Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 II 283



88 II 283

39. Urteil der I. Zivilabtellung vom 9. Oktober 1962 i.S. Legerlotz gegen
Stadt Salzburg. Regeste

    1.  Internationales Privatrecht. Welchem Recht untersteht die
Anleihe? (Erw. 1).

    2.  Art. 2ZGB. Ist eine während des Krieges erfolgte Kündigung einer
Anleihe rechtsmissbräuchlich? (Erw. 2).

    3.  Art. 134 Abs. 1 Ziff. 6OR,Hemmung der Verjährung. Wann kann
die Forderung "vor einem schweizerischen Gericht nicht geltend gemacht
werden"? (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Stadt Salzburg nahm in Jahre 1925 eine zu 7 1/2% verzinsbare
Anleihe in der Höhe von 15 Millionen Schweizerfranken oder 600 000
Pfund Sterling auf und gab dafür Inhaber-Obligationen im Nennwert
von Franken 1000.-- oder £ 40 aus. Die Anleihe wurde von drei in der
Schweiz niedergelassenen Banken "fest übernommen" und in der Schweiz
"zur öffentlichen Zeichnung aufgelegt". Die Anleihensbedingungen sahen die
Rückzahlung des Kapitals gemäss Tilgungsplan bis spätestens 30. September
1955 vor und räumten der Schuldnerin das Recht ein, die ganze Anleihe auf
30. September 1930 oder je auf 31. März oder 30. September der folgenden
Jahre zu kündigen. Die Kündigungsfrist sollte sechs Monate betragen. Zinsen
und Kapital waren von der Schuldnerin bei den drei die Anleihe auflegenden
Banken zu zahlen, und zwar nach Wahl des Gläubigers in Schweizerfranken
oder in Pfund Sterling zum schweizerischen Tageskurs. Die Zinsen sollten
fünf, die Kapitalforderungen zehn Jahre nach Verfall verjähren. Alle
Bekanntmachungen betreffend die Anleihe konnten rechtsgültig durch
einmalige Veröffentlichung im Schweizerischen Handelsamtsblatt und in drei
angeführten schweizerischen Tageszeitungen erfolgen. Die Stadt Salzburg
verpflichtete sich, die Kotierung der Anleihe an den Börsen von Zürich,
Basel und Genf nachzusuchen und während der ganzen Dauer der Anleihe
aufrecht zu erhalten.

    Im Jahre 1934 stimmte eine Gläubigerversammlung der vorübergehenden
Senkung des Zinsfusses auf 5% zu. Diese Massnahme trat 1944 ausser Kraft.

    Im Januar und Februar 1944 gab die Stadt Salzburg im Schweizerischen
Handelsamtsblatt und den drei Tageszeitungen ein bis 11. März 1944
befristetes "Angebot" vom 28. Dezember 1943 bekannt. Sie erklärte,
sie könne wegen der deutschen Devisengesetzgebung die Anleihe zur Zeit
nicht in Schweizerfranken zurückzahlen. Sie schlug den Inhabern der
Obligationen vor, entweder den Zins ab 31. März 1944 auf 4% zu senken oder
sich für die Rückzahlung des Kapitals "in Reichsmark auf Vorzugs- oder
Handelssperrguthaben bei einer deutschen Devisenbank" zu entscheiden. Sie
bekundete die Absicht, "diejenigen Obligationen, deren Inhaber von obigem
Angebot keinen Gebrauch gemacht haben, per 30. September 1944 zu kündigen
und den Gläubigern ein Angebot gemäss Paragraph 1 des Gesetzes zur Regelung
von Kapitalfälligkeiten gegenüber dem Ausland vom 27. Mai 1937 zu machen".

    Am 30. März 1944 teilte die Stadt Salzburg in den gleichen Blättern
mit, sie kündige den Inhabern, die vom erwähnten Angebot nicht Gebrauch
gemacht hätten, die Obligationen auf 30. September 1944 zur Rückzahlung
zum Nennwert und die Verzinsung der gekündigten Titel höre mit dem
30. September 1944 auf. Gleichzeitig gab sie bekannt, die Inhaber der
gekündigten Titel hätten nach dem erwähnten deutschen Gesetze noch die
Möglichkeit, die Rückzahlung in Reichsmark auf ein Sperrguthaben bei
einer deutschen Devisenbank zu verlangen oder ihre Kapitalforderung ab
1. Oktober 1944 bei der Stadt Salzburg gegen jährlich 4% Zins stehen zu
lassen. Der Betrag jener Obligationen, deren Inhaber nicht bis 30. Juni
1944 von einer dieser Möglichkeiten durch Abgabe einer Erklärung und
Einsendung der Titel an eine der drei bezeichneten schweizerischen Banken
Gebrauch mache, werde am 30. September 1944 zugunsten der Titelinhaber in
Reichsmark auf ein Sperrguthaben bei der Konversionskasse für deutsche
Auslandschulden in Berlin einbezahlt werden, wodurch die betreffenden
Titel getilgt sein würden.

