Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 II 72



89 II 72

14. Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Februar 1963 i.S. Weckerle
gegen Stapf-Weckerle. Regeste

    Erbteilung; Ausgleichung nach Art. 626 ZGB.

    Ausdrückliche Anordnung des Erblassers bei der Zuwendung an den Sohn,
dass diese nicht unter Ausgleichungspflicht stehen soll (Erw. 2).

    Unentgeltliche Zuwendung des Vaters an den Sohn in Form eines negotium
mixtum cum donatione; Voraussetzungen objektiver und subjektiver Art
(Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Nach dem Tode seiner ersten Frau teilte der Gärtnermeister August
Weckerle deren Nachlass mit seinem einzigen Sohn Gotthilf Weckerle und
trat ihm mit Kaufvertrag vom 23. April 1948 seine Gärtnereiliegenschaft
in Zürich-Altstetten samt Inventar zum Preise von Fr. 65'000. - ab,
der wie folgt zu tilgen war: Der Käufer übernimmt auf Anrechnung die auf
der Kaufliegenschaft haftende Grundpfandschuld von Fr. 25'000.--; der
Restbetrag von Fr. 40'000.-- wird verrechnet mit dem dem Sohne zufallenden
Erbteil aus dem Nachlass der Mutter. Die "weiteren Bestimmungen" des
Kaufvertrags enthalten u.a. folgende Klauseln:

    "6.  Der Käufer erklärt hiermit ausdrücklich, dass er mit dieser
Liegenschaftenübernahme aus dem Nachlass seiner verstorbenen Mutter...
vollständig abgefunden worden sei und keinerlei Forderungen an den
Verkäufer mehr zu stellen habe.

    7.  Ausser Betracht und Verrechnung fallen auch sämtliche von der
verstorbenen Mutter oder vom Verkäufer bis dato gemachten Zuwendungen
etc. gemäss Art. 626 ZGB." Kurz nach diesem Verkauf (Mai 1948) starb
der Sohn Gotthilf Weckerle unter Hinterlassung seiner Ehefrau und einer
Tochter Nelly. In der Folge ging der Vater August Weckerle eine zweite
Ehe mit Klara Weber ein. Im Laufe der Ehe machte er der Ehefrau mehrere
erhebliche Zuwendungen in Form der Übertragung einer Liegenschaft in
Dietikon und mehrerer Barzahlungen im Gesamtbetrage von ca. Fr. 160'000. -.

    Als August Weckerle 1958 starb, waren seine gesetzlichen Erben seine
zweite Frau und die Tochter Nelly seines vorverstorbenen Sohnes. Das
amtliche Inventar über den Nachlass zeigte ein Reinvermögen von
Fr. 678'400. -.

    In einer letztwilligen Verfügung vom 14. März 1956 hatte August
Weckerle seine Enkelin Nelly W. auf den Pflichtteil gesetzt und für die
übrige Erbschaft - unter Vorbehalt einiger kleinerer Vermächtnisse -
seine Witwe als Erbin eingesetzt.

    B.- Zwischen den beiden Erbinnen wurde die Teilung streitig. Die
Enkelin erhob gegen die Witwe zwei Klagen mit den Anträgen, diese habe vom
Wert der empfangenen lebzeitigen Zuwendungen - Grundstück und Barkapital
- im Totalbetrage von Fr. 159'200. - der Klägerin je deren Pflichtteil =
9/16 herauszuzahlen.

    Demgegenüber beantragte die Witwe Abweisung der Klage und verlangte
widerklageweise, bei der Teilung des Nachlasses habe die Enkelin den Wert
der im Jahre 1948 dem Sohne übereigneten, inzwischen für 1,7 Millionen
als Bauland weiterverkauften früheren Gärtnereiliegenschaften bis zum
Betrage von 1,5 Millionen zur Ausgleichung zu bringen.

    C.- Das Bezirksgericht Zürich wies sowohl die beiden Hauptklagen als
die Widerklage ab.

