Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 II 65



88 II 65

11. Auszug aus dem Urteil vom 23. Mai 1962 der II. Zivilabteilung
i.S. M. gegen W. Regeste

    Vaterschaftsklage. Hat der Beklagte nach Bundesrecht Anspruch auf
Anordnung einer Expertise nach Knaus/Ogino?

Sachverhalt

    Mit der Vaterschaftsklage von Frl. W. und ihrem am 21. März 1960
geborenen Kinde auf Vermögensleistungen belangt, beantragte der Beklagte
M., dessen Vaterschaft durch die Blutuntersuchung nicht ausgeschlossen
werden konnte und dessen Beiwohnung in eine nach dem Reifegrad des
Kindes für die Empfängnis sehr wohl in Betracht kommende Zeit fiel, die
Anordnung einer Expertise darüber, ob seine Beiwohnung nach den von der
Mutter angegebenen Daten dieses Verkehrs ("ca. um den 23. Juni 1959") und
der letzten Menstruation (21. Juni 1959) nicht in die nach Knaus/Ogino
empfängnisfreien Tage falle. Das Obergericht des Kantons Luzern hiess
die Klage unter Ablehnung dieses Beweisantrags gut. Die Berufung, mit
welcher der Beklagte u.a. die Rückweisung an die Vorinstanz zur Einholung
der erwähnten Expertise verlangte, wird vom Bundesgericht abgewiesen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Auch die Ablehnung einer Expertise über die "empfängnisfreien Tage"
der Mutter (nach Knaus/Ogino) verstösst nicht gegen Art. 8 ZGB. Es ist
nicht festgestellt, dass der Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten während
oder gar vor der letzten vorgeburtlichen Menstruation der Mutter, deren
Eintritt diese auf den 21. Juni 1959 verlegt, stattgefunden habe. Die
Vorinstanz hat die eben erwähnte Angabe der Mutter dahin aufgefasst,
dass die Mutter damit offenbar sagen wolle, die letzte Menstruation
sei einige Tage vor dem nach ihrer Erinnerung um den 23. Juni 1959
erfolgten Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten eingetreten. Sie hat
also die genauen Daten der letzten Menstruation (über welche nur Angaben
der Mutter vorliegen) und des Geschlechtsverkehrs mit dem Beklagten als
nicht genau feststellbar betrachtet. Ausserdem fehlen Angaben über die
Daten der frühern Menstruationen und über die daraus sich ergebenden
Menstruationszyklen, wie sie für die Anwendung der Methode Knaus/Ogino
ebenfalls erforderlich wären. Also fehlten schon die praktischen
Voraussetzungen für die Durchführung der beantragten Expertise über die
"empfängnisfreien Tage". Dazu kommt, dass angesehene gynäkologische
Sachverständige diese Methode jedenfalls für Fälle wie den vorliegenden
nicht als schlüssig anerkennen. PODLESCHKA (Das geburtshilfliche Gutachten
im Vaterschaftsprozess, 1954) erklärt, er würde die Verantwortung nicht
auf sich nehmen, "einen einzigen nachgewiesenen Konkubenten nur deshalb
auszuschliessen, weil dessen Verkehrsdaten in die letzte vorgeburtliche
Menstruation fallen" (S. 113); die Möglichkeit der Konzeption aus
einer Kohabitation nach der letzten vorgeburtlichen Menstruation
müsse gutachtlich für jeden Zeitpunkt dieses in die Schwangerschaft
hinüberleitenden Zyklus zugegeben werden; die Wahrscheinlichkeit der
Konzeption sei jedoch dem Zeitpunkt der Kohabitation nach verschieden gross
und könne beiläufig differenziert werden; allein aus dieser Erkenntnis
die offenbare Unmöglichkeit folgern zu wollen, erscheine nicht angängig
(S. 123/124). Entsprechend sagt HOSEMANN (in BEITZKE, HOSEMANN, DAHR,
SCHADE, Vaterschaftsgutachten für die gerichtliche Praxis, 1956, S. 31),
es sei nicht möglich, Beiwohnungen allein aus dem Grunde als offenbar
unmöglich (d.h. als für die Schwangerschaft offenbar nicht kausal)
auszuschliessen, weil sie zu einem Zeitpunkt der "unfruchtbaren Phase der
Frau" erfolgt sein sollen. Indem die Vorinstanz annahm, eine Expertise
nach der Methode Knaus/Ogino könnte, auch wenn sie praktisch durchführbar
wäre, die Vaterschaft des Beklagten nicht mit genügender Zuverlässigkeit
ausschliessen, hat sie sich also keineswegs zu gesicherten Erkenntnissen
der Wissenschaft in Widerspruch gesetzt.

    Hieran kann auch nichts ändern, dass die Mutter am 7. Juli 1959 wegen
Schwangerschaftserbrechens einen Arzt aufsuchte; dies um so weniger,
als dieser Arzt keine Untersuchung vornahm.