Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 IV 218



89 IV 218

44. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 31. Dezember 1963
i.S. Statthalteramt Uster gegen Spörri. Regeste

    Art. 1, 2 und 20 Abs. 1 lit. a AO.

    Auslegung eines Inserates, das eine vorübergehende Sondervergünstigung
ankündigt. Massgebend ist der Sinn, den der Leser dem Inserat in guten
Treuen beilegen darf.

Sachverhalt

    A.- Am 28. Mai 1963 liess Spörri, der in Uster ein Kleidergeschäft
führt, im "Zürcher Oberländer" und im "Anzeiger von Uster" ein halbseitiges
Inserat erscheinen. Es war mit "Gross-Aktion Trevira-Kleider-Woche"
überschrieben und enthielt insbesondere den Hinweis: "Während der
Kleider-Woche erhalten Sie zu jedem Trevira-Kleid ein wertvolles
Geschenk." Das Inserat schloss mit der Aufforderung: "Kaufen Sie jetzt,
die Auswahl ist enorm!" Es ging dem Geschäftsinhaber darum, einen
verspätet eingegangenen Posten Trevira-Kleider noch vor Saisonschluss
ohne Preisabschlag absetzen zu können. Das Geschenk bestand in einem
Paar Strümpfe zu Fr. 2.90, wenn ein Kleid zum Preise bis Fr. 100. -,
in zwei Paar Strümpfe zu Fr. 4.80, wenn ein Kleid zu einem Preise von
mehr als Fr. 100.-- gekauft wurde. Die Aktion wurde nach etwas mehr als
einer Woche abgeschlossen.

    B.- Mit Verfügung vom 25. Juni 1963 verfällte das Statthalteramt
des Bezirkes Uster Spörri in Anwendung der Art. 1, 2, 4 und 20 Abs. 1
lit. a der Verordnung über Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen (AO)
vom 16. April 1947 in eine Busse von Fr. 40.-.

    Auf das Begehren des Gebüssten um gerichtliche Beurteilung sprach
der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Uster Spörri
am 21. Oktober 1963 frei, weil es sich bei den Geschenken nicht um
Vergünstigungen im Sinne der Ausverkaufsordnung, sondern bloss um Zugaben
geringfügiger Art gehandelt habe.

    C.- Das Statthalteramt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das
Urteil des Einzelrichters aufzuheben und die Sache zur Bestrafung Spörris
wegen Übertretung der AO an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es macht
geltend, der Beschuldigte habe dadurch, dass er eine Trevira-Kleiderwoche
ankündigte und zu jedem Trevira-Kleid ein wertvolles Geschenk versprach,
eine über den normalen Bedarf hinausgehende Nachfrage herbeiführen
wollen. Es komme darauf an, welchen Sinn der Durchschnittsleser dem
Inserat habe beilegen müssen.

    D.- Spörri beantragt Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Es ist unbestritten, dass die Bekanntgabe der "Gross-Aktion"
in zwei Zeitungen eine öffentliche Ankündigung darstellte und dass die
Verkaufsveranstaltung ohne Bewilligung durchgeführt wurde. Streitig
ist dagegen, ob der Beschwerdegegner den Käufern von Trevira-Kleidern
besondere, sonst nicht gewährte Vergünstigungen in Aussicht stellte. Die
Vorinstanz verneint die Frage, weil die den Käufern geschenkten Strümpfe
bloss Fr. 2.90 oder 4.80 wert waren, im äussersten Falle also nur 4,8% des
Kaufpreises ausmachten und damit nicht einmal die in der Kleiderbranche
zulässige Rabattmarge von 5% erreichten. Es sei nicht anzunehmen, dass
Spörri mit dem Versprechen von wertvollen Geschenken den Eindruck erwecken
wollte, es handle sich um grössere Werte; er habe glaubhaft erklärt,
Damenstrümpfe seien sehr begehrt und dürften in diesem Sinne durchaus als
wertvoll bezeichnet werden. Ob bloss eine vorübergehende Vergünstigung
angekündigt worden sei, könne unter diesen Umständen dahingestellt bleiben.

