Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 II 38



88 II 38

6. Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. März 1962 i.S. Schwegler gegen
"Zürich" Versicherungsgesellschaft. Regeste

    1.  Art.129 Abs.2KUVG schränkt auch die Haftung aus Art. 37 MFG ein
(Erw. 1), gilt aber nur für Betriebsunfälle (Erw. 1) und nur für den dem
Versicherten und seinen Hinterlassenenaus einer Körperverletzung oder
Tötung entstehenden Schaden, nicht auch für Sachschaden (Erw. 4).

    2.  Art. 67 Abs.2lit. b K UVG, Betriebsunfall. Die Fahrt des
Versicherten, der vom Arbeitgeber vom Geschäftssitz an den Arbeitsort
geführt wird, ist eine zur Förderung der Betriebszwecke bestimmte
Verrichtung (Erw. 2 und 3).

Sachverhalt

    A.- Die Firma Hindermann & Erne, die in Zürich eine Polsterwerkstatt
führte, war beauftragt, in einem Lichtspieltheater in Bern Sitze
instandzustellen. Sie beabsichtigte, diese Arbeit unter der Leitung
des Gesellschafters Erne mit sechs ihrer Arbeiter in einem halben Tage
auszuführen. Sie wies die Arbeiter an, sich am Morgen des 11. März 1958
mit ihren Arbeitsgeräten zu bestimmter Zeit an einem bestimmten Orte
einzufinden, um mit einem ihr gehörenden Motorwagen nach Bern geführt zu
werden. Der Wagen wurde von Erne gesteuert. Zwischen Herzogenbuchsee und
Seeberg entwich aus dem Reifen eines Hinterrades die Luft. Erne verlor
deshalb die Herrschaft über den Wagen. Dieser fuhr über die Strasse hinaus
und überschlug sich. Erne und der Arbeiter Paul Schwegler wurden so schwer
verletzt, dass sie am 13. März 1958 starben.

    Schwegler war als Arbeitnehmer der Firma Hindermann & Erne bei der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt in Luzern obligatorisch gegen
Unfall versichert. Diese anerkannte gegenüber seiner Witwe Maria Schwegler
geb. Kubin und gegenüber seiner Tochter Maya Schwegler die sich aus dieser
Versicherung ergebenden Leistungen.

    Maria und Maya Schwegler behaupten, durch das Ereignis und den Tod
Schweglers weiteren Schaden erlitten zu haben. Um für diesen gedeckt zu
werden, klagten sie gegen die "Zürich" Versicherungsgesellschaft, welche
die Firma Hindermann & Erne als Halterin des verunfallten Motorwagens gegen
die Folgen der Haftpflicht versichert hatte, auf Zahlung gerichtlich zu
bestimmender Beträge nebst Zins.

    B.- Der Appellationshof des Kantons Bern wies am 10.  Oktober 1961
die Klage ab. Er kam zum Schluss, das schädigende Ereignis sei ein
Betriebsunfall im Sinne des Art. 67 KUVG. Da die Klägerinnen nicht
behaupteten, Erne habe den Unfall grobfahrlässig oder absichtlich
herbeigeführt, und da die Akten keine Anhaltspunkte für ein solches
Verschulden enthielten, seien gemäss Art. 129 KUVG die Firma Hindermann &
Erne und die Beklagte als Haftpflichtversicherer nicht ersatzpflichtig.

    C.- Die Klägerinnen haben die Berufung erklärt. Sie beantragen dem
Bundesgericht, das Urteil des Appellationshofes aufzuheben und die Beklagte
zu verpflichten, der Klägerin Wwe. Maria Schwegler Fr. 39'738.70 und der
Klägerin Maya Schwegler Fr. 5296.35 zu zahlen, beides nebst Zins zu 5%
seit 13. März 1958, eventuell die Sache zur Feststellung des Schadens an
den Appellationshof zurückzuweisen.

    Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Wenn der Arbeitgeber des Versicherten die von ihm in der
obligatorischen Unfallversicherung geschuldeten Prämien bezahlt hat,
haftet er gemäss Art. 129 Abs. 2 KUVG für den Unfall nur, wenn er ihn
absichtlich oder grobfahrlässig herbeiführte. Diese Bestimmung befreit
ihn nicht nur von der Haftung gemäss Obligationenrecht, sondern auch von
der in Art. 37 MFG geregelten Haftung als Halter eines Motorfahrzeuges,
denn Art. 56 Abs. 3 MFG behält Art. 129 KUVG vor (BGE 65 II 269). Art. 129
Abs. 2 KUVG schliesst aber die Haftung des Arbeitgebers für einen nicht
absichtlich oder grobfahrlässig herbeigeführten Unfall nur aus, wenn
dieser ein Betriebsunfall ist, denn gemäss Art. 108 Abs. 1 KUVG leistet
der Arbeitgeber Prämien obligatorischerweise nur für Betriebsunfälle
(BGE 67 II 231 ff.).

Erwägung 2

    2.- a) Art. 67 Abs. 2 KUVG bezeichnet als Betriebsunfälle "diejenigen
Körperverletzungen, die einem Versicherten zustossen

    a)  bei einer Arbeit, die er im Auftrage des Inhabers des die
Versicherung bedingenden Betriebes oder seiner Organe ausführt;

    b)  bei einer Verrichtung, die zur unmittelbaren oder mittelbaren
Förderung der Betriebszwecke bestimmt ist und zu der der Versicherte das
Einverständnis des Betriebsinhabers oder seiner Organe voraussetzen darf;

    c)  während der Arbeitspause sowie vor Beginn oder nach Beendigung
der Arbeit, wenn der Versicherte sich befugterweise auf der Betriebsstätte
oder im Bereiche der Betriebsgefahren befindet."

    Ein Betriebsunfall im Sinne der lit. b dieser Bestimmung setzt
entgegen der Auffassung der Klägerinnen weder voraus, dass der
Versicherte zu arbeiten begonnen habe, noch dass er sich auf der
Betriebsstätte befinde oder den Gefahren des Betriebes ausgesetzt
sei. Jede Verrichtung, die der Versicherte zur unmittelbaren oder
mittelbaren Förderung des Betriebszweckes vornimmt und zu der er das
Einverständnis des Betriebsinhabers voraussetzen darf, fällt schon
unter den Begriff der von lit. a erfassten Arbeiten, wenn sie nach der
Aufnahme der Arbeit und vor deren Beendigung erfolgt. Spielt sie sich
auf der Betriebsstätte oder im Gefahrenbereich des Betriebes ab, so wird
sie schon von lit. c erfasst. Lit. b wäre daher überflüssig, wenn die
Auffassung der Klägerinnen zuträfe. Diese Bestimmung will den Kreis der
Betriebsunfälle auf Körperverletzungen erweitern, die dem Versicherten bei
gewissen nicht schon von lit. a oder c erfassten Verrichtungen zustossen.

    b) Der Entwurf des Bundesrates zum Kranken- und
Unfallversicherungsgesetz unterschied nicht zwischen Betriebs- und
Nichtbetriebsunfällen. Die Unterscheidung wurde vom Ständerat beschlossen.
Dieser wollte in einem Art. 46 Abs. 2 bestimmen (StenBull StR 1909 185,
1910 27 ff.):

    "Als Betriebsunfälle gelten diejenigen Körperverletzungen, die einem
Versicherten zustossen:

    a)  in dem Betriebe, dem er angehört, wenn der Unfall sich bei einer
Arbeit ereignet, die er im Auftrage des Betriebsinhabers oder seiner
Organe vornimmt oder die sonst die Zwecke des Betriebes unmittelbar oder
mittelbar zu fördern bestimmt ist und für die er das Einverständnis des
Betriebsinhabers oder seiner Organe voraussetzen darf;

    b)  in den Ruhepausen während der Arbeitszeit oder in der Zeit vor
Beginn oder nach Beendigung der Arbeit, solange sich der Versicherte noch
befugterweise auf der Betriebsstätte oder im Bereiche der Betriebsgefahren
befindet;

    c)  ausserhalb des Gefahrenbereiches des Betriebes auf Wegen oder auf
Reisen, die er im Interesse des Betriebes zu machen hat, soweit der Unfall
durch Gefahren herbeigeführt ist, die mit solchen Wegen oder Reisen ihrer
Natur nach verbunden sind, und der Versicherte solche Beförderungsmittel
benützt hat, die ihm vom Betriebsinhaber oder seinen Organen angewiesen
oder gestattet oder die nach den Umständen als ordnungsgemäss zu betrachten
waren."

