Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 IV 149



88 IV 149

37. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Dezember 1962
i.S. Schmid gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn und Piccirilli.
Regeste

    Art. 25 Abs. 1 MFG. Pflicht zur Anpassung der Geschwindigkeit an die
Sichtweite; der Führer darf sich nachts nicht auf die Strassenbeleuchtung
durch entgegenkommende Fahrzeuge verlassen.

Sachverhalt

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Art. 25 Abs. 1 MFG verpflichtet den Führer, die Geschwindigkeit seines
Fahrzeuges den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anzupassen und
überall da, wo es Anlass zu Verkehrsstörung oder Unfällen bieten könnte,
den Lauf zu mässigen oder nötigenfalls anzuhalten. Nach feststehender
Rechtsprechung (BGE 79 IV 66/67, 77 IV 102 und dort angeführte Urteile)
verbietet diese Bestimmung dem Führer, schneller zu fahren, als dass er
auftauchende Gefahren, mit denen er rechnen muss, durch Anhalten innert
der zuverlässig überblickbaren Strecke bannen kann.

    Diese Sorgfaltspflicht, die nach der angeführten Rechtsprechung
auch beim Abblenden der Scheinwerfer beachtet werden muss, hat der
Beschwerdeführer offensichtlich verletzt. Er kreuzte die entgegenkommende
Fahrzeugkolonne gemäss seinen eigenen Angaben mit einer Geschwindigkeit von
80-90 km/Std., obschon er mit Rücksicht auf den anhaltenden Gegenverkehr
gehalten war, über eine längere Strecke mit abgeblendeten Scheinwerfern
zu fahren. Das war pflichtwidrig unvorsichtig. Seine Behauptung, er habe
trotz Abblendung auf nahezu 100 m genügende Sicht gehabt, widerspricht
den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz und wird übrigens auch
durch seine Aussage, er habe den Radfahrer erst aus einer Entfernung von
knapp 30 m gesehen, widerlegt. Nach dem angefochtenen Urteil vermochten
die Scheinwerfer der entgegenkommenden Fahrzeuge dem Beschwerdeführer
jedenfalls gegen den rechten Strassenrand hin keine zuverlässige Sicht
zu vermitteln; zudem weise jede Motorfahrzeugkolonne Lücken auf, wodurch
seine Sicht über die Reichweite seiner Scheinwerfer hinaus ebenfalls
beeinträchtigt worden sei. Abgesehen hievon ist zu berücksichtigen, dass
beim Kreuzen anderer Fahrzeuge die Sichtverhältnisse eher ungünstiger sind
als sonst; denn es ist allgemein bekannt, dass dem Fahrzeuglenker, der
nachts eine entgegenkommende Fahrzeugkolonne kreuzt, die Beobachtung der
Fahrbahn gerade durch die vielen Scheinwerfer, mögen sie auch abgeblendet
sein, erschwert wird. Auf diese Schwierigkeit schien der Beschwerdeführer
übrigens selber hinzudeuten, als er in der Untersuchung erklärte, er habe
den Radfahrer im Gegenlicht der entgegenkommenden Fahrzeugkolonne nicht
gesehen. Unter diesen Umständen hatte der Beschwerdeführer keine Gewähr,
dass eine seiner Geschwindigkeit entsprechende Anhaltestrecke nötigenfalls
frei sei; er lief vielmehr Gefahr, mit einem im Licht seiner Scheinwerfer
auftauchenden Hindernis zusammenzustossen. Dass er von der Gefahr
überrascht wurde, entschuldigt ihn nicht; denn er war verpflichtet, seine
Geschwindigkeit rechtzeitig den gegebenen Sichtverhältnissen anzupassen.