Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 IV 1



88 IV 1

1. Urteil des Kassationshofes vom 25. Januar 1962 i.S. Julita gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 18 Abs. 3, 237 Ziff. 2 StGB. Fahrlässigkeit eines
Wasserskifahrers, der in Ufernähe von der Kiellinie des Zugbootes abwich,
obschon ihm die Umstände nicht erlaubten, seine Fahrbahn nach Schwimmern
genau zu beobachten.

Sachverhalt

    A.- José Julita unternahm am 31. Juli 1960, gegen 16.40 Uhr, von dem
ungefähr 200 m westlich der Badeanstalt Kusen in Küsnacht gelegenen Steg
des Bootshauses Rudolph aus eine Wasserskifahrt auf dem Zürichsee, wobei er
sich, auf einem Monoski stehend, von einem Motorboot an einem 30 m langen
Seil ziehen liess. Harry Schmid, der das Boot steuerte, führte ihn zuerst
zur Seemitte, von dort in einem weiten Bogen gegen das rechte Ufer und dann
in einem Abstand von 50 m von diesem gegen den Ausgangspunkt zurück. Als
sie mit einer Geschwindigkeit von 35-40 km/Std. an der Badeanstalt Kusen
vorbeifuhren, der Bootführer in einem Abstand von 45 m, der Skifahrer in
einem solchen von 25 m, gewahrte Julita aus einer Entfernung von 15 m zwei
Schwimmer, einen davon genau in seiner Fahrtrichtung. Julita erkannte die
Gefahr, liess das Seil los und stürzte sich ins Wasser. Der gefährdete
Schwimmer seinerseits versuchte dem drohenden Zusammenstoss mit dem
Wasserskifahrer dadurch auszuweichen, dass er tauchte; er blieb unverletzt.

    B.- Das Bezirksgericht Meilen erklärte am 2. März 1961 Schmid und
Julita der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs im Sinne des
Art. 237 Ziff. 2 StGB schuldig und büsste den Motorbootführer mit Fr.
200.--, den Wasserskifahrer mit Fr. 100.--.

    Das Obergericht des Kantons Zürich setzte mit Urteil vom 5. September
1961 die Busse für Schmid aufFr. 150.--, diejenige für Julita auf Fr. 80.-
herab, bestätigte aber im übrigen das Urteil des Bezirksgerichtes.

    C.- Julita führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil
des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung
zurückzuweisen. Er bestreitet, fahrlässig gehandelt zu haben.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

    Wie das Obergericht feststellt, fuhr Schmid in einem Abstand von
höchstens 45 m an der Badeanstalt Kusen vorbei, während sich Julita noch
20 m näher an das Ufer herantragen liess. Diese tatsächliche Feststellung,
die den Kassationshof bindet (Art. 273 Abs. 1 lit. b und Art. 277 bis
Abs. 1 BStP), kann nur so verstanden werden, dass der Beschwerdeführer
dem Motorboot in der Uferzone hätte folgen können, ohne von dessen Kurs
uferwärts abweichen zu müssen. Dass das der Sinn des angefochtenen Urteils
ist, ergibt sich nicht nur aus einer weiteren Feststellung der Vorinstanz,
wonach Julita nicht im Kielwasser des Bootes fahren wollte, sondern auch
aus den eigenen Aussagen des Beschwerdeführers. In seiner Einvernahme
vor Obergericht räumte dieser selbst ein, dass der Wasserskifahrer durch
Verlagerung des Körpergewichtes seine Fahrtrichtung beeinflussen und so
z.B. Figuren beschreiben kann. Er gab auch zu, dass es in der Kiellinie
auch noch gegangen wäre; es liege aber in der Natur dieses Sportes, dass
man nicht gerade hinter dem Motorboot fahre. Auch das kann nur heissen,
dass der Beschwerdeführer den gleichen Abstand vom Ufer hätte einhalten
können wie das Motorboot, sofern er dies gewollt hätte. Wenn er sich anders
verhielt, indem er sich noch 20 m näher an das Ufer herantragen liess
und damit noch tiefer in die Badezone der Badeanstalt Kusen hineingeriet,
so war dies nicht bloss die Folge eines physikalischen Gesetzes, dem der
Wasserskifahrer nicht zu entgehen vermocht hätte, sondern offensichtlich
eine in der Absicht verfolgte Abweichung, die vom Motorboot verursachten
Wellen zu meiden und die eigene Standfestigkeit zu erhöhen. Darüber hilft
der Einwand des Beschwerdeführers, Schmid habe ihn in diese gefährliche
Zone hineinmanövriert, umsoweniger hinweg, als der Motorbootführer
geradewegs zum Ausgangspunkt zurückfuhr, womit die durch die Schwenkung
zum rechten Seeufer bewirkte Fliehkraft wieder schwand.

    Ist somit davon auszugehen, dass die seitliche Abweichung vom Kurs des
Motorbootes vom Beschwerdeführer gewollt war, so kann diesem der Vorwurf,
sich pflichtwidrig unvorsichtig verhalten zu haben, nicht erspart bleiben.
Wohl ist richtig, dass sich der Wasserskifahrer weitgehend auf den
Motorbootführer verlassen muss, weil dieser sowohl die Geschwindigkeit
wie die allgemeine Richtung der Fahrt bestimmt. Schmid ist denn auch zu
Recht als der für die Gefährdung des Schwimmers Hauptverantwortliche
bestraft worden, weil er Julita mit einer Geschwindigkeit von 35 bis
40 km/Std. an einer öffentlichen Badeanstalt vorbeiführte. Diese grobe
Missachtung der Vorsichtspflicht durch den Bootführer steht indessen der
Annahme einer pflichtwidrigen Unvorsichtigkeit des Wasserskifahrers nicht
im Wege. Soweit ihm das Zugseil von der Kiellinie abzuweichen erlaubte,
durfte der Beschwerdeführer nicht schlechterdings darauf vertrauen,
Schmid werde sowohl seine wie des Skifahrers Fahrbahn beobachten,
gleichzeitig aber auch ihn und die Gefährdeten warnen können. Solcher
Meinung durfte er sich jedenfalls in der Uferzone nicht mehr hingeben,
unbekümmert darum, ob er die öffentliche Badeanstalt als solche wahrnahm
oder nicht; im einen wie im andern Fall musste er damit rechnen, dass sich
in der Ufernähe Schwimmer aufhalten konnten. Ob der Beschwerdeführer schon
deshalb gehalten war, das Seil sogleich loszulassen und sich ins Wasser zu
stürzen, wie das Obergericht annimmt, erscheint zwar zweifelhaft. Dagegen
war der Wasserskifahrer zweifellos verpflichtet, in der festgestellten
Ufernähe auf seine Möglichkeit, nach rechts auszuscheren, zu verzichten
und sich an die Kiellinie zu halten. Hiezu hatte der Beschwerdeführer
umsomehr Anlass, als der See nach der verbindlichen Feststellung der
Vorinstanz unruhig war, was ihm nicht bloss die sichere Führung des Skis,
sondern auch die Beobachtung der Fahrbahn nach allfälligen Schwimmern
erheblich erschweren musste.

    Indem der Beschwerdeführer diese durch die Umstände gebotene und
auch durchführbare Vorsichtsmassnahme unterliess, handelte er im Sinne
von Art. 18 Abs. 3 StGB pflichtwidrig unvorsichtig, also fahrlässig. Er
ist deshalb zu Recht wegen Gefährdung des öffentlichen Verkehrs im Sinne
von Art. 237 Ziff. 2 StGB bestraft worden.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.