Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 II 252



88 II 252

37. Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. Mai 1962 i.S. Devo Bern "A"
Immobilien AG und Zähringer AG gegen A. von Werdt und Mitbeteiligte
sowie H. Schlawin. Regeste

    1.  Sinn und Tragweite der Artikel 686, 695, 696 und 702 ZGB (Erw. 1
und 2).

    2.  Der Eigentümer, und ebenso der Inhaber eines Baurechts, ist
grundsätzlich im Rahmen der geltenden Bauvorschriften in der baulichen
Gestaltung des Grundstücks frei. Das blosse Vorhandensein einer Baute
oder baulichen Anlage erzeugt keine Einwirkungen auf andere Grundstücke
im Sinne des Art. 684 ZGB. Voraussetzungen der Anwendung des Art. 679
ZGB gegenüber einem Eigentümer oder Bauberechtigten. (Erw. 3).

    3.  Grund und Gegenstand eines Anspruchs auf Beseitigung nach Art. 641
Abs. 2 ZGB (Erw. 4).

    4.  Pflicht zur Einfriedigung, kantonales Recht, Art. 697 Abs. 2 ZGB
(Erw. 5).

    5.  Altrechtliche Dienstbarkeit. Inwieweit fällt neben dem
Grundbucheintrag der Dienstbarkeitsvertrag in Betracht? Inwieweit ist
eidgenössisches, inwieweit kantonales Recht anwendbar? Ausfüllung von
Vertragslücken bei einer "ungemessenen" Dienstbarkeit. (Erw. 6, a bis d).

    Mehrbelastung im Sinne des Art. 739 ZGB, Kriterien (Erw. 6, e).

Sachverhalt

    A.- Die Kläger Armand von Werdt und acht Mitbeteiligte sind Eigentümer
der Liegenschaft Nr. 1001 (Kreis I) des Grundbuches von Bern. Auf dieser
Liegenschaft stehen die Häuser Nr. 36 und 36a der Spitalgasse, einer
vom Vorgelände des Hauptbahnhofs ausgehenden grossen Geschäftsstrasse.
Dem Mitkläger Dr. Hermann Schlawin gehört die nördlich angrenzende, an die
parallel zur Spitalgasse verlaufende Neuengasse stossende Liegenschaft Nr.
1041 mit dem Gebäude Neuengasse 41. Nach Westen schliesst sich an diese
und teilweise auch an die erstgenannte Liegenschaft die im Eigentum
der Genossenschaft Hotel zur Post stehende Liegenschaft Nr. 996 mit dem
Hause Neuengasse 43 an. Dieses Gebäude war bis vor wenigen Jahren eine
Hotelbesitzung ("Hôtel Poste et France"). Doch liess die Zähringer AG,
die am 16. Oktober 1956 an dieser Liegenschaft ein selbständiges und
dauerndes, als Grundstück Nr. 1237 in das Grundbuch aufgenommenes Baurecht
erwarb, in den Jahren 1957 und 1958 das Hotelgebäude niederreissen und
an dessen Stelle ein modernes Geschäftshaus errichten. Hierauf verkaufte
sie im Januar 1959 ihr Baurechtsgrundstück Nr. 1237 der Devo Bern "A"
Immobilien AG.

    B.- Über die erwähnten Liegenschaften der Kläger hatten ihre
Rechtsvorgänger im Jahre 1904 einen dem Fussgängerverkehr dienenden
Durchgang von der Spitalgasse zur Neuengasse errichtet, die "Von
Werdt-Passage". Im Hinblick auf ihr Vorhaben hatten sie mit Paul Arni, dem
damaligen Eigentümer der Hotelliegenschaft Nr. 996, Dienstbarkeitsverträge
abgeschlossen. Darin liessen sie sich einerseits ein - nicht umstrittenes
- Überbaurecht einräumen. Anderseits errichteten sie zu Lasten ihrer
Grundstücke Nr. 1001 und 1041 folgende Dienstbarkeiten zu Gunsten der
Liegenschaft Nr. 996;

    1.- a) laut Grundbucheintrag: "Recht zum Anbringen einer Zugangstüre
zum Saalbau auf die v. Werdt-Passage zu Lasten Nr. 1001 und 1041".

    b) laut Beleg (Tausch- und Dienstbarkeitsvertrag, unterzeichnet am
13. Juni 1903, gefertigt am 23. und eingeschrieben am 29. März 1904):

    "8. Für den Fall die Herren Armand von Werdt und Mithafte über
die eingetauschte Parzelle einen öffentlichen Durchgang erstellen, so
wird dem Paul Arni, für sich und seine Nachbesitzer, gestattet, im neuen
Saalbau zu seiner Besitzung Hôtel de la Poste eine Zugangstüre auf diesen
Durchgang anzubringen."

    2.- a) laut Grundbucheintrag: "Mitbenutzungsrecht der v. Werdt-Passage,
-Recht zur Anbringung von Fenstern oder Schaufenstern und Affichen und
Recht zur Anbringung von Fenstern gegen den Lichthof, zu Lasten Nr. 1001
und 1041."

    b) laut Beleg (Dienstbarkeits- und Dienstbarkeitsaufhebungsvertrag,
unterzeichnet am 9. Mai 1904, gefertigt am 7. und eingeschrieben am
14. Juli 1904):

    "Art. 1.  Armand von Werdt und Mithafte räumen dem Paul Arni für sich,
seine Nachbesitzer, seine Hausbewohner und die das Hôtel de la Poste
frequentierenden Gäste ein unentgeltliches Durchgangsrecht ein durch die
von ihnen projektierte Gallerie (Passage) von der Spitalgasse nach der
Neuengasse. Dieses Durchgangsrecht schliesst auch den Handtransport (mit
Ausschluss von Karren) von Brennmaterialien zum eigenen Gebrauch für Mieter
und allfällig an der Passage später zu eröffnende Magazine in sich. ...

    Paul Arni übernimmt auch das ordentliche tägliche Reinigen des
Durchgangs längs seinem zur Hotelbesitzung gehörenden Restaurationssaal
in einer Länge von ca. 13 1/2 Meter.

    Art.2.

    Armand von Werdt und Mithafte gestatten dem Paul Arni die Anbringung
von Fenstern oder Schaufenstern an seiner Scheidemauer längs dieser Passage
(... ), wogegen Paul Arni den Armand von Werdt und Mithafte gestattet,
an die nämliche Scheidemauer das projektierte Glasdach über der Passage
unentgeltlich anzulehnen und zu stützen. Soweit ein Anbau an die übrigen
Teile der Scheidemauer stattfindet, hat der Einkauf in die Scheidemauer
nach den Bestimmungen des Baureglementes zu erfolgen.

    Arni bleibt Eigentümer auch derjenigen Hälfte der Scheidemauer,
welche auf dem Grund und Boden der Armand von Werdt und Mithafte steht.

    Art. 3.

    Armand von Werdt und Mithafte gestatten dem Paul Arni unentgeltlich
die Anbringung einer Affiche im Laubenbogen ... sowie ... einer zweiten
Affiche an geeigneter Stelle des Hauses Spitalgasse Nr. 36 selbst;. ..

    Art. 4.

    Armand von Werdt und Mithafte behalten sich das Recht vor, an den
Ausmündungen der Gallerie an der Spitalgasse und Neuengasse eiserne
Gittertore anzubringen und solche jeweilen mit dem Eintritt der in der
Stadt Bern gültigen Polizeistunde zu schliessen. Dem Paul Arni ist zu
jedem Gittertor auf Kosten der Armand von Werdt und Mithafte ein Schlüssel
zu verabfolgen.

