Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 III 69



89 III 69

15. Entscheid vom 2. Dezember 1963 i.S. Lehmann. Regeste

    Widerspruchsverfahren, Parteirollenverteilung (Art. 106 ff. SchKG).

    Ausschliesslicher Gewahrsam des Schuldners oder Mitgewahrsam der
Ehefrau an gepfändetem Vieh? Berücksichtigung der Mitarbeit der Ehefrau im
landwirtschaftlichen Betrieb und der auf ihren Namen lautenden Eintragung
des Viehs in der Tierverkehrskontrolle?

Sachverhalt

    A.- In der Betreibung Nr. 3715 pfändete das Betreibungsamt Mogelsberg
auf Begehren des Fiskus des Kantons Thurgau am 3. Juli 1963 beim Schuldner
Josef Lehmann, der Pächter eines landwirtschaftlichen Heimwesens ist,
unter anderem eine Kuh und ein Rind im Schätzungswert von insgesamt
Fr. 1500.-- . Nachdem der Schuldner die gepfändeten Tiere als Eigentum
seiner Frau bezeichnet und der Gläubiger die Eigentumsansprache
innert der ihm gemäss Art. 106 SchKG angesetzten Frist bestritten
hatte, setzte das Betreibungsamt der Ehefrau des Schuldners, mit
der dieser seit 1953 angeblich in vertraglicher Gütertrennung lebt,
am 26. August 1963 nach Art. 107 SchKG Frist zur Klage auf Anerkennung
ihres Eigentumsanspruchs. Hiegegen beschwerte sich Frau Lehmann beim
Bezirksgerichtspräsidenten von Untertoggenburg mit dem Antrag, die
angefochtene Verfügung sei aufzuheben und das Betreibungsamt anzuweisen,
dem Gläubiger Frist gemäss Art. 109 SchKG anzusetzen.

    B.- Der mit der Sache befasste Gerichtspräsident wies in seiner
Eigenschaft als untere Aufsichtsbehörde in Betreibungssachen die Beschwerde
am 17. Oktober 1963 ab, und zum gleichen Ergebnis gelangte am 9. November
1963 die obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und
Konkurs des Kantons St. Gallen.

    C.- Frau Lehmann rekurriert gegen diesen Entscheid an das
Bundesgericht.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Beim Streit über Rechte an beweglichen Sachen verteilen sich
die Parteirollen im Widerspruchsverfahren nach dem Gewahrsam an jenen
Sachen. Ist der Schuldner ausschliesslicher Gewahrsamsinhaber, so kommt
die Klägerrolle dem Drittansprecher zu (BGE 83 III 28). Hat dieser jedoch
den Gewahrsam oder teilt er ihn mit dem Schuldner, so hat der Gläubiger
gegen den ersteren zu klagen (BGE 87 III 12).

Erwägung 2

    2.- Im vorliegenden Falle ist unbestritten, dass der Schuldner
das gepfändete Vieh in seinem Gewahrsam hat. Streitig ist allein, ob
seine Ehefrau Mitgewahrsam habe. Sie behauptet das unter Hinweis auf
ihre Mitarbeit im landwirtschaftlichen Gewerbe und die auf ihren Namen
lautende Eintragung des Viehs in der Tierverkehrskontrolle.

    a) Die Angaben der Rekurrentin über ihre Mitarbeit bezeichnet
die Vorinstanz als blosse Behauptungen. Demgegenüber beschränkt sich
Frau Lehmann in ihrer Rekursschrift auf eine Wiederholung der alten
Vorbringen. Dass die Vorinstanz bestimmte Beweisangebote zu Unrecht
übergangen habe, macht sie nicht geltend und hätte sie übrigens auch nicht
mit Erfolg vorbringen können, nachdem sie im kantonalen Verfahren nie einen
Beweis für ihre Mitarbeit angetragen hat. Diese aber als selbstverständlich
anzunehmen, wie es die Rekurrentin möchte, geht umso weniger an, als nicht
entscheidend ist, ob sie überhaupt im Gewerbe arbeitet, sondern vielmehr,
wie sie das tut, ob in selbständiger Weise - mit Entscheidungs- oder
Mitsprachebefugnissen - oder bloss in abhängiger Stellung, als Gehilfin
ihres Mannes. Da das letztere die Regel ist, kann im Zweifel nicht das
erstere angenommen werden (s. BGE 68 III 180, 87 III 13). Jedenfalls ist
hier nicht bewiesen, dass die Rekurrentin im Gewerbe ihres Mannes eine
Tätigkeit ausübe, die ihr die Stellung einer Mitinhaberin des Gewahrsams
am Betriebsinventar zu verleihen vermöchte.

    b) Die Vorinstanz scheint der Frage, ob der Gläubiger Anlass hatte,
sich beim Viehinspektorat nach dem Eigentümer des Viehs zu erkundigen,
Bedeutung beizumessen. Für den Ausgang der Sache ist es indessen ohne
Belang, was der Gläubiger sich bezüglich des Gewahrsams an dem gepfändeten
Vieh vorgestellt hat. Massgebend ist einzig, wie sich die Verhältnisse dem
Betreibungsbeamten darboten. Trotz Unkenntnis des Gläubigers wäre daher
Mitgewahrsam der Rekurrentin anzunehmen, wenn aus der Tierverkehrskontrolle
darauf geschlossen werden könnte. Das jedoch trifft nicht zu. Denn
während ein zusammen mit dem Gütertrennungsvertrag dem Führer des
Güterrechtsregisters eingereichtes Verzeichnis über das abgetrennte
Vermögen der Ehefrau eigens und ausschliesslich dazu bestimmt ist, die
Eigentumsverhältnisse kundzutun (s. BGE 68 III 180 f., 77 III 118, 87 III
12), kommt der Tierverkehrskontrolle in Bezug auf das Eigentum keinerlei
oder höchstens indizmässige Bedeutung zu (s. BGE 71 III 62, wo die Ehefrau
zudem als Eigentümerin des Bauernhofes im Grundbuch eingetragen war). Die
in Art. 36 der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz betreffend die
Bekämpfung von Tierseuchen vorgesehene Tierverkehrskontrolle (BS 9,
S. 280) dient nicht der Kundgebung der Eigentumsverhältnisse, sondern
der Feststellung der seuchenpolizeilich erheblichen Tatsachen. Zu diesen
gehört das Eigentum als solches nicht. Tatsächlich kann denn auch ohne
Nachteil für die Durchführung der seuchenpolizeilichen Aufgaben jemand
als Eigentümer in der genannten Kontrolle eingetragen sein, der es in
Wahrheit nicht ist.

Erwägung 3

    3.- Ist demnach davon auszugehen, dass die gepfändeten Tiere im
ausschliesslichen Gewahrsam des Schuldners sind, so wurde die Rekurrentin
zu Recht in die Klägerrolle verwiesen. Ihr Rekurs ist daher unbegründet.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.