    Die abweichende Fassung, die als Art. 67 Abs. 2 Gesetz wurde, geht
auf einen Antrag der Kommission des Nationalrates zurück (StenBull NatR
1910 371). Der deutsche Berichterstatter führte zu diesem Antrag unter
anderem aus (StenBull NatR 1910 456 f.):

    "Das Alinea c, über dessen Weglassung Sie vielleicht im ersten Moment
erstaunt sind, hätte leicht die Meinung aufkommen lassen können, dass der
Gang von und zur Arbeit nun mit in die Betriebsunfälle aufgenommen würde,
während dies weder die Absicht des Ständerates noch Ihrer Kommission
ist. Es muss hier gesagt sein, und ich möchte dies ganz speziell als eine
Erklärung zu Protokoll anbringen, dass Ihre Kommission die Auffassung
hat, dass die Abgrenzung zwischen Betriebs- und Nichtbetriebsunfall
auch ferner dieselbe sein soll, wie sie aus der gerichtlichen Praxis
unter der Herrschaft der bisherigen Haftpflichtgesetze hervorgegangen
ist. Dabei haben wir die Meinung, dass bei Ausscheidung der Unfälle in
der Rechnung der Versicherungsanstalt der Gang von und zur Arbeit zu den
Nichtbetriebsunfällen gehören soll ... Es ist die Meinung vorhanden, dass,
wenn ein Arbeiter oder Angestellter in einem bestimmten Auftrage an einen
Ort hinreist, diese Reise ohne weiteres in das Risiko der Betriebsunfälle
aufgenommen werden soll. Der Gang zur Arbeit von seinem Domizil weg und
umgekehrt hingegen würde unter das Risiko des Nichtbetriebsunfalles
fallen. Wir glauben, dass die neue Fassung der Kommission, wie sie
Ihnen vorgelegt ist, präziser ist als diejenige, die der Ständerat Ihnen
vorgelegt hat, und wir halten namentlich dafür, dass die Missverständnisse
in bezug auf Unfälle, die während des Ganges von und zur Arbeit bestehen,
beseitigt sind."

    Der französische Berichterstatter im Nationalrat erklärte, der
Ständerat scheine die Umstände, unter denen sich ein Betriebsunfall
ereignen könne, erschöpfend aufgezählt zu haben; die Kommission des
Nationalrates teile diese Betrachtungsweise und schlage vor, dem Beschluss
des Ständerates über die Umschreibung des Betriebsunfalles zuzustimmen,
immerhin "avec de légers changements de rédaction sans importance"
(StenBull NatR 1910 457). Ein anderes Mitglied des Nationalrates verwies
auf die Schwierigkeit der Umschreibung des Betriebsunfalles; sie zeige sich
schon darin, dass zwei wesentlich verschieden lautende Begriffsbestimmungen
vorlägen und doch "beide Räte in Wirklichkeit dasselbe bezweckt" hätten
(StenBull NatR 1910 459 Spalte rechts).

    Der Ständerat nahm dann die vom Nationalrat beschlossene Fassung
ohne Widerspruch an. Der Berichterstatter der Kommission des Ständerates
führte bei dieser Gelegenheit aus, im Nationalrat sei die Frage aufgeworfen
worden, ob nicht die Umschreibung der Betriebsunfälle verändert worden sei;
die Kommission teile diese Bedenken nicht und halte die Umschreibung auch
in der neuen Fassung für annehmbar (StenBull StR 1911 15, 45).

    Aus dieser Entstehungsgeschichte des Art. 67 Abs. 2 ergibt sich,
dass die Bundesversammlung unter den Verrichtungen im Sinne der lit. b
namentlich die im Auftrage des Arbeitgebers ausgeführten Gänge und Reisen
ausserhalb des Betriebes verstand, jedoch klarstellen wollte, dass der
Gang des Versicherten von seiner Wohnung zur Arbeit oder von der Arbeit
nach Hause nicht darunter falle.