    C.- An der Von Werdt-Passage sind eine Reihe gewerblicher Betriebe
entstanden: ein Kinogebäude, ein Migros-Verkaufsladen, eine Metzgerei,
ein Tea-Room, eine Käsehandlung mit Milchbar und anderes mehr. Im übrigen
wird diese Passage von zahlreichen Fussgängern als Verbindungsweg zwischen
der Spitalgasse und der Neuengasse in beiden Richtungen benutzt.

    Im Neubau der Liegenschaft Nr. 996 (Baurechtsgrundstück Nr. 1237
der Zähringer A.-G. und seit Januar 1959 der Devo Bern "A" Immobilien
A.-G.) ist nun ein neuer, ebenfalls dem allgemeinen Fussgängerverkehr
geöffneter Durchgang erstellt und "Inter-Passage" benannt worden. Auch
diese Passage ist von Ladengeschäften umsäumt. Sie führt von der
Neuengasse in das Innere des Gebäudes, biegt dann nach links (Osten) ab
und mündet dort, wo der Saalbau des frühern Hotels stand, offen in die
Von Werdt-Passage ein. Auf der rechten (südlichen) Seite dieses Endstücks
der neuen Passage umschliesst der Neubau die Räume der Buchhandlung
A. Francke AG mit dem modern gestalteten, nach der Von Werdt-Passage
gerichteten Ladeneingang. Der diesen Eingang enthaltende Teil der Ostwand
stösst jedoch nicht unmittelbar an die Grundstücksgrenze und damit an die
Von Werdt-Passage, sondern liegt etwa 3,5 m zurück. Davor befindet sich
ein in diese Passage offen übergehender Vorplatz auf gleicher Ebene wie
die Einmündung der Inter-Passage, von dieser derzeit bloss durch einen
Schaukasten der erwähnten Buchhandlung getrennt.

    D.- Mit Klage vom 15. Oktober 1959, eingereicht beim Appellationshof
des Kantons Bern, stellten die Kläger gegen die Devo Bern "A" Immobilien
A.-G. die folgenden Rechtsbegehren:

    1.  Die Beklagte sei gerichtlich zu verurteilen, an ihrer Besitzung
Grundbuchblatt Nr. 1237, Kreis I (selbständiges und dauerndes Baurecht
auf Nr. 996, Kreis I), soweit diese an die Von Werdt-Passage grenzt,
eine Scheidemauer oder eine andere Abtrennung anzubringen, die neben
Fenstern oder Schaufenstern höchstens eine Türe enthalten darf.

    Eventualbegehren:

    Die Beklagte sei gerichtlich zu verurteilen, ihr Gebäude Neuengasse 43,
Grundbuchblatt Nr. 1237, Kreis I (selbständiges und dauerndes Baurecht auf
Nr. 996, Kreis I) so umzugestalten, dass dieses von der Von Werdt-Passage
her nur durch eine Türe betreten werden kann.

    2.  Die in Ziffer 1 erwähnte Türe ist so zu gestalten, dass diese
nur von den Haus- und Grundeigentümern, den Hausbewohnern und den die
Besitzung Neuengasse 43 frequentierenden Personen benützt wird und somit
nicht dem allgemeinen Fussgängerverkehr dienen kann.

    Zur Begründung machten die Kläger geltend, durch die Einführung der
Inter-Passage in die Von Werdt-Passage und durch die Schaffung eines
offenen Zuganges zum Ladengeschäft der A. Francke A.-G. von der Von
Werdt-Passage her seien ihre Eigentumsrechte verletzt. In diesen beiden
Punkten gehe die bauliche Gestaltung des Neubaues Neuengasse 43 weit über
die zu Gunsten der Liegenschaft Nr. 996 bestehenden Dienstbarkeitsrechte
hinaus.

    Die Beklagte verkündete der Zähringer A.-G. den Streit, worauf diese an
ihrer Seite als Nebenintervenientin am Prozesse teilnahm. Beide beantragten
die Abweisung der Klage. Sie bestritten die von den Klägern behauptete
Eigentumsverletzung wie auch eine Überschreitung der zu Gunsten des
Grundstücks Nr. 996 bestehenden Dienstbarkeitsrechte. Abgesehen von den
Dienstbarkeitsrechten beriefen sie sich auf Rechte der Allgemeinheit,
nämlich auf das Bestehen eines öffentlichen Weges, weshalb die Von
Werdt-Passage von vornherein auch von der Inter-Passage her und nach ihr
hin in unbeschränktem Masse benutzt werden dürfe.

    E.- Mit Urteil vom 30. November 1960 hat der Appellationshof des
Kantons Bern die Klage grundsätzlich gutgeheissen, aus folgenden Gründen:
Die Berufung der Beklagten und der Intervenientin auf das öffentliche
Recht geht fehl (wie eingehend dargelegt wird); die Von Werdt-Passage ist
kein öffentlicher Weg. Somit ist die auf Art. 641 Abs. 2 und Art. 679 ZGB
gestützte Klage nach Privatrecht zu beurteilen. Die bauliche Umgestaltung
des Grundstücks Nr. 996, wie sie in den Jahren 1957 und 1958 vorgenommen
wurde, geht nun über den Rahmen der zu Gunsten dieses Grundstücks
bestehenden Dienstbarkeitsrechte hinaus. Diese Rechte werden heute
mindestens in zweifacher Hinsicht in unzulässiger Weise ausgeübt: 1. "durch
Öffnung einer Passage, die jedermann zur Benutzung offen steht, wodurch
mittelbar die Möglichkeit geschaffen wird, dass nicht nur wie früher die
das Hôtel de la Poste frequentierenden Gäste, sondern überhaupt jedermann,
der es begehrt, übertreten kann:" 2. "durch die Erschliessung des an die
Von Werdt-Passage anstossenden Ladengeschäftes mittels einer selbständigen
Türe, die aber nicht wie früher diejenige zum Hôtel de la Poste gestaltet,
sondern als moderner und breiter, mit selbsttätigen Türflügeln versehener
Zugang angelegt ist." Aus dieser grundverschieden gewordenen Sachlage
ergibt sich eine Mehrbelastung der Grundstücke der Kläger im Sinne
des Art. 739 ZGB. Die intensive, sich im grossen Zinsertrag auswirkende
Ausbeutung des Neubaues setzt einen ausserordentlich regen Verkehr auf der
Inter-Passage voraus. "Er hält sich denn auch gemessen am seinerzeitigen
Zustrom zum Hôtel de la Poste von der Von Werdt-Passage aus heute weit
über dem Verhältnis 1: 100." Dieser ungerechtfertigten Einwirkung dürfen
sich die Kläger nach Art. 641 Abs. 2 ZGB erwehren. Dem Richter steht es
zu, unabhängig von den Parteianträgen im Rahmen des Art. 679 ZGB die den
Verhältnissen angemessenen, der Billigkeit entsprechenden Anordnungen
zu treffen. In diesem Sinn ist der Beklagten die Errichtung zweier
Abschrankungen in voller Höhe auf ihrem Grundstück vorzuschreiben: Die
eine Abschrankung ist längs der Ostgrenze zu errichten, so dass sowohl
die Inter-Passage wie auch der Vorplatz der Buchhandlung Francke gegen
die Von Werdt-Passage abgeriegelt werden. In dieser Abschrankung darf
lediglich gegenüber dem Ladeneingang der Buchhandlung eine höchstens 1 m
breite Türe erstellt werden. Die zweite Abschrankung soll den erwähnten
Vorplatz seitlich gegen die Inter-Passage abschliessen. Sie darf ebenfalls
nur eine 1 m breite Tür enthalten, und zwar soll diese Türe gewöhnlich
abgeschlossen sein; sie darf nur von den im Urteil genannten Personen,
die allein Schlüssel erhalten, benutzt werden. Der Urteilsspruch lautet:

    "1. Die Beklagte wird verurteilt, an ihrer Besitzung Grundbuchblatt Nr.
1237, Kreis I (selbständiges und dauerndes Baurecht auf Nr. 996, Kreis I),
soweit die Grenze gegen die Von Werdt-Passage hin im heutigen Zustand offen
ist, eine Abschrankung in voller Höhe anzubringen. Diese Abschrankunnkung
erhält eine Türe (A) mit lichter Breite von maximal 1 m als direkten
Zugang zum heutigen Eingang des Ladengeschäftes Francke AG. Diese Türe
kommt zwischen den Schaukasten der Buchhandlung und deren Schaufenster
gegen die Von Werdt-Passage hin zu stehen.

    2. Dadurch wird ein Vorraum geschaffen, gebildet aus der zu
errichtenden Abschrankung gegen die Von Werdt-Passage, der von diesem
Vorraum aus gesehen im Süden anschliessenden Schaufensterfront, dem Eingang
zur Buchhandlung im Westen und der Begrenzung durch den Schaukasten im
Norden. Dieser Vorraum ist nach Norden vollständig und in voller Höhe
abzuschranken, darf aber eine Türe (B) mit lichter Breite von maximal 1 m
enthalten, die ständig abzuschliessen ist. Sie darf nur mittels Schlüssel
geöffnet werden. Schlüssel dürfen nur die Haus- und Grundeigentümer,
die Hausbewohner, die Geschäftsinhaber und deren Angestellte besitzen.

    3. Die Kläger haben an die Kosten der baulichen Umgestaltung keinen
Beitrag zu leisten.

    4. Für die bauliche Umgestaltung wird eine Frist von 60 Tagen
eingeräumt, unter Androhung der Straffolgen des Art. 403 ZPO im Falle
der böswilligen Nichtvornahme."

    F.- Gegen dieses Urteil haben die Beklagte und die Intervenientin
folgende Rechtsmittel ergriffen:

    a) eine Nichtigkeitsklage nach Art. 359 Ziff. 4 der kantonalen ZPO
mit der Rüge, der Appellationshof habe den Klägern unrechtmässigerweise
mehr und anderes, als was sie verlangten, zugesprochen; das Plenum des
Appellationshofes hat diese Nichtigkeitsklage am 12. September 1961
abgewiesen;

    b) eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4
BV und des entsprechenden Art. 72 der bernischen Staatsverfassung; das
Bundesgericht, II. Zivilabteilung, hat diese Beschwerde, soweit darauf
einzutreten war, mit heutigem Urteil abgewiesen;

    c) die vorliegenden getrennt eingereichten Berufungen mit dem erneuten
Antrag auf gänzliche Abweisung der Klage und (seitens der Intervenientin)
eventuell auf Rückweisung der Sache an den Appellationshof zu neuer
Beurteilung.

    Der Antrag der Kläger geht auf Abweisung der Berufungen und auf
Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Kläger sehen in den beim Umbau der Nachbarliegenschaft Nr. 996
geschaffenen unüberbauten Flächen mit offenem Zugang zur Von Werdt-Passage
einen unzulässigen Eingriff in ihr Grundeigentum. Demgegenüber haben
sich die Beklagte und die Intervenientin unter anderem auf das Bestehen
eines öffentlichen Weges berufen, der namentlich auch der Liegenschaft
Nr. 996 zugute kommen müsse. Diesen Einwand hat der Appellationshof jedoch
verworfen, und nach Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde muss es
dabei sein Bewenden haben. Die Von Werdt-Passage ist danach ein Privatweg
geblieben, der freilich bis auf weiteres dem allgemeinen Fussgängerverkehr
offen steht, an dem jedoch keine unentziehbaren Rechte der Allgemeinheit
(und damit des Staates oder der Gemeinde) bestehen. Auf Dienstbarkeiten,
welche die Kläger oder deren Rechtsvorgänger Dritten eingeräumt haben,
kann sich die Beklagte ebenfalls nicht berufen. Solche Dienstbarkeiten
können allenfalls durch Vereinbarung der Beteiligten wieder aufgehoben
werden, ohne dass die Beklagte dadurch in eigenen Rechten betroffen
würde. Sie kann daher insbesondere daraus nichts herleiten, dass sich
Armand von Werdt und die mitbeteiligten Grundeigentümer einerseits
und die Baugesellschaft Spitalgasse Bern A.-G. anderseits in einem
Dienstbarkeitsvertrag vom 6. November 1924 gegenseitig "in dinglicher
Weise" verpflichtet haben, einen bestimmten Teil der Von Werdt-Passage
"zu allen Zeiten dem durchgehenden Fussgängerverkehr offen zu halten".

    Bestehen an der Von Werdt-Passage keine Benutzungsansprüche
aus öffentlichem Recht, so geht auch die Anrufung des Art. 702 ZGB
fehl. Diese Norm besagt keineswegs, es müsse solche Ansprüche bestimmter
Art geben; sie spricht nur einen - unechten - Vorbehalt des (ohnehin
neben dem Zivilrecht bestehenden) öffentlichen Rechts aus. Es handelt
sich um eine Spezialbestimmung zu Art. 6 ZGB (BGE 57 I 211; LEEMANN,
N. 1 zu Art. 702). Enthält das öffentliche Recht keine Grundlage für die
behaupteten Ansprüche der Allgemeinheit, so erweist sich die Anrufung des
Art. 702 ZGB als gegenstandslos. Gleich verhält es sich mit dem Hinweis
der Beklagten auf die Art. 695 und 696 ZGB und damit auf gesetzliche
oder gewohnheitsrechtliche Ansprüche aus kantonalem Privatrecht. Diese
Rechtsquelle ergibt nach der auch in dieser Hinsicht mit staatsrechtlicher
Beschwerde erfolglos angefochtenen Entscheidung des Appellationshofes
nichts zu Gunsten der Beklagten.

Erwägung 2

    2.- Daraus folgt indessen, entgegen der Annahme der Kläger,
der die Vorinstanz beigetreten ist, nicht, mangels allgemeiner
den durchgehenden Fussgängerverkehr durch die Von Werdt-Passage
gestattender öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Normen des
Gesetzes- oder Gewohnheitsrechtes bedürfe die in den Jahren 1957 und
1958 erfolgte bauliche Umgestaltung des Grundstücks Nr. 996 einer
besondern Rechtfertigung durch Dienstbarkeiten. Vielmehr ist von der
grundsätzlichen Freiheit des Eigentums auszugehen und zu prüfen, ob diese
bauliche Anlage im Rahmen erlaubter Eigentums- (und Baurechts-) ausübung
liege. Ist es der Fall, so steht den Klägern kein Beseitigungsanspruch
zu, gleichgültig ob die zu Gunsten des Baugrundstücks bestehenden
Dienstbarkeiten 1 und 2 noch weitergehende Rechte verleihen oder nicht. Die
abweichende Betrachtungsweise der Vorinstanz beruht anscheinend auf der
irrtümlichen Annahme, mit den affirmativen Dienstbarkeiten, wie sie zu
Gunsten des Baugrundstücks Nr. 996 bestehen (oben B der Tatsachen), seien
(abgesehen von dem unbestrittenen Überbaurecht) negative Dienstbarkeiten
(Baubeschränkungen) zu Lasten dieses Grundstücks verbunden. Dafür bieten
die Grundbucheinträge und die als Belege dienenden Dienstbarkeitsverträge
keinen Anhalt.

