Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 IV 221



89 IV 221

45. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. September 1963
i.S. Schweiz. Bundesanwaltschaft gegen Muggler. Regeste

    Art. 42 BG über den Militärpflichtersatz.

    Die Bestrafung wegen schuldhafter Nichtbezahlung des
Militärpflichtersatzes setzt nicht voraus, dass die Mahnung, die nach
Art. 33 Abs. 1 der Verwarnung vorauszugehen hat, nachgewiesen wird.

Sachverhalt

    A.- Das Kreiskommando Zürich eröffnete Muggler am 31.  Mai 1961 die
Veranlagungsverfügung für den 1960 geschuldeten Militärpflichtersatz und
setzte ihm Frist zur Zahlung bis 31. Juli 1961. Ende August 1961 will es
ihm nach Eintritt der Rechtskraft der Veranlagung eine Mahnung zugestellt
haben, doch fehlt hiefür der Beweis. Am 11. Oktober 1961 liess es Muggler
gegen Empfangsbestätigung eine Verwarnung unter Ansetzung einer 15-tägigen
Nachfrist zugehen. Da er trotzdem weder bezahlte noch um Erlass oder
Zahlungserleichterung nachsuchte, erhob die Bezirksanwaltschaft Zürich
am 20. Juni 1962 gegen ihn Anklage wegen schuldhafter Nichtbezahlung des
Militärpflichtersatzes gemäss Art. 42 des Bundesgesetzes vom 12. Juni
1959 über den Militärpflichtersatz.

    B.- Der Einzelrichter des Bezirkes Zürich und das Obergericht
des Kantons Zürich, dieses am 4. März 1963, sprachen Muggler frei. Sie
erklären, es sei nicht nachgewiesen, dass der Angeklagte vor der Verwarnung
gemahnt worden sei; das Fehlen dieser gesetzlichen Voraussetzung schliesse
eine Verurteilung aus.

    C.- Die Bundesanwaltschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde.  Sie
beantragt, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur
Bestrafung des Angeklagten nach Art. 42 des erwähnten Bundesgesetzes an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

    D.- Muggler hat innert der angesetzten Frist keine Gegenbemerkungen
eingereicht.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

    Nach Art. 42 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz
vom 12. Juni 1959 wird der Ersatzpflichtige, der die Ersatzabgabe
schuldhafterweise, ungeachtet vorausgegangener Verwarnung, nicht innert
der in Art. 33 Abs. 3 bezeichneten zweiten Nachfrist bezahlt, mit Haft
bis zu zehn Tagen bestraft.

    Während nach bisherigem Recht (Art. 1 Abs. 1 des Ergänzungsgesetzes
von 1901 zum BG vom 28. Juni 1878 über den Militärpflichtersatz) die
Nichtbezahlung der Ersatzabgabe erst nach zweimaliger Mahnung strafbar war,
setzt Art. 42 des geltenden Gesetzes nach seinem Wortlaut nur noch die
Nichtbeachtung der Verwarnung, welche die frühere zweite Mahnung ersetzt,
voraus. Dieser offensichtliche Unterschied in der Tatbestandsumschreibung
legt den Schluss nahe, dass die (erste) Mahnung, die nach Art. 33 Abs. 1
heute noch der Verwarnung vorauszugehen hat, nicht mehr Tatbestandsmerkmal
ist. Hätte die alte Strafbestimmung, wie das Obergericht annimmt, in
ihren Grundzügen übernommen werden wollen, so wäre dies unzweifelhaft
dadurch zum Ausdruck gebracht worden, dass man anstelle der früheren
"zweimaligen Mahnung" die dafür in Art. 33 verwendeten Ausdrücke "Mahnung
und Verwarnung" gesetzt hätte. Wenn daher in der abgeänderten Fassung das
Wort Mahnung weggelassen wurde und nur von der Verwarnung die Rede ist,
so kann Art. 42 nicht beides umfassen wollen. Zu einer andern Auslegung
führt nicht, dass die Bezugsbehörden nach Art. 33 Abs. 1 zum Erlass
einer der Verwarnung vorausgehenden Mahnung verpflichtet sind. Das heisst
nicht notwendig, dass eine Strafe nur dann verhängt werden dürfe, wenn die
Verwaltungsbehörde die erwähnte Verpflichtung nachweisbar erfüllt hat. Der
Gesetzgeber konnte, mag er auch das Bezugsverfahren im wesentlichen nach
dem früheren Recht ausgerichtet haben (Botschaft vom 11. Juli 1958, BBl
1958 II S. 379), das strafrechtliche Verfahren anders regeln als bisher und
anordnen, dass die Strafbarkeit des säumigen Ersatzpflichtigen nur noch
vom Nachweis der zweiten, als eindrücklichere Verwarnung ausgestalteten
Mahnung abhangen soll. Dass dies der Sinn der Gesetzesänderung war,
wird durch die Formvorschriften bestätigt, wonach bloss die Verwarnung
schriftlich erfolgen (Art. 33 Abs. 1) und entweder als eingeschriebene
Postsendung oder gegen Empfangsbestätigung zugestellt werden muss
(Art. 56 Abs. 3 Vollziehungsverordnung). Die Mahnung trotz des seinerzeit
ergangenen Bundesgerichtsentscheides (BGE 74 IV 120) hievon auszunehmen,
wäre unverständlich, wenn sie ebenso wie die Verwarnung Voraussetzung
der Strafbarkeit wäre. Dies ist auch nicht daraus zu folgern, dass eine
Bestrafung nur zulässig ist, wenn der Ersatzpflichtige "nicht innert
der in Art. 33 Abs. 3 bezeichneten zweiten Nachfrist bezahlt". Damit
wollte in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung (BGE 68 IV 144/5)
bloss verdeutlicht werden, dass der Straftatbestand erst mit unbenütztem
Ablauf der in der Verwarnung angesetzten Zahlungsfrist erfüllt sei. Das
Schwergewicht dieses Satzteiles liegt auf der Nichtbezahlung innerhalb
der mit der Verwarnung angesetzten Nachfrist, nicht darauf, dass diese als
zweite bezeichnet wird. Das Wort "zweite" wurde, freilich unnötigerweise,
beigefügt, weil die mit der Verwarnung anzusetzende Nachfrist nach dem
Sprachgebrauch des Art. 33, auf den die Bestimmung verweist, die zweite
ist. Eine selbständige Bedeutung in dem Sinne, dass es nach Art. 42 darauf
ankomme, ob der Nachfrist tatsächlich eine erste vorausgegangen sei,
hat das Wort "zweite" aber nicht; es fehlt denn auch im italienischen
Gesetzestext, der es beim Hinweis auf Art. 33 Abs. 3 bewenden lässt. Da
nach dem Gesagten die formlose Mahnung und die mit ihr verbundene erste
Nachfrist im Strafverfahren nicht nachzuweisen sind, versteht Art. 42
unter der zweiten Nachfrist stets jene, die nach Art. 33 Abs. 3 mit der
Verwarnung angesetzt wird.