Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 II 158



88 II 158

25. Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Juli 1962 i. S. Held gegen
Erlenhof Immobilien AG Regeste

    Art.216 Abs.2 OR. Ist die Einräumung eines Kaufrechtes an einem
Grundstück nichtig, wenn die Abrede, wonach ein Teil des Kaufpreises
sofort anzuzahlen sei, nicht öffentlich beurkundet wird?

Sachverhalt

    A.- Am 27. November 1958 erklärte sich Fritz Held gegenüber Fritz
Oppliger bereit, der durch diesen vertretenen Erlenhof Immobilien AG
das übertragbare, jederzeit ausübbare und für die Dauer von zehn Jahren
im Grundbuch vorzumerkende Recht einzuräumen, das in Burgdorf liegende
Grundstück Nr. 2163 im Halte von 4027 m2 zum Preise von Fr. 14.- je m2,
d.h. für Fr. 56'378.-- zu kaufen. Oppliger versprach ihm, Fr. 4.- je m2,
d.h. Fr. 16'108.-- anzuzahlen. Die Parteien liessen den Vertrag über das
Kaufrecht am gleichen Tage öffentlich verurkunden. Obschon der Notar ihnen
sagte, der Kaufpreis werde erst im Zeitpunkt der Ausübung des Kaufrechtes
fällig werden, schwiegen sie über die vereinbarte Anzahlung. Sie wurde in
der öffentlichen Urkunde nicht erwähnt, aber dennoch von Oppliger nach der
Verurkundung am gleichen Tage geleistet, wobei er von Held eine Quittung
unterschreiben liess, in der die Fr. 16'108.-- als "Anzahlung an Kaufpreis
betr. Parzelle Nr. 2163 gemäss Kaufrechtsvertrag" bezeichnet wurden.

    Am 3. August 1960 starb Held. Sein Sohn Peter ist sein einziger
Erbe. Die Erlenhof Immobilien AG erklärte diesem am 7. März 1961,
sie wolle das Kaufrecht ausüben. Der Vormund des Peter Held lehnte
indessen die Zustimmung zur Übertragung des Grundstückes ab, weil er den
Kaufrechtsvertrag für nichtig hielt.

    B.- Die Erlenhof Immobilien AG klagte gegen Peter Held auf Zusprechung
des Eigentums am Grundstück. Der Beklagte beantragte die Abweisung
der Klage.

    Der Appellationshof des Kantons Bern sprach der Klägerin am 27. März
1962 das Eigentum zu und wies den Grundbuchführer von Burgdorf an, ihr
das Grundstück im Grundbuch zuzuschreiben.

    C.- Der Beklagte hat die Berufung erklärt. Er beantragt dem
Bundesgericht, das Urteil des Appellationshofes aufzuheben und die Klage
abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene
Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der ein Kaufrecht an einem Grundstück begründende Vertrag bedarf
zu seiner Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung (Art. 216 Abs. 2
OR). Er ist ein durch die Gestaltungserklärung des Berechtigten bedingter
Kaufvertrag. Die Anforderungen an seine Form sind daher die gleichen
wie für Kaufverträge über Grundstücke. Die Form muss alle wesentlichen
Punkte des Vertrages decken (BGE 45 II 565, 86 II 36).

    Wesentlich sind namentlich die den Kauf kennzeichnenden
Willenserklärungen, nämlich einerseits die Erklärung des Verkäufers,
dem Käufer die Kaufsache übergeben und ihm das Eigentum daran verschaffen
zu wollen, und anderseits das Versprechen des Käufers, dem Verkäufer den
Kaufpreis zu zahlen. Deshalb macht z.B. die Nichtverurkundung eines Teils
des vereinbarten Kaufpreises den Vertrag ungültig (BGE 87 II 30 und dort
angeführte Urteile).

    Als wesentlich gelten auch jene Abreden, die für den Verkäufer
oder den Käufer so wichtig sind, dass er ohne sie den Vertrag nicht
abschlösse. Diese Bedeutung einer Abrede braucht sich nicht aus einer
beim Vertragsschluss abgegebenen Erklärung zu ergeben, sondern sie kann
auch aus den Umständen abgeleitet werden, besonders aus der sachlichen
Wichtigkeit der Abrede (BGE 68 II 233).

