Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 II 98



88 II 98

16. Urteil der I. Zivilabtellung vom 27. März 1962 i.S. Knie gegen
Aktiengesellschaft Gebrüder Knie, Schweizer National-Circus und Knie.
Regeste

    1.  Art.721OR. Die Verwaltung der Aktiengesellschaft darf ihre
Beschlüsse jedenfalls solange widerrufen, als die Generalversammlung ihr
das nicht zuständigerweise verboten hat (Erw. 2).

    2.  Art.660 ff.OR. Die Verpflichtung der Gesellschaftsorgane,
grundsätzlich alle Aktionäre gleich zu behandeln, gilt nicht auch für
Geschäfte, in denen sie der Gesellschaft wie Nichtaktionäre gegenübertreten
(Erw. 3).

    3.  Art. 652 OR. Die Aktionäre haben nicht ein Recht auf Bezug von
Aktien, welche die Gesellschaft erworben hat und wieder veräussern will
(Erw. 3).

    4.  Art.2ZGB. Missbraucht der Verwaltungsrat einer
Familien-Aktiengesellschaft das Recht, wenn er, nachdem er eigene Aktien
"zu treuen Handen der Aktionäre" erworben hat, die auf diesen Erwerb
zurückzuführende Beschlussunfähigkeit der Generalversammlung überraschend
dadurch beseitigt, dass er die Aktien alle an einen einzigen Aktionär
weiterverkauft? (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Aktiengesellschaft Gebrüder Knie, Schweizer National-Circus
wurde im Jahre 1934 von den Brüdern Friedrich, Charles und Eugen Knie
gegründet, die der vierten Generation einer Artistenfamilie angehörten. Sie
betreibt einen Zirkus, den die Gründer einbrachten. Ihr Grundkapital ist
in 550 Namenaktien im Nennwert von je Fr. 500.-- zerlegt. Anfangs 1958
gehörten 201 Aktien unbeschwert den Erben des Gründers Friedrich Knie,
nämlich 63 Stück seiner Witwe Margrit Knie und je 69 Stück seinen Söhnen
Fredy und Rolf Knie. Antoinette Knie, Witwe des Gründers Charles Knie,
war Eigentümerin von 123 Aktien und Nutzniesserin von 28 Aktien, von denen
14 den drei Erben des Friedrich Knie und 14 der Tochter des verstorbenen
Gründers Eugen Knie, Eliane Knie, zustanden. Eliane Knie hatte Eigentum an
weiteren 148 Aktien. 50 Aktien gehörten Fritz Geiser. Der Verwaltungsrat
der Gesellschaft bestand aus Fredy Knie als Präsidenten sowie aus Margrit
und Eliane Knie. Die Geschäftsführung oblag einem vom Verwaltungsrat
ernannten Direktionskomitee, das aus Rolf, Fredy und Eliane Knie bestand.

    Im Februar 1958 beauftragte Antoinette Knie eine Bank, ihre 123 Aktien
zu mindestens Fr. 1500.-- das Stück zu verkaufen. Der Verwaltungsrat der
Aktiengesellschaft Gebrüder Knie beschloss am 28. Februar 1958, diese
Aktien "vorübergehend zu treuen Handen der Aktionäre zu kaufen und an
einer nächsten Generalversammlung über die weitere Verwendung Beschluss
zu fassen". Der Kauf kam zwischen der Gesellschaft und Antoinette Knie
um den Preis von Fr. 1500.-- je Aktie zustande.

    Der Verwaltungsrat beriet in der Folge wiederholt, ob die 123
Aktien allen Aktionären oder nur den Mitgliedern des Verwaltungsrates
anzubieten, ob sie unter Herabsetzung des Grundkapitals zu vernichten oder
ob sie dem Personal-Fürsorgefonds zu übertragen seien. Margrit und Fredy
Knie einerseits und Eliane Knie anderseits konnten sich darüber nicht
einigen. In einer Sitzung vom 25. August 1959 widersetzte sich Eliane
Knie dem Vorschlag, die Gesellschaft solle je 41 Aktien zum Preise von
Fr. 1500.-- das Stück an sie und an die beiden anderen Mitglieder des
Verwaltungsrates verkaufen. Sie erklärte, sie behalte sich vor, der
Generalversammlung die Vernichtung der 123 Aktien zu beantragen.