    Vor allem lässt sich gegen die Erstellung eines modernen, breiten,
mit selbsttätigen Türflügeln versehenen Ladeneingangs zur Buchhandlung
Francke nichts aus der Dienstbarkeit 1 herleiten. Wenn sich in den Jahren
1903/4 der Hotelier Paul Arni veranlasst sah, eine Erlaubnis der Nachbarn
zur Erstellung einer Zugangstüre zum Saalbau seines Hotels einzuholen und
er sich dafür die Dienstbarkeit 1 einräumen liess, so offenbar deshalb,
weil der Saalbau bis an die Grundstücksgrenze reichte, also unmittelbar
an die Von Werdt-Passage stiess, eine Durchbrechung der Grenzmauer
(Scheidemauer) aber der Zustimmung des Nachbars bedurfte (wie denn nach
Art. 265 Abs. 4 der heute geltenden Bauordnung der Stadt Bern von 1955
"Fenster in Brandmauern" nur ausnahmsweise und nur mit Zustimmung des
Nachbars gestattet werden dürfen). Zur Anbringung von Fenstern und Türen
in einer 3,5 m von der Grenze zurückliegenden Hausfassade, wie sie nun beim
Umbau geschaffen wurden, bedarf es dagegen keiner Zustimmung des Nachbars.
Etwas Gegenteiliges wurde gar nicht behauptet. Die Dienstbarkeit 1 spielt
daher für diesen Ladeneingang keine Rolle. Der Bauende konnte ihn - im
Rahmen der geltenden Bauvorschriften, deren Verletzung nicht gerügt ist -
ohnehin erstellen und nach seinem Belieben gestalten.

    Gegen die Schaffung der offenen Flächen des Baugrundstücks im östlichen
Grenzbereich lässt sich aus den eben zu Gunsten dieses Grundstücks
bestehenden Dienstbarkeiten gleichfalls nichts herleiten. Auch in
dieser Hinsicht ist im übrigen weder geltend gemacht noch festgestellt,
dass die vom Kanton oder von der Gemeinde erlassenen privatrechtlichen
(Art. 686 ZGB) oder öffentlichrechtlichen Vorschriften (Art. 702 ZGB)
der baulichen Anlage entgegenstehen. Insbesondere ist nicht die Rede
davon, dass der Neubau unmittelbar an die östliche Grenze reichen sollte
und die früher längs dieser Grenze verlaufene Scheidemauer (Brandmauer)
hätte beibehalten oder wiederhergestellt werden sollen. Beim Fehlen einer
gegenteiligen Vorschrift wäre dem Eigentümer oder Bauberechtigten ebenso
frei gestanden, den abgebrochenen Hotelbau überhaupt durch einen offenen
Platz ohne Hochbauten oder mit geringer Überbauung zu ersetzen.

Erwägung 3

    3.- Lässt sich somit gegen die bauliche Umgestaltung als solche
nichts einwenden, so bleibt zu prüfen, ob vom Neubau, namentlich von
den unüberbauten Flächen unzulässige Einwirkungen auf das Nachbarland
ausgehen und den Klägern daraus ein Beseitigungsanspruch erwachsen sei. Sie
berufen sich auf Art. 641 Abs. 2 wie auch (in Verbindung mit Art. 684) auf
Art. 679 ZGB. Die letztere Norm - ein Ausfluss der in Art. 641 anerkannten
Eigentumsfreiheit (BGE 83 II 198) - ist als die speziellere zuerst ins
Auge zu fassen.

    Im Unterschied zu Art. 641 umschreibt Art. 679 ZGB nicht die Rechte,
sondern den Pflichtenkreis des Eigentümers, und zwar des Grundeigentümers,
nach bestimmten Richtungen hin. Er hängt somit, obwohl im Unterabschnitt
über den Inhalt des Grundeigentums eingereiht, näher mit den diesem
Eigentum gesetzten Schranken zusammen. Seine Hauptbedeutung besteht
darin, Sanktionen zu den von Art. 684 verpönten übermässigen Einwirkungen
(Immissionen) zu bieten (OFTINGER, Haftpflichtrecht II/1 S. 15). Ja,
auf Grund neuerer Untersuchungen ist die Ansicht vorherrschend geworden,
Art. 679 gelte überhaupt nur im nachbarlichen Verhältnis (so namentlich
STARK, Das Wesen der Haftpflicht des Grundeigentümers nach Art. 679
ZGB, S. 189 ff.; ebenso FROELICHER, Die Abgrenzung der Haftung des
Werkeigentümers von der Verantwortlichkeit des Grundeigentümers, S. 92
ff.; OFTINGER, aaO; LIVER, N. 117 zu Art. 737 ZGB; etwas weiter umschreibt
HAAB, N. 10 zu Art. 679, den Kreis der allenfalls Anspruchsberechtigten:
vgl. im übrigen BGE 83 II 379/80, wonach jeder Besitzer eines Grundstücks,
sei es auch aus persönlichem Recht, den Art. 679 anrufen kann). Im
vorliegenden Fall braucht dazu nicht näher Stellung genommen zu werden. Die
Aktivlegitimation der Kläger steht ausser Zweifel, da sie ja Grundnachbarn
der Beklagten sind. Ebenso unzweifelhaft ist die Passivlegitimation der
Beklagten gegeben. Denn als Bauberechtigte (mit Eigentum an der Baute,
Art. 675 und 779 ZGB) untersteht sie gleich einem Liegenschaftseigentümer
dem Nachbarrecht und damit auch der Verantwortlichkeit nach Art. 679 ZGB
(BGE 68 II 373 Erw. 2; L'HUILLIER, La responsabilité du propriétaire
foncier selon l'art. 679 du CCS, ZSR NF 71 S. 74a mit Bem. 198; WALDIS,
Das Nachbarrecht, 4. Auflage, S. 25/26; LIVER, Kommentar, N. 70 der
Einleitung zu den Art. 730 ff. ZGB).