    Dr. Helmuth Legerlotz, der Deutscher war und heute keine
Staatsangehörigkeit hat, besitzt dreizehn Obligationen der erwähnten
Anleihe. Er will sie 1935 oder 1936 erworben und 1939 bei der Banque
Nationale pour le Commerce et l'Industrie in Paris hinterlegt haben. Gemäss
Dekret der Französischen Republik vom 1. September 1939 betreffend Verbote
und Beschränkungen der Beziehungen mit dem Feind waren sie bis am 1. März
1947 gesperrt. Am 22. Juli 1949 wurden sie vom Zivilgerichtspräsidenten
des Departementes Seine beschlagnahmt und der Domänenverwaltung dieses
Departementes unterstellt. Am 30. April 1957 hob das Appellationsgericht
von Paris die Beschlagnahme auf, und am 25. September 1958 erhielt
Legerlotz die dreizehn Obligationen zurück.

    Legerlotz war während des zweiten Weltkrieges wiederholt gefangen. Im
April 1945 wurde er in Wien befreit, und spätestens am 16. Juli 1945
kehrte er nach Frankreich zurück. Vom Angebot der Stadt Salzburg vom
28. Dezember 1943 und von der Kündigung vom 30. März 1944 will er erst
am 24. August 1958 Kenntnis erhalten haben.

    Am 16. Oktober 1958 zahlte die Bundesrepublik Deutschland ihm 60%
seines Anleihekapitals und der von 1939 bis 1944 verfallenen Zinsen. Für
den Rest des Kapitals von Fr. 5200.-- und für noch nicht getilgte Zinsen
aus der Zeit von 1939 bis 1955 von Fr. 13'260. - erwirkte Legerlotz am
8. Oktober 1959 einen Arrest und liess er der Stadt Salzburg im November
1959 durch das Betreibungsamt Zürich 1 einen Zahlungsbefehl zustellen. Die
Schuldnerin erhob Rechtsvorschlag.

    B.- Legerlotz klagte beim Bezirksgericht Zürich gegen die Stadt
Salzburg auf Zahlung von Fr. 5200.-- und Fr. 13'260.-- nebst Verzugszins
zu 5% von Fr. 13'000.-- vom 30. September 1955 bis 16. Oktober 1958 und
von Fr. 5200.-- seit 16. Oktober 1958 sowie Fr. 52.90 Arrest- und Fr.
19.30 Betreibungskosten.

    Das Bezirksgericht Zürich wies die Klage hinsichtlich der
Anleihenszinsen von Fr. 13'260. - ab, hiess sie dagegen hinsichtlich der
übrigen Forderungen gut.

    Beide Parteien zogen die Sache an das Obergericht des Kantons Zürich
weiter, der Kläger mit dem Antrag auf vollständige Gutheissung, die
Beklagte mit dem Antrag auf Abweisung der Klage.

    Das Obergericht wies am 19. Januar 1962 die Klage ab. Es kam
zum Schluss, die Forderungen des Klägers auf Zahlung von Kapital und
Anleihenszinsen seien verjährt.

    C.- Der Kläger hat die Berufung erklärt. Er beantragt dem
Bundesgericht, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und die Klage
gutzuheissen.

    Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene
Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach dem internationalen Privatrecht der Schweiz untersteht der
Schuldvertrag jener Rechtsordnung, der die Parteien sich durch Vereinbarung
unterwerfen, und mangels einer Einigung dem Recht jenes Staates, mit dem
der Vertrag räumlich am engsten zusammenhängt (BGE 78 II 77 f., 79 II 297,
81 II 393, 87 II 273).