    Da diese in der Generalversammlung nicht vertreten werden durften,
solange sie der Gesellschaft gehörten (Art. 659 Abs. 5 OR), war
vorauszusehen, dass weder für den Antrag von Margrit und Fredy Knie
noch für jenen der Eliane Knie die von Art. 16 Abs. 2 der Statuten
geforderten zwei Drittel der vertretenen Stimmen abgegeben werden
würden. Die auf 21. September 1959 vorgesehene Generalversammlung wurde
auf den 12. Oktober 1959 verschoben. Eine halbe Stunde vor ihrem Beginn
trat der Verwaltungsrat zusammen. Fredy Knie wies an dieser Sitzung auf
die Meinungsverschiedenheit hin, die am 25. August bestanden hatte. Er
erklärte, er habe sich inzwischen beraten lassen und beantrage dem
Verwaltungsrat, die 123 Aktien dem Rolf Knie zu Fr. 1500.-- das
Stück zu verkaufen. Eliane Knie verwahrte sich dagegen, dass vom
Verwaltungsratsbeschluss vom 28. Februar 1958 abgewichen werde. Sie
beantragte, durch die Generalversammlung einen Beschluss fassen zu
lassen, und erhob Anspruch auf einen Drittel der umstrittenen Aktien,
falls die Herabsetzung des Grundkapitals nicht zustande komme. Der
Verwaltungsrat beschloss indes, die 123 Aktien zu je Fr. 1500.-- dem Rolf
Knie zu verkaufen. Nachdem Eliane Knie sich nochmals gegen dieses Vorgehen
verwahrt und ihre Stellungnahme wiederholt hatte, stellte Fredy Knie fest,
dass sich Rolf Knie über die Einzahlung des Kaufpreises von Fr. 184'500.--
an die St. Gallische Kantonalbank ausgewiesen habe. Der Verwaltungsrat
liess hierauf mit den Stimmen von Fredy und Margrit Knie die 123 Aktien
durch Indossament und Übergabe sofort auf Rolf Knie übertragen und diesen
im Aktienbuch als Eigentümer verzeichnen.

    An der unmittelbar anschliessenden Generalversammlung nahmen
alle Aktionäre teil, nicht dagegen Antoinette Knie als Nutzniesserin
von 28 Aktien. Rolf Knie übte trotz Widerspruchs der Eliane Knie das
Stimmrecht nicht nur mit den ihm unbestrittenermassen zustehenden 69,
sondern auch mit den soeben erworbenen 123 Aktien aus. Eliane Knie
beantragte der Versammlung, die 123 Aktien unter Herabsetzung des
Grundkapitals vernichten zu lassen, allenfalls davon 41 Stück ihr, der
Antragstellerin, zuzuteilen. Die Versammlung war einverstanden, diese
Anträge zu behandeln, lehnte sie jedoch mit 374 gegen die von Eliane
Knie abgegebenen 148 Stimmen ab. Hierauf genehmigte die Versammlung
stillschweigend den Geschäftsbericht, soweit Margrit, Fredy und Rolf Knie
ihn nicht beanstandeten. Sie hiess mit 374 gegen die 148 Stimmen der Eliane
Knie die Jahresrechnung gut. Sie genehmigte mit 374 Stimmen den Bericht
der Kontrollstelle und die vorgeschlagene Verteilung des Gewinnes, wobei
Eliane Knie sich der Stimme enthielt. Sie entlastete mit den 242 Stimmen
des Rolf Knie und des Fritz Geiser die Verwaltung und wählte einstimmig
den bisherigen Revisor für ein weiteres Jahr. Eliane Knie beschwerte sich
darüber, dass ihre Rechte als Mitglied des Direktionskomitees von den
beiden anderen Direktoren regelmässig übergangen würden. Sie beantragte
der Generalversammlung, den Verwaltungsrat zu beauftragen, Massnahmen zur
Durchführung des Direktionsreglementes zu treffen. Die anderen Aktionäre
wiesen diesen Antrag mit 374 Stimmen ab.

