Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 I 213



88 I 213

36. Auszug aus dem Urteil vom 10. Oktober 1962 i.S. Grob gegen Gemeinderat
Henau und Regierungsrat des Kantons St. Gallen. Regeste

    Bodenverbesserung, Rückerstattung von Subventionen, Willkür.

    Parzellierung und Überbauung eines Grundstücks, das in eine
Güterzusammenlegung einbezogen war und mit einem Zerstückelungsverbot
gemäss Art. 12 bis des BRB vom 11. Februar 1941 über ausserordentliche
Bodenverbesserungen belastet ist. Darf die für diese Parzellierung
erforderliche Bewilligung auch ohne eine ausdrückliche Bestimmung, die
dies gestatten würde, davon abhängig gemacht werden, dass die von Bund,
Kanton und Gemeinde an die Güterzusammenlegung entrichteten Subventionen
zurückerstattet werden?

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    In der Gemeinde Henau (SG) wurde in den Jahren 1945/55 ein
Güterzusammenlegungs- und Bodenverbesserungsverfahren durchgeführt, auf
das der BRB über ausserordentliche Bodenverbesserungen vom 11. Februar
1941 (BS 9 S. 386) anwendbar war. In diese Melioration, die ein Gebiet
von rund 1000 ha umfasste und an die der Bund, der Kanton und die Gemeinde
Beiträge von zusammen rund 2,5 Millionen Franken entrichteten, wurde auch
der in Niederuzwil gelegene "Neuhof" einbezogen, der dem Beschwerdeführer
Grob gehört und aus zwei aneinanderstossenden Grundstücken bestand. Nach
Abschluss des Verfahrens wurden für alle Grundstücke im Meliorationsgebiet
Zerstückelungsverbote im Sinne von Art. 12 bis des genannten BRB im
Grundbuch angemerkt.

    Am 8. Mai 1961 ersuchte Grob den Regierungsrat des Kantons St. Gallen
um die Bewilligung, sein gesamtes Land im Ausmass von 698 a als Bauland
zu veräussern.

    Der Regierungsrat bewilligte die Aufteilung des Landes in Bauparzellen
gegen Rückerstattung der anteiligen Subventionen von 25 Rp. je m2 an das
Grundbuchamt Henau zuhanden der Berechtigten mit der Begründung: An solche
Bewilligungen sei nach feststehender Praxis die Bedingung zu knüpfen,
dass die Subventionen von Bund, Kanton und Gemeinde zurückzuerstatten
seien. Ob der "Neuhof" von der Melioration in grösserem oder geringerem
Masse Nutzen gezogen habe, könne für die Subventionsrückforderung
nicht ausschlaggebend sein. Auch andere Grundstücke seien nur gegen
Rückerstattung des anteiligen Subventionsbetreffnisses zur Überbauung
freigegeben worden. Eine unterschiedliche Festsetzung desselben nach
Massgabe tatsächlicher Vor- und Nachteile der Melioration wäre schon
praktisch ausgeschlossen.

    Gegen diesen Entscheid führt Grob staatsrechtliche Beschwerde
mit dem Antrag, die Verpflichtung, bei einem Landverkauf 25 Rp. je m2
zurückzuerstatten, sei aufzuheben. Er beruft sich auf Art. 4 BV und
macht u.a. geltend, diese Verpflichtung sei willkürlich und ermangle der
gesetzlichen Grundlage, da im Vollmachtenrecht jeder Hinweis auf eine
solche Rückerstattung fehle.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Nach dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung bedürfen
auch die einem Verwaltungsakt beigefügten Bedingungen und Auflagen einer
rechtlichen Grundlage (GIACOMETTI, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen
Verwaltungsrechts S. 368 und 373 ff.). Der Regierungsrat beruft sich
im angefochtenen Entscheid auf keine kantonalen Vorschriften, sondern
stützt sich ausschliesslich auf Art. 12 bis des BRB vom 11. Februar
1941. Dieser BRB enthält jedoch keine ausdrückliche Vorschrift über
die Rückerstattung von Subventionen noch bestimmt Art. 12 bis, die
Bewilligung von Ausnahmen vom Zerstückelungsverbot könne von der
Rückerstattung abhängig gemacht werden. Erst in den Art. 85/86 des
Landwirtschaftsgesetzes vom 3. Oktober 1951 (AS 1953 S. 1073) und 56
ff. der Bodenverbesserungs-Verordnung vom 29. Dezember 1954 (AS 1954
S. 76) finden sich im Zusammenhang mit dem Verbot der Zweckentfremdung
und Zerstückelung ohne behördliche Bewilligung auch Bestimmungen über
die Rückerstattung von Beiträgen. In einem Kreisschreiben des Bundesrates
vom 12. Juli 1955 an die Kantonsregierungen betreffend die Rückerstattung
von Bundesbeiträgen an Meliorationen (BBl 1955 II 208) wird indes unter
Hinweis auf frühere Kreisschreiben ausgeführt, dass auch die auf Grund
des BRB vom 11. Februar 1941 ausgerichteten Bundesbeiträge trotz Fehlens
einer dahingehenden ausdrücklichen Bestimmung zurückzuerstatten seien,
wenn ein subventioniertes Werk innert 15 Jahren nach seiner Vollendung
ganz oder teilweise der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen oder eine
Zerstückelung bewilligt wird oder ein Verkauf mit Gewinn erfolgt. Ob in
allen diesen Fällen eine Pflicht zur Rückerstattung der Beiträge nicht
nur des Bundes, sondern auch des Kantons und der Gemeinde besteht, braucht
nicht geprüft zu werden, da es jedenfalls nicht willkürlich ist, Ausnahmen
vom Zerstückelungsverbot des Art. 12 bis des BRB nur unter der Bedingung
zu bewilligen, dass die für die Bodenverbesserung und Güterzusammenlegung
ausgerichteten Subventionen zurückerstattet werden.

