Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 I 276



88 I 276

44. Urteil vom 26. Oktober 1962 i.S. Kyburz gegen
Eidg. Volkswirtschaftsdepartement. Regeste

    Kontingentierung der Einfuhr von Schlachtvieh und Fleisch. Die
sog. Prioritätsordnung (Art. 10 Abs. 2 Satz 4 der Verordnung des
Bundesrates betreffend Schlachtviehmarkt und Fleischversorgung vom
30. Dezember 1953) geht über den Rahmen der dem Bundesrat durch das
Landwirtschaftsgesetz delegierten Kompetenz hinaus.

Sachverhalt

    A.- Das Bundesgesetz über die Förderung der Landwirtschaft und
die Erhaltung des Bauernstandes (Landwirtschaftsgesetz) vom 3. Oktober
1951 (LandwG, in AS 1953 S. 1073) ermächtigt in Art. 117 den Bundesrat
allgemein, Ausführungsbestimmungen zu erlassen, die zum Vollzug dieses
Gesetzes erforderlich sind, und bestimmt im besonderen in Art. 23 Abs.
1 lit. a: "Sofern der Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu Preisen,
die nach den Grundsätzen dieses Gesetzes angemessen sind, durch die
Einfuhr gefährdet wird, ist der Bundesrat befugt, unter Rücksichtnahme
auf die anderen Wirtschaftszweige die Einfuhr gleichartiger Erzeugnisse
mengenmässig zu beschränken."

    Gestützt auf diese gesetzlichen Vorschriften hat der Bundesrat
in Art. 6 ff. der Verordnung betreffend Schlachtviehmarkt und
Fleischversorgung (Schlachtviehordnung) vom 30. Dezember 1953 (SVO, in AS
1953 S. 1172) die Einfuhr von Schlachtvieh und Fleisch der Kontingentierung
und der Bewilligungspflicht unterstellt. Art. 10 SVO bestimmt, dass
Einfuhrbewilligungen nach Massgabe der Einzelkontingente erteilt werden
(Abs. 1). Er enthält Vorschriften darüber, wie die Einzelkontingente
der Einfuhrberechtigten (Metzger, Viehhändler usw.) zu bemessen sind
(Abs. 2-4). Grundlage der Berechnung der Einzelkontingente für die in
Art. 9 Abs. 1 lit. a SVO aufgezählten Kategorien von Schlachtvieh und
Fleisch ist der Umsatz, den der Einfuhrberechtigte in einer bestimmten
Stichzeit - in der Regel in drei Jahren - erzielt hat (Art. 10 Abs. 2
Satz 3 und Abs. 4 SVO). "Dabei soll der Umsatz an Orten mit geringer
Produktion und grossem Verbrauch stärker ins Gewicht fallen" (Art. 10
Abs. 2 Satz 4 SVO).

    Die in dieser Bestimmung vorgesehene sog. Prioritätsordnung
wird verwirklicht dadurch, dass bei der Kontingentszuteilung der
vom Einfuhrberechtigten erreichte Umsatz je nach der Einstufung des
Betriebsortes (Ortes der Schlachtung) verschieden berücksichtigt wird. Für
Schlachtschweine wurden fünf Stufen mit Berücksichtigung zu 100% in der
ersten bis 20% in der fünften Stufe gewählt. Für grosses Schlachtvieh und
Schlachtkälber bestanden zuerst vier Stufen mit Berücksichtigung zu 100%
in der ersten bis 25% in der vierten Stufe; seit 1. August 1958 sind es
neun Stufen mit Berücksichtigung zu 100% in der ersten bis 33,3% (Bankvieh
und -fleisch) bzw. 38,5% (Wurstvieh und -fleisch) in der neunten Stufe.

    Ein von Metzgern der unteren Stufen gebildeter "Kampfausschuss" strebt
die Aufhebung der Prioritätsordnung an. Er stützt sich auf Gutachten
der Professoren H. Marti und G. Roos in Bern vom 24. und 27. August
1960, worin diese Ordnung als verfassungs- und gesetzwidrig bezeichnet
wird. Dagegen verteidigt eine "Interessengemeinschaft" von Metzgern der
oberen Stufen die Prioritätsordnung unter Berufung auf ein Gutachten des
Professors M. Imboden in Basel vom 23. September 1960.