    B.- Am 3./9. Dezember 1959 reichte Eliane Knie beim Handelsgericht des
Kantons St. Gallen gegen die Aktiengesellschaft Gebrüder Knie sowie gegen
Rolf Knie, Fredy Knie und Margrit Knie eine Klage ein. Sie beantragte:
1. alle Beschlüsse der Generalversammlung vom 12. Oktober 1959 "ungültig
bzw. nichtig zu erklären"; 2. die Übertragung von 123 Aktien an Rolf Knie
"ungültig bzw. nichtig zu erklären" und das Aktienbuch entsprechend
zu berichtigen; 3. Rolf Knie zu verpflichten, der Aktiengesellschaft
Gebrüder Knie die "widerrechtlich und bösgläubig erworbenen 123
Aktien zuhanden einer späteren Generalversammlung herauszugeben
bzw. zurückzuindossieren". Die Klägerin stellte ausserdem zwei gegen Rolf,
Fredy und Margrit Knie gerichtete Eventualanträge.

    Das Handelsgericht wies die Klage am 19. April 1961 entsprechend dem
Antrage der Beklagten ab.

    C.- Die Klägerin hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem
Bundesgericht, das angefochtene Urteil aufzuheben und im Sinne der
Klagebegehren 1-3 zu entscheiden.

    Die Aktiengesellschaft Gebrüder Knie und Rolf Knie beantragen, die
Berufung abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Klägerin hat im kantonalen Verfahren geltend gemacht, die
drei Mitglieder des Verwaltungsrates hätten sich am 28. Februar 1958
zwecks Erwerbs der 123 Aktien der Antoinette Knie zu einer einfachen
Gesellschaft zusammengetan und zugleich beschlossen, den Entscheid über die
Vernichtung oder Verteilung der Aktien durch die Generalversammlung der
Aktiengesellschaft treffen zu lassen; deshalb hätten sie gemäss Art. 534
Abs. 1 OR auf diesen Beschluss nur einstimmig zurückkommen können.

    Diese Auffassung scheitert daran, dass das Handelsgericht in den
Akten keinerlei Anhaltspunkte für einen auf Abschluss einer einfachen
Gesellschaft gerichteten Willen der Mitglieder des Verwaltungsrates findet,
diesen Willen also in Würdigung des Beweises verbindlich verneint. Die
Klägerin stellt sich denn auch in der Berufung nicht mehr auf den erwähnten
Standpunkt.

    Sie kommt auch nicht darauf zurück, dass sie gemäss Art. 112 OR Rechte
aus einem zugunsten Dritter abgeschlossenen Vertrage habe. Der Beschluss
vom 28. Februar 1958 konnte ihr Rechte unter diesem Gesichtspunkt schon
deshalb nicht verleihen, weil in ihm nicht der Abschluss eines Vertrages
lag. Der Kaufvertrag zwischen der Aktiengesellschaft Gebrüder Knie und
Antoinette Knie sodann wäre ein Vertrag zugunsten Dritter nur, wenn in
ihm Rechte zugunsten der Aktionäre ausbedungen worden wären. Dass das
geschehen sei, wurde jedoch weder festgestellt noch behauptet.

Erwägung 2

    2.- Indem die Beklagte die 123 Aktien der Antoinette Knie übernahm,
verstiess sie gegen das den Aktiengesellschaften auferlegte Verbot, eigene
Aktien zu Eigentum zu erwerben (Art. 659 Abs. 1 OR); denn keiner der
Ausnahmefälle liegt vor, in denen diese Bestimmung gemäss Art. 659 Abs. 2
OR nicht anwendbar ist. Umsomehr war die Beklagte verpflichtet, die Aktien
mit tunlicher Beschleunigung wieder zu veräussern, wie Art. 659 Abs. 3 OR
es für die Fälle gebietet, in denen gemäss Art. 659 Abs. 2 Ziff. 2-5 der
Erwerb erlaubt ist. Nur die nachträgliche Herabsetzung des Grundkapitals
hätte sie dieser Pflicht enthoben (Art. 659 Abs. 2 Ziff. 1).