    Indessen kann das blosse Vorhandensein einer Baute oder baulichen
Anlage - und vollends unüberbauter Flächen - keine Einwirkungen im Sinne
des Art. 684 ZGB, nämlich mittelbare Einwirkungen, erzeugen, wie sie
vielmehr nur infolge der Art der Bewirtschaftung oder der Benutzung des
Grundstücks entstehen können. Das ergibt sich aus der Natur der Sache
und ist auch in Randtitel und Text des Art. 684 ZGB ausgedrückt. Lehre
und Rechtsprechung sind darüber einig (vgl. namentlich BGE 40 II 344/45;
WALDIS, Das Nachbarrecht, S. 23; HAAB, N. 12 zu Art. 684 ZGB). Verstösst
eine bauliche Anlage gegen privatrechtliche (Art. 686 ZGB) oder
öffentlichrechtliche (Art. 702 ZGB) Vorschriften des kantonalen oder
kommunalen Rechtes oder gegen eine als Dienstbarkeitslast errichtete
Baubeschränkung oder endlich gegen eine persönliche Verpflichtung,
so ist auf dieser Rechtsgrundlage, nicht auf Grund des Art. 684 ZGB,
vorzugehen. Besteht aber, wie hier, kein derartiges Bauhindernis, so steht
es dem Nachbar nicht zu, der ihm aus irgendwelchen Gründen missliebigen
Baute um ihrer blossen Existenz willen "unzulässige Einwirkungen" auf sein
Grundstück zuzuschreiben. Eine derartige Betrachtungsweise ist mit Art. 684
nicht vereinbar; es müsste sich danach um wirkliche, aus der Verwendung
des Grundstücks entstehende Einwirkungen von der Art der dort in Abs. 2
als Beispiele genannten handeln, die "nach Lage und Beschaffenheit der
Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigt" wären. Davon
ist hier nicht die Rede. Der Fussgängerverkehr, soweit er sich auf dem
Grundstück Nr. 996 abspielt, bewirkt weder einen übermässigen Lärm, noch
stört er die Nachbarschaft auf eine andere nach den örtlichen Verhältnissen
nicht zu duldende Art. Es geht auf dem Vorplatz der Buchhandlung Francke
und in der Inter-Passage nichts anderes vor als in der Von Werdt-Passage.

    Die Kläger wenden sich denn auch nicht gegen das, was auf dem
Nachbargrundstücke selbst geschieht; ihre Rüge richtet sich bloss
gegen die häufige Überschreitung der Grundstücksgrenze über die
beim nachbarlichen Neubau geschaffenen Zugänge. Nun kann gewiss im
Betreten eines Nachbargrundstücks eine ungerechtfertigte unmittelbare
Einwirkung liegen, die zwar nicht unter Art. 684 ZGB fällt, jedoch -
beim Fehlen jeder gesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen oder durch
Rechtsgeschäft begründeten, dinglichen oder persönlichen Befugnis -
nicht bloss als "übermässig", sondern schlechthin verpönt ist (vgl. HAAB,
N. 6 und 11 zu Art. 684 ZGB). Allein, der von den Klägern beanstandete
"Querverkehr, insbesondere ein Abbiegen oder Abschwenken in die oder aus
der Inter-Passage" verletzt die Eigentumsrechte der Kläger jedenfalls
insofern keineswegs, als er sich aus der Von Werdt-Passage in die
Inter-Passage ergiesst. Es steht der Beklagten frei, den Zutritt zu
ihrem Grundstück von überall her, also auch von der Von Werdt-Passage
her, jedermann zu gewähren. Die "Ableitung" des Fussgängerverkehrs von
der ältern Passage in die von Westen herangeführte neue Passage stellt
keine unerlaubte Einwirkung auf jene erste Passage und damit auf das
Grundeigentum der Kläger dar. Diese haben es, solange sie ihre Passage dem
allgemeinen Fussgängerverkehr freigeben, selber zu vertreten, dass ein
Teil der Passanten, statt geradeaus weiterzugehen, in die Inter-Passage
einbiegen, die sie auch von der Neuengasse aus betreten können.
Was aber den Verkehr in umgekehrter Richtung, von der Inter-Passage zur
Von Werdt-Passage, betrifft, so kann die Beklagte deswegen jedenfalls
nicht auf Grund des Art. 679 ZGB belangt werden. Der Beklagten wird
nicht etwa vorgehalten, sie selbst oder ein an ihrem Grundstück kraft
dinglichen oder persönlichen Rechtes Besitz ausübender Dritter betrete
die Von Werdt-Passage unbefugterweise. Vielmehr missfällt den Klägern
der Zutritt fremder Personen, die am Grundstück der Beklagten keine
tatsächliche Gewalt ausüben. Damit entfällt jeder Grund zur Anrufung des
Art. 679 ZGB (vgl. STARK, aaO S. 200; WALDIS, aaO S. 22; HAAB, N. 6 und
LEEMANN, N. 7 zu Art. 679 ZGB; ROEMER, Der Rechtsschutz gegen Störung
von Eigentum und Besitz sowie gegen Grundeigentumsüberschreitung S.
17/18; OFTINGER, aaO S. 15; BGE 73 II 156/57: Schädigung oder Bedrohung
eines Grundnachbarn "du fait de la propriété de l'autre"). Der Beklagten
gegenüber kann in dieser Hinsicht nichts anderes als gegenüber den
betreffenden Benützern der Passage gelten. Sie wird eben nicht wegen
eigener unbefugter Betretungshandlungen, noch wegen solchen Verhaltens
eines an ihrem Grundstück eine tatsächliche Gewalt ausübenden Dritten,
für den sie allenfalls einzustehen hätte, belangt, sondern bloss wegen des
Verhaltens jener fremden Personen, als Miturheberin oder Begehungsgehilfin.

Erwägung 4

    4.- Scheidet somit Art. 679 ZGB als Grundlage des erhobenen
Beseitigungsanspruches aus, so ist der allgemeinere Art. 641 Abs. 2 ZGB
ins Auge zu fassen. Er ist nicht von vorneherein deshalb unanwendbar,
weil die Parteien Grundnachbarn sind und, wie in dem soeben erwähnten
Urteil BGE 73 II 156/57 ausgesprochen wurde, unter Grundnachbarn keine
weitergehenden als die nach Art. 679 ZGB bestehenden Ansprüche aus Art. 641
Abs. 2 ZGB hergeleitet werden können. Jenes Präjudiz betrifft nur eben
die Verantwortlichkeit für die Überschreitung des Grundeigentums- (oder
eines davon abgeleiteten) Rechtes. Diese in Art. 679 ZGB speziell geregelte
Verantwortlichkeit darf in der Tat nicht auf Grund des Art. 641 Abs. 2 ZGB
erweitert werden. Dagegen schliesst Art. 679 ZGB die Geltendmachung anderer
Haftungsgründe, die nicht auf der Überschreitung eines solchen Rechtes
beruhen, keineswegs aus. Auch ein Grundeigentümer (oder Bauberechtigter)
kann auf solch andere Weise haftbar sein für ein Verhalten, das nicht auf
der Ausübung der ihm an seinem Grundstück zustehenden Gewalt beruht. Darum
geht es nach dem Ausgeführten auch hier, da die unmittelbaren Einwirkungen
auf die Von Werdt-Passage, über die sich die Kläger beschweren, von
Personen ausgehen, die keine Gewalt über das Grundstück der Beklagten
ausüben, und diese selbst nur wegen Mitwirkung am Verhalten jener andern
Personen belangt wird.

