Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 IV 15



88 IV 15

6. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. April 1962
i.S. Y. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. Regeste

    Art. 140 Ziff. 1 und 3 StGB.

    1.  Veruntreuung unter Ehegatten ist möglich (Erw. 3);

    2.  Die bei der Güterverbindung zum Mannesgut und zur Errungenschaft
gehörenden Mobilien sind Eigentum des Ehemannes und daher für die Ehefrau
fremde Sachen (Erw. 4);

    3.  Solche vom Ehemann während des richterlich gebotenen Getrenntlebens
im ehelichen Haus zurückgelassenen Gegenstände sind der weiterhin in
diesem Hause wohnenden Ehefrau anvertraut (Erw. 5).

Sachverhalt

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführerin wirft die Frage auf, ob nicht nach dem
Grundsatze nulla poena sine lege bei angeblicher Veruntreuung unter
Ehegatten mangels einer besondern gesetzlichen Regelung der Straftatbestand
überhaupt fehle. Davon kann nicht die Rede sein. Eine besondere gesetzliche
Vorschrift ist im StGB insofern enthalten, als Art. 140 Ziff. 3 bestimmt,
dass die zum Nachteil eines Angehörigen begangene Veruntreuung nur auf
Antrag verfolgt werde. Da nach Art. 110 Ziff. 2 StGB Angehöriger auch
der Ehegatte ist, setzt Art. 140 Ziff. 3 voraus, dass eine Veruntreuung
nach Ziff. 1 Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung auch unter Ehegatten verübt
werden kann. Demgegenüber kommt nicht auf, "dass das deutsche Recht
für die Verwendung von Vermögensstücken eines Ehegatten einen besondern
Tatbestand kennt", ganz abgesehen davon, dass die in § 170 a des deutschen
StGB unter Strafe gestellte "Verschleuderung von Familienhabe" nicht ein
Vergehen gegen das Eigentum, sondern gegen die Ehe und Familie ist. Was
aber den Diebstahl und die Veruntreuung anbelangt, so hat der deutsche
Strafgesetzgeber sie für den Fall der Begehung unter Ehegatten ausdrücklich
in § 247 Abs. 2 als straflos erklärt. Der schweizerische Gesetzgeber ist
in der Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse, wie sie durch die
Ehe geschaffen werden, nicht so weit gegangen; er hat sich mit einer
Privilegierung in dem Sinne begnügt, dass die erwähnten Delikte, wenn
sie unter Ehegatten begangen werden, nur auf Antrag zu verfolgen sind
(Art. 137 Ziff. 3 und Art. 140 Ziff. 3 StGB).

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführerin bestreitet ferner, dass die veräusserten
Gegenstände für sie fremde Sachen im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
gewesen seien. Wenn auch bei der Güterverbindung das eheliche Vermögen,
soweit es nicht Sondergut oder eingebrachtes Gut der Frau sei, im Eigentum
des Mannes stehe, so könne doch nicht von völlig fremden Sachen gesprochen
werden. In strafrechtlicher Hinsicht sei vielmehr zu berücksichtigen,
dass bei einer derart engen Verbindung, wie sie durch die Ehe geschaffen
werde, die Eigentumsverhältnisse nicht immer strikte auseinandergehalten
werden könnten; vielmehr sei, was dem einen gehöre, dem andern nicht fremd.

