom 14. Juni 1949
i.S. Gemeinde Rebstein, vom 21. Januar 1953 i.S. Bezirksgemeinde March, vom
1. Juni 1953 i.S. Gemeinde Ollon und vom 4. Mai 1954 i.S. Gemeinde Mund).

Erwägung 3

    3.- (Ausführungen darüber, dass auf die staatsrechtliche Beschwerde
gegen den Beschluss des Landrates vom 23. Mai 1962 wegen Fehlens der
Legitimation der Beschwerdeführerin nicht eingetreten werden kann.)

Erwägung 4

    4.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen den Beschluss
des Regierungsrates vom 17. Januar 1961 macht die Beschwerdeführerin
zunächst geltend, dieser Entscheid verstosse aus verschiedenen Gründen
gegen Art. 4 BV. Zur Berufung auf den Grundsatz der Rechtsgleichheit
ist sie jedoch nach dem in Erw. 1 und 2 Gesagten nicht legitimiert. Und
zwar gilt dies auch insoweit, als sie Verfahrensmängel wie Nichteinholung
einer Expertise und Nichtgewährung von Akteneinsicht geltend macht, denn
wenn die Legitimation in der Sache fehlt, so fehlt sie auch inbezug auf
die Rüge, der angefochtene Entscheid beruhe auf Verfahrensmängeln (BGE
74 I 168 Erw. 3; BIRCHMEIER, Handbuch des OG S. 367 und 372). Ferner
ergibt sich aus Erw. 1 und 2, dass die Beschwerdeführerin auch nicht
legitimiert ist, eine Verletzung der Bestandesgarantie geltend zu machen,
sodass dahingestellt bleiben kann, ob die KV überhaupt eine solche Garantie
enthält. Es ist nur zu prüfen, ob der angefochtene Entscheid die Autonomie
der Beschwerdeführerin verletze.

    Davon kann jedoch nicht die Rede sein. Die Festsetzung streitiger
Gemeindegrenzen kann ihrem Wesen nach nicht Sache der Selbstbestimmung
sein. Denkbar ist allenfalls noch, dass es den Gemeinden gestattet wäre,
Grenzstreitigkeiten ohne Mitwirkung kantonaler Behörden durch gegenseitige
Vereinbarung beizulegen oder durch ein Schiedsgericht entscheiden
zu lassen. Davon ist jedoch hier nicht die Rede. Weder haben sich die
Gemeinden Flüelen und Seedorf über den Grenzverlauf im Mündungsgebiet
der Reuss verständigt noch ist die ihnen von der Justizdirektion
vorgeschlagene Schiedsvereinbarung zustandegekommen. Vielmehr haben beide
Gemeinden den Grenzstreit dem Regierungsrat unterbreitet, die Gemeinde
Seedorf als Vorfrage für die von ihr verlangte Steuerausscheidung, die
Beschwerdeführerin mit dem Begehren, die Grenze sei "von der zuständigen
Behörde zu bestimmen". Der Streit über den Verlauf einer Gemeindegrenze
ist seiner rechtlichen Natur nach eine Verwaltungsstreitsache zwischen
zwei Gemeinden. Die Beurteilung einer solchen Streitsache muss notwendig
einer den Gemeinden übergeordneten Instanz, d.h. einer kantonalen Behörde
oder sonst einer unabhängigen Instanz, zustehen. Welche Instanz im
Kanton Uri zuständig ist zum Entscheid einer Grenzstreitigkeit wie der
vorliegenden, bestimmt sich, wie auch die Beschwerdeführerin annimmt,
nach dem kantonalen Recht. Der Regierungsrat hat (in Übereinstimmung mit
dem Landrat) angenommen, dass dieser Entscheid in seine (ausschliessliche)
Zuständigkeit falle. Selbst wenn diese Auffassung auf einer unrichtigen
oder gar unhaltbaren Auslegung der massgebenden Zuständigkeitsvorschriften
beruhen sollte, so hätte der Regierungsrat damit jedenfalls nicht in eine
der Gemeinde vorbehaltene Kompetenz eingegriffen und die Autonomie der
Gemeinde verletzt, weshalb die Beschwerdeführerin nicht legitimiert ist
zur Rüge, der Regierungsrat habe seine Zuständigkeit zu Unrecht bejaht.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1. Auf die Beschwerde gegen den Beschluss des Land rates vom 23. Mai
1963 wird nicht eingetreten.

    2. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Regierungs rates vom
17. Januar 1963 wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.