Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 III 43



89 III 43

10. Entscheid vom 29. Juni 1963 i.S. Tutzer. Regeste

    Pfandausfallschein (Art. 158 Abs. 2 SchKG): Wem ist ein solcher
auszustellen nach Verwertung eines Grundstücks? Art. 120 VZG. (Erw. 1).

    Eigentümer-Schuldbrief als Faustpfand z.B. für ein Darlehen: Ersteigert
der Gläubiger selbst den Schuldbrief bei der Faustpfandverwertung, so wird
er Schuldbriefgläubiger und kann nun die Grundpfandforderung unabhängig
von der allfälligen Restforderung aus dem andern Rechtsverhältnis,
z.B. Darlehen, geltend machen. (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Fräulein Gachnang besass für eine Darlehensforderung von
Fr. 10'000.-- gegen Tutzer einen auf dessen Liegenschaft lastenden,
ihm selbst gehörenden Inhaberschuldbrief von Fr. 10'000.-- im 3. Range
zu Faustpfand. In der von ihr angehobenen Betreibung auf Verwertung
des Faustpfandes ersteigerte sie den Schuldbrief am 25. Oktober 1961
zum Preise von Fr. 1400.--, wovon Fr. 1209.90 als Nettoerlös auf ihre
Darlehensforderung entfielen, die sich in der folgenden Zeit durch
Abzahlungen bis zum 4. Dezember 1962 auf Fr. 7002.40 verringerte.

    B.- Das Pfandgrundstück gelangte seinerseits in einer von anderer
Seite angehobenen Betreibung am 8. Dezember 1962 zur Versteigerung. Auch
hier erhielt Fräulein Gachnang den Zuschlag, und zwar zum Höchstangebot
von Fr. 51'000.-- . Auf ihren Schuldbrief im 3. Range, dessen Betrag
in der Zwischenzeit auf Fr. 8000.-- herabgesetzt worden war, entfiel
nach Abzug der vorgehenden Pfandforderungen ein Betrag von Fr. 7839.30,
wovon Fr. 488.-- auf die Zinsen und Fr. 7351.30 auf das Schuldbriefkapital
verlegt wurden. Für den Ausfall von Fr. 648.70 stellte das Betreibungsamt
ihr am 28. Februar 1963 einen Pfandausfallschein aus.

    C.- Gestützt hierauf verlangte sie binnen Monatsfrist "Fortsetzung der
Betreibung". Das Betreibungsamt entsprach diesem Begehren durch Zustellung
einer Konkursandrohung.

    D.- Hierüber beschwerte sich der Schuldner in den kantonalen Instanzen
ohne Erfolg. Den Entscheid der obern kantonalen Aufsichtsbehörde vom
20. Mai 1963 zieht er an das Bundesgericht weiter mit dem erneuten Antrag,
die Konkursandrohung sei aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 158 Abs. 2 SchKG gibt der Pfandausfallschein dem
Gläubiger das Recht, binnen Monatsfrist die Betreibung je nach der Person
des Schuldners auf Pfändung oder Konkurs zu führen. Der vorliegende
Pfandausfallschein beruht auf dem Ergebnis einer Grundstücksverwertung,
die nicht auf Begehren der Rekursgegnerin durchgeführt wurde. Gleichwohl
war ihr nach Art. 120 VZG für den ungedeckt gebliebenen Betrag ihrer
Schuldbriefforderung ein Pfandausfallschein mit voller gesetzlicher Wirkung
auszustellen, da diese Forderung im rechtskräftigen Lastenverzeichnis
anerkannt worden war, und zwar als fällig infolge einer auf den 31 . Mai
1962 erfolgten Kündigung (vgl. BGE 85 III 141 Erw. 2).

Erwägung 2

    2.- Der Schuldner hat den Pfandausfallschein als solchen nicht
angefochten. Er will aber die Rechtswirkungen des Art. 158 Abs. 2 SchKG
deshalb nicht gelten lassen, weil unter den vorliegenden Umständen eine
persönliche Schuldpflicht für den Ausfall nicht bestehe oder wenigstens
ernsthafte Einwendungen gegen die Annahme einer solchen Schuldpflicht
gegeben seien. Die Gläubigerin habe sich nämlich für ihr Darlehen volle
Deckung verschafft, indem sie mittels des ersteigerten Schuldbriefes
dann bei der Grundstücksverwertung einen die restliche Darlehensforderung
übersteigenden Betrag erzielt habe.