    B.- Adolf Kyburz, Metzgermeister in Oberkulm, ersuchte Anfang 1961
erstmals um Zuerkennung von Einfuhrkontingenten für bestimmte Kategorien
von Schlachtvieh und Fleisch. Die Schweizerische Genossenschaft für
Schlachtvieh- und Fleischversorgung (GSF) gab ihm im Auftrage der Abteilung
für Landwirtschaft des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements die
für ihn ab 1. Juli 1961 geltenden Kontingente bekannt. Sie sind auf Grund
seiner Umsätze und nach Massgabe der Prioritätsordnung - wonach Oberkulm
in niedrigen Stufen eingereiht ist - berechnet.

    Kyburz führte Beschwerde beim Volkswirtschaftsdepartement mit dem
Begehren, sein Kontingent sei ohne Anwendung der Prioritätsordnung
zu berechnen. Das Departement wies die Beschwerde ab (Entscheid vom
6. November 1961).

    C.- Hiegegen hat Kyburz Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben, in
welcher er den dem Departement gestellten Antrag erneuert.

    Er macht geltend, man habe die Prioritätsordnung seinerzeit eingeführt
in der Meinung, sie sei zur Sicherstellung der Fleischversorgung
der grossen Konsumzentren notwendig. Seither hätten sich jedoch die
Verhältnisse auf dem Schlachtviehmarkt wesentlich geändert, indem die
Preise der eingeführten Waren mehr und mehr gesunken und diejenigen
der einheimischen Produkte gleicher Qualität gestiegen seien. Heute
und auch in der überschaubaren Zukunft habe die Prioritätsordnung kein
Versorgungsproblem mehr zu lösen; sie beeinträchtige nun ohne zureichenden
Grund die Wettbewerbsfähigkeit der den unteren Stufen zugeteilten
Betriebe. Sie dürfe bei der Bemessung der Einzelkontingente nicht mehr
berücksichtigt werden, da sie unter den heute gegebenen Umständen gegen
Art. 31 BV - das Gebot der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen und
den Grundsatz der Verhältnismässigkeit der behördlichen Massnahmen -
verstosse und die Grenzen der dem Bundesrat im Landwirtschaftsgesetz
erteilten Verordnungskompetenz überschreite.

    Der Beschwerdeführer hat den Entscheid des Departements auch mit
Verwaltungsbeschwerde beim Bundesrat angefochten.

    D.- Das Departement schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    E.- Eine Delegation des Bundesgerichts hat Zeugen einvernommen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer hat die Zuerkennung eines Einfuhrkontingents
für Schlachtvieh und Fleisch nach Massgabe der von ihm erzielten Umsätze
und ohne Berücksichtigung der Prioritätsordnung verlangt. Indessen hat
ihm die Verwaltung das Kontingent nicht in dem von ihm beanspruchten
Umfange zugeteilt, weil sie seine Umsätze nicht voll, sondern gemäss
der Prioritätsordnung nur zu einem beschränkten Prozentsatz in Rechnung
gestellt hat. Damit hat sie ihm eine auf Grund des Landwirtschaftsgesetzes
und darauf beruhender Vorschriften der Schlachtviehordnung nachgesuchte
Bewilligung teilweise verweigert. Der die Verweigerung bestätigende
Entscheid des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements unterliegt
- wie Bundesgericht und Bundesrat im Meinungsaustausch festgestellt
haben - nach Art. 107 lit. a LandwG und Art. 28 Abs. 2 SVO der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, so dass gemäss Art. 126 lit. a OG und
Art. 109 Abs. 2 LandwG die Beschwerde an den Bundesrat ausgeschlossen ist.

