Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 IV 79



88 IV 79

24. Urteil des Kassationshofes vom 18. Juni 1962 i.S. Häuptli und Studer
gegen JURA Elektroapparatefabriken L. Henzirohs AG Regeste

    Art. 13 lit. d UWG. Verwechslungsgefahr durch Nachahmung der
Ausstattung einer Ware (elektrischer Heizapparat). Voraussetzungen, unter
denen die Verwechselbarkeit bei technischen Erzeugnissen und Mustern oder
Modellen, die gemeinfrei sind, vermeidbar ist.

Sachverhalt

    A.- Seit 1951 bringt die JURA Elektroapparatefabriken L.  Henzirohs AG
(nachstehend Jura AG) unter der Bezeichnung "Jura-Schnellheizer" einen
tragbaren elektrischen Heizofen (Typ Nr. 1551) auf den Markt, den sie
selber herstellt. Im Jahre 1955 nahm auch die Rotel AG die Fabrikation
eines tragbaren elektrischen Heizgerätes auf, das sie unter der Bezeichnung
"Miotherm" in zwei verschiedenen Ausführungen (A und B) vertrieb.

    Die Jura AG, die der Auffassung war, der "Miotherm"-Heizapparat werde
vom Publikum mit ihrem eigenen Erzeugnis verwechselt, reichte Ende 1956
gegen die Rotel AG Strafklage wegen unlauteren Wettbewerbes ein.

    B.- Das Obergericht des Kantons Aargau, das im "Miotherm" (Typ A)
eine Nachahmung des "Jura-Schnellheizers" erblickte, erklärte mit Urteil
vom 5. März 1962 die beiden Direktoren der Rotel AG, Häuptli und Studer,
des unlauteren Wettbewerbes im Sinne von Art. 13 lit. d UWG schuldig;
es verurteilte Häuptli zu einer Busse von Fr. 1000.-- und Studer zu einer
solchen von Fr. 700.--, beide Bussen bedingt vorzeitig löschbar.

    C.- Häuptli und Studer führen gegen dieses Urteil
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, sie seien freizusprechen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 13 lit. d UWG wird wegen unlauteren Wettbewerbes
bestraft, wer vorsätzlich Massnahmen trifft, um Verwechslungen mit den
Waren eines andern herbeizuführen.

    Die kantonalen Gerichte bejahten die Gefahr der Verwechslung der zwei
in Frage stehenden Heizapparate wegen ihrer äussern Ähnlichkeit, und dies
mit Recht. Bei beiden Apparaten stimmt die Form des Blechkörpers, ein etwas
in die Länge gezogenes Rechteck mit abgerundeten Ecken, völlig überein,
und auch die Körpermasse sind praktisch gleich; der einzige Unterschied,
dass der "Miotherm" 4 mm länger und 6 mm breiter ist als die Heizwand
des Jura-Apparates, ist von blossem Auge kaum erkennbar. Ferner sind
auf den Wandflächen beider Öfen in völlig gleicher Anordnung und Grösse
oben 28 vertikale Luftöffnungen und darunter fünf horizontal verlaufende,
hervortretende Zierrippen angebracht. Form und Dimensionen des Blechkörpers
sowie die Ausgestaltung der in die Augen springenden Luftöffnungen und
Querrippen geben den Apparaten das Gepräge und bestimmen das Gesamtbild,
das der Betrachter in Erinnerung behält. Traggriffe und Füsse weichen
zwar in der Form, letztere ausserdem in Material und Farbe voneinander
ab; diese Unterschiede sind aber zu wenig auffallend, als dass sie im
Gedächtnis haften blieben und den Gesamteindruck, den der oberflächliche
Durchschnittskäufer (BGE 83 II 157, 84 II 581) erhält, entscheidend
beeinflussen könnten. Noch weniger tritt die Verschiedenheit anderer
Einzelheiten wie der Unterschied der auf den Traggriffen eingezeichneten
Marken, die abweichende Stellung der Schalter und das Fehlen eines
Kontrollämpchens unter dem Griff des "Miotherm" derart in Erscheinung,
dass deswegen die Gefahr der Verwechslung ausgeschlossen wäre.

