Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 II 94



88 II 94

15. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Februar 1962
i.S. Danzas A.-G. gegen Ceta

SA Regeste

    Frachtvertrag, Haftung des Frachtführers bei Beschädigung des Gutes,
Art. 448 OR.

    Einfluss des Umstandes, dass der Absender mit dem Lieferanten des
Gutes die Aufhebung des Kaufvertrags unter Rückerstattung des Kaufpreises
vereinbart (Erw. 3).

    Der Frachtführer haftet grundsätzlich auch für bloss mittelbaren
Schaden des Absenders (Erw. 4).

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Die Ceta SA in Clarens (VD) kaufte Ende 1954 bei einer Maschinenfabrik
in Strassburg eine Maschine zum Preis von Fr. 58'000.--. Die Käuferin
erteilte im Januar 1955 der Firma Danzas AG den Auftrag, die 3,5
t schwere Maschine auf einem Lastwagen von Strassburg nach Clarens
zu transportieren. Die Danzas AG schloss auf Rechnung der Ceta SA
eine Transportversicherung ab. Den Transport liess sie durch einen
Unterfrachtführer besorgen. Auf dem im Januar 1955 vorgenommenen
Transport wurde die Maschine beschädigt. Da sie infolgedessen nicht
richtig funktionierte, nahm die Lieferantin sie im September 1955 zurück
und erstattete der Ceta SA gegen Abtretung der Schadenersatzansprüche
für den Sachschaden gegenüber der Versicherung den Kaufpreis zurück. Die
Versicherungsgesellschaft vergütete der Fabrik die Kosten der Reparatur
der Maschine, die sich auf ca. Fr. 3600.-- beliefen.

    Im September 1956 belangte die Ceta SA die Danzas AG auf Ersatz ihres
von der Versicherung nicht gedeckten mittelbaren Schadens (Verdienstausfall
usw.). Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung mit der Begründung,
es treffe sie, bzw. ihren Unterfrachtführer, kein Verschulden an der
Beschädigung der Maschine, weshalb allfällige Schadenersatzansprüche der
Klägerin gemäss Art. 454 Abs. 1 OR innert eines Jahres seit Ablieferung des
Frachtgutes verjährt wären. Im weiteren machte sie geltend, der Klägerin
stünden infolge der Rückerstattung des Kaufpreises keine Ansprüche mehr zu.
Endlich nahm sie den Standpunkt ein, der Frachtführer könne für mittelbaren
Schaden überhaupt nicht verantwortlich gemacht werden.

    Das Appellationsgericht von Basel-Stadt verwarf die Verjährungseinrede,
weil die Beschädigung des Gutes durch grobe Fahrlässigkeit des von
der Beklagten beigezogenen Unterfrachtführers verschuldet worden sei,
weshalb die ordentliche Verjährungsfrist von 10 Jahren gemäss Art. 127 OR
Platz greife. Sodann verurteilte es die Beklagte zum Ersatz mittelbaren
Schadens der Klägerin im Betrage von Fr. 18'000.--.

    Das Bundesgericht weist die Berufung der Beklagten ab. Über die Fragen
der Haftung des Frachtführers bei Rückgängigmachung des Kaufvertrags über
das Frachtgut und der Haftung für bloss mittelbaren Schaden enthält der
Entscheid die folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Die Beklagte macht geltend, die Klägerin könne gegen sie
keine Schadenersatzansprüche mehr erheben, weil die Verkäuferin die
Maschine zurückgenommen und der Klägerin den Kaufpreis zurückerstattet
habe. Dieser Sachverhalt sei einem Totalverlust des Gutes im Sinne des
Art. 447 OR gleichzustellen; da die genannte Bestimmung den Ersatz auf
den vollen Warenwert begrenze, stehe der Klägerin, die diesen Wert
mit der Rückerstattung des Kaufpreises erhalten habe, kein weiterer
Schadenersatzanspruch zu.

    Diese Auffassung ist unrichtig. Das Gesetz unterscheidet klar zwischen
der Haftung des Frachtführers bei Verlust oder Untergang des Frachtgutes
(Art. 447) einerseits und der Haftung für Schäden aus Verspätung in der
Ablieferung, aus Beschädigung oder aus teilweisem Untergang des Gutes (Art.
448) anderseits. Der Tatbestand des Art. 447 ist im vorliegenden Fall
unzweifelhaft nicht gegeben. Das Frachtgut ist weder verloren gegangen,
noch gänzlich zerstört, sondern nur beschädigt worden. Dieser Tatbestand
kann selbstverständlich nicht dadurch verändert werden, dass der Empfänger
des Gutes in seiner Eigenschaft als Käufer mit dem Verkäufer eine Abrede
trifft, wonach der Kaufvertrag rückgängig gemacht und die gegenseitigen
Leistungen zurückerstattet werden. Diese Abmachung und ihr Vollzug berühren
das Rechtsverhältnis zwischen dem Frachtführer und seinem Auftraggeber
in keiner Weise. Mit Recht hat sich die Vorinstanz daher auf den Boden
gestellt, dass die Schadenersatzforderung der Klägerin ausschliesslich
auf Grund von Art. 448 OR zu beurteilen sei.