    Beschlüsse auf Wiederveräusserung eigener Aktien stehen nicht von
Gesetzes wegen der Generalversammlung zu (Art. 698 OR). Diese ist nur
zuständig, wenn die Statuten ihr die Beschlussfassung über diesen
Gegenstand vorbehalten (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 5 OR). Einen solchen
Vorbehalt sieht die Klägerin in Art. 15 lit. i der Statuten der Beklagten,
wonach die Generalversammlung unter anderem über die ihr "durch Beschluss
des Verwaltungsrates zugewiesenen Gegenstände" zu beschliessen hat. Die
Klägerin macht geltend, die Zuweisung im Sinne dieser Bestimmung sei durch
den Beschluss vom 28. Februar 1958 erfolgt und habe vom Verwaltungsrat
nicht mehr rückgängig gemacht werden können, da er den Beschluss durch
den Kauf der 123 Aktien teilweise vollzogen und damit eine wesentliche
Grundlage der Gesellschaft endgültig verändert habe.

    Diese Auffassung hält nicht stand. Der Beschluss, die 123 Aktien
zu kaufen, und der Beschluss, über ihre weitere Verwendung die nächste
Generalversammlung zu befragen, sind auseinanderzuhalten. Obwohl der
Verwaltungsrat beide gleichzeitig fasste, konnte er den zweiten auch nach
dem Vollzug des ersten widerrufen. Dabei ist unerheblich, was er sich
am 28. Februar 1958 über den innern Zusammenhang der beiden Beschlüsse
vorstellte. Der Verwaltungsrat als Organ der Aktiengesellschaft bildet
im Rahmen seiner Zuständigkeit deren Willen frei (Art. 55 Abs. 1 ZGB)
und kann ihn daher an sich auch frei jederzeit abändern. Dass ein von der
Generalversammlung zuständigerweise erlassenes Verbot, auf einen Beschluss
zurückzukommen, ihm das allenfalls verwehren kann, spielt hier keine Rolle;
denn die Generalversammlung der Beklagten hatte über die Verwendung der
Aktien nichts beschlossen, als der Verwaltungsrat am 12. Oktober 1959 den
Willen, sie zu befragen, widerrief. Der Verwaltungsrat griff durch den
Verkauf der Aktien an Rolf Knie auch nicht in die Rechte Dritter ein. Der
Kaufvertrag mit Antoinette Knie blieb bestehen und wurde nicht verletzt,
denn dass die Aktien "zu treuen Handen der Aktionäre" gekauft würden und an
einer Generalversammlung über ihre weitere Verwendung Beschluss gefasst
werde, war nur Inhalt der Verwaltungsratsbeschlüsse vom 28. Februar
1958, nicht auch des erwähnten Vertrages. Der Klägerin ist auch nicht
darin beizupflichten, dass durch den Kauf "eine wesentliche Grundlage
der Gesellschaft definitiv verändert" worden sei. Nichts war endgültig
verändert, solange offen blieb, was mit den erworbenen 123 Aktien zu
geschehen habe.

    Der Verwaltungsrat war somit zuständig, Rolf Knie diese zu verkaufen.
Gemäss Art. 721 Abs. 2 OR ist die Verwaltung befugt, über alle
Angelegenheiten Beschluss zu fassen, die nicht der Generalversammlung
oder anderen Gesellschaftsorganen übertragen oder vorbehalten sind.

Erwägung 3

    3.- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts haben die Aktionäre
Anspruch, bei Beschlüssen der Gesellschaftsorgane über ihre rechtlichen
Beziehungen zur Gesellschaft gleich behandelt zu werden, soweit
nicht im Interesse der Gesamtheit der Aktionäre an der Verfolgung des
Gesellschaftszweckes Ausnahmen nötig sind (BGE 69 II 248 ff.).

