Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 IV 74



89 IV 74

15. Urteil des Kassationshofes vom 5. April 1963 i.S. Maier gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich Regeste

    Art. 148 Abs. 1 StGB. Ein ungewisses künftiges Ereignis ist keine
Tatsache im Sinne dieser Bestimmung.

Sachverhalt

    A.- Markus Maier verhandelte während längerer Zeit mit seinen Nachbarn
Peter über den Verkauf der Liegenschaft Weinbergstrasse 77 in Zürich 6,
die ihm und fünf auswärts wohnenden Miterben gehörte. Da er überzeugt
war, dass der angebotene Kaufpreis von Fr. 200'000. - von keinem andern
Interessenten überboten werde, stellte er den Geschwistern Peter wiederholt
den Verkauf als sicher in Aussicht, wodurch sich diese bestimmen liessen,
ihm von Ende 1957 bis Dezember 1958 zahlreiche Vorauszahlungen, insgesamt
Fr. 28'000.--, zu leisten.

    Am 3. Februar 1959 verkaufte die Erbengemeinschaft Maier die
Liegenschaft Weinbergstrasse 77 zum Kaufpreis von Fr. 232'000. -
an Mumenthaler, der sich für den Fall, dass der von ihm geplante
Bau behördlich nicht bewilligt würde, den Rücktritt vom Vertrag
vorbehielt. Obschon die Geschwister Peter von diesem Vertrag
Kenntnis erhielten, glaubten sie, die Liegenschaft werde dennoch ihnen
verkauft. Am 6. Mai, 11. August und 3. September 1959 zahlten sie drei
weitere Vorschüsse von zusammen Fr. 2'500. - an Markus Maier, der sie
damit beruhigte, dass er ihnen erklärte, die Baueinsprache, zu der er
sie veranlasste, werde Erfolg haben und Mumenthaler werde hierauf mit
Sicherheit vom Vertrag zurücktreten. Trotz Gutheissung der Baueinsprache
machte dieser aber von seinem Rücktrittsrecht keinen Gebrauch. Da
Markus Maier die erhaltenen Vorschüsse verbraucht und seinen Anteil
am Verkaufserlös grösstenteils in Konstanz verspielt hatte, kamen die
Geschwister Peter zu Verlust.

    B.- Das Bezirksgericht Zürich sprach Maier von der Anklage des Betruges
frei, auferlegte ihm dagegen die Untersuchungs- und Gerichtskosten.

    Auf Appellation der Geschädigten erklärte das Obergericht des
Kantons Zürich am 13. November 1962 Maier des Betruges im Betrage von
Fr. 2'500. - schuldig und und verurteilte ihn zu einer auf drei Jahre
bedingt aufgeschobenen Strafe von drei Monaten Gefängnis mit der Weisung,
den anerkannten Schadensbetrag von Fr. 30'500.-- in monatlichen Raten zu
Fr. 40. - abzutragen.

    C.- Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
er sei freizusprechen.

    D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das Obergericht sieht die arglistige Täuschung, durch die der
Beschwerdeführer die Geschwister Peter in einen Irrtum versetzt haben
soll, darin, dass er ihnen, ohne die von Dr. Bommer, dem Verfasser der
Baueinsprache, geäusserten Bedenken zu erwähnen, erklärte, es sei mit der
Gutheissung der Einsprache zu rechnen, obschon dies nicht sicher gewesen
sei, und dass er den Rücktritt des Käufers Mumenthaler vom Vertrag als
sicher hinstellte.

    a) Die Erfolgsaussichten der Baueinsprache waren im Zeitpunkt, als der
Beschwerdeführer behauptete, es sei mit der Gutheissung der Einsprache
zu rechnen, noch ungewiss. Er äusserte sich also über ein künftiges
Ereignis, nicht über eine objektiv bestimmte Tatsache der Vergangenheit
oder Gegenwart, wie Art. 148 StGB voraussetzt. Eine solche Tatsache
lag in der Voraussage des Beschwerdeführers nur insofern, als er damit
seine persönliche Auffassung über den Ausgang des Einspracheverfahrens
kundgab. Diese Äusserung aber entsprach seiner innern Überzeugung und war
deshalb wahr. Dass er dabei unwahre Tatsachen angeführt habe, um seiner
Meinung den Anschein der Gewissheit zu geben, ist nicht festgestellt.