    Art. 641 Abs. 2 ZGB gibt zur Abwehr ungerechtfertigter Einwirkungen
den Beseitigungs- und den Unterlassungsanspruch (vgl. HAAB, N. 43 und
MEIER-HAYOZ, N. 63 und 70 zu Art. 641 ZGB; ROEMER, aaO S. 8 ff.; STARK,
aaO S. 174; FROELICHER, aaO S. 104). Die vorliegende Klage macht nur
den Beseitigungsanspruch geltend. Dieser muss sich gegen die Ursachen
der ungerechtfertigten Einwirkung richten, nicht gegen diese selbst. Er
setzt einen sich fortwährend als Störung auswirkenden Zustand voraus
(vgl. HOMBERGER, N. 18 und 20 zu Art. 928 ZGB, dessen Ausführungen
zum Besitzesschutz sinngemäss auch für den Eigentumsschutz gelten). Im
vorliegenden Fall ist aber eine Quelle andauernder Störungen, die zu
beseitigen wäre, nicht vorhanden: weder, wie zu Art. 679 ZGB ausgeführt,
auf dem Grundstück der Beklagten noch auch - was die Kläger denn auch
nicht behaupten - auf deren eigenen Grundstücken. Die Einwirkungen, um die
es sich handelt, sind jeweilen mit dem Wegzug der betreffenden Passanten
sogleich wieder behoben. Es besteht kein andauernder Störungszustand auf
dem betroffenen Grundstück, wie er sich etwa bei unmittelbaren Einwirkungen
anderer Art ergibt (man denke an einen Überbau oder an Schuttablagerungen;
vgl. BGE 53 II 221 ff.). Vollends zu Unrecht verlangen die Kläger
die Beseitigung eines baulichen Zustandes des Nachbargrundstücks, um
dadurch die Wiederherstellung des frühern Zustandes (soweit möglich)
zu erreichen. Ansprüche auf Wiederherstellung und Wiedergutmachung
(durch Realersatz) gehören dem Schadenersatzrecht an (vgl. BACHMANN,
Die nachbarliche Überschreitung des Grundeigentumsrechts, S. 144; ob
für den Persönlichkeitsschutz etwas anderes gilt, wie K. FEHR in ZbJV
80 S. 289 ff. annimmt, kann offen bleiben). Es steht nicht entgegen,
dass mit der Wegräumung einer Störungsquelle bisweilen einfach wieder
der frühere Zustand eintritt, sofern sich eben sonst nichts geändert hat.

    Nach alldem wäre hier nach Art. 641 Abs. 2 ZGB nur ein
Unterlassungsanspruch in Frage gekommen, und zwar zunächst gegenüber
den als fehlbar betrachteten Fussgängern selbst (wohl erst nach Erlass
eines als Besitzesschutzmassnahme richterlich bewilligten, an Ort und
Stelle angeschlagenen Betretungsverbotes an "Unberechtigte" gemäss
Art. 118 ff. des bernischen EG zum ZGB) und sodann allenfalls auch
gegenüber der Beklagten als mitverantwortlichem Dritten im erwähnten
Sinne. Einer Unterlassungsklage hätte die Beklagte indessen mit Erfolg ihre
Dienstbarkeitsrechte entgegenhalten können, wie sich noch ergeben wird.

Erwägung 5

    5.- Die Klage verlangt (wie dargetan, zu Unrecht) Beseitigung eines
als unrechtmässig erachteten Zustandes. Es wird nicht zudem eine aus dem
nachbarlichen Verhältnis als solchem, ohne dass eine Rechtsüberschreitung
den Grund zu bilden hätte, hervorgehende Pflicht der Beklagten zur
Einfriedigung des Baugrundstücks geltend gemacht. Über das Vorliegen
eines solchen andersartigen Anspruchs - der in dem auf der Behauptung
ungerechtfertigter Einwirkungen beruhenden Beseitigungsanspruch nicht
mitenthalten ist - war daher im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu
entscheiden. Der Appellationshof hat sich mit dieser Frage, die vom
kantonalen Recht beherrscht ist (Art. 697 Abs. 2 ZGB), denn auch nicht
befasst. Somit bleibt offen, ob die allenfalls als "Statutarrecht"
im Sinne des Art. 82 des bernischen EG zum ZGB in Betracht fallende
Bauordnung der Stadt Bern von 1955 überhaupt eine nachbarrechtliche
Einfriedigungspflicht kennt (wie sie namentlich in ländlichen Verhältnissen
mit Rücksicht auf die vielerorts ausgedehnten Weiderechte vorkommt; vgl.
Erläuterungen zum VE des ZGB, 2. Ausgabe II S. 102; DANNEGGER, Einige
Rechtsfragen des Skifahrers, ZbJV 73 S. 108), oder ob sie es jedem
Grundeigentümer anheimgibt, sein Grundstück im Rahmen der geltenden Bau-
und Verkehrsvorschriften selber einzufriedigen (vgl. etwa Art. 17 Abs. 2
des kantonalen Gesetzes vom 26. Januar 1958 über die Bauvorschriften und
die Artikel 229, 231, 252 der städtischen Bauordnung), und ob die Kläger
danach befugt wären, eine Einfriedigung bestimmter Art - unter Wahrung
der Dienstbarkeitsrechte der Beklagten - anzubringen, sofern sie daran
ein schutzwürdiges Interesse haben sollten.

Erwägung 6

    6.- Die Klage auf Beseitigung der beanstandeten baulichen Anlagen
ist nach dem Gesagten schon deshalb unbegründet, weil die Gestaltung des
Baugrundstücks sich im Rahmen des nach den Bauvorschriften Zulässigen
hält und vom Neubau keine rechtswidrigen Einwirkungen im Sinne des
Art. 679 oder des Art. 641 Abs. 2 ZGB auf die Grundstücke der Kläger
ausgehen. Es bedurfte somit, um der Klage entgegenzutreten, gar
nicht der Berufung auf die zu Gunsten des Baugrundstücks bestehenden
Dienstbarkeiten. Gleichwohl erscheint es als angezeigt, auch noch den
Inhalt dieser Dienstbarkeitsrechte 1 und 2 zu überprüfen. Denn er hat
einen hauptsächlichen Streitpunkt gebildet, und das angefochtene Urteil
beruht im wesentlichen auf der Annahme einer Überschreitung dieser Rechte;
es könnte daher, nachdem die vorliegende Klage auf anderer Grundlage
abzuweisen ist, Anlass zu neuen Streitigkeiten bieten.

    a) Die Frage nach dem Inhalt und Umfang des als Dienstbarkeit
bestehenden Zu- und Durchgangsrechts (Mitbenutzungsrechts) ist von der oben
bejahten Frage nach der Rechtmässigkeit der baulichen Umgestaltung des
berechtigten Grundstücks unabhängig. Grundsätzlich sind die Kläger frei,
den Zutritt zu ihren Grundstücken, also auch zu der als Privatstrasse über
diesen Boden angelegten Von Werdt-Passage, nach Belieben einzuschränken,
gemäss der dem Eigentum in negativer Hinsicht zukommenden Eigenschaft
eines sogen. Ausschliessungsrechts (vgl. MEIER-HAYOZ, N. 59 zu Art. 641
ZGB; BACHMANN, Die nachbarliche Überschreitung des Grundeigentumsrechts,
S. 13 ff.: "spezifisches Ausschliessungsrecht"). Nun wurde freilich
die Von Werdt-Passage gerade als "öffentlicher Durchgang" errichtet und
dient auch heute noch nach dem freien Willen der Kläger, abgesehen von
Dienstbarkeitsrechten, diesem Zweck. Es mag deshalb zunächst befremden,
dass sie sich vermehrtem Zutritt vom Grundstück der Beklagten her,
durch die in einem Bogen von der Neuengasse herangeführte Inter-Passage,
widersetzen, während die Beklagte die neue Passage nach beiden Seiten
hin offen hält. Und zwar machen die Kläger nicht etwa geltend, die Von
Werdt-Passage erleide durch den Zustrom von Geschäftskunden und Passanten
aus dieser Seitenpassage eine Werteinbusse. Sie heben vielmehr auch noch am
Schlusse der Berufungsbeantwortung hervor, es gehe im vorliegenden Prozess
nicht um eine derartige Schädigung. Allein, als Grundeigentümer können sie
den Zutritt zu ihren Grundstücken eben im Rahmen der Rechtsordnung nach
Belieben, somit auch bloss von einer bestimmten Seite her, untersagen. Ob
die Von Werdt-Passage vom Grundstück der Beklagten aus so, wie es
heute geschieht, benutzt werden dürfe, hängt somit, da die Kläger sich
dieser Art der Benutzung widersetzen, vom Inhalt der zu Gunsten jenes
Nachbargrundstücks bestehenden Dienstbarkeiten ab.

