Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 III 36



89 III 36

8. Auszug aus dem Entscheid vom 11. Mai 1963 i.S. Keller. Regeste

    Forderungsuberweisung. Kostenabzug. Art. 131 Abs. 2 SchKG.

    Auslagen, die der nach Art. 131 Abs. 2 SchKG vorgehende
Gläubiger vom Ergebnis der Eintreibung abziehen kann. Befugnis des
Drittschuldners zur Bestreitung dieser Auslagen verneint, Legitimation
des Betreibungsschuldners dagegen bejaht.

Sachverhalt

    A.- Die Kredit- und Verwaltungsbank Zug AG liess sich in der
Betreibung Nr. 155 des Betreibungsamtes Altnau gegen Eugen Keller den
gepfändeten Lohnanspruch von Fr. 3'327.55 gegenüber Frau Paula Keller,
der Ehefrau des Betreibungsschuldners, zur Eintreibung abtreten. Das
Obergericht des Kantons Thurgau schützte diese Forderung am 14. Juni 1962
im reduzierten Betrag von Fr. 1'540.-- nebst Zins zu 5% seit 3. Oktober
1960. Die klägerische Bank erhielt im Prozess eine Parteienschädigung von
Fr. 700.-- zugesprochen, während umgekehrt der beklagten Lohnschuldnerin
für die Hälfte der Gerichtskosten von insgesamt Fr. 311.40 der Rückgriff
auf die Klägerin eingeräumt wurde.

    Am 31. Oktober 1962 zahlte Frau Keller der Kredit- und Verwaltungsbank
Zug AG Fr. 2'243.70 (zugesprochene Forderung Fr. 1'540.-- + Zins Fr. 159.40
+ Parteientschädigung Fr. 700.-- minus 1/2 der zweitinstanzlichen
Gerichtskosten Fr. 155.70), worauf diese dem Betreibungsamt Altnau eine
Aufstellung ihrer gesamten Gerichts- und Anwaltskosten im Betrage von
Fr. 1'903.90 zustellte mit dem Begehren, den genannten Betrag an der
bezahlten Entschädigung von Fr. 2'243.70 in Abzug zu bringen und lediglich
die Restanz von Fr. 339.80 als Ergebnis der Betreibung zu vermerken. Dem
entgegen setzte das Betreibungsamt im Pfändungsverlustschein gegen Eugen
Keller vom 4. Dezember 1962 als Ergebnis der Betreibung den Betrag von
Fr. 1'540.-- ein. Hiegegen erhob die Kredit- und Verwaltungsbank Zug AG
am 12. Dezember 1962 Beschwerde.

    B.- Mit Entscheid vom 22. März 1963 schützte das Gerichtspräsidium
Kreuzlingen die Beschwerde und wies das Betreibungsamt an, der Gläubigerin
kostenlos einen neuen Verlustschein auszustellen, in welchem der
anzurechnende Überschuss der Betreibung auf Fr. 339.80 anzusetzen sei.

    Eine von Eugen Keller eingereichte Beschwerde wurde am 24. April
1963 von der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde abgewiesen, im
wesentlichen mit folgender Begründung: Art. 131 Abs. 2 SchKG spreche
ohne jede Einschränkung davon, dass der Gläubiger, der eine Forderung
zur Eintreibung übernommen habe, zunächst seine Auslagen vom Ergebnis in
Abzug bringen könne. Demgemäss seien im vorliegenden Falle Fr. 1'903.90
abzuziehen. Dass die Gläubigerin im Prozess gegen die Lohnschuldnerin
nur Fr. 700.-- Parteientschädigung zugesprochen erhalten habe, beruhe
darauf, dass sie mit ihrem Begehren nur teilweise durchgedrungen sei.
Das ändere aber nichts daran, dass ihr tatsächlich für Fr. 1'903.90
Auslagen entstanden seien, welcher Betrag im Betreibungsverfahren gegen
Eugen Keller in Rechnung zu stellen sei; für die Beziehungen zwischen
diesem und der Betreibungsgläubigerin könne die im Prozess zwischen
Frau Keller und der Kredit- und Verwaltungsbank Zug AG gesprochene
Prozessentschädigung nicht massgebend sein. Es sei überdies nicht Aufgabe
des Betreibungsamtes, die geltend gemachten Auslagen zu kürzen. Vielmehr
sei es Sache der Gläubiger, den Kollokationsplan anzufechten, wenn sie
jene Auslagen als zu hoch erachteten. Der im Verlustschein zu vermerkende
Überschuss in der Betreibung betrage somit Fr. 339.80.