Erwägung 2

    2.- Der Bundesrat hat die Vorschriften in Art. 6 ff. SVO über die
mengenmässige Beschränkung (Kontingentierung) der Einfuhr von Schlachtvieh
und Fleisch gestützt auf das Landwirtschaftsgesetz erlassen. Das
Bundesgericht ist an dieses Gesetz gebunden (Art. 113 Abs. 3, Art. 114bis
Abs. 3 BV). Es hat nicht nachzuprüfen, ob das Gesetz verfassungsmässig sei,
insbesondere nicht, ob es durch Art. 31 bis Abs. 3 lit. b BV gedeckt sei,
wonach der Bund, wenn das Gesamtinteresse es rechtfertigt, befugt ist,
nötigenfalls in Abweichung vom Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit
(Art. 31 BV), Vorschriften zur Erhaltung eines gesunden Bauernstandes
und einer leistungsfähigen Landwirtschaft aufzustellen. Ebenso sind jene
Verordnungsbestimmungen für den Richter massgebend, soweit sie sich in den
Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Gesetzgebungskompetenz
halten; denn in diesem Umfang nehmen sie an der Verbindlichkeit des
Gesetzes teil. Sie können vom Gericht nur daraufhin überprüft werden,
ob sie über den durch die Delegation gezogenen Rahmen hinausgehen (BGE
68 II 318; 87 I 321, 435; 87 IV 33).

    Nach Art. 6 SVO wird die Einfuhr von Schlachtvieh und Fleisch
mengenmässig beschränkt, solange die in Art. 23 LandwG erwähnten
Voraussetzungen erfüllt sind, d.h. solange die vollständige Freigabe der
Einfuhr den Absatz gleichartiger einheimischer Produkte zu angemessenen
Preisen gefährden würde. Es steht fest und wird vom Beschwerdeführer
nicht bestritten, dass diese Voraussetzungen heute wie schon bisher
gegeben sind und weiterhin sein werden. Daher ist klar, dass der
in Art. 6 SVO aufgestellte Grundsatz der Kontingentierung durch die
gesetzliche Delegationsnorm (Art. 23 Abs. 1 LandwG) gedeckt ist, was der
Beschwerdeführer auch nicht bestreitet.

    Dagegen behauptet der Beschwerdeführer, die in Art. 10 Abs. 2 Satz
4 SVO vorgesehene Prioritätsordnung sei gesetzwidrig und dürfe daher
nicht angewendet werden. Die Gesetzmässigkeit der übrigen im vorliegenden
Fall in Betracht kommenden Bestimmungen der Schlachtviehordnung über die
Durchführung der Kontingentierung ist nicht bestritten, und der Gerichtshof
hat keinen Anlass, an ihr zu zweifeln.

Erwägung 3

    3.- Die Prioritätsordnung betrifft die Frage, nach welchem Schlüssel
die freigegebenen Importmengen auf die einzelnen Einfuhrberechtigten
zu verteilen sind. Das Landwirtschaftsgesetz gibt dem Bundesrat keine
bestimmten Anweisungen hiefür, sondern lässt ihm in dieser Beziehung
einen Spielraum des Ermessens. Da das Bundesgericht nicht sein Ermessen
an die Stelle desjenigen des Bundesrates treten lassen kann, hat es sich
auf die Prüfung zu beschränken, ob die umstrittene Verordnungsvorschrift
offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten
Kompetenz herausfalle (BGE 68 II 95, 318; 84 IV 76).