    Mit dem Begriff der fremden Sache schliesst Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1
StGB unzweifelhaft an denjenigen des Eigentums (vgl. den Titel zu den
Art. 137-147 StGB) an'wie ihn das Zivilrecht geprägt hat. Dementsprechend
wurde denn auch diese Bestimmung bisher allgemein dahin ausgelegt,
dass sich der Veruntreuung schuldig macht, wer eine ihm anvertraute,
nicht in seinem zivilrechtlichen Eigentum stehende Sache in der Absicht
unrechtmässiger Bereicherung sich aneignet (vgl. BGE 72 IV 153). Die
Beschwerdeführerin scheint die Richtigkeit dieser Interpretation im
Hinblick auf die besonderen Verhältnisse zwischen Ehegatten in Frage
stellen zu wollen. Da das Strafrecht vom Zivilrecht unabhängig ist und
es ihm daher freisteht, von zivilrechtlichen Begriffen, wie demjenigen
des Eigentums, abzuweichen und auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten
abzustellen (BGE 87 IV 117), könnte sich fragen, ob die bisherige Auslegung
des Begriffes der fremden Sache nicht in dem Sinne zu ergänzen sei,
dass als fremd nur eine Sache anzusprechen wäre, die dem Täter weder
zivilrechtlich noch wirtschaftlich zugehört. Indessen braucht die Frage
heute nicht entschieden zu werden, weil es in diesem Punkte so oder anders
beim angefochtenen Urteil sein Bewenden haben muss.

    Geht man nämlich, wie bisher, allein von der zivilrechtlichen
Eigentumslage aus und zieht man in Betracht, dass einerseits die
Ehegatten X.-Y. unter dem Güterstand der Güterverbindung lebten und dass
anderseits die von der Beschwerdeführerin veräusserten Gegenstände teils
zum Mannesgut, teils zur Errungenschaft gehörten, so unterliegt keinem
Zweifel, dass Frau Y. über für sie fremde Sachen verfügt hat. Denn nach
Art. 195 Abs. 2 ZGB hat der Ehemann während bestehender Ehe das Eigentum
an dem von ihm eingebrachten Gute und an allem ehelichen Vermögen, das
nicht Frauengut (eingebrachtes Gut und Sondergut der Ehefrau) ist. Dass die
gemäss Art. 154 ZGB durchgeführte güterrechtliche Auseinandersetzung erst
mit dem Urteil des Appellationsgerichtes vom 14. November 1958 endgültig
wurde, ändert am Gesagten nichts.

    Gleich verhält es sich im Ergebnis, wenn auf den wirtschaftlichen
Gehalt der Sache abgestellt wird. Soweit die von der Beschwerdeführerin
veräusserten Gegenstände Mannesgut waren, steht ihre wirtschaftliche
Fremdheit ausser Frage. Aber auch in dem Masse, als sie Errungenschaft
bildeten, stand das wirtschaftliche Eigentum daran der Beschwerdeführerin,
wenn überhaupt, so jedenfalls nur gemeinsam mit ihrem Ehemann zu. Indem
sie eigenmächtig zur Errungenschaft gehörende Gegenstände veräusserte,
verfügte sie daher auch bei solcher Betrachtungsweise über fremde Sachen
(vgl. für das zivilrechtliche Miteigentum und Gesamteigentum, HAFTER,
Besonderer Teil I, S. 231 Ziff. II in fine und Anmerkung 5).

Erwägung 5

    5.- Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat das
Appellationsgericht auch mit Recht angenommen, dass die veräusserten
Gegenstände ihr anvertraut waren.

    Im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 StGB anvertraut ist, was jemand mit der
Verpflichtung empfängt, es in bestimmter Weise im Interesse eines andern
zu verwenden, insbesondere zu verwalten oder abzuliefern (BGE 80 IV 55).

    Im vorliegenden Fall wurde der Ehemann durch Verfügung des
Eheschutzrichters (Art. 170 Abs. 1 ZGB), an deren Stelle in der Folge ein
entsprechender Entscheid des Instruktionsrichters im Scheidungsverfahren
(Art. 145 ZGB) trat, verpflichtet, das eheliche Haus im August 1955
zu verlassen. Da X. bei Auszug aus dem Hause das eheliche Vermögen und
einen Teil des Mannesgutes zurückliess, gelangten die betreffenden Sachen
zwangsläufig in die Obhut seiner Ehefrau, die das eheliche Haus weiterhin
bewohnte. Für diese ergab sich damit die Pflicht, die Gegenstand der
güterrechtlichen Auseinandersetzung bildenden und im Eigentum des Mannes
stehenden Mobilien in dessen Interesse zu verwahren. Diese Sachen waren
ihr somit nicht zu freier Verfügung überlassen, sondern im Sinne von
Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB anvertraut.