    c) In dem in BGE 65 II 263 ff. veröffentlichten Falle verunfallte ein
Arbeitnehmer, als der Arbeitgeber ihn und einen zweiten Arbeiter mit einem
Lastwagen vom Geschäftssitz nach auswärts beförderte, damit die beiden
am Ziel der Reise für den Betriebsinhaber eine Arbeit verrichteten. Das
Bundesgericht führte aus, es liege unbestreitbar ein Betriebsunfall
vor. Diese Auffassung vertrat es nicht deshalb, weil der Verunfallte mit
der Fahrt eine berufliche Tätigkeit ausgeübt hätte, wie die Klägerinnen
annehmen wollen, weil der Arbeitgeber Transportunternehmer war. Die beiden
Arbeiter vollzogen mit der Fahrt nicht einen Transportauftrag, sondern
sie wurden lediglich an einen auswärtigen Arbeitsort verbracht.

    Die Unterscheidung, auf welche die Klägerinnen mit der Entstellung
des diesem Präjudiz zugrunde liegenden Sachverhaltes ausgehen, hält nicht
stand. Die Würdigung eines Unfalles als Betriebsunfall hängt nicht davon
ab, ob die auf Geheiss des Arbeitgebers ausgeführte Fahrt, auf der er sich
ereignete, für den Versicherten ein Arbeitsvorgang war oder nicht. Freilich
versteht Art. 67 Abs. 2 lit. b KUVG unter den "Verrichtungen" solche
des Versicherten ("activité déployée par l'assuré", "operazione compiuta
dall'assicurato"). Diese Bestimmung will jedoch die von ihr erfassten
Unfälle nicht deshalb als Betriebsunfälle behandelt wissen, weil der
Versicherte tätig, sondern weil dessen "Verrichtung" zur Förderung des
Betriebszweckes bestimmt ist, also normalerweise dem Betriebsinhaber zugute
kommt. Da dieser den Nutzen aus der Verrichtung erstrebt, hat er auch die
Prämien zu tragen, die zur Versicherung gegen die sich aus ihr ergebenden
Gefahren erhoben werden. Unter diesem gesetzgeberischen Gesichtspunkt ist
es unerheblich, ob der Versicherte bei der "Verrichtung" eine aktive oder
nur eine passive Rolle spielt. Dass auch ein Unfall, der einem Versicherten
während eines untätigen Verhaltens zustösst, Betriebsunfall sein kann,
ergibt sich übrigens aus Art. 67 Abs. 2 lit. c KUVG.

    d) Die Klägerinnen halten für entscheidend, ob der Unfall, der auf
einer unter der Führung des Arbeitgebers unternommenen Reise an den
Arbeitsort eintritt, dem Versicherten in ähnlicher Weise auch hätte
zustossen können, wenn dieser auf frei gewählte Weise und ohne Führung
gereist wäre.

    Art. 67 Abs. 2 lit. b KUVG unterscheidet jedoch nicht, ob der
Versicherte, der bei der umschriebenen Verrichtung verunfallte, an
sich auch ohne sie einen gleichartigen Unfall hätte erleiden können
oder nicht. Die Verrichtung braucht den Versicherten nicht einer Gefahr
ausgesetzt zu haben, der er - konkret oder abstrakt betrachtet - ohne sie
nicht ausgesetzt gewesen wäre. Inwiefern für Reisen an den Arbeitsort
etwas anderes gelten sollte, ist nicht zu ersehen.