    C.- Eugen Keller und seine Ehefrau rekurrieren gegen diesen Entscheid
an das Bundesgericht mit dem Antrag, der Beschluss der oberen kantonalen
Aufsichtsbehörde sei aufzuheben und die Beschwerde der Kredit- und
Verwaltungsbank Zug AG abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Durch den angefochtenen Entscheid ist Frau Keller nicht
beschwert. Unbekümmert darum, wieviel in dem gegen ihren Ehemann
ergangenen Pfändungsverlustschein als Ergebnis der Betreibung und damit
als ungedeckt gebliebener Betrag vermerkt ist, hat sie als Arbeitgeberin
und Lohnschuldnerin ihres Mannes in Zukunft jedenfalls nicht mehr als den
gepfändeten Lohnanteil zu bezahlen. Da der Beschluss der oberen kantonalen
Aufsichtsbehörde nicht die Lohnpfändung, sondern ausschliesslich die Frage
betrifft, was die Betreibungsgläubigerin von dem im Verfahren gegen Eugen
Keller erzielten Betreibungsergebnis an Auslagen in Abzug bringen darf,
wurde somit die Rekurrentin durch den angefochtenen Entscheid in ihren
rechtlich geschützten Interessen nicht verletzt. Auf ihr Rechtsmittel
ist daher mangels Legitimation nicht einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Anders verhält es sich mit dem Rekurs des Betreibungsschuldners
Keller. Der angefochtene Entscheid will zwar das Recht auf Bestreitung
der von einem nach Art. 131 Abs. 2 SchKG vorgehenden Gläubiger geltend
gemachten Auslagen nur den andern an der Pfändung teilnehmenden Gläubigern,
nicht aber auch dem Schuldner einräumen. Danach wäre für die Berechnung
der Verlustscheinsforderung - vorbehältlich einer den andern Gläubigern
zustehenden Kollokationsklage - unbesehen auf die vom eintreibenden
Gläubiger eingereichte Rechnung über seine Kosten und Auslagen abzustellen,
und dem Schuldner bliebe bloss die Möglichkeit einer Rückforderungsklage,
wenn er nicht einer zwangsweisen Eintreibung einer derart berechneten
Verlustscheinsforderung im Weg der Feststellungsklage zuvorzukommen
vermocht haben sollte. Ihn jedoch auf diesen Umweg zu verweisen und von
einer direkten Abwehr ungerechtfertigter Kostenforderungen auszuschliessen,
geht nicht an.

    Wo über die Kostenforderung des eintreibenden Gläubigers noch
keine richterliche Entscheidung ergangen ist, weil die Eintreibung ohne
Inanspruchnahme des Richters möglich war, mag es als taugliches Mittel zur
Wahrung der berechtigten Interessen des Schuldners erscheinen, diesem eine
Klagefrist zu setzen, nach deren unbenütztem Ablauf die Kostenforderung
als anerkannt zu gelten hätte (s. den Entscheid der Aufsichtsbehörde von
Basel-Stadt vom 18. April 1939, SJZ 36, S. 367). Dort aber, wo, wie im
vorliegenden Falle, der Drittschuldner gerichtlich belangt werden musste,
ist dieser Weg nicht gangbar.

    Der im Prozess gegen den Drittschuldner ergangene Kostenentscheid
ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht eine "res inter
alios acta". Der eintreibende Gläubiger hat auch die Interessen
des Betreibungsschuldners zu wahren und haftet ihm für schuldhaft
zugefügten Schaden (s. JÄGER, Kommentar, N. 11 zu Art. 131). Dieser
Rechtslage entspricht es, dem Gläubiger den Abzug nur derjenigen
Kosten am Prozessergebnis zu gestatten, deren Ersatz ihm der Richter
im Prozess gegen den Drittschuldner zugesprochen hat. Will er, wie
hier, behaupten, die Zusprechung nur eines Teils seiner Kosten habe
der Betreibungsschuldner durch mangelhafte Unterstützung im Prozess
oder gar arglistig verschuldet, so muss er für den Rest seiner Auslagen
den Rechtsweg gegen diesen beschreiten. Ihm dafür eine Frist zu setzen,
besteht kein Anlass. Einstweilen soll er sich mit dem Abzug des ihm bereits
zugesprochenen Kostenersatzes begnügen und den verbleibenden Teil seiner
Auslagen in einem neuen Verfahren geltend machen. Es liegt denn auch in
seinem eigenen Interesse, vorläufig einmal den Verlustschein ohne Rücksicht
auf den streitigen Kostenbetrag ausgehändigt zu erhalten. Dabei versteht
sich von selbst, dass das Gesagte nur im Verhältnis zwischen eintreibendem
Gläubiger und Schuldner gilt. Im Verhältnis mehrerer Gruppengläubiger
unter sich ist ein Streit über die Inkassokosten im Kollokationsverfahren
auszutragen.

    Im vorliegenden Falle rechtfertigt sich die genannte Lösung umso
mehr, als die Gläubigerin den für sie ungünstigen Kostenentscheid
selber verschuldet hat. Nach den im Forderungsprozess getroffenen
Feststellungen waren infolge ihrer Saumseligkeit nur gerade die vom
Obergericht zugesprochenen Fr. 1'540.-- gültig gepfändet, so dass sie
ohnehin nicht mehr fordern konnte.