    Die Beklagte hat diesen Grundsatz nicht verletzt. Indem ihr
Verwaltungsrat sich für den Verkauf der 123 Aktien an Rolf Knie
entschied, fasste er nicht im Sinne der erwähnten Rechtsprechung einen
Beschluss über die rechtlichen Beziehungen zwischen den Aktionären und der
Gesellschaft, sondern er machte nichts grundsätzlich anderes, als wenn er
einen Nichtaktionär als Käufer ausgewählt hätte. Die Beklagte war nicht
verpflichtet, die 123 Aktien entweder unter Herabsetzung des Grundkapitals
zu vernichten oder sie den Aktionären zum Kaufe anzubieten. Nur wenn neue
Aktien ausgegeben werden, ist der Aktionär berechtigt, davon einen seinem
bisherigen Aktienbesitz entsprechenden Teil zu beanspruchen, soweit nicht
die Statuten oder der Beschluss über die Erhöhung des Grundkapitals etwas
anderes bestimmen (Art. 652 OR). Diese Norm ist auf die Wiederveräusserung
eigener Aktien nicht sinngemäss anzuwenden. Die Wiederveräusserung stellt
nur die Rechtslage wieder her, die vor dem Erwerb der Aktien bestand. Das
entspricht dem Willen des Art. 659 Abs. 3 OR. Die Ausgabe neuer Aktien
schafft dagegen eine neue Lage, die den Interessen der bisherigen
Aktionäre widersprechen kann, wenn diese bei der Zuteilung übergangen
werden. Hatten die Aktionäre der Beklagten somit nicht das Recht, die
123 Aktien zu beziehen, so hatte der einzelne auch nicht Anspruch darauf,
beim Angebot gleich behandelt zu werden wie die anderen.

    Die Klägerin stützt denn auch den Vorwurf der Verletzung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung nicht auf ein gesetzliches Bezugsrecht,
sondern auf die Äusserung des Verwaltungsrates im Beschluss vom 28. Februar
1958, wonach die Aktien "zu treuen Handen der Aktionäre" gekauft würden
und die Generalversammlung über ihre weitere Verwendung zu beschliessen
habe. Sie sagt, damit sei der Grundsatz der Gleichbehandlung "stipuliert
und bestätigt" worden. Sie unterstellt also, der Beschluss habe den
Aktionären ein Recht auf den Bezug der Aktien verschafft.

    Der Beschluss enthielt indes schon formell keine Zusicherung an die
Aktionäre. Indem der Verwaltungsrat ihn fasste, schloss er nicht mit den
Aktionären einen Vertrag ab, sondern bildete er nur den inneren Willen der
Gesellschaft. Darauf konnte er zurückkommen, denn die Generalversammlung
fasste keinen Beschluss, der ihm das verboten hätte.

    Auch materiell verkennt die Klägerin den Beschluss vom 28. Februar
1958. Er enthielt schon deshalb keine Zusicherung, dass die Aktionäre
die 123 Aktien würden beziehen können, weil die Frage, was mit diesen
Titeln zu geschehen habe, ausdrücklich offen gelassen wurde. Hierüber
sollte die Generalversammlung erst noch beschliessen. Namentlich blieb
die Möglichkeit der Herabsetzung des Grundkapitals offen. Der Wille
des Verwaltungsrates, "zu treuen Handen der Aktionäre" zu erwerben,
ändert hieran nichts. Diese Wendung erklärt sich aus dem grundsätzlichen
Verbot des Erwerbes eigener Aktien. Sie ist dahin zu verstehen, dass der
Verwaltungsrat die Aktien nicht bleibend in den Besitz der Gesellschaft
überführen wolle, sondern dass er den Aktionären Gelegenheit geben werde,
in der Generalversammlung über ihre Verwendung zu beschliessen. Dass der
Beschluss vom 28. Februar 1958 so auszulegen ist, ergibt sich auch aus
dem nachfolgenden Verhalten des Verwaltungsrates und der Klägerin. In
der Sitzung vom 25. September 1958 erkundigte sich diese über den Stand
der Angelegenheit. Der Rechtsberater des Verwaltungsrates antwortete,
dass über die 123 Aktien erst noch Beschluss gefasst werden müsse. Die
nachfolgende Aussprache ergab, dass man sich noch nicht schlüssig war,
ob die Titel durch die einzelnen Aktionäre erworben oder durch die
Gesellschaft vernichtet werden sollten. Die Klägerin widersprach nicht; sie
stellte sich nicht auf den Standpunkt, die Aktien müssten den Aktionären,
also zum Teil auch ihr selbst, übertragen werden. Auch in der Sitzung des
Verwaltungsrates vom 25. August 1959 verlangte sie das nicht; sie behielt
sich vielmehr ausdrücklich vor, der Generalversammlung die Vernichtung
der Papiere zu beantragen. Erst in der Sitzung vom 12. Oktober 1959 erhob
sie Anspruch auf einen Drittel der Aktien.