    In dem Umfange, als der Bundesrat die Kontingentierung im
einzelnen nach Ermessen ordnen konnte, hatte er das allgemeine
Gebot der Rechtsgleichheit zu beachten (Urteil vom 9. Oktober 1959
i.S. Genossenschaft Vereinigte Schlachtviehhändler von Zürich und Umgebung,
nicht publiziert). Dabei hatte er darauf Bedacht zu nehmen, dass nach dem
Landwirtschaftsgesetz (Art. 23 und 29) die Kontingentierung den Absatz
der Erzeugnisse der einheimischen Landwirtschaft zu angemessenen Preisen
sichern soll und bei ihrer Durchführung auf die Interessen der anderen
Wirtschaftszweige und der übrigen Bevölkerungsschichten Rücksicht zu
nehmen ist, entsprechend den allgemeinen Zielen des Gesetzes, die nach der
(mit Art. 31bis Abs. 3 lit. BV übereinstimmenden) Umschreibung in seinem
Ingress darin bestehen, "einen gesunden Bauernstand und im Dienste der
Landesversorgung eine leistungsfähige Landwirtschaft zu erhalten und
sie unter Wahrung der Interessen der schweizerischen Gesamtwirtschaft
zu fördern". Nach diesen Gesichtspunkten ist zu untersuchen, ob die
Prioritätsordnung offensichtlich sachwidrig, unhaltbar sei (vgl. BGE 84
I 105). Ist dies zu bejahen, so muss angenommen werden, dass sie durch
die gesetzliche Delegationsnorm nicht gedeckt ist.

Erwägung 4

    4.- Wie in einem Bericht der GSF vom 13. April 1962 dargelegt ist,
bestand in der Schweiz in den ersten Jahren nach dem letzten Weltkrieg die
allgemeine Tendenz, importiertes Schlachtvieh und Fleisch vorwiegend in
den grossen Konsumzentren zu verteilen und zu verkaufen. Damals waren die
Einstandspreise für inländische Ware und gleichwertige Importware praktisch
gleich hoch, und zudem vermochte die Qualität der Importware nicht immer zu
befriedigen. Vor allem aus diesen Gründen zeigten die Metzger auf dem Lande
kein oder nur ein mässiges Interesse für die Importware. Infolgedessen
wurden die ländlichen Gebiete überwiegend mit einheimischer Ware
versorgt und waren die grossen Verbrauchszentren in weitem Umfange auf
die Importware angewiesen. Es erschien deshalb den beteiligten Kreisen,
auch der ländlichen Metzgerschaft, als angezeigt, diese Zentren bei der
Zuteilung der Importware etwas zu bevorzugen. So kam im Jahre 1951 eine
privatrechtliche Vereinbarung über eine Prioritätsordnung zustande, und
diese Regelung wurde dann in die Schlachtviehordnung von 1953 übernommen.

    Seither stiegen die Einstandspreise für einheimisches Schlachtvieh und
Fleisch nach und nach, während die Importware teilweise, namentlich infolge
einer Zollsenkung, billiger wurde und auch in besserer Qualität als früher
erhältlich war. Nach dem erwähnten Bericht und Zeugenaussagen kostet heute
den Metzger das ausländische Wurstfleisch durchschnittlich rund Fr. 3. -
je kg, das inländische gleicher Qualität dagegen rund Fr. 2.50 mehr,
und für andere Warenkategorien werden ebenfalls beträchtliche, wenn
auch etwas geringere Preisunterschiede angegeben. Die Prioritätsordnung
wirkt sich daher nun in der Weise aus, dass die in den unteren Stufen
eingereihten Metzgereien für Schlachtvieh und Fleisch erheblich mehr
als die den oberen Stufen zugeteilten aufwenden müssen. So beträgt nach
jenem Bericht in einem Betrieb, der im Jahr 200 Wursttiere schlachtet,
der jährliche Gesamtaufwand für Wurstfleisch in der ersten Stufe
Fr. 175'480. - und in jeder folgenden Stufe rund 1,25% mehr; in der
neunten Stufe erreicht er Fr. 192'730. -. Diese Differenzen sind, wie in
dem Bericht weiter ausgeführt wird, angesichts der Verdienstverhältnisse
in der Metzgereibranche bedeutend. Dazu kommt, dass der Konkurrenzkampf
in dieser Branche sich in der letzten Zeit durch das Eingreifen gewisser
Grossverteilerorganisationen verschärft hat. Die Metzger der unteren
Stufen empfinden deshalb seit einigen Jahren die Prioritätsordnung als
ungerecht und streben ihre Beseitigung an.

