Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 IV 1



89 IV 1

1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 31. Januar 1963
i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern. Regeste

    Art. 53 Abs. 1 StGB.

    1. Die Nebenstrafe des Entzuges der elterlichen Gewalt trifft den
Verurteilten im Verhältnis zu allen Kindern. Sie hängt nicht davon ab,
ob der Verurteilte sich zur Ausübung der Gewallt nicht mehr eigne und
wenn ja, gegenüber welchen Kindern er sich nicht mehr eigne.

    2. Die Entziehung der elterlichen Gewalt durch die
Vormundschaftsbehörde steht dem strafweisen Entzug der Gewalt nicht
im Wege.

Sachverhalt

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, ihm die elterliche
Gewalt über alle Kinder entzogen zu haben, obschon er sich nur an der
ältesten Tochter verfehlte und Anhaltspunkte für eine Gefährdung der
andern Kinder aus erster und zweiter Ehe nicht bestünden. Die elterliche
Gewalt über H. sei ihm übrigens schon durch die Vormundschaftsbehörde
gestützt auf Art. 285 ZGB entzogen worden; insoweit sei der Entzug durch
das Obergericht überhaupt gegenstandslos.

    Der Beschwerdeführer verkennt, dass die Entziehung der elterlichen
Gewalt nach Art. 53 StGB Strafe ist. Schon das spricht dafür, dass sie
auch ausgesprochen werden kann, wenn der Entzug sachlich nicht nötig ist,
d.h. das Wohl des Kindes ihn nicht verlangt. Art. 53 StGB macht denn
auch die Zulässigkeit der Strafe nicht davon abhängig, dass das Wohl
des Kindes ihn erfordere oder dass der Täter unfähig sei, die elterliche
Gewalt auszuüben. Voraussetzung des Entzuges ist bloss, dass der Täter
durch ein Verbrechen oder Vergehen, für das er zu einer Freiheitsstrafe
verurteilt wurde, seine elterlichen Pflichten verletzt hat. Das trifft
hier zu. Zudem ist mit dem Entzug der elterlichen Gewalt gemäss Art. 53
StGB notwendigerweise verbunden, dass der Verurteilte unfähig erklärt
werde, sie auszuüben. Auch das gehört zur Nebenstrafe. Diese trifft den
Verurteilten nicht nur im Verhältnis zu einem Kinde, dem gegenüber er
sich charakterlich nicht eignet, die elterliche Gewalt auszuüben, sondern
im Verhältnis zu allen Kindern, gleichviel ob er ihnen gegenüber ein
Verbrechen oder Vergehen begangen hat und sich zur Ausübung der Gewalt
nicht mehr eignet. Die Unfähigkeit, die elterliche Gewalt auszuüben,
ist Rechtsfolge der Nebenstrafe, nicht deren Voraussetzung. Sie wird
namentlich auch ausgesprochen im Hinblick auf Kinder, die noch nicht
geboren sind; ob der Verurteilte diesen ein guter oder schlechter Vater
sein wird, kann man noch nicht wissen. Daraus geht deutlich hervor, dass
die Nebenstrafe des Entzuges der elterlichen Gewalt und der Unfähigkeit
zu deren Ausübung unabhängig davon ausgesprochen wird, ob der Verurteilte
sich zur Ausübung der elterlichen Gewalt nicht mehr eigne und wenn ja,
gegenüber welchen Kindern er sich nicht mehr eigne. Dasselbe folgt aus
Art. 78 StGB. Nach dieser Bestimmung hängt die Wiedereinsetzung in die
elterliche Gewalt nicht davon ab, ob der Verurteilte imstande ist, die
Gewalt wieder pflichtgemäss auszuüben, sondern davon, ob sein Verhalten
die Wiedereinsetzung rechtfertigt und ob der Verurteilte den Schaden
ersetzt hat. Auch daraus erhellt, dass der Strafrichter nach andern
Gesichtspunkten urteilt als die zuständige zivile Behörde, wenn sie die
elterliche Gewalt entzieht oder wieder herstellt.

    Ob es zulässig gewesen wäre, die Strafe lediglich im Verhältnis
zu einem einzigen oder einzelnen Kindern auszusprechen, braucht nicht
entschieden zu werden. Immerhin ist zu bemerken, dass es ein Widerspruch
wäre, den Verurteilten unfähig zu erklären, die elterliche Gewalt
auszuüben, ihm aber diese Gewalt über einzelne von mehreren Kindern zu
belassen. Wenn sie im vorliegenden Fall gegenüber allen Kindern entzogen
wurde, so lässt sich jedenfalls nicht sagen, die Vorinstanz habe dadurch
ihr Ermessen überschritten.

    Eine andere Frage ist, ob der strafweise Entzug gegenüber H. zulässig
war, nachdem schon die Vormundschaftsbehörde die elterliche Gewalt entzogen
hatte. Das ist zu bejahen. Durch die Massnahme der Vormundschaftsbehörde
wurde die strafgerichtliche Entziehung nicht gegenstandslos, wie der
Beschwerdeführer behauptet. Das ergibt sich schon daraus, dass die
Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in die elterliche Gewalt als Massnahme
der Rehabilitation (Art. 78 StGB) strenger sind als die Voraussetzungen
der zivilrechtlichen Wiederherstellung der Gewalt (Art. 287 ZGB).