Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 II 192



89 II 192

28. Urteil der II. Zivllabteilung vom 25. April 1963 i.S. Etablissement
Progress gegen Wolle AG Regeste

    Widerspruchsklage um ein Pfandrecht, Streitwert: a) Der Richter
ist nicht an die betreibungsamtliche Schätzung gebunden. b) Der Betrag
vorgehender Pfandforderungen ist abzuziehen. c) Massgebend für das
Berufungsverfahren (Art. 46 und 62 OG) ist der Streitwert bei Ausfällung
des Urteils der letzten kantonalen Instanz (Erw. 1). Art. 97 und 106-109
SchKG, Art. 36, 46 und 62 OG.

    Die Anzeige einer Nachverpfändung nach Art. 886 ZGB ist dann,
wenn sich die Pfandsache nicht beim Faustpfandgläubiger, sondern bei
einem Dritten befindet, der den Besitz sowohl für jenen wie auch für den
Eigentümer auszuüben hat (sog. Pfandhalter), an diesen Dritten zu richten.
(Erw. 2-4). Art. 884, 886 und 924 ZGB.

Sachverhalt

    A.- Der im Ausland wohnende Kaufmann D. Gross liess Ledervorräte
aus Österreich im Zürcher Zollfreilager durch die Firma Frank AG,
Internationale Transporte, Zürich, verwahren. Aus diesem Lager verpfändete
er der Schweizerischen Bankgesellschaft und der Handelsbank in Zürich
je fünf Kisten Boxcalfleder, die im Zollfreilager verwahrt blieben. Mit
einem Schreiben vom 30. September 1960 aus Zürich räumte er sodann der
Beklagten, Etablissement Progress, Mauren, Liechtenstein, an diesen
beiden und weiteren dort eingelagerten Waren ein nachgehendes Pfandrecht
ein. Den beiden Banken mit vorgehendem Pfandrecht zeigte er dies nicht an,
wohl aber der Lagerhalterin Frank AG, mit einem Brief, den sie am Morgen
des 5. Oktober 1960 erhielt.

    B.- Tags darauf arrestierte das Betreibungsamt Zürich 9 die erwähnten
zwei Warenposten (bezeichnet als Positionen 1 und 2) von je 1400 kg
Leder, das Kilogramm geschätzt auf Fr. 1 -, und zwei weitere Posten Leder
(Pos. 3 enthaltend ca. 27'000 kg, Pos. 4 enthaltend 542 kg) zu Gunsten
der Klägerin, Wolle AG, Zürich, für eine gegen D. Gross geltend gemachte
Forderung von Fr. 53'343.80 nebst Zins. Zu allen vier Positionen vermerkte
die Arresturkunde "das Lagerrecht gemäss Art. 485 OR" (Retentionsrecht)
der Frank AG für Fr. 5637.15 auf den September 1960 und für die weiterhin
auflaufenden Lagerspesen von monatlich Fr. 360.--. Zu Pos. 1 wurde
das Pfandrecht der Schweizerischen Bankgesellschaft für eine Forderung
von Fr. 11'939.05 ("Rohsaldo") vermerkt und zu Pos. 2 das Pfandrecht
der Handelsbank in Zürich für eine Forderung von Fr. 10'000.-- nebst
Zins und Spesen. An den Positionen 1 und 2 machte ferner die Beklagte
ihr nachgehendes Pfandrecht geltend, das zuerst irrtümlicherweise als
Eigentumsansprache vermerkt wurde, und das die Klägerin (Arrestgläubigerin)
bestritten hat.

    C.- Gemäss Vereinbarung der Parteien mit dem Schuldner wurden die
in Pos. 2 enthaltenen fünf Kisten Boxcalfleder aus freier Hand für
Fr. 18'480.-- verkauft. Aus diesem Erlös konnte die Pfandforderung der
Handelsbank in Zürich abgelöst werden. Der Restbetrag von Fr. 8000. -
floss als Ersatz für diesen Arrestgegenstand an das Betreibungsamt. Die
Vereinbarung hielt fest, dass die Beklagte das von der Klägerin bestrittene
Nachpfandrecht auch an diesem restlichen Erlös beanspruche.

    D.- Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich wies die auf
Aberkennung des Nachpfandrechts der Beklagten an den Gegenständen von
Pos. 1 und 2 der Arresturkunde gehende Widerspruchsbeseitigungsklage der
Arrestgläubigerin am 27. Februar 1962 ab und schützte das Nachpfandrecht
der Beklagten für Forderungen von wenigstens $ 14'000. -.