    Das Departement ist jedoch der Auffassung, entscheidend sei, dass die
Prioritätsordnung im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Schlachtviehordnung
(1. Januar 1954) mit dem Gesetz im Einklang gestanden habe, da sie
damals zur Sicherstellung der Fleischversorgung der grossen Konsumzentren
notwendig gewesen sei. Sie sei auch heute noch gesetzmässig, weil die
Verhältnisse sich nicht wesentlich geändert hätten. Wohl seien allmählich
Preisunterschiede zwischen Inland- und Importware aufgetreten, doch
könnten sie sich alsbald wieder vermindern oder ganz verschwinden.

    Dieser Betrachtungsweise des Departementes kann der Gerichtshof
sich nicht anschliessen. Die Delegation der Gesetzgebungskompetenz an
den Bundesrat soll gerade auch die rasche Anpassung der Gesetzgebung an
veränderte Verhältnisse erleichtern. Wenn das Gesetz (z.B. Art. 23 LandwG)
die Ausübung der delegierten Kompetenz an bestimmte Voraussetzungen knüpft,
so bedeutet dies nicht bloss, dass der Bundesrat erst beim Vorliegen
der Voraussetzungen von seiner Kompetenz Gebrauch machen darf, sondern
auch, dass er die von ihm erlassenen Bestimmungen wieder aufheben muss,
sobald die Voraussetzungen wegfallen (vgl. Art. 6 Abs. 1 SVO, wonach die
Einfuhr von Schlachtvieh und Fleisch nach den Grundsätzen dieser Verordnung
mengenmässig beschränkt wird, "solange" die in Art. 23 LandwG erwähnten
Voraussetzungen erfüllt sind). Seit dem Erlass der Schlachtviehordnung
haben sich aber die Verhältnisse auf dem Schlachtviehmarkt insofern
wesentlich geändert, als bedeutende Preisunterschiede zwischen Import- und
Inlandwaren entstanden sind, und dabei wird es, wie entgegen der Meinung
des Departementes angenommen werden muss, in absehbarer Zeit bleiben.

    Die Streitfrage, ob die Prioritaätsordnung gesetzmässig sei, ist
mithin auf Grund der gegenwärtig bestehenden Verhältnisse zu prüfen.

Erwägung 5

    5.- a) Es wird geltend gemacht, die Prioritätsordnung sei deshalb
gerechtfertigt, weil vermutlich auch auf dem freien Markt der Anteil des
einzelnen Betriebes an der Importmenge dem am betreffenden Ort bestehenden
Verhältnis zwischen Verbrauch und einheimischer Produktion, also dem dort
vorhandenen Bedürfnis nach Importware, entsprechen würde. Sie stelle
auch heute noch die Fleischversorgung der Orte mit geringer Produktion
und grossem Verbrauch sicher. Sie füge sich daher dem Gesetz besser ein
als jede andere Art der Kontingentszuteilung; insbesondere sei sie der
Schlüsselung vorzuziehen, welcher einfach das Verhältnis der erzielten
Umsätze zugrunde gelegt wird.

    In der Tat wäre die Prioritätsordnung wohl als gesetzmässig anzusehen,
wenn anzunehmen wäre, sie liege im Interesse der Landesversorgung; denn
diese zu gewährleisten, ist eines der Ziele des Landwirtschaftsgesetzes,
wie sich aus seinem Ingress ergibt und in seinen Art. 23 und 29 bestätigt
wird. Indessen lässt sich die Prioritätsordnung unter diesem Gesichtspunkt
nicht rechtfertigen. Die gegenteilige Auffassung beruht auf unzutreffenden
tatsächlichen Voraussetzungen.

    Sie trägt der heute bestehenden Differenz zwischen den Einstandspreisen
der Inland- und der Importware, die mehrere Franken je kg erreichen
kann, nicht genügend Rechnung. Gerade dieser Unterschied bewirkt, dass
die Landmetzger in der Absicht, ihre Kosten zu senken, sich in grösserem
Umfange, als es nach der Prioritätsordnung möglich ist, mit eingeführter
Ware eindecken wollen und eben deshalb diese Ordnung bekämpfen. Dazu
kommt, dass das Bedürfnis der Metzger nach Importware, jedenfalls heute,
nicht vom Standort des Betriebes, sondern von dessen Umfang abhängt. Die
Transportmöglichkeiten sind besser geworden, und es gibt nun auf dem Lande
zahlreiche grössere Betriebe, die Fleisch auch in die Stadt liefern.
Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, dass die städtische
Metzgerschaft allgemein ein verhältnismässig grösseres Bedürfnis nach
Importware als die ländliche hat.