    b) Als Dritterwerberin eines Baurechts steht die Beklagte,
wie das angefochtene Urteil richtig ausführt, im vollen Genusse der
Grundbuchwirkung des neuen Rechtes. Kraft ihres gutgläubigen Erwerbes
kann sie sich (wie schon ihre Rechtsvorgängerin, die Intervenientin) auf
die Dienstbarkeitseinträge des Grundbuches verlassen (Art. 973 ZGB). Diese
Einträge sind Bestandteile eines vom Bundesrecht beherrschten öffentlichen
Registers; ihre Auslegung ist daher eine Frage des Bundesrechts (BGE 85
II 181 Erw. 2, 86 II 251 Erw. 5). Die Belege über den Erwerbsgrund, also
die Dienstbarkeitsverträge von 1903 und 1904, fallen nur in Betracht,
soweit die Einträge undeutlich oder unvollständig sind und daher der
Erläuterung oder Ergänzung bedürfen (Art. 738 Abs. 2 und Art. 971 Abs. 2
ZGB; BGE 83 II 125).

    Die das Anbringen einer "Zugangstüre" in der damaligen Scheidemauer
gestattende Dienstbarkeit 1 gewährt schon nach dem Wortlaut des Eintrages
zwei Rechte: die Scheidemauer durfte zum erwähnten Zweck durchbrochen
werden, und ferner handelte es sich um eine Zugangstüre von der Passage
zum Saalbau der Hotelbesitzung, woraus auf ein entsprechendes Zu- und
Weggangsrecht zu schliessen ist. Aus der Fassung der Dienstbarkeit 2,
die neben dem Recht auf Mitbenutzung der Von Werdt-Passage das Recht zur
Anbringung von Fenstern oder Schaufenstern und Affichen festhält, ergibt
sich sodann, dass die Vertragschliessenden bereits mit einer spätern
Umwandlung der Hotelbesitzung in ein Geschäftshaus anderer Art gerechnet
haben; denn Schaufenster gehören gewöhnlich zu einem Ladengeschäft. Mit
Recht nimmt der Appellationshof denn auch an, diese Dienstbarkeiten seien
nicht bloss zu Gunsten eines Hotelbetriebes errichtet worden, sondern
bestehen zu Gunsten des heute vorhandenen Geschäftshauses anderer Art
fort. Der Streit betrifft nur das Mass der Rechtsausübung.

    c) Berücksichtigt man, wozu angesichts der knappen Fassung
der vorliegenden Einträge Grund besteht, zu deren Erläuterung und
Ergänzung die den Erwerbsgrund bildenden Dienstbarkeitsverträge,
so untersteht deren Auslegung grundsätzlich dem kantonalen
Recht, wie es beim Vertragsabschlusse galt (vgl. BGE 79 II 403 mit
Hinweisen). Indessen kann diese Auslegung nur im Rahmen der sich aus dem
Eintrag ergebenden Rechte Platz greifen (oben b) ), und ferner lässt
sich der Dienstbarkeitsinhalt nur insoweit auf kantonalrechtlicher
Grundlage bestimmen, als das betreffende Rechtsgeschäft nach seinem
Wortlaut und Sinn den Inhalt der Dienstbarkeit wirklich geregelt
hat. Lücken des Vertrages sind nach den allgemeinen Normen des Gesetzes-
und Gewohnheitsrechts auszufüllen, unterstehen somit in erster Linie
dem Bundesrecht (BGE 86 II 247 ff. Erw. 3). Daraus ergibt sich nun
vor allem, dass die - auf den damaligen Hotelbetrieb zugeschnittene -
Umschreibung der zur Ausübung des Mitbenutzungsrechtes befugten Personen
im Dienstbarkeitsvertrage 2 nicht in einschränkendem Sinne verstanden
werden darf. Die Vertragschliessenden trafen bewusstermassen keine
bestimmte Ordnung für den Fall einer spätern Zweckentfremdung der
Hotelliegenschaft, obwohl eine solche Zweckänderung von vornherein im
Bereich der Zukunftsmöglichkeiten lag und, wie das Dienstbarkeitsrecht
auf allfälliges Anbringen von Schaufenstern in der Scheidemauer dartut,
in Betracht gezogen wurde. Bei dieser Sachlage gibt die auf Anwendung
kantonalen Rechtes beruhende Auslegung der Vertragsklauseln keine
erschöpfende Antwort auf die Frage, wie und in welchem Umfange das
Mitbenutzungs- (Durchgangs-) recht unter den gegenwärtigen Umständen
ausgeübt werden dürfe. Das angefochtene Urteil entnimmt denn auch der
Satzung 702 des alten bernischen Zivilgesetzbuches - die übrigens beim
Abschluss des vorliegenden Vertrages nicht mehr formell in Geltung
stand, da die Satzungen 690 bis 713, betreffend allgemeine Grundsätze
des Vertragsrechtes, durch § 12 des kantonalen Einführungsgesetzes vom
31. Dezember 1882 zum schweizerischen Obligationenrecht vom 14. Juni
1881 aufgehoben worden waren - im wesentlichen bloss die Regel, dass "die
Worte eines Vertrages in dem Sinne ausgelegt werden sollen, den sie nach
ihrer eigentümlichen Bedeutung haben, wenn es sich nicht aus dem Vertrage
selbst ergibt, dass die vertragschliessenden Teile denselben einen andern
Sinn beigelegt". Der Wortsinn der Vertragsklauseln ist aber gar nicht
umstritten, ausser der in Art. 1 des Dienstbarkeitsvertrages 2 stehenden
Wendung "allfällig an der Passage später zu eröffnende Magazine". Diese
Stelle muss, wie im Entscheid über die staatsrechtliche Beschwerde
ausgeführt wird, auf künftige Ladengeschäfte (nicht, wie das angefochtene
Urteil mit Hinweis auf ein Wörterbuch annimmt, auf blosse Warenniederlagen
und Lagerhäuser) bezogen werden. Diese einzelne dem kantonalen Recht
unterstehende Auslegungsfrage vermag aber den Ausgang der Sache nicht zu
beeinflussen, da ohnehin mit dem spätern Einbau von Ladengeschäften an
der Von Werdt-Passage, und zwar auch auf dem berechtigten Grundstück,
zu rechnen war und diese Zukunftsaussichten überdies, abgesehen von
der soeben besprochenen, in der erwähnten andern Vertragsstelle und im
Grundbucheintrage selbst ihren Ausdruck gefunden haben.