    Nach Art. 12 bis ist die Zerstückelung von Grundstücken, die in eine
Güterzusammenlegung einbezogen wurden, nur bei Vorliegen wichtiger Gründe
zulässig und bedarf es dazu der Genehmigung der kantonalen Regierung. Da
die wichtigen Gründe, welche die Zerstückelung rechtfertigen können,
in Art. 12 bis nicht näher umschrieben werden, muss den Behörden beim
Entscheid darüber ein weiter Spielraum des freien Ermessens eingeräumt
werden. Es fragt sich, ob dieses Ermessen nicht die Befugnis in sich
schliesst, die Erteilung der Ausnahmebewilligung an Bedingungen zu
knüpfen, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der Bewilligung stehen
(vgl. GIACOMETTI, aaO, A. R. HUBER, Verwaltungsrechtliche Auflagen und
Bedingungen S. 81). Zum mindesten dürfte sich diese Auffassung ohne Willkür
vertreten lassen. Die Frage kann indes offen bleiben, da der Rechtsgrund
der streitigen Rückerstattung im allgemeinen Rechtsgrundsatz erblickt
werden kann, dass Zuwendungen, die aus einem nicht verwirklichten oder
nachträglich weggefallenen Grund erfolgen, zurückzuerstatten sind. Dieser
Grundsatz, der für das Privatrecht in Art. 62 Abs. 2 OR ausgesprochen ist,
ist, wie jedenfalls ohne Willkür angenommen werden kann, auch im Bereich
des öffentlichen Rechts anwendbar, selbst wenn er in der einschlägigen
Gesetzgebung nicht ausdrücklich festgelegt ist (vgl. BGE 78 I 88 Erw. 1,
wo das Bundesgericht - mit freier Prüfung - angenommen hat, nach einem
allgemeinen, nicht auf das Privatrecht beschränkten Rechtsgrundsatz
habe derjenige, der aus Irrtum eine Nichtschuld bezahle, Anspruch
auf Rückerstattung des Geleisteten). Nun waren die Beiträge, mit denen
Meliorationen auf Grund des BRB vom 11. Februar 1941 unterstützt wurden,
dazu bestimmt, den landwirtschaftlichen Ertrag der einbezogenen Grundstücke
zu steigern und damit die Lebensmittelerzeugung zu vermehren (Art. 1
des BRB). Dieser Grund der Beiträge wird nicht verwirklicht bzw. fällt
nachträglich weg, wenn ein Grundstück unmittelbar nach Abschluss der
Melioration oder einige Jahre später der landwirtschaftlichen Nutzung
entzogen, in Bauparzellen aufgeteilt und überbaut wird. Unter diesen
Umständen ist es zum mindesten nicht willkürlich, wenn die zuständigen
Behörden die für eine solche Zerstückelung erforderliche Bewilligung
auch ohne eine ausdrückliche Bestimmung, die das erlauben würde,
nur unter der Bedingung erteilen, dass die von Bund, Kanton und
Gemeinde gewährten Beiträge zurückerstattet werden. Der Regierungsrat
erklärt denn auch in der Beschwerdeantwort, dass bei der Freigabe von
Grundstücken im Meliorationsgebiet Henau zu Bauzwecken regelmässig die
anteilmässigen Beiträge zurückverlangt werden und dass eine rechtsungleiche
Behandlung vorliegen würde, wenn dem Beschwerdeführer keine entsprechende
Verpflichtung auferlegt würde. Damit ist auch die in der Beschwerde
erhobene Rüge der Verletzung der Rechtsgleichheit widerlegt.