    Bezüglich der Hauptklagen stellte sich die klagende Enkelin auf den
Standpunkt, weil sie auf den Pflichtteil gesetzt sei, verletze jede
einzelne im Sinne von Art. 527 ZGB der Herabsetzung unterliegende
lebzeitige Zuwendung des Erblassers an die Ehefrau eo ipso ihren
Pflichtteil und zwar eben im Umfang desselben = 9/16. In dieser Auffassung
lehnte die Klägerin es ab, die Gesamthöhe ihres Pflichtteils ausgehend
von einem die lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers mit einbeziehenden
Gesamtnachlass zu berechnen und den Nachweis zu erbringen, dass das
hinterlassene Vermögen zur Befriedigung ihres derart gemäss Art. 475/527
ZGB errechneten Pflichtteilsanspruchs nicht ausreiche. Das Bezirksgericht
wies daher die Hauptklagen mangels Substantiierung ab.

    Die Widerklage der Witwe wies das Bezirksgericht mit der Begründung
ab, dass nach der vorherrschenden Lehre - und entgegen der Auffassung
des Bundesgerichts (BGE

77 II 228

ff.) - Nachkommen des Erblassers dem überlebenden Ehegatten gegenüber
weder ausgleichungsberechtigt noch -pflichtig seien.

    D.- Dieses Urteil zogen beide Parteien an das Obergericht weiter,
das indessen mit Urteil vom 13. April 1962 beide Berufungen abgewiesen
und den Motiven des Bezirksgerichts beigepflichtet hat.

    E.- Die Hauptklägerin hat sich mit diesem Ausgang ihrer Klage
abgefunden. Die Widerklägerin Wwe Weckerle dagegen reichte die vorliegende
Berufung ein mit dem Antrag auf Gutheissung der Widerklage und demgemäss
Verpflichtung der widerbeklagten Enkelin, bei der Teilung die von ihrem
Vater 1948 übernommenen Liegenschaften bis zum Betrage von 1,5 Millionen
zur Ausgleichung zu bringen; eventuell auf Rückweisung der Sache an die
Vorinstanz zur Beweisergänzung.

    Die Berufung wird damit begründet, der Sohn Gotthilf Weckerle habe
im Jahre 1948 die Liegenschaft vom Vater zu einem Preise (Fr. 65'000. -)
erworben, der schon damals nur einen Bruchteil des wirklichen Wertes
betragen habe. Jener Verkauf stelle daher eine Ausstattung des Sohnes
durch den Erblasser im Sinne von Art. 626 Abs. 2 ZGB dar, die somit
der Ausgleichung unterliege. Es gehe nicht an, mit den Vorinstanzen die
Ausgleichungspflicht auf die Nachkommen unter sich zu beschränken und
sie gegenüber dem überlebenden Ehegatten zu verneinen. Der Wortlaut des
Art. 626 sei eindeutig. Was die Vorinstanzen und ein Teil der Doktrin
dagegen und gegen die Auffassung des Bundesgerichts in seinem Entscheid
77 II 228 ff. vorbrächten, sei nicht nur unstichhaltig, sondern bedeute
geradezu eine Auslegung contra legem.

