Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 I 145



88 I 145

25. Auszug aus dem Urteil vom 10. Juli 1962 i.S. Buser und Konsorten gegen
Einwohnergemeinde Sissach und Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft.
Regeste

    Zonenplan. Rechtsungleiche Behandlung.

    Darf ein Zonenplan eine grössere als für das übrige Gebiet einer Zone
geltende Bodenausnützung vorsehen für ein Grundstück, dessen Eigentümer auf
die Verwirklichung eines nach den bisherigen Zonenvorschriften zulässigen
Bauprojektes verzichtet hat im Hinblick auf die daraufhin in Angriff
genommene Revision des Zonenplans und im Vertrauen auf die in der Folge
nicht eingehaltene behördliche Zusicherung über die nach dem revidierten
Zonenplan zulässige Ausnützung.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Im Dorfe Sissach befindet sich ein etwa 170 m langes und 130 m breites
Gebiet, das von der Hauptstrasse und zwei weiteren Strassen durchschnitten
wird und aus etwa 32 Parzellen besteht, auf denen ältere Bauten stehen.

    Am 8. September 1961 stellte die Einwohnergemeindeversammlung
von Sissach für dieses Gebiet einen Teilzonenplan, ein dazugehöriges
Teilzonenreglement sowie einen "Richtplan für Ausnahmen" auf, nach
welchen die Nutzungsziffer (Verhältnis der Nutzfläche des Baukörpers
zur Parzellenfläche) für drei der Firma Wimag AG gehörende Parzellen 98%
und für das übrige Zonengebiet 80% beträgt.

    Gegen diese Erlasse erhoben 21 Grundeigentümer Einsprachen, mit
denen sie u.a. die der Wimag AG zugestandene höhere Ausnützung als
rechtsungleiche Behandlung anfochten.

    Mit Beschluss vom 17. April 1962 wies der Regierungsat des Kantons
Basel-Landschaft die Einsprachen, soweit er darauf eintrat, ab und erteilte
den erwähnten Erlassen die nach § 58 Abs. 2 des kantonalen Baugesetzes
erforderliche Genehmigung.

    Gegen diesen Regierungsratsbeschluss führen Fritz Buser und 6 weitere
Grundeigentümer staatsrechtliche Beschwerde. Sie berufen sich auf Art. 4
BV und beschweren sich wegen rechtsungleicher Behandlung.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    In der Sache selbst stellt sich, gleichgültig ob der Richtplan als
genereller Erlass oder als Summe von Einzelverfügungen betrachtet wird
(vgl. BGE 88 I 83 Erw. 1), die Frage, ob ein ernsthafter sachlicher Grund
dafür bestand, für die drei Parzellen der Wimag AG eine höhere Ausnützung
als für die übrigen Grundstücke im Perimeter des Richtplans zu gestatten.

    Die Wimag AG hat im November 1959, bevor die Revision der Ortsplanung
beschlossen und die Ausarbeitung des Teilzonenplans "Hauptstrasse-Ost"
in Angriff genommen worden waren, um die Bewilligung nachgesucht, auf
ihren Grundstücken einen Wohnblock mit einer Ausnützung von etwa 130%
zu erstellen. Wie im angefochtenen Entscheid ausgeführt ist und in der
Beschwerde nicht bestritten wird, hätte dieses Bauprojekt auf Grund der
damals geltenden Zonenvorschriften bewilligt werden müssen, wenn die
Wimag AG darauf bestanden hätte. Indem sie dies nicht tat, sondern sich
bereit erklärte, bis zur Fertigstellung des auf ihr Gesuch hin in Angriff
genommenen Teilzonenplans zuzuwarten und ihr Projekt diesem anzupassen,
hat sie somit auf die Ausübung eines Rechtes verzichtet. Dieser Verzicht
erfolgte, wie sich aus den Akten ergibt und ebenfalls unbestritten
ist, weil ihr von Behörden der Gemeinde, nämlich vom Gemeinderat, vom
Bauausschuss und von der Planungskommission, zugesichert wurde, dass sie
auf Grund des Teilzonenplans mit einer Ausnützung von 110% werde bauen
können. Diese Zusicherung konnte indes von den Gemeindebehörden nicht
eingehalten werden, weil die kantonale Planungskommission die im Richtplan
allgemein vorgesehene Nutzungsziffer von 110% als zu hoch ablehnte und
die Gemeinde veranlasste, sie auf 80% herabzusetzen.

    Die Beschwerdeführer behaupten, die der Wimag AG gegebene Zusicherung
sei unbeachtlich, weil sie gar nicht hätte erteilt werden dürfen
und zudem die Gemeindebehörden, die sie gleichwohl erteilt hätten,
hiefür nicht zuständig gewesen seien. Sie lassen es indessen bei dieser
Behauptung bewenden und nennen weder eine gesetzliche Bestimmung noch
einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, aus dem sich die Unzulässigkeit
der Zusicherung oder die Unzuständigkeit der Gemeindebehörden ergeben
würde, sodass es der Beschwerde insoweit an der nach Art. 90 lit. b
OG erforderlichen Begründung fehlt. Davon abgesehen kommt es nicht
darauf an, ob die Zusicherung verbindlich war und die Wimag AG im
Falle der Nichteinhaltung Schadenersatz- oder andere Ansprüche gegen
die Gemeinde oder gegen die Behörden, die sie abgegeben, hätte erheben
können. Entscheidend ist vielmehr, dass die Wimag AG im Vertrauen auf
diese behördliche Zusicherung nicht auf der Bewilligung und Ausführung
des im November 1959 den Behörden unterbreiteten und nach den damals
geltenden Vorschriften zulässigen Bauprojektes mit einer Ausnützung
von 130% bestanden, sondern zwei Jahre zugewartet und dabei neben
Inkonvenienzen wie Zeitverlust, Abänderung ihres Bauprojektes usw. auch
die mit der fortschreitenden Teuerung verbundene Erhöhung der Baukosten
auf sich genommen hat. Unter diesen Umständen würde es dem Grundsatz
von Treu und Glauben, an den sich auch die Verwaltung zu halten hat
(BGE 76 I 190 mit Zitaten; vgl. auch BGE 83 II 349), widersprechen,
wenn die Wimag AG in ihrem Vertrauen auf die behördliche Zusicherung
getäuscht würde. Die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass die Behörden
auch ihnen seinerzeit gleiche oder ähnliche Zusicherungen inbezug auf die
Ausnützungsziffer gegeben hätten wie der Wimag, sodass auch sie wie diese
Anspruch auf Vertrauensschutz hätten. Die nur bei der Wimag AG vorliegenden
besondern Umstände lassen die Festsetzung einer höheren Nutzungszahl
für ihre Grundstücke, die zweifellos ein bedauerlicher Schönheitsfehler
des Richtplans ist, als sachlich gerechtfertigt erscheinen, sodass weder
Willkür noch ein Verstoss gegen das Gebot der rechtsgleichen Behandlung
vorliegt. Dass den Behörden übrigens daran gelegen war, die durch die
besonderen Verhältnisse gerechtfertigte Begünstigung der Wimag AG in
möglichst engen Grenzen zu halten, zeigt der Umstand, dass es ihnen
durch Verhandlungen mit der Wimag AG gelungen ist, die dieser seinerzeit
zugesicherte Ausnützungsziffer von 110% im Richtplan auf 98% herabzusetzen.