    Das Obergericht des Kantons Zürich hat dagegen mit Urteil vom 12.
September 1962 die Klage gutgeheissen und die Pfandrechtsansprache der
Beklagten als unbegründet erklärt.

    E.- Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vorliegende Berufung
an das Bundesgericht eingelegt mit dem erneuten Antrag auf Abweisung
der Klage.

    Die Klägerin hält die Berufung für unzulässig, weil der Streitwert
im Zeitpunkt des obergerichtlichen Urteils nur Fr. 562.85 betragen
habe. Der Eventualantrag geht auf Abweisung der Berufung und Bestätigung
des obergerichtlichen Urteils.

    Auf eine Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten gegen dieses selbe Urteil
ist das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 8. November 1962 nicht
eingetreten im Hinblick auf die von ihm als zulässig erachtete Berufung an
das Bundesgericht. Falls sich dieses Rechtsmittel als unzulässig erweisen
sollte, bleibe eine nachträgliche Beurteilung der Nichtigkeitsbeschwerde
nach § 345 Abs. 2 der kantonalen ZPO vorbehalten.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Den Streitwert bemass der erstinstanzliche Richter auf etwa Fr.
6000.-- bei Prozesseinleitung; bis zur Urteilsfällung sei er wegen der
angewachsenen Lagergebühren mit Retentionsrecht auf wenig mehr als
Fr. 2000.-- gesunken. Während das Obergericht die Streitwertfrage
ungeprüft liess, hielt das kantonale Kassationsgericht dafür,
Gegenstand des streitigen Nachpfandrechts sei in erster Linie der in
betreibungsamtlicher Verfügung stehende Betrag von Fr. 8000.-- als
Überschuss des Erlöses aus der freihändigen Verwertung der Waren von
Pos. 2 der Arresturkunde. Auf diesem Betrag laste das Retentionsrecht der
Lagerhalterin nicht; es sei infolge der Versilberung der ihm unterworfenen
Waren jener Position untergegangen. Ausserdem sei aus gewissen Aktenstücken
zu schliessen, die Frank AG sei aus andern Mitteln befriedigt worden. Jener
Betrag stehe daher gänzlich der Beklagten zur Verfügung, falls deren
Nachpfandrecht sich als begründet erweise. Der für die Berufung an das
Bundesgericht erforderliche Streitwert sei somit gegeben, ohne dass man
zu untersuchen brauche, inwieweit auch die Gegenstände von Pos. 1 der
Arresturkunde bei Berücksichtigung vorgehender Pfandrechte noch für die
Beklagte greifbar wären.

    Dem Kassationsgericht ist darin beizustimmen, dass der nach Tilgung der
Pfandforderung der Handelsbank in Zürich an das Betreibungsamt überwiesene
restliche Erlös von Fr. 8000. - als Gegenstand des streitigen Pfandrechtes
in Betracht fällt, wie denn das Widerspruchsverfahren ebenso wie über die
arrestierte oder gepfändete Sache über den noch nicht verteilten (hier
eben mit Rücksicht auf die verschiedenen Ansprecher zurückbehaltenen)
Erlös durchzuführen ist (vgl. Art. 107 Abs. 4 SchKG). Gerade deshalb ist
aber auch das Retentionsrecht der Lagerhalterin zu berücksichtigen. Es
ist, soweit es an den Sachen begründet war, durch deren zwangsweise
oder freihändige Verwertung keineswegs untergegangen. Vielmehr sind die
betreffenden Sachen damit auch als Retentionsgegenstände verwertet worden,
wie denn der Retentionsberechtigte die Sache gleich einem Faustpfande
verwerten lassen kann (Art. 898 ZGB) und der Ausdruck "Faustpfand"
im Betreibungsverfahren das Retentionsrecht mitumfasst (Art. 37 Abs. 2
SchKG). Dieses Recht der Lagerhalterin müsste allerdings dann ausser
Betracht bleiben, wenn deren Forderung (ohne Übergang der Rechte auf
einen Dritten) samt dem Retentionsrecht erloschen wäre. Die Unterlagen,
auf welche das Kassationsgericht diese Annahme stützt, haben sich jedoch
als trügerisch erwiesen. Aus dem im bundesgerichtlichen Verfahren zur
Abklärung des Streitwertes gemäss Art. 36 Abs. 2 OG eingeholten Bericht der
Lagerhalterin geht nämlich hervor, dass sie ein "heute offenes Guthaben"
von Fr. 20'034.85 geltend macht und dafür das Retentionsrecht an den
eingelagerten Waren in Anspruch nimmt, immerhin gemäss Vereinbarung mit der
Klägerin an den Positionen 1, 2 und 4 der Arresturkunde bloss für 20% ihres
jeweiligen Guthabens, also derzeit für Fr. 4007. - "zuzüglich anteiliger
laufender Gebühren; dabei haftet natürlich jede dieser Positionen 1,
2 und 4 für 20% des jeweiligen Totals als Faustpfand". Auf dieser
tatbeständlichen Grundlage berechnet sich der Streitwert wie folgt:

    a) Im allgemeinen kann sich der Richter im Widerspruchsverfahren
bei der Bewertung der streitigen Gegenstände an die betreibungsamtliche
Schätzung halten (sofern sie, wie im vorliegenden Falle, als solche
unangefochten blieb). Indessen ist diese Schätzung für den Richter nicht
bindend; er kann unabhängig davon den wahren Wert ermitteln (vgl. BGE 31
II 178 ff. und 361/62) und insbesondere den allenfalls bereits erzielten
Erlös berücksichtigen (vgl. BGE 83 II 246/47). Dies führt zur Bewertung
der Pos. 2 gemäss dem noch verfügbaren Mehrerlös von Fr. 8000. -. Was die
noch nicht verwertete Pos. 1 betrifft, welche gleichviel Ware gleicher Art
(und vermutlich auch gleicher Güte) enthält, so ist sie in entsprechender
Weise aufzuwerten, wie es im erstinstanzlichen Urteil geschehen ist.

    b) Geht das Widerspruchsverfahren um das von einem Dritten beanspruchte
Eigentum, so ist das Streitinteresse gleich dem ganzen Wert der Sache,
vorausgesetzt, dass die in Betreibung gesetzte Forderung nicht geringer
ist, der betreibende Gläubiger also auf den ganzen zu erwartenden Erlös
greifen will. Geht es um ein Pfandrecht, so muss ausserdem die Forderung
des Pfandansprechers diesen Betrag erreichen (vgl. BGE 56 III 37 ff.;
BLUMENSTEIN, Handbuch S. 392). All dies trifft hier zu, da eine Forderung
von mehr als Fr. 50'000.-- in Betreibung steht und die Beklagte ihrerseits
das Nachpfandrecht für Forderungen von $ 45'296.35 in Anspruch nimmt.

    c) Gehen indessen dem streitigen Pfandrecht andere Pfandrechte im
Range vor, so dass auf jenes nur ein nach deren Deckung sich ergebender
Mehrerlös entfallen kann, so vermindert sich der Streitwert um den Betrag
der vorgehenden Pfandforderungen (vgl. BGE 27 II 126, 33 II 459, 35 II 707,
83 II 246/47; BIRCHMEIER, zu Art. 36 OG, S. 43; LEUCH, N. 11 zu Art. 138
der bernischen ZPO). Die Berufungsklägerin will dies freilich nicht
gelten lassen. Sie wendet ein, beim Abzug der Pfandvorgänge sei mitunter
rechnungsmässig gar kein Mehrerlös zu erwarten, alsdann wäre der Streitwert
nach der geschilderten Methode auf Null zu bemessen, was nicht anginge.
Darauf ist zu erwidern, dass bei einem solchen Rechnungsergebnis immerhin
in den meisten Fällen mit Rücksicht auf allfällige Unsicherheitsfaktoren
ein niedriger Streitwert noch anzunehmen ist. Denn solange ein auf
das streitige Pfandrecht entfallender Überschuss nicht geradezu als
ausgeschlossen erscheint, darf nicht jedes Streitinteresse verneint
werden. Erweist sich aber ein solcher Überschuss bei allseitiger
Würdigung der Berechnungsfaktoren als gänzlich ausgeschlossen, so ist
das Streitinteresse in der Tat zu verneinen und auf die von vornherein
unnütze Klage nicht einzutreten. Im vorliegenden Fall ergibt sich indessen
folgender Nettowert der streitigen Positionen 1 und 2 der Arresturkunde:

    Erlös aus Pos. 2 netto        Fr. 8'000.-- +Depotzins
          Fr. 8'000.--

    Nettowert der Pos. 1 nach Abzug der vor-

    gehenden Pfandforderungen der SBG:
          Fr. 18'480.-- minus Fr. 12'000.--=Fr. 6'480.-- zusammen
          Fr. 14'480.--

    Davon sind nun noch die retentionsgesicher-

    ten Lagergebühren der Frank AG abzu-

    ziehen, also nach dem oben Ausgeführten

    Fr. 4'007.-- (welcher Betrag nur einmal

    einzusetzen ist, wobei er zu voller Geltung

    kommt)        Fr. 4'007.--
          Restbetrag Fr. 10'473.--

    Der für das schriftliche Berufungsverfahren erforderliche Streitwert
von Fr. 8000.-- (gemäss Art. 46 und 62 OG in der geltenden Fassung) ist
also erreicht. Es ergibt sich nicht etwa ein weiterer Abzug daraus, dass
das ausstehende Guthaben der Frank AG seit dem obergerichtlichen Urteil
noch angestiegen sein mag. Der Streitwert für das Berufungsverfahren
bemisst sich nach dem Interesse, das für die Parteien unmittelbar vor der
angefochtenen kantonalen Entscheidung auf dem Spiele stand (BGE 65 II 184),
wie denn auch in materiellrechtlicher Beziehung in der Berufungsinstanz
der Tatbestand zu beurteilen ist, wie er der letzten kantonalen Instanz
vorlag, und neue Tatsachen nicht berücksichtigt werden können (Art. 55
Abs. 1 lit. c OG).

Erwägung 2

    2.- In materieller Hinsicht hält das angefochtene Urteil das von
der Beklagten geltend gemachte Nachpfandrecht - ohne dessen übrige
Voraussetzungen zu prüfen - deshalb für unbegründet, weil sich der
Schuldner mit der Anzeige der Nachverpfändung an die Lagerhalterin Frank
AG begnügt und die Nachverpfändung nicht auch den beiden vorgehenden
Pfandgläubigern, nämlich den erwähnten Banken, angezeigt hat. Das wäre nach
Ansicht des Obergerichts gemäss Art. 886 ZGB unerlässlich gewesen. Diese
Vorschrift verlange nach ihrem Wortlaut unbedingt die Benachrichtigung des
vorgehenden Pfandgläubigers, sehe also keine Ausnahme vor für den Fall,
dass sich die Pfandsache bei einem Dritten befindet. Das vorgeschriebene
Vorgehen sei denn auch notwendig, um den Zweck der Vorschrift zu erfüllen,
der darin bestehe, den Nachpfandgläubiger vor nachteiligen Verfügungen
über die Pfandsache zu schützen. Die Firma Frank AG habe die Anzeige nicht
etwa als Stellvertreterin der beiden Banken empfangen; weder sei sie von
diesen in solchem Sinne bevollmächtigt gewesen, noch habe der Schuldner die
Anzeige zu Handen der Banken gemacht. Es sei an den Fall zu denken, dass
die Banken nach Entrichtung der ausstehenden Lagerspesen die Herausgabe
der Pfänder verlangt hätten, um sie selber zu verwahren (namentlich die
Bankgesellschaft, die ein eigenes Lagerhaus besitze). Die Firma Frank AG
hätte einem solchen Ansuchen entsprechen müssen, und der Schuldner hätte
hierauf bei Bezahlung der Bankdarlehen sich die Pfandsachen herausgeben
lassen können. Es sei keineswegs sicher, dass die Lagerhalterin von sich
aus die Banken bei Auslieferung der Pfandsachen von der Nachverpfändung
benachrichtigt hätte.