    Der Jura-Schnellheizer besitzt dank der originellen Formgestaltung
seiner Heizwände Kennzeichnungskraft, die ihn von andern gleichartigen
Apparaten unterscheidet. Der Vergleich mit den von den Beschwerdeführern
angeführten Konkurrenzprodukten ("Maxim", "Camerad", "Fael-Bijou",
"Therma") zeigt auf den ersten Blick, dass das Gesamtbild, das diese
Erzeugnisse vermitteln, infolge ihrer eindeutig abweichenden äussern
Gestaltung von demjenigen des Jura-Heizkörpers verschieden ist. Mit dieser
Feststellung erweist sich auch die Behauptung der Beschwerdeführer als
unbegründet, wonach die äussere Form und Ausstattung elektrischer Heizöfen
allgemein von solcher Ähnlichkeit seien, dass den Formelementen keine
genügende Unterscheidungskraft zukomme und erst die Handelsmarken die
Produkte zu individualisieren vermöchten. Elektrische Heizapparate sind
denn auch keine Massenartikel, bei denen sich der Käufer um die Herkunft
überhaupt nicht kümmert. Grösse und Form elektrischer Öfen begünstigen
im Gegenteil eine verschiedenartige Ausstattung, weshalb diese für einen
bestimmten Hersteller kennzeichnend sein und die Marke, vor allem kaum
sichtbare, als Herkunftszeichen an Bedeutung übertreffen kann. Da auf dem
"Miotherm" die typischen Ausstattungsmerkmale des Jura-Schnellheizers
sklavisch nachgeahmt sind, kann der Heizapparat der Rotel AG für ein
Erzeugnis der Jura AG gehalten werden. Diese Gefahr war auch dann
vorhanden, wenn der "Miotherm" nur in den Migros-Läden verkauft wurde;
denn in diesen werden nicht bloss Waren angeboten, die in andern Geschäften
nicht erhältlich sind. Die Verwechselbarkeit zweier Erzeugnisse hängt auch
nicht davon ab, ob die Ausstattung der nachgeahmten Ware Verkehrsgeltung
erlangt habe oder doch von Anfang an originell gewesen sei (BGE 83 II
160). Auf die Kritik einzugehen, welche die Beschwerdeführer an dieser
(in BGE 87 II 55 ff. keineswegs wieder aufgegebenen) Rechtsprechung üben,
erübrigt sich, da im vorliegenden Falle dem Jura-Schnellheizer Originalität
im Sinne der früheren, von den Beschwerdeführern angerufenen Praxis nicht
abgesprochen werden kann.

Erwägung 2

    2.- Zum Tatbestand des Art. 13 lit. d UWG genügt nicht, dass durch
Nachahmung der Ausstattung eines andern die Waren verschiedener Herkunft
vcrwechselt werden können, sondern die Verwechselbarkeit muss ausserdem
vermeidbar gewesen sein (BGE 83 II 162, 83 IV 199). Nach ständiger
Rechtsprechung ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, wenn die übernommene
äussere Gestaltung technisch bedingt, d.h. notwendig ist, damit die
technische Konstruktion überhaupt ausgeführt werden kann und brauchbar
ist. Die Übernahme von äussern Ausstattungsmerkmalen stellt daher bei
technischen Erzeugnissen nur dann eine unerlaubte Wettbewerbshandlung
dar, wenn die Wahl einer andern Gestaltung ohne Änderung der technischen
Konstruktion und ohne Beeinträchtigung ihrer Brauchbarkeit möglich und
zugleich zumutbar war (BGE 79 II 320, 83 II 158, 84 II 583, 87 II 58,
nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 17. April 1959
i.S. Rusillon).

    Was für die äussere Ausstattung technischer Erzeugnisse gilt,
hat analog auch zu gelten, wenn die äussere Gestaltung einer Ware die
Eigenschaften eines Musters oder Modells (Geschmackmusters) aufweist. Bei
muster- und modellrechtlich nicht oder nicht mehr geschützten Mustern oder
Modellen ist die in der ästhetischen Form verkörperte Idee gemeinfrei
und darf grundsätzlich von jedem Mitbewerber benützt werden (BGE 83
II 163, 87 II 63); auch das Wettbewerbsrecht steht der Übernahme der
ästhetischen Schöpfung als solcher nicht entgegen, so wenig es die
Nachahmung einer freien technischen Konstruktion verbietet, denn sonst
ergäbe sich auf dem Umweg über das UWG ein zeitlich unbeschränkter
Monopolschutz, der sowohl durch das Patentgesetz wie das Muster- und
Modellgesetz gerade ausgeschlossen werden wollte (BGE 57 II 459, 79
II 319). Wettbewerbsrechtlich ist die ästhetische Form bloss insofern
geschützt, als sie Kennzeichnungskraft besitzt, um die Herkunft der
Ware von gleichen oder gleichartigen Erzeugnissen anderen Ursprungs zu
unterscheiden. Diese Eigenschaft setzt aber voraus, dass die Form nicht
das Wesen der Ware bestimmt, diese also nicht erst durch die Formgebung
entsteht, sondern dass die Form bloss äussere Zutat zur Kennzeichnung
der Ware ist (TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bd. I S. 505 ff.). Nur wenn
die ästhetische Form ohne Änderung des Wesens der Ware auswechselbar ist,
kann in der Nachahmung der Formgebung unlauterer Wettbewerb liegen.