Erwägung 2

    2.- Der Beklagte hält an seiner im kantonalen Verfahren aufgestellten
Behauptung, die Vertragschliessenden hätten die Fr. 16, 108.--
übereinstimmend als "Schwarzzahlung", d.h. als nicht verurkundeten
zusätzlichen Preis betrachtet, nicht fest. Der Appellationshof erklärt
sie denn auch als nicht bewiesen. Da das Bundesgericht die Beweiswürdigung
nicht überprüfen darf (Art. 63 Abs. 2 OG) und die Beweislast den Beklagten
trifft, der aus jener Behauptung die Nichtigkeit des Vertrages ableitete,
ist davon auszugehen, dass die Vertragschliessenden, wie sie durch
Unterzeichnung bzw. Annahme der Quittung vom 27. November 1958 anerkannten,
die Fr. 16'108. - als "Anzahlung an Kaufpreis betr. Parzelle Nr. 2163
gemäss Kaufrechtsvertrag", also als Teil der verurkundeten Fr. 56'378. -
betrachteten.

Erwägung 3

    3.- Der Beklagte hält den Vertrag für ungültig, weil die öffentliche
Urkunde die Verpflichtung zur Leistung dieser Anzahlung nicht erwähnt.

    a) Im Vertrag über die Einräumung eines Kaufrechtes braucht nicht
bestimmt zu werden, wann der Kaufpreis fällig werde. Der Kaufberechtigte
schuldet den Preis grundsätzlich erst, wenn er durch Ausübung seines
Rechtes den bedingten Kauf zum unbedingten umgestaltet. Mangels
abweichender Vereinbarung oder Übung werden die gegenseitigen Leistungen
in diesem Zeitpunkt fällig (Art. 75 OR) und sind Zug um Zug zu erfüllen
(Art. 184 Abs. 2, 217 Abs. 1, 221 OR). Das Bundesgericht hat denn auch
bezüglich eines Kaufes entschieden, die Ordnung der Zahlungsbedingungen
gehöre nicht zu den sog. essentialia negotii (BGE 71 II 270). Es kann
daher nicht gesagt werden, Fritz Held und die Klägerin hätten durch
Nichterwähnung der vereinbarten Anzahlung in der öffentlichen Urkunde eine
Bestimmung unterdrückt, die zum Wesen des Vertrages über die Begründung
eines Kaufrechtes gehöre, d.h. ohne die ein solches Recht nicht als
eingeräumt gelten könne.

    b) Der Beklagte beruft sich auf BGE 71 II 271, wo das Bundesgericht
einen Kauf über Aktien, die dem Eigentümer die Verfügung über eine
Liegenschaft ermöglichten, als nicht zustande gekommen erachtete, weil
die vom Veräusserer vorbehaltene Einigung über "die Modalitäten der
Übertragung, der Anzahlung usw." nicht erfolgte.

    Daraus lässt sich für den vorliegenden Fall nichts ableiten. Die
Vertragschliessenden behielten sich am 27. November 1958 nicht die
Einigung darüber vor, ob und wann die Klägerin eine Anzahlung zu leisten
habe. Sie waren einig, dass nach der Verurkundung des Vertrages sogleich
Fr. 16'108. - anzuzahlen seien. Der Notar belehrte sie dann aber dahin,
dass der Kaufpreis erst bei der Ausübung des Kaufrechtes fällig werde, wenn
der Vertrag so laute, wie er ihn verfasste. Fritz Held musste also wissen,
dass er die Anzahlung nicht fordern könne, wenn es bei dieser Fassung
bleibe. Da er die Verurkundung des mündlichen Versprechens nicht verlangte,
ist davon auszugehen, es habe ihm genügt, wenn er den Kaufpreis erst im
Zeitpunkt der Ausübung des Kaufrechtes fordern könne. Das Versprechen der
Anzahlung war ihm nebensächlich; es genügte ihm in nicht bindender Form,
womit er sich gleich stellte, wie wenn es ihm überhaupt nicht abgegeben
worden wäre. Die Auffassung, er hätte den Vertrag ohne diese Zusage nicht
abgeschlossen, dringt daher nicht durch. Sie lässt sich nicht damit
begründen, das zeitlich unbeschränkte und für zehn Jahre im Grundbuch
vorzumerkende Kaufrecht habe Fritz Held so erheblich belastet, dass er es
nicht eingeräumt hätte, wenn ihm nicht ein Teil des Kaufpreises sofort
angezahlt worden wäre. An ihm war es, zu entscheiden, ob er sich trotz
dieser Belastung mit einem unverbindlichen Anzahlungsversprechen begnügen
oder ob er die Klägerin bei ihrer Zusicherung durch deren Aufnahme in die
öffentliche Urkunde behaften wollte. Da er sich mit jener Möglichkeit
zufrieden gab, kann die Abrede nicht nachträglich im Sinne von BGE 68
II 233 als eine kraft Parteivereinbarung oder sachlicher Wichtigkeit
wesentliche Klausel hingestellt werden, die wegen Nichtverurkundung die
Ungültigkeit des ganzen Vertrages zur Folge habe.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes
des Kantons Bern vom 27. März 1962 bestätigt.