    Diese Betrachtungsweise wird dem wahren Sinn des Art. 886 ZGB nicht
gerecht. Über die rechtliche Bedeutung der vorgeschriebenen Anzeige der
Nachverpfändung an den Faustpfandgläubiger bestehen freilich verschiedene
Ansichten. LEEMANN (N. 1-3 zu Art. 886 ZGB) hält dafür, diese Norm
durchbreche das für die Verpfändung von Fahrnis im allgemeinen geltende
Faustpfandprinzip (Art. 884 ZGB) und sehe für die Nachverpfändung eine
Fahrnisverschreibung, also eine Mobiliarhypothek, vor. Mit Recht sieht
aber die vorherrschende Lehre in der von Art. 886 ZGB vorgeschriebenen
Anzeige einfach eine besondere Anwendungsform des Faustpfandprinzips,
nämlich eine Besitzanweisung (vgl. WIELAND, Bem. 1, und OFTINGER,
N. 43 des systematischen Teils und N. 3 zu Art. 886 ZGB; HAFFTER, Das
Fahrnispfandrecht und andere sachenrechtliche Sicherungsgeschäfte,
Diss. 1928 S. 44/45: HOMBERGER und MARTI, Schweiz. Jur. Kartothek
Nr. 672 S. 5). Dieser Ansicht hat das Bundesgericht sich angeschlossen und
ausgesprochen, die Anzeige habe zum Zweck, den vorgehenden Pfandgläubiger,
"in dessen Gewahrsam sich das Pfand gewöhnlich befindet", zum Pfandhalter
für den nachgehenden zu machen (BGE 72 II 355). Der nachgehende
Pfandgläubiger erhält einen vom mittelbaren Besitz des Verpfänders
abgeleiteten, gleichfalls mittelbaren Besitz, "während der unmittelbare
Besitz einstweilen beim vorgehenden Pfandgläubiger bleibt" (BGE 81 II
342 Erw. 3).

    Daran ist festzuhalten. Die Besitzanweisung genügt bereits der
grundlegenden Norm des Art. 884 ZGB betreffend die Verpfändung von Fahrnis.
Eine solche Verpfändung ist nur gültig, wenn dem Pfandgläubiger der Besitz
an der Pfandsache übertragen wird und dem Verpfänder die Möglichkeit
genommen ist, allein über die Sache körperlich zu verfügen. Es gilt
also das sachenrechtliche Traditionsprinzip mit dem Erfordernis der
Einräumung eines qualifizierten Pfandbesitzes. Dieser lässt sich nicht
nur durch persönliche Übergabe an den Pfandgläubiger, sondern ebenso durch
Besitzanweisung herbeiführen, nicht aber durch Besitzeskonstitut, das dem
Verpfänder die Möglichkeit, über die Sache körperlich zu verfügen, belassen
würde. Bei der Nachverpfändung stellt sich nun gegenüber den Parteien
dieses Rechtsgeschäftes der Faustpfandgläubiger als Drittbesitzer dar,
sofern er, wie es gewöhnlich zutrifft, seinen Pfandbesitz selber ausübt.

    Ist dies aber nicht der Fall, sondern befindet sich das Pfand
bei einem Dritten, der den Verpfänder (Eigentümer) wie auch den
Faustpfandgläubiger als Mittelsmann im Besitze zu vertreten, also den
Besitz für sie beide auszuüben und die Sache dem einen nur mit Zustimmung
des andern herauszugeben hat (vgl. OFTINGER, N. 216/17 und LEEMANN,
N. 68 zu Art. 884 ZGB, HOMBERGER, N. 9 zu Art. 924 ZGB), so ist die
Anzeige nach Art. 886 ZGB nach den die Besitzanweisung beherrschenden
Grundsätzen sinngemäss an den wahren Drittbesitzer zu richten. Dieser
vertritt den Faustpfandgläubiger im Besitz, und zwar wegen seiner
Besitzmittlerstellung zwischen Pfandgläubiger und Verpfänder in einer
Weise, dass jenem die selbständige körperliche Verfügung über die Sache
versagt ist (vgl. OFTINGER, N. 136 zu Art. 884 ZGB mit Hinweisen).

    Nichts Abweichendes lässt sich daraus herleiten, dass die
Besitzanweisung nicht unbedingt unmittelbaren Besitz des angewiesenen
Dritten voraussetzt (vgl. HOMBERGER, N. 3 zu Art. 924 ZGB). Ist bei der
Faustpfandbestellung kein Pfandhalter bezeichnet worden, sondern hat der
Faustpfandgläubiger die Sache zu unmittelbarem Besitz übertragen erhalten,
und hat er sie hierauf zur Aufbewahrung für sich selbst einem Dritten
anvertraut, so bleibt bei derart abgestuftem unselbständigem Besitz er der
massgebende Adressat einer Nachverpfändung. In einem solchen Falle übt er
den Pfandbesitz selber aus, wenn auch zeitweilig aus eigenem Entschluss
nicht unmittelbar, und kann die Sache immer wieder an sich ziehen, ohne
der Mitwirkung des Verpfänders zu bedürfen. Hier aber befanden sich die
Pfandsachen schon bei der Verpfändung an die beiden Banken bei einem
Dritten, dem die wahre Stellung eines Pfandhalters im oben umschriebenen
Sinne zukam, und dem daher auch die Nachverpfändung, wie es geschehen ist,
anzuzeigen war.