    Im vorliegenden Falle war die Verwechselbarkeit vermeidbar.  Wie das
Obergericht auf Grund des eingeholten Gutachtens verbindlich feststellt,
war die Nachahmung der äussern Aufmachung des Jura-Apparates nicht
technisch bedingte Notwendigkeit. Insbesondere hätte die Anordnung der
auf den Heizwänden des "Miotherm" angebrachten Luftöffnungen und Rippen
ebensogut anders gewählt werden können, ohne dass dadurch die Brauchbarkeit
des Ofens beeinträchtigt worden wäre oder Mehrkosten entstanden wären. Es
kann auch nicht gesagt werden, dass die das Jura-Gerät zierenden fünf
horizontalen, nach oben und unten sich verkürzenden Rippen, die ihrer
auf ästhetischer Wirkung beruhenden Originalität wegen möglicherweise
musterrechtlich schutzfähig sein könnten, das Wesen des Ofens bestimmt
hätten; sie sind vielmehr nur äussere, die Ware kennzeichnende Zutat,
die leicht in einer andern Form hätte ausgeführt werden können. Es wäre
daher, wie übrigens die zweite Ausführung des "Miotherm" beweist, den
Beschwerdeführern möglich und zumutbar gewesen, anstelle der sklavischen
Nachahmung die äussere Gestaltung der Heizwände so abzuändern, dass
sich das Aussehen der beiden Konkurrenzprodukte genügend voneinander
unterschied, um Verwechslungen auszuschliessen.

Erwägung 3

    3.- Der Vorwurf der Beschwerdeführer, die Jura AG habe wider Treu
und Glauben gehandelt, da sie nach dem Verzicht der Rotel AG auf die
Fabrikation des "Miotherm" als Lizenzgeberin und Bestandteillieferantin
der Lenco AG die Belieferung der Migros mit dem genau gleichen
"Miotherm" selber aktiv gefördert habe, ist unbegründet. Die Lenco AG
war auf Grund des Lizenzvertrages zur Übernahme der Ausstattung des
Jura-Schnellheizers berechtigt und hat daher nicht wie die Rotel AG
die Leistung der Beschwerdegegnerin missbräuchlich ausgenützt. Die Jura
AG anderseits hat für die Überlassung ihrer Ausstattung von der Lenco
AG eine entsprechende Gegenleistung erhalten und ist deshalb durch die
Herstellung und den Vertrieb des "Miotherm" seitens der Lizenznehmerin in
ihrer wirtschaftlichen Stellung nicht geschmälert worden. Es kann der
Beschwerdegegnerin somit nicht vorgeworfen werden, sie habe in diesem
Falle geduldet, was sie gegenüber der Rotel AG beanstandete. Von einer
rechtsmissbräuchlichen Strafklage kann infolgedessen nicht die Rede sein.

Erwägung 4

    4.- Neben dem objektiven ist auch der subjektive Tatbestand des
Art. 13 lit. d UWG erfüllt. Das Obergericht stellt gestützt auf den Brief
der Rotel AG vom 20. Januar 1956 fest, dass die Beschwerdeführer durch
die Nachahmung der Heizwände bewusst und gewollt darauf ausgegangen sind,
die Gefahr von Verwechslungen beider Erzeugnisse herbeizuführen, und dass
sie zum mindesten mit Eventualvorsatz gehandelt haben. Diese tatsächlichen
Feststellungen sind für den Kassationshof verbindlich und können mit der
Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden (Art. 277 bis Abs. 1 und
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP).

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.