Erwägung 4

    4.- Nach Art. 448 Abs. 1 OR hat der grundsätzlich haftbare Frachtführer
für allen Schaden einzustehen, der aus Verspätung in der Ablieferung,
aus Beschädigung oder aus teilweisem Untergang des Gutes entstanden ist;
jedoch kann gemäss Abs. 2 der genannten Gesetzesbestimmung ohne besondere
Verabredung kein höherer Schadenersatz als der für den gänzlichen
Verlust des Gutes vorgesehene, d.h. also höchstens der volle Sachwert,
begehrt werden.

    Die Vorinstanz hat angenommen, damit werde die Haftung des
Frachtführers lediglich hinsichtlich ihrer Höhe, nicht dagegen auch
hinsichtlich der Art des Schadens beschränkt, und könne deshalb auch
bloss mittelbaren Schaden des Absenders umfassen.

    Die Beklagte vertritt demgegenüber (unter Hinweis auf BECKER, N. 7
zu Art. 448 OR) die Auffassung, die Bestimmung beschränke die Haftung
des Frachtführers nicht bloss summenmässig, sondern begrenze sie auf die
Wertverminderung der beschädigten Sache und erstrecke sich daher nicht
auf bloss mittelbaren Schaden.

    Diese Ansicht kann nicht geteilt werden. Nach dem klaren Wortlaut des
Gesetzes ist in den Fällen des Art. 448 OR grundsätzlich aller Schaden zu
ersetzen. Daraus muss gefolgert werden, dass im Gegensatz zu den Fällen
des Art. 447 OR nicht bloss der Sachschaden zu ersetzen ist, sondern auch
Nachteile anderer Art, eben der bloss mittelbare Schaden, ebenfalls in
Betracht kommen können. Hinsichtlich des Schadens infolge verspäteter
Ablieferung ist eine andere Lösung überhaupt nicht denkbar, weil ein
solcher Schaden nur ein mittelbarer sein kann. Hätte der Gesetzgeber die
Haftung bei Beschädigung und Teilverlust der gleichen Ordnung unterstellen
wollen wie diejenige für Verlust oder Untergang des ganzen Transportgutes,
so hätte er sie mit dieser zusammen in Art. 447 OR geregelt und sie
nicht in Art. 448 OR zusammen mit dem Verspätungsschaden auf eine Linie
gestellt. Daraus erhellt, dass die in Art. 448 Abs. 2 OR vorgesehene
Begrenzung der Haftung auf den Ersatz, der bei gänzlichem Verlust des
Gutes gefordert werden könnte, die Bedeutung einer summenmässigen Schranke
hat. Diese Begrenzung soll lediglich den Frachtführer davor schützen, dass
er bei blosser Beschädigung des Gutes stärker belastet wird als bei dessen
gänzlichem Verlust (so zutreffend OSER/SCHÖNENBERGER, N. 2 zu Art. 448 OR).

    Angesichts dieses klaren und eindeutigen Wortlauts des Art. 448
OR bleibt kein Raum für die von der Beklagten verfochtene abweichende
Auslegung, die sich auf historische Erörterungen, auf eine Vergleichung
mit den Sondergesetzen für den Eisenbahn- und Postfrachtverkehr und auf
Usanzen des Transportgewerbes oder der Transportversicherung stützt.

    Für die Auslegung des Art. 448 OR im oben dargelegten Sinne sprechen
schliesslich auch noch die folgenden Überlegungen: Gemäss den in Art. 97
ff. OR niedergelegten Grundsätzen hat im Falle der Nichterfüllung oder
nicht gehörigen Erfüllung von Obligationen der Schuldner allen daraus
entstandenen Schaden, somit auch mittelbaren Schaden zu ersetzen, sofern
er nicht den Exkulpationsbeweis zu erbringen vermag. Ausnahmen von diesem
Grundsatz sind nur zuzulassen, soweit der Gesetzgeber einen dahingehenden
Willen unmissverständlich zum Ausdruck bringt. Das ist in Art. 447
geschehen, nicht dagegen in Art. 448 OR. Es ist daher für die letztere
Gesetzesbestimmung derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, welche dem
erwähnten, das Vertragsrecht beherrschenden Grundsatz näher steht.