Erwägung 3

    3.- Dass diese Lösung dem nachgehenden Gläubiger geringeren Schutz
biete als eine Anzeige an den vorgehenden Pfandgläubiger selbst, kann
nicht zugegeben werden. Der Pfandhalter ist besser in der Lage, die Rechte
des nachgehenden Gläubigers zu wahren, als der den Pfandbesitz nicht
selber ausübende vorgehende Gläubiger. Zu Unrecht nimmt die Vorinstanz
an, die Lagerhalterin hätte die Pfandsachen den beiden Banken auf deren
einseitiges Begehren herausgeben müssen. Als Pfandhalterin hatte sie
vielmehr, wie dargetan, auch den Schuldner (Eigentümer) im Besitze zu
vertreten und durfte die Sachen nicht ohne dessen Zustimmung herausgeben.

    Eine Frage für sich ist, ob der Schuldner (Eigentümer) bei der
Nachpfandbestellung auf die Stellung eines mittelbaren Besitzers
gegenüber der Lagerhalterin verzichtet habe. Er verband nämlich mit
der Nachverpfändungsanzeige die Erklärung, die Lagerhalterin möge
die im Freilager auf seinen Namen eingelagerten Waren auf den Namen
der Beklagten überschreiben und von nun an diese mit den Lagerspesen
belasten. Sollte er mit dieser Erklärung als Mitbesitzer ausgeschieden
sein, so geschah es jedoch zu Gunsten der Beklagten, die auf diese Weise in
die Besitzesrechte des Eigentümers eintrat. Bei einer solchen Sachlage
hatte die Lagerhalterin nunmehr vor einer Herausgabe der Pfandsachen
die Beklagte an Stelle des Eigentümers um ihre Zustimmung anzugehen. Ob
es ausserdem einer Zustimmung der Beklagten in ihrer Eigenschaft als
nachgehender Gläubigerin bedurft hätte, kann dahingestellt bleiben.

    Wären dagegen, wie dies die Vorinstanz für richtig hält, die beiden
Banken, und zwar sie allein, von der Nachverpfändung benachrichtigt worden,
so hätte sich - wenn man von der durch die Arrestnahme geschaffenen
neuen Lage absieht - die Gefahr erhoben, die Lagerhalterin könnte die
Waren dem Schuldner bei Vorweisung einer Quittung der beiden Banken
herausgeben. Man hätte damit rechnen müssen, dass die den Pfandbesitz
nicht selber ausübenden Banken sich nicht veranlasst gesehen hätten, vor
der Ausstellung einer Schlussquittung die Lagerhalterin oder die Beklagte
über das Erlöschen ihrer vorgehenden Pfandrechte zu orientieren. Sie hätten
wohl angenommen, die Lagerhalterin sei zweifellos von der Nachverpfändung
ebenfalls benachrichtigt worden.

Erwägung 4

    4.- Endlich ist Art. 886 ZGB nicht dahin auszulegen, im Fall einer
Besitzesstellvertretung durch einen Pfandhalter sei sowohl dieser wie auch
der durch ihn vertretene vorgehende Pfandgläubiger von der Nachverpfändung
zu benachrichtigen. Das Gesetz verlangt als Form der Nachpfandbestellung
eine einzige Anzeige, und diese ist nach dem Ausgeführten im gegebenen
Falle an den Pfandhalter zu richten. Wenn der Verpfänder sich nicht damit
begnügen will und daher noch weitere Personen benachrichtigt, so handelt
es sich um Vorsichtsmassnahmen, die über die gesetzlichen Erfordernisse
hinausgehen und für die Frage der formgültigen Nachpfandbestellung
unwesentlich sind. 5. - Zur Beurteilung der im angefochtenen Urteil offen
gelassenen weitern Voraussetzungen des streitigen Nachpfandrechtes bedarf
es ergänzender tatsächlicher Feststellungen. Die Angelegenheit ist daher
zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 64 OG).

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich, III. Zivilkammer, vom 12. September 1962 aufgehoben und
die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an das Obergericht
zurückgewiesen wird.