    Entsprechend verhält es sich mit den Bedürfnissen der Bevölkerung. Die
Annahme des Departements, dass ohne die Prioritätsordnung die Versorgung
der grossen Verbrauchszentren auch unter den heutigen Verhältnissen nicht
sichergestellt wäre, ist nicht bewiesen. Der erwähnte Bericht der GSF
bestätigt sie nicht; nach den Aussagen der einvernommenen Zeugen darf
im Gegenteil angenommen werden, dass die Versorgung dieser Zentren auch
ohne Prioritätsordnung gesichert ist. Die Importware kann, auf jeden Fall
heute, ebensogut in die ländlichen Gebiete wie in die Städte gelangen,
zumal nicht alle Städte an der Landesgrenze liegen.

    Das Departement weist zwar darauf hin, dass in den Städten mehr
Kühlraum als auf dem Lande zur Verfügung stehe. Das mag zutreffen, ist
aber unerheblich. Wenn auf dem Lande zu wenig Kühh.aum vorhanden ist,
so kann er vermehrt werden.

    b) Ferner sucht man die Prioritätsordnung mit der Überlegung zu
rechtfertigen, dass sie erlaube, die Verkaufspreise in den grossen
Konsumzentren niedrig zu halten und damit die Interessen der dortigen
Verbraucher zu wahren, also im Sinne des Landwirtschaftsgesetzes (Art. 29
Abs. 2) "auf die ökonomische Lage der übrigen Bevölkerungsschichten
Rücksicht zu nehmen". Aber auch dieses Argument ist nicht überzeugend.

    Zunächst befriedigt es insofern nicht, als es die Interessen der
ländlichen Konsumenten vernachlässigt. Wenn die Verkaufspreise wirklich
durch die Prioritätsordnung beeinflusst werden, so ist nicht einzusehen,
weshalb die städtischen Verbraucher gegenüber den ländlichen privilegiert
sein sollen. Freilich ist die Vermutung ausgesprochen worden, dass eine
bloss auf das Verhältnis der Umsätze gegründete Kontingentszuteilung
lediglich ein Ansteigen der Verkaufspreise in den grossen Zentren und
nicht auch eine Preissenkung auf dem Lande zur Folge hätte, "weil viele
der neu erhöhten Importquoten gar nicht ausgenützt werden könnten, sondern
auf dem Wege des Kontingentshandels indirekt - aber wegen des erzielten
Zwischengewinns mit kostenerhöhender Wirkung - wiederum in andere Hände
gingen". Indessen ist nicht sicher, dass die ländliche Metzgerschaft die
erhöhten Kontingente nicht voll ausnützen könnte; das Interesse, das sie
für eine Erhöhung bekundet, lässt eher auf das Gegenteil schliessen.

    Vor allem aber ist jenem Argument entgegenzuhalten, dass nicht die
ungleiche Verteilung der Einzelkontingente auf Stadt und Land gemäss
Prioritätsordnung, sondern das Gesamtkontingent eine Ermässigung der
Verkaufspreise bewirkt. Infolge der Prioritätsordnung ist allerdings der
Gestehungspreis von Ort zu Ort verschieden, und es ist möglich, dass
aus diesem Grunde die Verkaufspreise da und dort auseinandergehen. Im
grossen und ganzen bewirkt indessen die Einfuhr, dass die Verkaufspreise
sinken. Aber Grund dieser Ermässigung ist nicht die Prioritätsordnung,
sondern das Gesamtkontingent, dank dem Umstand, dass die eingeführte Ware
weniger als die einheimische kostet.

    c) Zur Rechtfertigung der Prioritätsordnung wird auch geltend gemacht,
sie verschaffe den Betrieben in den grossen Verbrauchszentren einen
gewissen Ausgleich für die Belastung mit "Frachten und anderen Kosten"
für die Beschaffung von Inlandvieh.