    Dieser Betrachtungsweise ist nicht beizustimmen. Wie die Vorinstanz
in richtiger Weise ausführt, bestand die von der Darlehensgläubigerin
ersteigerte Schuldbriefforderung selbständig neben dem restlichen
Darlehensbetrag, so dass nun auch der auf diesem Schuldbrief bei
der Grundstücksverwertung entstandene Ausfall geltend gemacht werden
kann, gleichgültig auf wieviel sich die restliche Darlehensschuld noch
beläuft. Die Rekursgegnerin hatte den Schuldbrief zunächst bloss als
Faustpfand erhalten; Eigentümer des Schuldbriefes war der Rekurrent
geblieben. Eine Betreibung auf Grundpfandverwertung stand daher der
Rekursgegnerin nicht zu; sie war darauf angewiesen, den Schuldbrief
als Faustpfand verwerten zu lassen (BGE 52 III 158). Ebenso wie ein
Dritter konnte hiebei sie selbst den Schuldbrief ersteigern, mit der
Folge, dass der Zuschlagspreis in seinem Reinbetrag als Erlös für die
Darlehensforderung zu verwenden war. Durch diese Verwertung war anderseits
das Faustpfandrecht abgelöst, so dass der Ersteigerer den Schuldbrief
als nicht mehr verpfändeten Grundpfandtitel erwarb. Infolgedessen stand
der Rekursgegnerin neben der restlichen Darlehensforderung die damit in
keiner Weise mehr zusammenhängende Schuldbriefforderung zu, die, als es zur
Grundstücksverwertung kam, im Lastenverzeichnis als fällige Forderung mit
Grundpfandrecht im 3. Rang anerkannt wurde. Gegen die Geltendmachung des
durch den Pfandausfallschein ausgewiesenen Grundpfandausfalles gemäss Art.
158 Abs. 2 SchKG lässt sich somit nichts daraus herleiten, dass der
auf diesen Schuldbrief entfallene Grundstückserlös die noch ausstehende
Darlehensforderung übersteige.

    Es ist nicht ersichtlich, weshalb die dem Schuldbrief eigene
persönliche Schuldpflicht (Art. 842 ZGB) im vorliegenden Fall untergegangen
sein sollte. Insbesondere ist nicht die Rede von der Einleitung eines
Nachlassverfahrens, das zur Abfindung der Rekursgegnerin mit einer
Nachlassdividende geführt hätte. Aus BGE 64 III 172 ff. kann der Rekurrent
unter diesen Umständen nichts gegen die Konkursandrohung herleiten.

    Dem Rekurrenten ist freilich zuzugeben, dass die Verwertung
eines Eigentümerpfandtitels als Faustpfand oder auch infolge Pfändung
mitunter zu einem unbefriedigenden Ergebnis führt, sei es, dass bei
der gesonderten Verwertung des Pfandtitels und dann nochmals bei einer
spätern Grundstücksverwertung Ausfälle entstehen, sei es, dass der
Ersteigerer des Pfandtitels dann bei der Grundstücksverwertung einen
unangemessenen Gewinn erzielt (was namentlich dann, wenn der Pfandtitel
ins Eigentum des Gläubigers, der ihn als Faustpfand besass, gelangt ist,
als stossend erscheinen kann; vgl. OFTINGER, N. 141 und 141 a zu Art. 901
ZGB mit Hinweisen). Allein dies ist (was auch der soeben angeführte
Autor anerkennt) eine unvermeidliche Folge der gesonderten Verwertung
von Eigentümerpfandtiteln, die zu vollem Eigentums- und Gläubigerrecht
auf den Ersteigerer, und sei es auch der betreibende Faustpfandgläubiger,
übergehen. Eine solche gesonderte Verwertung ist grundsätzlich zulässig;
insbesondere entspricht sie den mit dem Faustpfandrecht an Wertpapieren
verbundenen Verwertungsbefugnissen, und im übrigen lässt sich in manchen
Fällen eine nachfolgende Grundstückverwertung vermeiden, was namentlich
im Interesse des Schuldners liegen kann (vgl. BGE 65 III 33 ff.). Immerhin
tragen verschiedene Vorschriften des Betreibungs- und Konkursrechts Sorge
dafür, dass Eigentümerpfandtitel nicht gesondert verwertet werden, wenn
es ohnehin zur Verwertung des Grundstücks kommen muss (vgl. Art. 76 KV,
Art. 35 und 126 VZG). Eine solche Sachlage war aber nicht gegeben, als
der hier in Frage stehende Schuldbrief als Faustpfand verwertet wurde,
wie denn auch der Steigerungserwerb der Rekursgegnerin unangefochten blieb.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.