    F.- Die Berufungsbeklagte trägt auf Abweisung der Berufung und
Bestätigung des angefochtenen Urteils an. Sie macht in erster Linie
geltend, in Ziff. 7 des Kaufvertrags vom 23. April 1948 sei dem Käufer
ausdrücklich jede Ausgleichungspflicht erlassen worden. Ein solcher
Erlass liege zudem schon darin, dass der Erblasser seine Erbfolge nach
der Übertragung der Liegenschaft an den Sohn durch Testament geordnet
habe, wodurch die lediglich dem Intestaterbrecht angehörenden Regeln über
die Ausgleichungspflicht ausgeschaltet worden seien. Wollte man aber aus
diesen Umständen keinen Erlass der Ausgleichungspflicht ableiten, so sei
zu berücksichtigen, dass der Erblasser im Jahre 1948 keinen Anlass gehabt
habe, bezüglich der in der Übereignung allenfalls liegenden teilweise
unentgeltlichen Zuwendung an die Frage der Ausgleichung zu denken, da
ja damals der Sohn sein einziger Erbe und die zweite Ehe noch längst
nicht in Sicht gewesen sei, sodass mit oder ohne Ausgleichung alles auf
das gleiche hinauslief. Bei dieser Sachlage bestehe nicht der geringste
Anhaltspunkt dafür, dass der Erblasser seinem Sohn die Liegenschaft nicht
mit ihrem ganzen Wert hätte belassen wollen. Endlich hätten damals weder
der Erblasser noch der Sohn in der Übertragung überhaupt eine teilweise
unentgeltliche Zuwendung erblickt. Effektiv habe der Sohn über den
Kaufpreis von Fr. 65'000. - hinaus Fr. 11'000. - in Form eines Verzichts
auf restliches Muttergut und auf Lidlohnforderung geleistet. Einen
höheren Wert könne man der Liegenschaft für den damaligen Zeitpunkt
nur zumessen, wenn man sie nicht als Gärtnereiliegenschaft, sondern als
Bauland betrachte.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Ausführungen darüber, dass sich eine erneute Stellungnahme
zu der in BGE 77 II 228 ff. erörterten Frage der grundsätzlichen
Ausgleichungspflicht der Nachkommen gegenüber dem überlebenden Ehegatten
erübrigt, weil hier ohnehin kein ausgleichungspflichtiger Vorempfang
vorliegt.)

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 626 Abs. 2 ZGB kann der Erblasser die Zuwendung im Sinne
dieser Bestimmung an den Nachkommen, entgegen der vom Gesetz aufgestellten
Vermutung, durch ausdrückliche Erklärung von der Ausgleichungspflicht
entbinden. Eine solche Erklärung des Vaters Weckerle nun kann in
Ziff. 7 des Kaufvertrags von 1948 erblickt werden. Der Ausdruck "bis
dato" ist freilich insofern nicht eindeutig, als er eine einschränkende
Auslegung in dem Sinne zulässt, es seien damit die vor diesem Verkaufe
erfolgten - unbekannten - Zuwendungen gemeint, aber nicht die in diesem
Verkaufe selber allenfalls liegende Zuwendung. Indessen wäre es schwer
verständlich, wenn der Vater anlässlich dieses Geschäftsverkaufs an den
Sohn ausdrücklich mit allen früheren, nicht genannten Zuwendungen im
Hinblick auf den Erbfall hätte reinen Tisch machen, aber gleichzeitig mit
der Übereignung selbst eine neue, dereinst "in Betracht und Verrechnung"
fallende Zuwendung gemäss Art. 626 machen wollen. Näher liegt zweifellos
die Annahme, der Vater habe damals dem Sohne und Geschäftsnachfolger die
Geschäftsliegenschaft definitiv und vorbehaltlos, nämlich so übereignen
wollen, dass dieser Verkauf einmal auch erbrechtlich keine Rolle mehr
spielen sollte. Dafür, dass dies seitens des Erblassers so gemeint war,
spricht auch die spätere testamentarische Verfügung vom Jahre 1956,
wonach er, nach Vorabsterben des Sohnes und Wiederverheiratung, die
Enkelin auf den Pflichtteil setzte, offenbar in der Meinung, dass sie mit
dem Vorempfang ihres Vaters, dessen zunehmende Wertsteigerung inzwischen
erkennbar geworden war, bereits reichlich empfangen habe und versorgt
sei, dass er also jene Zuwendung als etwas endgültiges betrachtete und
nicht auch noch deren Einwerfung bezw. Ausgleichung verlangte. Ob die
freilich nicht ganz eindeutige Anordnung in Ziffer 7 des Kaufvertrags in
Verbindung mit der 1948 gegebenen erbrechtlichen Situation als Ausschluss
der Ausgleichungspflicht auch als genügend betrachtet werden könnte, wenn
etwa aus der zweiten Ehe des Erblassers noch ein Kind hervorgegangen wäre
und mithin die Ausgleichungsfrage zwischen zwei Nachkommen streitig wäre,
kann dahingestellt bleiben. Bei den gegebenen Verhältnissen erscheint die
vorstehende Auslegung des Willens des Verkäufers und seiner Erklärung im
Kaufvertrag einleuchtend und billig.