Erwägung 3

    3.- Schwegler war auf der Fahrt von Zürich nach Bern noch nicht bei
der Arbeit im Sinne der lit. a und auch noch nicht auf der Betriebsstätte
oder im Bereiche der Gefahren des die Versicherung bedingenden Betriebes
im Sinne der lit. c des Art. 67 Abs. 2 KUVG. Er befand sich aber im
Einverständnis seiner Arbeitgeberin bei einer Verrichtung, die bestimmt
war, mittelbar den Betriebszweck zu fördern. Die Firma Hindermann &
Erne hatte die sechs Arbeiter, mit denen sie in Bern unter der Leitung
Ernes eine ihrem Geschäftszweck dienende Arbeit ausführen wollte,
in Zürich antreten lassen, wo sie ihren Sitz und ihre Werkstatt hat,
und Erne befand sich mit ihnen im Motorwagen der Arbeitgeberin auf
dem Wege zum Arbeitsort. Die Fahrt fiel in die Zeit, während der die
Arbeitgeberin auf Grund der Verträge berechtigt war, von den Arbeitern die
Leistung der versprochenen Dienste zu fordern, und für die sie ihnen Lohn
schuldete. Dass fünf von ihnen, besonders Schwegler, Monatslohn bezogen,
ändert nichts. Die Arbeiter standen auf der Fahrt unter der Botmässigkeit
der Arbeitgeberin. Sie hätten den Dienstvertrag verletzt, wenn sie sich
nach eigenem Gutfinden nach Bern begeben und sich erst dort, bei Beginn
der Arbeit, den Weisungen der Arbeitgeberin unterzogen hätten. Der Fall
kann daher nicht jenem gleichgestellt werden (vgl. BGE 35 II 555 ff.),
wo der Versicherte sich ausserhalb der Zeit, für die er sich zur Leistung
von Diensten verpflichtete, und auf frei gewählte Weise zur Betriebsstätte
oder an den Arbeitsort oder von dort weg nach Hause begibt. Ob Schwegler
ebenfalls verunfallt wäre oder hätte verunfallen können, wenn er sich
mit einem eigenen Fahrzeug nach Bern begeben hätte, ist unerheblich. Die
tödliche Körperverletzung, die er erlitt, war ein Betriebsunfall.

    Die Firma Hindermann & Erne ist daher im Sinne des Art. 129 Abs. 2 KUVG
entlastet, denn die Klägerinnen bestreiten nicht, dass sie die Prämien, die
sie für die obligatorische Versicherung des Verunfallten schuldete, bezahlt
und den Unfall nicht absichtlich oder grobfahrlässig herbeigeführt hat.
Entlastet ist folglich auch die Beklagte als Haftpflichtversicherer von
Hindermann & Erne.

Erwägung 4

    4.- Das bedeutet nicht, dass die Beklagte den Klägerinnen
überhaupt nichts schulde. Art. 129 Abs. 2 KUVG enthebt den Arbeitgeber
der Verantwortung für einen weder absichtlich noch grobfahrlässig
herbeigeführten Betriebsunfall nur deshalb, weil er die Beiträge an die
obligatorische Versicherung bezahlt hat. Daraus ergibt sich, dass der
weder absichtlich noch grobfahrlässig handelnde Arbeitgeber nur für jene
Folgen des schädigenden Ereignisses nicht einstehen muss, die Gegenstand
der obligatorischen Versicherung gegen Betriebsunfälle sind, also für den
dem Versicherten und seinen Hinterlassenen aus der Körperverletzung oder
Tötung entstehenden materiellen Schaden (Kosten der versuchten Heilung,
Nachteile der Arbeitsunfähigkeit, Bestattungskosten, Versorgerschaden;
vgl. Art. 72 KUVG). Daher hat das Bundesgericht entschieden, dass Art. 129
Abs. 2 KUVG die Pflicht des Arbeitgebers, unter den Voraussetzungen
des Art. 47 OR Genugtuung zu leisten, nicht auf Fälle von Absicht oder
grober Fahrlässigkeit beschränke (BGE 72 II 314 f., 432 f.). Jene Norm
berührt auch die Pflicht des Arbeitgebers, Sachschaden wiedergutzumachen,
in keiner Weise, da der Arbeitnehmer gegen solchen bei der SUVA nicht
versichert ist (Art. 67 Abs. 1 KUVG). Art. 129 Abs. 2 KUVG betrifft
denn auch nur die Haftung "für einen Unfall" (accident, infortunio),
worunter das Bundesgesetz über die Kranken- und Unfallversicherung nur
die Körperverletzung (lésion corporelle, lesione personale), nicht auch
die Sachbeschädigung versteht (Art. 67 Abs. 2 und 3).

    Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese hat über die Ersatzansprüche der
Klägerinnen für Sachschäden neu zu urteilen, ohne Art. 129 Abs. 2 KUVG
anzuwenden. Es betrifft die in der Berufungsschrift namhaft gemachten
Forderungen von Fr. 500.-- für eine angeblich zertrümmerte Uhr und von
Fr. 15.- für die Reinigung von Kleidern.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird teilweise gutgeheissen, das Urteil der
II. Zivilkammer des Appellationshofes des Kantons Bern vom 10. Oktober
1961 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen
an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im übrigen wird die Berufung abgewiesen.