    Der Beschwerdeführer hat die Geschädigten auch nicht dadurch getäuscht,
dass er ihnen die Zweifel, die Dr. Bommer am Erfolg der Einsprache hatte,
verschwieg. Er selber hielt diese Bedenken, da er vom Erfolg der Einsprache
überzeugt war, für unerheblich, und zwar mit Recht, da der Bezirksrat die
von Mumenthaler eingereichten Pläne als offensichtlich bauordnungswidrig
bezeichnete und den Rekurs Peters guthiess. Unter diesen Umständen bestand
für den Beschwerdeführer nach Treu und Glauben keine Rechtspflicht, die
Geschwister Peter darüber aufzuklären, wie Dr. Bommer die Aussichten der
Einsprache beurteilte.

    b) Ebenso verhielt es sich mit der Äusserung des Beschwerdeführers,
Mumenthaler werde nach Gutheissung der Baueinsprache vom Kaufvertrag
zurücktreten. Ob dieser Fall eintrete oder ob Mumenthaler trotz
Ablehnung seines Bauprojektes die Liegenschaft übernehmen werde,
stand nicht fest. Davon mussten auch die Geschwister Peter, die über
den wesentlichen Inhalt des Vertrages vom 3. Februar 1959 im Bilde
waren, ausgehen, und es war daher auch für sie erkennbar, dass der
Beschwerdeführer, wenn er den Rücktritt vom Vertrag als sicher hinstellte,
bloss seine persönliche Ansicht über den möglichen Eintritt eines künftigen
Ereignisses wiedergab. Es wird ihm denn auch nicht vorgeworfen, er habe,
um den Eindruck zu erwecken, seine Voraussage sei sicher, hiefür bestimmte
Tatsachen angerufen, z.B. behauptet, Mumenthaler habe erklärt, er werde,
wenn die Baubewilligung nicht erteilt werde, vom Vertrag zurücktreten. Der
Beschwerdeführer hat sich bloss mit grosser Zuversicht über den Eintritt
eines künftigen Geschehens ausgesprochen, nicht aber eine Tatsache im
Sinne von Art. 148 StGB vorgespiegelt.

    c) Es fehlt auch das Merkmal der Arglist. Die Geschwister Peter waren
als erfahrene Geschäftsleute und als Liegenschaftenbesitzer ebensogut wie
der Beschwerdeführer, wenn nicht besser, in der Lage, zu beurteilen, wie
gut ihre Aussichten, die Liegenschaft zu erwerben, nach dem Vertrag vom 3.
Februar 1959 waren. Angesichts der auf dem Spiele stehenden Beträge lag
es nahe, nicht ausschliesslich auf die optimistischen Erwartungen des
Beschwerdeführers, der am Verkauf der Liegenschaft an die Geschwister Peter
interessiert war, abzustellen, sondern eine eigene Meinung zu bilden und
gegebenenfalls hiefür die nötigen Erkundigungen einzuziehen, z.B. mit Dr.
Bommer und Mumenthaler Fühlung zu nehmen. Dass der Beschwerdeführer
die Geschädigten von Nachforschungen abzuhalten versucht habe, wie die
Staatsanwaltschaft geltend macht, wurde vom Obergericht nicht festgestellt
und ist den Akten nicht zu entnehmen.

Erwägung 2

    2.- Da ein Betrug nicht gegeben ist, muss das angefochtene
Urteil aufgehoben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht
zurückgewiesen werden.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der II.
Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 13. November 1962
aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die
Vorinstanz zurückgewiesen.