    Die Bedingungen der vorliegenden Anleihe erklären nicht das Recht
eines bestimmten Staates anwendbar. Räumlich am engsten hängt die Anleihe
mit der Schweiz zusammen, denn hier wurde sie ausgegeben. Das am Orte der
Ausgabe geltende Recht wird denn auch im Schrifttum als massgebend erachtet
(SCHÖNENBERGER/JAEGGI, Allgem. Einleitung N. 281). Die Parteien einigten
sich im Prozess nicht auf die Anwendung eines anderen Rechtes, wie sie es
nach der Rechtsprechung hätten tun können (BGE 79 II 295 ff., 80 II 46,
50, 180, 81 II 176, 82 II 129, 87 II 273), sondern bezogen sich schon im
kantonalen Verfahren übereinstimmend auf das schweizerische Recht. Dieses
ist anwendbar. Auf die Berufung ist daher einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Der Kläger macht geltend, die im Jahre 1944 erfolgte Kündigung der
Anleihe durch die Beklagte sei rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam
(Art. 2 ZGB). Er sieht Verstösse gegen Treu und Glauben in der Wahl
des Zeitpunktes der Kündigung und in den Bedingungen des Angebotes vom
28. Dezember 1943, von dessen Nichtannahme die Beklagte die Kündigung
abhängig gemacht habe. Die Beklagte habe nämlich gewusst oder wissen
müssen, dass zahlreiche Titelinhaber durch kriegsbedingte Verhältnisse
nicht in der Lage seien, diese Bedingungen rechtzeitig zu erfüllen,
besonders die Obligationen in die Schweiz zu senden. Sie hätte öffentlich
bekanntgeben sollen, dass jene Gläubiger, denen wegen kriegsbedingter
Verhältnisse die Annahme des Angebotes und die Einreichung der Titel
bis 30. Juni 1944 nicht möglich oder nicht zumutbar sei, das auch noch
binnen bestimmter Frist nach Wegfall jener Verhältnisse tun könnten, mit
der Folge, dass der Zins zu 4% rückwirkend ab 1. Oktober 1944 geschuldet
werde. Das Vorgehen der Beklagten sei umso stossender, als die Androhung,
das gekündigte Kapital werde in Reichsmark auf Sperrkonto gezahlt,
vertragswidrig gewesen sei.

    Die Beklagte verstiess nicht gegen Treu und Glauben, indem sie das
Angebot vom 28. Dezember 1943 machte, es bis 11. März 1944 befristete
und jenen Gläubigern, die es nicht annehmen würden, die Kündigung in
Aussicht stellte. Sie war berechtigt, die Anleihe bedingungslos und
gegenüber allen Gläubigern zu kündigen. Sie war daher auch frei, den
Gläubigern vorgängig der Kündigung die Änderung der Anleihensbedingungen
vorzuschlagen und nur die Kündigung jener Titel in Aussicht zu stellen,
deren Inhaber das Angebot nicht annehmen würden. Da sie nicht verpflichtet
war, ein solches überhaupt zu machen, stand es auch in ihrem Belieben,
den Inhalt des Angebotes und die Frist, während der es angenommen werden
konnte, zu bestimmen. Auf kriegsbedingte Verhältnisse brauchte sie so
wenig Rücksicht zu nehmen wie irgendwer, der während des Krieges ein
Angebot auf Abschluss eines Vertrages, insbesondere auf Neuerung eines
kündbaren Rechtsverhältnisses machte. Namentlich war sie nicht gehalten,
jenen Interessenten, die wegen des Krieges nicht in der Lage sein würden,
das Angebot rechtzeitig anzunehmen, eine verlängerte Frist zur Annahme
einzuräumen.

    War die Beklagte überhaupt nicht gehalten, ein Angebot auf Fortsetzung
des Schuldverhältnisses zu neuen Bedingungen zu machen, so gereicht es
ihr auch nicht zum Vorwurf, dass sie gegenüber jenen Gläubigern, die
ihren Vorschlag, sei es auch wegen kriegsbedingter Verhältnisse, nicht
bis am 11. März 1944 annahmen, am 30. März 1944 vom Kündigungsrecht auf
30. September 1944 Gebrauch machte. Sie durfte das selbst auf die Gefahr
hin tun, dass gewisse Gläubiger wegen des Krieges die Mitteilung nicht
lesen oder das gekündigte Kapital nicht rechtzeitig entgegennehmen und
anderweitig anlegen könnten. Nicht der Schuldner, sondern der Gläubiger
trägt die Gefahr, von einer vertragsgemäss veröffentlichten Anzeige nicht
Kenntnis zu erhalten oder die zur Ausübung der Gläubigerrechte notwendigen
Handlungen nicht rechtzeitig vornehmen zu können. Der Beklagten konnte
nicht zugemutet werden, wegen kriegsbedingter Schwierigkeiten, die sich
den Gläubigern in den Weg legen könnten, von der Kündigung abzusehen. Sie
hatte ein schutzwürdiges Interesse, die Anleihe gegenüber jenen, mit denen
sie sich nicht im Sinne ihres Angebotes vom 28. Dezember 1943 geeinigt
hatte, zu kündigen und ihre Schuld am 30. September 1944 zu tilgen,
um der Pflicht zu weiterer Verzinsung zu 7 1/2% zu entgehen.