    d) Überprüft man demgemäss die beiden Dienstbarkeiten unabhängig
von dem bei ihrer Errichtung auf dem berechtigten Grundstück betriebenen
Hotel- und Restaurationsgewerbe, so kann der in Art. 1 des Vertrages 2
enthaltenen Wendung "seine Hausbewohner und die das Hôtel de la Poste
frequentierenden Gäste" keine entscheidende Bedeutung zukommen. Das war
lediglich eine möglichst weite Umschreibung der bei der damaligen Sachlage
in Betracht fallenden Benützer der Passage vom berechtigten Grundstück
aus. Für den Fall einer Änderung der gewerblichen Ausgestaltung und
Nutzung des berechtigten Grundstücks, wobei die beiden Dienstbarkeiten
nach dem Willen der Beteiligten fortbestehen sollten, war der Vertrag
lückenhaft und muss gemäss dem Zweck des Zu- und Durchgangsrechtes, den
wechselnden geschäftlichen Bedürfnissen des berechtigten Grundstücks zu
dienen, ergänzt werden. Man hat es mit zwar auf den Fussgängerverkehr
beschränkten, im übrigen aber "ungemessenen" Dienstbarkeiten zu tun (vgl.
LEEMANN, N. 17 zu Art. 737 und N. 11 zu Art. 738 ZGB; LIVER, N. 10 ff.,
namentlich N. 20 zu Art. 737 ZGB). Wenn die soeben angeführte Vertragstelle
neben dem Eigentümer und den Nachbesitzern dieses Grundstücks lediglich
seine Hausbewohner und die das Hotel besuchenden Gäste erwähnt, so bleibt
je nach der Änderung des gewerblichen Zweckes des Grundstücks eine diesem
Zweck entsprechende Einbeziehung anderer ausübungsberechtigter Personen
vorbehalten, und zwar widerspricht es dem eben in dieser Hinsicht nicht
ein- für allemal festgelegten Inhalt des Mitbenutzungsrechtes keineswegs,
dass sich der Kreis dieser Personen hiebei beträchtlich erweitern mag. Von
Anfang an war mit einem zunehmenden Kunden- und Durchgangsverkehr auf
der Von Werdt-Passage wie überhaupt mit einem Aufschwung des ganzen
Quartiers zu rechnen. Die Errichtung der Inter-Passage ist lediglich
eine Stufe dieser Entwicklung. Freilich mag in den Jahren 1903 und 1904
niemand daran gedacht haben, die Liegenschaft Neuengasse 43 werde einmal
gerade so, wie es nun geschehen ist, umgebaut und von einer seitlich in
die Von Werdt-Passage einmündenden, wie diese dem allgemeinen Kunden- und
Passantenverkehr geöffneten Passage durchzogen werden. Die infolgedessen
eingetretene Vermehrung des Kunden- und Passantenstroms aus diesem neuen
Seitenarm der Von Werdt-Passage verletzt aber grundsätzlich nicht die
im Jahre 1904 errichtete Zu- und Durchgangsdienstbarkeit, da diese, wie
dargetan, für die wechselnden geschäftlichen Bedürfnisse des berechtigten
Grundstücks in Gegenwart und Zukunft eingeräumt wurde, ohne dass der damals
auf diesem Grundstück geführte Hotel- und Restaurationsbetrieb der Art
oder dem Mass nach als Begrenzung des Rechtes zu gelten hätte. Auf einen
ihrer Betrachtungsweise entsprechenden Ortsgebrauch, der nach Art. 740
ZGB beachtlich wäre, jedoch nach der angefochtenen Entscheidung für solche
Passagen zwischen den grossen Strassenzügen der Stadt Bern nicht besteht,
ist die Beklagte somit nicht angewiesen.

    e) Nach alledem fragt es sich nur noch, ob die Verkehrszunahme,
wie sie jetzt vom berechtigten Grundstück her stattfindet, sich für
die belasteten Grundstücke als eine den Klägern nach Art. 739 ZGB nicht
zumutbare Mehrbelastung auswirke. Die Vorinstanz bejaht es auf Grund der
Feststellung, der Verkehr auf der Inter-Passage halte sich weit über dem
Verhältnis 1: 100 "gemessen am seinerzeitigen Zustrom zum Hotel de la
Poste von der Von Werdt-Passage aus". Die Beklagte und die Intervenientin
wollen diese Feststellung nicht gelten lassen, da sie sich auf keine
Beweise stütze. Indessen dürfte die Vorinstanz die Verkehrszunahme auf
Grund ihrer eigenen sichern Kenntnis der örtlichen Verhältnisse geschätzt
haben. Auf die von ihr erwähnten Zahlen kommt es jedoch nicht entscheidend
an. Einmal fällt nur der Zustrom in umgekehrter Richtung, auf die Von
Werdt-Passage zu, in Betracht. Was darüber in Erw. 3 in bezug auf die
Eigentumsausübung ausgeführt worden ist, gilt in entsprechender Weise
für die Ausübung der Dienstbarkeit. Sodann müsste man, um festzustellen,
in welchem Masse sich der verhältnismässige Anteil des vom berechtigten
Grundstück herkommenden Fussgängerverkehrs am gesamten Verkehr auf der Von
Werdt-Passage vergrössert habe, auch der bereits vor dem Umbau des Hauses
Neuengasse 43 eingetretenen Verkehrszunahme auf dieser ältern Passage
Rechnung tragen. Aber welches auch das Ergebnis einer solchen Abklärung
sein möchte, so könnte doch nicht allein wegen einer noch so starken
Erhöhung der auf den seitlichen Zustrom entfallenden Quote von einer
unzulässigen Mehrbelastung gesprochen werden. Da eben die Von Werdt-Passage
einerseits heute wie ehedem nach dem Willen der Eigentümer eine dem
Publikum geöffnete Geschäftsstrasse ist und eine fortschreitende Belebung
des auf ihr sich abspielenden Verkehrs grundsätzlich den Interessen der
Kläger nicht zuwider läuft, und da anderseits zu Gunsten der gewerblichen
Liegenschaft der Beklagten ein uneingeschränktes Mitbenutzungsrecht
besteht, könnte von einer Überschreitung der Dienstbarkeit im Sinne des
Art. 739 ZGB nur dann gesprochen werden, wenn durch den Zustrom aus
dem berechtigten Grundstück die zweckentsprechende Benutzung der Von
Werdt-Passage verhindert oder in wesentlichem Masse beeinträchtigt würde
(vgl. LEEMANN, N. 2, 4 und 5 zu Art. 739 ZGB, der mit Recht bemerkt, es
sei zunächst eine Frage der nähern Auslegung des Errichtungsvertrages,
ob eine vom Belasteten nicht zu duldende Mehrbelastung vorliege;
ferner K. R. NAEGELI, Die Auslegung der Grunddienstbarkeiten, S. 20 ff.,
namentlich S. 26 betreffend die Bedeutung der Beschaffenheit sowohl des
berechtigten wie auch des dienenden Grundstücks). Eine solche Sachlage ist
nicht festgestellt. Vielmehr wird bei den heutigen Verkehrsverhältnissen,
wie sie aus den Akten hervorgehen und im übrigen den Ortskundigen bekannt
sind, die Von Werdt-Passage durch die in Frage stehenden seitlichen
Zugänge auf der Westseite nicht überlastet.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufungen werden gutgeheissen, das Urteil des Appellationshofes
des Kantons Bern, II. Zivilkammer, vom 30. November 1960 wird aufgehoben
und die Klage abgewiesen.