Erwägung 4

    4.- Die Klägerin macht geltend, der Verkauf der 123 Aktien an Rolf
Knie sei jedenfalls rechtsmissbräuchlich (Art. 2 ZGB).

    Diese Auffassung lässt sich nicht damit begründen, dass die Aktien
"zu treuen Handen der Aktionäre" erworben worden seien. Da diese Wendung
im Verwaltungsratsbeschluss vom 28. Februar 1958 nur den Sinn hatte,
der Verwaltungsrat werde den Aktionären Gelegenheit geben, in der
Generalversammlung über die Verwendung der Aktien zu beschliessen, und
da der Verwaltungsrat an sich berechtigt war, seinen Willen zu ändern,
solange der Beschluss der Generalversammlung ausstand, könnte von einem
offenbaren Rechtsmissbrauch nur die Rede sein, wenn Umstände vorlägen,
die ein Abweichen vom ursprünglichen Willen des Verwaltungsrates nach den
Grundsätzen von Treu und Glauben klar verboten. Solche Umstände darzutun,
oblag der Klägerin, die aus dem angeblichen Missbrauch ableitet, dass
die Beschlüsse der Generalversammlung vom 12. Oktober 1959 das Gesetz
verletzten. Die allgemeine Rüge der Klägerin, ihre Gegner im Verwaltungsrat
hätten keine sachlichen Gründe gehabt, auf den Beschluss vom 28. Februar
1958 zurückzukommen, genügt nicht.

    Ein die Anwendung des Art. 2 ZGB rechtfertigender besonderer
Umstand liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darin,
dass der Verwaltungsrat die 123 Aktien dem Rolf Knie "zum Zwecke der
Machtkonzentration bei der Gruppe Friedrich Knie" verkauft habe. Solange
die 123 Aktien der Gesellschaft gehörten, vermochten weder diese Gruppe
noch die Klägerin die für Beschlüsse und Wahlen der Generalversammlung
vorgeschriebene Mehrheit von zwei Dritteln der vertretenen Stimmen zu
erzielen, gleichgültig auf welche Seite Geiser und Antoinette Knie -
diese als Nutzniesserin von 28 Aktien - sich stellten. Die Gegensätze
zwischen den Erben des Friedrich Knie einerseits und der Klägerin
anderseits machten also die Generalversammlung beschlussunfähig. Ob der
einen oder der andern Seite aus den Meinungsverschiedenheiten ein Vorwurf
zu machen ist, kann offen bleiben. Wesentlich ist, dass der dem Gedeihen
der Gesellschaft und ihres Unternehmens hinderliche Zustand tatsächlich
bestand. Die Übertragung der 123 Aktien an Rolf Knie beseitigte ihn. Sie
verstiess daher nicht gegen Treu und Glauben, war gegenteils sachlich
gerechtfertigt. Sie war es umsomehr, als die Generalversammlung nur
durch den an sich nicht erlaubten Erwerb eigener Aktien seitens der
Gesellschaft beschlussunfähig geworden war. Die Beklagte war verpflichtet,
sich dieser Aktien wieder zu entäussern, sei es durch Verkauf, sei es -
unter Herabsetzung des Grundkapitals - durch Vernichtung. Die Klägerin
hatte kein schützenswertes Interesse, dass dabei eine Lösung gewählt
werde, bei der die Beschlussunfähigkeit der Generalversammlung bestehen
bleibe. Weder die Herabsetzung des Grundkapitals, noch die gleichmässige
Verteilung der 123 Aktien auf die Mitglieder des Verwaltungsrates, noch
die Abgabe der Titel an alle Aktionäre im Verhältnis ihres bisherigen
Aktienbesitzes hätte den Erben des Friedrich Knie einerseits oder der
Klägerin anderseits in der Generalversammlung die Mehrheit von zwei
Dritteln der Stimmen verschafft, gleichgültig mit welcher Partei Geiser
und Antoinette Knie gestimmt hätten. Den Erben des Friedrich Knie war
nicht zuzumuten, die Aktiengesellschaft aus wichtigen Gründen auflösen
zu lassen (Art. 736 Ziff. 4 OR), um der unhaltbaren Lage abzuhelfen.