    Die Kündigung verstiess auch nicht deshalb gegen Treu und Glauben, weil
die Beklagte mit ihr ein neues Angebot verband und es bis 30. Juni 1944
befristete, nämlich das Angebot, das Kapital nach der Wahl des Gläubigers
entweder auf Sperrkonto an eine deutsche Devisenbank einzuzahlen oder es
zu behalten und ab 1. Oktober 1944 zu 4% zu verzinsen. Die Kündigung wurde
dadurch nicht zur bedingten, wie der Kläger glaubt. Das neue Angebot hatte
den Sinn, die Beklagte sei bereit, mit den Gläubigern auf den Zeitpunkt
der Fälligkeit der Kapitalforderung ein neues Darlehensverhältnis mit
verändertem Inhalt einzugehen. Sie war nicht verpflichtet, ein solches
Angebot zu machen, und handelte daher nicht gegen die gute Treue,
dass sie es machte und es ungeachtet der Lage, in der sich gewisse
Gläubiger wegen des Krieges befinden konnten, nur während dreier Monate
aufrecht hielt. Unerheblich ist, dass sie jenen Gläubigern, die es nicht
annehmen würden, Zahlung in Reichsmark auf Sperrkonto bei einer deutschen
Devisenbank bzw. bei der Konversionskasse für deutsche Auslandschulden
in Berlin in Aussicht stellte. Dadurch wurde das Recht der Gläubiger,
vertragsgemässe Erfüllung in der Schweiz und in Schweizerfranken oder Pfund
Sterling zu verlangen, nicht beeinträchtigt. Die Mitteilung war nach dem
anwendbaren schweizerischen Recht wirkungslos. Das nimmt ja auch der Kläger
an, indem er auf Erfüllung in der Schweiz und in Schweizerfranken klagt.

    Von einem Missbrauch des Rechts kann daher nicht die Rede sein,
geschweige denn von einem "offenbaren", wie Art. 2 ZGB ihn voraussetzt.

Erwägung 3

    3.- Der Kläger bringt vor, die Verjährung habe gemäss Art. 134
Abs. 1 Ziff. 6 OR stillgestanden, weil höhere Gewalt ihn gehindert
habe, seine Forderungen vor einem schweizerischen Gerichte geltend
zu machen. Solche Gewalt habe bis am 16. Juli 1945 wegen seiner Haft
in Wien bestanden, sodann bis am 1. März 1947 wegen der "französischen
Kriegsvorschriften", ferner bis am 24. August 1958 wegen unverschuldeter
Unkenntnis der Ansprüche durch den Kläger und schliesslich vom 22. Juli
1949 bis 25. September 1958 wegen der Beschlagnahme seiner Wertpapiere
in Frankreich.

    a) Gemäss Art. 134 Abs. 1 Ziff. 6 OR beginnt die Verjährung nicht
oder steht stille, falls sie begonnen hat, "solange eine Forderung vor
einem schweizerischen Gerichte nicht geltend gemacht werden kann".

    Im Schrifttum wird die Meinung vertreten, diese Voraussetzung sei
nur erfüllt, wenn der im Ausland wohnende Schuldner in der Schweiz keinen
Gerichtsstand hat oder die Forderung wegen Stillstandes der Rechtspflege
vor keinem schweizerischen Gericht geltend gemacht werden kann (VON
TUHR/SIEGWART 667; OSER/SCHÖNENBERGER Art. 134 N. 10, 12). Andere
lehren dagegen, auch die nur tatsächliche Unmöglichkeit der Ausübung
des Forderungsrechtes falle unter diese Bestimmung, z.B., wenn sie auf
höherer Gewalt beruhe (BECKER Art. 134 N. 9; GUHL, OR 5. Aufl. S. 250;
BLOCH, SJZ 51 353 ff.; SPIRO, BJM 1959 232 ff.) oder der Gläubiger sein
Forderungsrecht unverschuldeterweise nicht kenne (GUHL aaO).

