Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 IV 66



88 IV 66

20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. Juli 1962
i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. Regeste

    Art. 201 Abs. 1 StGB.

    a)  Nur der mit dem Makel des Verwerflichen behaftete Unterhaltsbezug
aus dem unsittlichen Erwerb der Dirne stellt eine Ausbeutung dar.

    b)  Die genannte Bestimmung verlangt nicht ein "Ausbeutungsverhältnis"
von langer Dauer.

    c)  Arbeitsscheu und Liederlichkeit sind nicht Tatbestandsmerkmale
der Zuhälterei.

Sachverhalt

    X. lebte von Juli 1960 bis Ende Februar 1961 beinahe vollständig
auf Kosten seiner Ehefrau, von der er mindestens für die Zeit von Mitte
September bis Ende Oktober 1960 wusste, dass sie der Erwerbsunzucht
nachging.

    Das Strafgericht Basel-Stadt verurteilte ihn am 17. Oktober 1961
wegen Zuhälterei, begangen von Mitte September bis Ende Oktober 1960, und
anderer strafbarer Handlungen zu sieben Monaten Gefängnis und Fr. 100.--
Busse. Am 7. März 1962 bestätigte das Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt den erstinstanzlichen Entscheid.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Als Zuhälter ist nach Art. 201 Abs. 1 StGB nur strafbar, wer sich
von der Dirne unter Ausbeutung ihres unsittlichen Erwerbes unterhalten
lässt. Das will nach der negativen ethischen Wertung, welche im Begriff der
Ausbeutung liegt, besagen, dass bloss der mit dem Makel des Verwerflichen
behaftete Unterhaltsbezug aus dem unsittlichen Erwerbe der Dirne unter
Strafe fallen soll (nicht veröffentliches Urteil des Kassationshofs vom
15. Dezember 1961 i.S. Mras; vgl. auch BGE 75 IV 121). Ein solcher Makel
haftet dem Verhalten des Beschwerdeführers unzweifelhaft an. Denn wer,
wie X., beinahe vollständig aus dem Dirnenlohn seiner Ehefrau lebt,
selber nichts oder sehr wenig an den gemeinsamen Haushalt beisteuert und
sich nicht einmal bemüht, einen nennenswerten Beitrag zu leisten, bekundet
eine sittlich verwerfliche Einstellung und verdient als Zuhälter bestraft
zu werden. Daran ändert auch nichts, dass nach Art. 192 Abs. 2 ZGB die
Ehefrau ihren Arbeitserwerb, soweit erforderlich, für die Bedürfnisse des
Haushalts zu verwenden hat. Abgesehen davon, dass es fraglich erscheint,
ob Dirnenlohn ein Arbeitserwerb im Sinne der genannten Bestimmung sei,
obliegt die Pflicht, für den Unterhalt von Weib und Kind gebührend Sorge
zu tragen, in erster Linie dem Ehemann (Art. 160 Abs. 2 ZGB). Nachdem
der Beschwerdeführer praktisch nichts an den gemeinsamen Haushalt
beigetragen und sich, wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, nicht
einmal bemüht hat, einen nennenswerten Verdienst hereinzubringen, ist es
von ihm geradezu mutwillig, sich mit dem Hinweis auf Art. 192 Abs. 2 ZGB
entlasten zu wollen.

    Unbehelflich ist sodann auch die in der Beschwerde vertretene These,
wonach die Frage der Ausbeutung nach einer Proportion entschieden werden
müsse, die der Sachlage des Einzelfalles entspreche. Denn was X. in
diesem Zusammenhang vorbringt, spricht zur Hauptsache gegen ihn. Das
gilt insbesondere für den von ihm angezogenen Entscheid des deutschen
Reichsgerichtes (Höchstrichterliche Rechtsprechung 1942, Nr. 609), dem
zufolge der Vorwurf der ausbeuterischen Zuhälterei entfalle, wenn der
aus der Gemeinschaftskasse bestrittene Unterhalt des Mannes über seinen
eigenen Beitrag zu den gemeinsamen Lebenskosten nicht hinausgehe. Ohne zur
Frage der Anwendung dieses Kriteriums auf das schweizerische Strafrecht
Stellung zu beziehen, kann jedenfalls gesagt werden, dass es auf Seiten
des Beschwerdeführers offensichtlich an jener Proportion zwischen Leistung
und Bezug fehlte, da die gesamten Kosten des gemeinsamen Haushaltes in
der kritischen Zeit praktisch allein von seiner Ehefrau getragen wurden.

    Inwiefern aber ein Zeitraum von anderthalb Monaten nicht genügen
sollte, um eine Ausbeutung anzunehmen, ist nicht zu sehen. Art. 201 Abs. 1
StGB verlangt nicht ein "Ausbeutungsverhältnis" von langer Dauer. Übrigens
hat der Beschwerdeführer nicht bloss während anderthalb Monaten, sondern
mindestens ab Juli 1960 bis Ende Februar 1961 auf Kosten seiner Frau
gelebt. Dass er nicht für diesen ganzen Zeitraum der Zuhälterei schuldig
gesprochen wurde, ist dem Umstand zuzuschreiben, dass der Beweis des
subjektiven Tatbestandes bloss für die Zeit von Mitte September bis Ende
Oktober 1960 erbracht werden konnte.

    Schliesslich ist auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz nicht
geprüft hat, ob der Beschwerdeführer arbeitsscheu und liederlich sei. Wohl
bilden Arbeitsscheu und Liederlichkeit häufig den Grund zuhälterischen
Schmarotzertums. Sie sind jedoch nicht Tatbestandsmerkmale des Art. 201
Abs. 1 StGB. Wie der Kassationshof in dem oben zitierten Urteil i.S. Mras
ausgeführt hat, kann auch ein Mann, der durch redliche Arbeit die Mittel
zum notwendigen Lebensbedarf seiner Familie aufbringt, sich dadurch der
Zuhälterei schuldig machen, dass er den unsittlichen Erwerb seiner Ehefrau
zur Grundlage einer jenen Bedarf übersteigenden höheren Lebensführung
macht. Dann aber muss der Vorwurf der Zuhälterei erst recht denjenigen
treffen, der, wie der Beschwerdeführer, sich nicht einmal bemüht, den
normalen Lebensbedarf seiner Familie sicherzustellen.