    Der von der Klägerin angerufene Umstand, dass die Beklagte eine
"auf persönlichen Beziehungen aufgebaute Familien-Aktiengesellschaft"
ist, führt nicht zu einer anderen Würdigung des Sachverhaltes. Auch in
einer solchen Gesellschaft muss die Generalversammlung beschlussfähig
sein, wenn sie die ihr vom Gesetz und den Statuten vorbehaltenen Aufgaben
soll erfüllen können. Dass das Unternehmen der Beklagten sich durch die
Leistungen der Brüder Friedrich, Charles und Eugen Knie und ihrer Vorfahren
entwickelt hatte und der überwiegende Teil der Aktien ihren Erben gehörte,
war vielmehr ein Grund, der den Verkauf der 123 Aktien an Rolf Knie als
eines Gliedes dieser Familie sachlich zu rechtfertigen vermochte.

    Es fällt auf, dass Fredy und Margrit Knie sich zum Verkauf der 123
Aktien an Rolf Knie entschlossen und der Erwerber den Kaufpreis zahlte,
ohne dass dieses Geschäft mit der Klägerin erörtert worden wäre. Das
Vorgehen zeigt, dass Fredy und Margrit Knie nicht beabsichtigten,
Einwendungen und Gegenvorschläge, welche die Klägerin unter dem Eindruck
der neuen Lage allenfalls machen würde, zu prüfen. Die Klägerin wurde
in der Sitzung des Verwaltungsrates vom 12. Oktober 1959 mit einem
unabänderlichen Entschluss überrascht. Das musste sie umsomehr stossen, als
die Generalversammlung unmittelbar an diese Sitzung anschloss und daher ein
Versuch, ihre Gegner umzustimmen, schon wegen Zeitmangels aussichtslos war.
Auf Förderung des guten Einvernehmens bedachte Geschäftsleute wären anders
vorgegangen als Fredy und Margrit Knie. Das ändert jedoch nichts daran,
dass der Beschluss des Verwaltungsrates vom 12. Oktober 1959 sachlich
gerechtfertigt werden konnte und daher nicht gegen Treu und Glauben
verstiess.

Erwägung 5

    5.- Hält der Verkauf der 123 Aktien an Rolf Knie stand, so unterliegt
die Klägerin nicht nur mit den Rechtsbegehren 2 und 3, sondern auch mit dem
auf Anfechtung der Generalversammlungsbeschlüsse gerichteten Rechtsbegehren
1. Die Übertragung der Aktien auf Rolf Knie war vollzogen und dieser im
Aktienbuch als Eigentümer eingetragen, als die Versammlung stattfand. Rolf
Knie war also stimmberechtigt. Die Klägerin macht nicht geltend, dass
die angefochtenen Beschlüsse aus anderen Gründen als wegen Ungültigkeit
des Verkaufs der 123 Aktien gegen das Gesetz oder die Statuten verstiessen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 19. April 1961 bestätigt.