    Zu diesen Meinungen braucht nicht Stellung genommen zu werden, denn
selbst nach der dem Gläubiger günstigeren Auffassung sind die Forderungen
des Klägers verjährt.

    b) Der Kläger ist an der behaupteten Unkenntnis seiner Ansprüche,
die bis 24. August 1958 gedauert haben soll, nicht schuldlos. Er wusste,
dass er die Obligationen erworben und in Paris hinterlegt hatte. Er
musste die Anleihensbedingungen kennen und daher wissen, dass die Anleihe
gekündigt werden konnte. Er war nach der Entlassung aus der Haft im
April 1945 in der Lage, sich zu erkundigen, ob die Beklagte von diesem
Recht Gebrauch gemacht habe. Vollends ist nicht zu verstehen, weshalb
er das nicht wenigstens nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches im
Mai 1945 und nach seiner Rückkehr nach Frankreich tat, die spätestens am
16. Juli 1945 erfolgte. Schon wegen der Zinsen, die ohne die Kündigung
der Anleihe weiterhin fällig geworden wären, hatte er allen Anlass, sich
um seine Rechte zu kümmern. Jedes Kriegsopfer war nach der Freilassung
aus der Haft oder Gefangenschaft normalerweise um das Schicksal seines
Vermögens besorgt. Die Tatsache, dass die Titel des Klägers am 1. März
1947 gesperrt und vom 22. Juli 1949 bis am 30. April 1957 beschlagnahmt
waren, entschuldigt nicht, dass er sich während mehr als dreizehn Jahren
nicht erkundigte, welche Rechte ihm zuständen.

    c) Von höherer Gewalt kann nach der in der Rechtsprechung und im
Schrifttum herrschenden Auffassung jedenfalls dann nicht die Rede sein,
wenn die Person, die sich darauf beruft, das aussergewöhnliche Ereignis
oder dessen Folgen durch zumutbare Vorkehren hätte abwenden können
(BGE 36 II 60, 38 II 100, 49 II 266, 81 II 443 f.; VON TUHR/SIEGWART
562; GIOVANOLI, ZSchwR nF 54 37; GUHL, OR 5. Aufl. S. 195; OFTINGER,
Haftpflichtrecht 2. Aufl. 1. Bd. S. 102). Das gilt besonders auch dann,
wenn sich die Frage stellt, ob höhere Gewalt den Ablauf einer Verjährung
gehemmt habe. Sonst würde sich die unzureichende Rechtswahrung zum
Nachteil des Schuldners auswirken, was dem gesetzgeberischen Grund der
Verjährungsbestimmungen widerspräche, die im Interesse des Schuldners
erlassen sind.

    Da der Kläger sich auf höhere Gewalt beruft und daraus den
Stillstand der Verjährung ableitet, hatte er zu behaupten und zu
beweisen, dass und weshalb er die Beschlagnahme seines Vermögens durch
den Zivilgerichtspräsidenten des Departementes Seine vom 22. Juli 1949
nicht habe abwenden können. Seine im kantonalen Verfahren vertretene
Auffassung, er brauche sich über die Rechtsgrundlage der Beschlagnahme
nicht auszuweisen, hält nicht stand. Insbesondere hätte er die Behauptung
der Beklagten, sein Vermögen sei nur beschlagnahmt worden, weil er es
pflichtwidrig in Frankreich nicht angemeldet habe, widerlegen sollen. Dazu
gehörte der Beweis, dass er die Anmeldung vorgenommen habe oder dass
durch sie die Beschlagnahme nicht hätte abgewendet werden können. Da
er seiner Behauptungs- und Beweispflicht nicht nachgekommen ist, steht
höhere Gewalt nicht fest.

    Der vom 22. Juli 1949 bis 30. April 1957 dauernde Beschlag der
Obligationen konnte daher die Verjährung nicht hemmen.

    Ob er den Kläger überhaupt hinderte, die Forderungen aus diesen
Papieren vor einem schweizerischen Gericht geltend zu machen, kann
dahingestellt bleiben. Es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob
an Stelle des Klägers die Domänenverwaltung des Departementes Seine als
Verwalterin der Titel die zur Erhaltung der Forderungen nötigen Vorkehren
hätte treffen sollen und ob daher ihre Unterlassungen als solche des
Klägers zu gelten haben.

    d) Ob die Haft, aus welcher der Kläger im April 1945 in Wien befreit
wurde, und die "französischen Kriegsvorschriften", die ihm bis am 1. März
1947 die Verfügung über sein Vermögen verboten, höhere Gewalt waren, kann
offen bleiben. Denn selbst wenn die Verjährung bis zur Haftentlassung oder
bis am 1. März 1947 nicht laufen konnte, war sie, da spätere Hemmungsgründe
nicht vorliegen, im Zeitpunkt der Einleitung der Betreibung im November
1959 abgelaufen. Das gilt sowohl für die fünfjährige Verjährungsfrist,
der die letztmals am 30. September 1944 verfallenen Anleihenszinsen
unterstanden, als auch für die zehnjährige Verjährungsfrist, die für das
am gleichen Tage zur Rückzahlung fällig gewordene Kapital massgebend war.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil der II. Zivilkammer des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. Januar 1962 bestätigt.