Erwägung 3

    3.- Aber selbst wenn man darauf nicht abstellen wollte, müsste der
Ausgleichungsanspruch der Witwe aus einem weitern, primären Gesichtspunkte
verneint werden. Art. 626 Abs. 1 und 2 ZGB setzen eine unentgeltliche
Zuwendung des Erblassers an den Erben voraus. In einem Kaufgeschäft
kann eine solche, nämlich eine Schenkung'dann liegen, wenn der wirkliche
Wert der Kaufsache den vereinbarten Kaufpreis so erheblich übersteigt,
dass ein eigentliches Missverhältnis der beiden Leistungen besteht und
die Kaufparteien sich beim Vertragsschlusse dieses Mehrwertes bewusst
sind. "Von einem negotium mixtum cum donatione kann nur gesprochen werden,
wenn eine Schenkung, bezw. unentgeltliche Zuwendung beabsichtigt ist,
in dem Sinne, dass man den Preis bewusst unter dem Wert ansetzt, um die
Differenz unentgeltlich dem Käufer zukommen zu lassen" (BGE 77 II 39). Im
vorliegenden Falle macht die Berufungsklägerin geltend, die verkaufte
Liegenschaft sei schon im Jahre 1948 ein Mehrfaches des vereinbarten
Kaufpreises wert gewesen. Eine erhebliche Differenz könnte sich aber
nur ergeben, wenn man schon für jenen Zeitpunkt von einem präsumtiven
Baulandwert des Bodens ausginge. Nun handelte es sich aber um eine
Gärtnereiliegenschaft, die der damals 64-jährige Gärtnermeister Weckerle
seinem Sohne und bisherigen Mitarbeiter, ebenfalls Gärtner, samt dem
Gärtnereibetriebsinventar, Gerätschaften, Lastwagen, etc. abtrat, also
ganz offenbar in der beidseitigen Meinung, dass der Sohn das väterliche
Geschäft weiterbetreibe. Die Liegenschaft wurde also als Gärtnerei, nicht
als Abbruch- und Bauland übereignet. Als wirklicher Wert ist somit der Wert
als Gärtnerei massgebend. Welches dieser Wert im Jahre 1948 war, könnte
heute, 15 Jahre später, nur mittelst Expertise ermittelt werden. Ergäbe
sich aber noch ein erheblicher Mehrwert, so wüsste man erst noch nicht,
ob damals die Kaufparteien sich dessen und der daher in der Abtretung
liegenden teilweisen Schenkung bewusst waren und diese gewollt haben. Der
Vater hatte damals keinen Anlass, sich hierüber Gedanken zu machen. Er
selber war für seine Lebenszeit mit seinem sonstigen Vermögen gesichert
und hatte einen höheren Kaufpreis nicht nötig, und erbrechtlich war damals
die Frage ohne Belang, da der Käufer der einzige Erbe war.

    Muss also angenommen werden, dass Vater und Sohn damals mit der
Übereignung der Gärtnerei das definitive Ausscheiden dieses Sachwertes
aus dem Vermögen des Vaters unter allen Gesichtpunkten, auch dem des
Erbrechts, wollten, so kann daran die spätere Ehe des Verkäufers auch für
den Erbfall nichts ändern und ein Ausgleichungsanspruch der Witwe nicht
angenommen werden.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 13. April 1962 bestätigt.