    a) Diese Auffassung geht fehl. Es kommt nichts darauf an, was für
Geschenke der Beschwerdegegner tatsächlich ausrichtete (BGE 78 IV 126)
und was er selber davon hielt. Ob dem Käufer besondere, sonst nicht
gewährte Vergünstigungen in Aussicht gestellt worden seien oder nicht,
beurteilt sich allein nach dem Eindruck, den das am 28. Mai 1963 in den
beiden Zeitungen erschienene Inserat beim Publikum erwecken musste (BGE 82
IV 114 Erw. 2, 83 IV 58). Im Inserat ist nicht von Damenstrümpfen, sondern
von einem wertvollen Geschenk die Rede. Kaufsinteressenten durften deshalb
vernünftigerweise damit rechnen, dass es sich um etwas handeln werde,
das nach seinem wirklichen Wert das Beiwort "wertvoll" verdiene. Es ging
dem Beschwerdegegner offensichtlich darum, die Leser des Inserates in
die Meinung zu versetzen, das versprochene Geschenk mache den Kauf eines
Trevira-Kleides zu einem besonders vorteilhaften Geschäft. Hätte er bloss
eine geringfügige Zugabe in Aussicht gestellt, wie er nunmehr vorzugeben
scheint, so hätte er die Kauflust des Publikums keineswegs in dem Masse
zu steigern vermocht, um den verspätet eingegangenen Posten noch vor
Saisonschluss absetzen zu können. Als Geschäftsmann musste ihm klar sein,
dass er dieses Ziel nur erreichen konnte, wenn er nicht bloss "irgend eine
Kleinigkeit", sondern eine wirkliche Vergünstigung, wie sie das Inserat
verhiess, in Aussicht stellte. Wer ein wertvolles Geschenk verspricht,
es dann aber bei einer geringfügigen Zugabe bewenden lässt, wie es der
Beschwerdegegner getan hat, der ist umso strafwürdiger, weil er durch
falsche Vorspiegelungen auf Kundenfang ausgeht. Die Ausverkaufsordnung
will ja gerade verhindern, dass das Publikum durch unwahre oder täuschende
Angaben in Ankündigungen dazu verleitet werde, die Gelegenheit auch für
seine künftigen voraussichtlichen Bedürfnisse zu benützen (BGE 76 IV 184
Erw. 2, 78 IV 124 f.).

    b) Die Vorinstanz hat offen gelassen, ob mit dem Inserat eine
vorübergehende Vergünstigung angekündigt worden sei. Dies kann indes schon
nach dem Wortlaut der Ankündigung nicht zweifelhaft sein. Wenn in einer
solchen wiederholt von einer Kleiderwoche die Rede ist, so kann dies nur
heissen, dass die Sondervergünstigung bloss während eines kurzen, eine
Woche nicht wesentlich überschreitenden Zeitraumes gewährt werde. Dass
die Ankündigung keine Daten enthielt, hilft darüber umsoweniger hinweg,
als das Inserat anfangs einer Woche erschien. Zudem musste der Leser
aus der Aufforderung, jetzt zu kaufen, vernünftigerweise schliessen,
die Kleiderwoche beginne spätestens mit dem Tage der Bekanntmachung,
er gehe folglich der in Aussicht gestellten Vergünstigung verlustig,
wenn er nicht innert einer Woche kaufe.

    Damit ist der objektive Tatbestand des Art. 20 Abs. 1 lit. 1 AO
erfüllt. Ob auch blosse Zugaben, wenn sie mit zeitlicher Beschränkung
angekündigt werden, vorübergehende Vergünstigungen im Sinne von Art. 1
Abs. 1 AO darstellen, braucht nicht entschieden zu werden.