    Indessen ist zweifelhaft, ob es dem Sinn des Landwirtschaftsgesetzes
entspricht, den städtischen Betrieben lediglich deshalb, weil ihnen wegen
ihres Standortes Mehrkosten entstehen, höhere Einfuhrkontingente als den
ländlichen Betrieben zuzuteilen.

    Auf jeden Fall aber sind die Kosten der in Frage stehenden Transporte
verhältnismässig so gering, dass sie einen solchen Ausgleich offensichtlich
nicht zu rechtfertigen vermögen. Sie belasten nach Zeugenaussagen das
kg Fleisch (Schlachtgewicht) nur mit 5-10 Rp, während der Unterschied
zwischen den Einstandspreisen für Import- und Inlandware bedeutend
grösser ist, mehrere Franken erreichen kann. Jene Belastung fällt auch bei
Berücksichtigung der Tatsache, dass die Einfuhr bloss etwa 10% des gesamten
Bedarfs der schweizerischen Bevölkerung ausmacht, nicht ins Gewicht.

    Ebensowenig vermögen die "anderen Kosten" die Prioritätsordnung zu
rechtfertigen. Worin sie bestehen, wird nicht gesagt. Vermutlich handelt
es sich um Kosten von Einrichtungen, Löhne und Soziallasten. Aber die
Höhe solcher Aufwendungen wird weniger durch den Standort des Betriebes
als vielmehr durch dessen Umfang beeinflusst.

    d) Das Departement sucht sodann die Prioritätsordnung mit dem
Hinweis darauf zu verteidigen, dass sie eine tatsächliche Situation
sanktioniere, welche sich schon vor 1953 mit dem Einverständnis aller
Beteiligten herausgebildet habe. Wie erwähnt, haben sich aber seither die
Verhältnisse wesentlich geändert. Abgesehen hievon kommt es nicht darauf
an, wie die Beteiligten seinerzeit eingestellt waren, sondern darauf,
ob die Prioritätsordnung durch die gesetzliche Delegationsnorm gedeckt sei.

    e) Nach der Darstellung des Geschäftsführers der GSF hätten bei der
Aufstellung der Prioritätsordnung "im Untergrund" auch seuchenpolizeiliche
Erwägungen eine gewisse Rolle gespielt. Man habe, so wird erklärt, aus
solchen Überlegungen als erwünscht betrachtet, dass möglichst wenig fremdes
Fleisch aufs Land komme, und aus den gleichen Gründen müsse das eingeführte
lebende Schlachtvieh in einigen wenigen Zentren geschlachtet werden.

    Sofern dieser Gesichtspunkt für die Rechtfertigung der
Prioritätsordnung, welche wirtschaftspolitischen Charakter hat, nach dem
Landwirtschaftsgesetz überhaupt in Betracht gezogen werden kann, ist dies
aber jedenfalls unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht möglich. Nach
dem Ergebnis des Beweisverfahrens kann nicht angenommen werden, dass ohne
die Prioritätsordnung die Gefahr der Seuchenausbreitung grösser wäre. Das
Departement vertritt keinen anderen Standpunkt.

Erwägung 6

    6.- Aus vorstehenden Erwägungen geht hervor, dass die vom Bundesrat
in Art. 10 Abs. 2 SVO aufgestellte Prioritätsordnung Ungleichheiten
schafft, die sich offensichtlich unter keinem der nach Wortlaut und Sinn
des Landwirtschaftsgesetzes für die Durchführung der Kontingentierung
massgebenden Gesichtspunkte rechtfertigen lassen. Ist demnach klar,
dass die Prioritätsordnung über den Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz
delegierten Kompetenz hinausgeht, so darf sie bei der Berechnung des
Einzelkontingents für den Beschwerdeführer nicht angewendet werden.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid
aufgehoben. Das Einzelkontingent des Beschwerdeführers ist ohne
Berücksichtigung der Prioritätsordnung festzusetzen.